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Zweifelhafte Methoden

Vor einigen Wochen erhalte ich untertags einen Anruf, mitten in einer Arbeit, die Konzentration erfordert. Ein männlicher Mensch ist am Telefon und will mit mir eine Umfrage machen. Dass ich den Anruf überhaupt annehme, ist dem Umstand zu verdanken, dass er nicht mit unterdrückter Nummernkennung anruft. Unbekannte Anrufer bleiben bei mir unbekannt, die dürfen mir maximal die Mobilbox vollsäuseln. Ich sage ihm, ich hätte für sowas im Moment keine Zeit. Später aber fällt mir wieder ein, dass ich eine Nummer von diesem Menschen habe, und rufe ihn zurück.

Ich frage ihn, wie er heißt, woher er meine Telefonnummer hat, und von welcher Firma sein Anruf beauftragt wurde. Zu letzterer Frage nuschelt er irgendeine Dreibuchstabenkombination. Ich notiere sie, hake nach und frage ihn nach dem genauen Firmenwortlaut, und nach der Rechtsform. Rechtsform? Na, ob das eine GesmbH sei oder eine AG oder wie. Er ist ein bisschen hilflos und gibt schließlich widerwillig zu, dass er das nicht wisse, es sei aber ‘eine große Firma’, und gibt mir die Telefonnummer der Geschäftsführerin, die er kenne. Sie hieße Andrea.

Außerdem meint er, er mache viele solche Anrufe, und diese Fragen habe ihm bislang aber echt noch niemand gestellt, und dass er ja gar nichts dafürkönne und das alles ein bisschen unfair finde. Ich sage, dass ich es unfair finde, in meiner Arbeitszeit von Umfragern gestört zu werden, und komme mir ein bisschen wie im Kindergarten vor. “Solche Fragen können aber offensichtlich vorkommen, also sollten Sie darauf besser vorbereitet sein. Nichtmal Ihren Auftraggeber mit vollem Firmenwortlaut zu kennen, das macht nicht gerade einen seriösen Eindruck”, sage ich. Er verspricht, sich das zu merken. Irgendwie tut er mir ein bisschen leid.

Quid pro quo – dafür beantworte ich dann auch seine Fragen. Es geht um die Zufriedenheit in Sachen Versicherungen und Versicherungsbetreuung. Nach fünf Fragen ist alles erledigt, und er fragt, “Und, war das jetzt so schlimm?”

Ich rufe die Geschäftsführerin aber aus Zeitgründen nicht an, und nach einer kurzen, erfolglosen Internetrecherche bezüglich der Dreibuchstabenkombination und ein paar Tagen werfe ich den Zettel weg.

Ein paar Wochen später erhalte ich schon wieder einen Anruf während einer konzentrierten Arbeit. Ich bin offenbar stets hochkonzentriert. Eine Dame erklärt mir, ich hätte da ja vor einigen Wochen bei einer Umfrage mitgemacht, und die Ergebnisse diesr Umfrage seien so bedenklich für die Versicherungsgesellschaften, dass diese sich zu einer konzertierten Aktion entschlossen hätten, im Rahmen derer sie den Versicherungskunden auf Antrag gewisse Verwaltungsgebühren auf die Prämien erlassen würden. Zu diesem Behufe seien im Rahmen von Outsourcing einige Mitarbeiter unterwegs, um diese Verträge zu besehen und den Gebührennachlass zu beantragen.

Ich höre mir das alles an und frage sie, warum die Versicherungsgesellschaften, wenn sie mir einen Rabatt gewähren wollen, dies nicht einfach tun und mir stattdessen irgendeinen aus der Outsource schicken, einen Ausgequollenen quasi. Mit verschwörerischem Unterton erklärt sie in etwa, dass die sich’s natürlich auch einfacher und billiger machen wollen, indem sie diese Nachlässe nur jenen Kunden gewähren, die an der Umfrage teilgenommen haben und sich von Beratern diese Rabatte hereinholen lassen. Die Information, dass ich in der Umfrage meine volle Zufriedenheit mit meinen Betreuern zum Ausdruck gebracht habe, und dass meine Polizzen bereits vom Vermögensberater optimiert sind, lässt sie an sich abperlen. Wann ich denn für einen solchen Termin Zeit hätte. Vielleicht lasse sich ja trotzdem noch ‘etwas machen’.

Sonderbare Art, zu Maklerterminen zu kommen, denke ich, aber ich habe Feuer gefangen, und dieses Spiel will ich jetzt zu Ende spielen. Ich notiere ihre Telefonnummer und jene des Betreuers, der mich zu einem vereinbarten Termin besuchen kommen soll. Und dieser Termin war heute vormittag.

Zuvor erkundige ich mich natürlich, ob ich denn mit der Vermutung richtig liege, dass dieser Versicherungen-Verwaltungsgebühren-Blabla dem Land der Märchen entspringt. Unser Versicherungsbetreuer weiß davon nichts, und der Vermögensberater ist der Ansicht, da wollte einfach jemand über die Beauftragung eines Callcenters zu Neukunden-Terminen kommen. Kalte Akquise sei verboten, man dürfe nicht einfach irgendeine Privatperson zum Zwecke der Terminvereinbarung anrufen; eine Umfrage sei aber als Erstkontakt legitim und ein späterer Anruf in diesem Zusammenhang dann erlaubt.
Unser Vermögensberater hatte Termine bei uns. Er kennt mich schon und weiß, dass Unbequemsein mir Spaß bereitet. Daher äußert er schon im Vorhinein sein Mitgefühl mit dem Makler, freut sich aber auch mit mir auf meinen unterhaltsamen Vormittagstermin, und auf meinen späteren Bericht.

Der Versicherungsmakler, der hier aufkreuzt, ahnt nichts Böses. Er sagt, “Worum es geht, wissen Sie.” Ich sage, “Erklären Sie mal!” Er sagt seinen Standardsatz auf, der natürlich nichts mit Nachlässen von Verwaltungsgebühren zu tun hat, sondern ein ganz normaler Versicherungsagenten-Einstiegssatz ist. “Unverbindliches, kostenloses Polizzenservice, ich schaue alles durch, mache Ihnen Vorschläge, und Sie entscheiden dann, was Sie tun.”

Ich erzähle ihm daraufhin, wie dieser Termin zustandegekommen ist, vom Fritze ohne Firmenwortlaut-Ahnung und der Tante mit den konspirativen Verwaltungsgebühren. Ich tue in klaren Worten meinen Unmut darüber kund und meinen Unwillen, mich derart verscheißern zu lassen. Der Makler notiert sich alles und will mit dem nachgehen. Dass dies nicht dem vereinbarten Gesprächsleitfaden für das Callcenter entspreche, sei selbstverständlich. Ich lasse ihn wissen, dass er mir persönlich sympathisch ist, dass ich aber nur jemandem Einsicht in meine vertraulichen Versicherungsunterlagen gewähre, zu dem eine Vertrauensgrundlage besteht, welche ich nach einer solchen Anbahnungsmethode nicht sehe. Ebensowenig sehe ich auch eine Grundlage, auf der ich darauf vertrauen könnte, dass diese Anbahnung nicht dem ursprünglichen Auftrag an das Callcenter entsprochen haben soll. Und dass er daher bei mir “en Aufdraht’n” habe, also zu deutsch: keine Chance.

Es tut ihm leid, dem Makler, dass wir nicht ins Geschäft kommen, denn endlich wäre da mal jemand, der ein bisschen einen “Gegenpart” böte, und er wolle auch nur ungern lockerlassen, denn “Sie wären sicherlich ganz interessant zu bearbeiten gewesen”. Wir lachen beide über diese missglückte Formulierung. Quid pro quo: Er lässt mich lesen, was die terminvereinbarende Dame über mich vermerkt hat: “Ist freundlich, aber etwas anstrengend: hinterfragt alles 100x.” Ich lasse der Dame meine besten Grüße ausrichten, und dass ich persönlich es wesentlich anstrengender finde, mich am Telefon schamlos belügen zu lassen, als 100 schwere Fragen zu beantworten.

Etwas ähnlich Unseriöses ist mir seit langem nicht untergekommen. Nicht, dass ich überrascht gewesen wäre, einfach einen ordinären Versicherungsmaklertermin vereinbart zu haben. Ich wollte einfach jemanden persönlich hierhaben, dem ich auseinandersetzen kann, wie es auf Menschen wirken kann, wenn man ihnen am Telefon so unverschämt etwas vorlügt. Wenn ich davon auf die Art schließen darf, wie diese Maklerfirma ihre Geschäfte zu machen pflegt, kann ich auf eine Kooperation gut verzichten. Das schafft nicht den Hauch einer Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Und das wollte ich gesagt haben – persönlich, laut, und ohne, dass jemand einfach auflegt.

Das überaus Sonderbare an dieser Geschichte ist nun nicht die zweifelhafte Art und Weise, wie dieser Termin zustandekam oder die dummdreisten Methoden zum Anlandziehen von Terminen. Vielmehr ist es die Tatsache, die den Aussagen des Umfragemenschen und jenen des Maklers zu entnehmen waren: Dass ich die einzige unter hunderten, vielleicht sogar tausenden angerufenen Menschen bin, die nachfragt, wer spricht, die sich sowohl gemerkt hat, was am Telefon be- bzw. versprochen wurde, als auch den Vergleich zu dem anstellt, was dann beim Termin tatsächlich stattfindet – und die daraus auch noch ihre Schlüsse zieht.

Selbst wenn Kaltakquise erlaubt wäre und der Makler am Telefon ehrlich, würde er keinen Termin bekommen, sagt unser Vermögensberater. Weil die Leute belogen werden wollen? Nein, behaupte ich, weil sie es voraussetzen – vielleicht aufgrund von Erfahrungen, die den meinen ähneln – und daher einfach nein sagen.
Kein Wunder. Sowas kostet Zeit und Nerven. Aber ich bin jetzt um eine Erfahrung reicher – und der Herr Versicherungsmakler bestimmt auch.

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Trübe Aussichten

Mit Restverkühlung an tristen Regentagen langweilige Arbeit erledigen. *gähn-gähn* Ich plädiere für sofortige Einstellung des Regens, schon weil meine Blumen draußen bereits mehr als ausreichend unter Wasser stehen. Und weil ich in den letzten Tagen von drei Hundespaziergängen, gestartet während kurzer Regenfrei-Phasen, dreimal völlig gebadet zurückgekommen bin – vom Hund ganz zu schweigen. Man könnte es in gewisser Weise also durchaus als stabile Wetterphase bezeichnen.
Aber wenigstens haben wir keinen überschwemmten Keller.

Is bei euch irgendwas Erzählenswertes los?

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Stimmliches

Immer wieder fragt ihr mich, ob ich denn nicht mal was Gesungenes online stellen könnte. Der Zauber der modernen Technik machts möglich: Ihr könnt heute zuhören, wie ich bei der Hochzeit meiner Schwester vor drei Wochen Hallelujah singe. Zwar ists mitunter recht wackelig und nicht ganz sauber gesungen, auch weil mich die Tränen der Rührung in den Augen meiner Schwester aus der Fassung bringen – aber es war einer der schönsten Momente, deshalb hab ich aus den paar Songs, die mein Bruder und ich bei der Hochzeit gesungen haben, diesen ausgesucht.
(Und im Moment wär ich schon froh, wenn ich außer Husten und Krächzen überhaupt irgendwas herausbrächte.)

Das Lied wurde dem Anlass zuliebe gekürzt und ist daher auch im Text nicht ganz schlüssig. Es gibt da nämlich im Originaltext Passagen, die sich für eine Hochzeit nicht ganz so gut eignen.

Der Szenenapplaus zu Beginn gilt übrigens nicht mir, sondern dem Trauungskuss in diesem Moment.

      Etosha singt Hallelujah

Falls die eingebettete Anwendung oben nicht funktionieren sollte, hier der Direktlink zur Datei.

Ich hoffe, ihr habt Freude dran!

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A-7. C.i. asocialis: Der Eremit

Dieser Artikel ist Teil 10 von 11 in der Serie "Schweinehunde" ...
Nanü, worum gehts denn hier? Bitte zum ersten Eintrag in dieser Serie!

A-7. C.i. asocialis: Der Eremit

‘Stille Wasser sind tief.’

Der Eremit ist, so widersinnig es scheinen mag, ein leidenschaftlicher Teamplayer und arbeitet eng mit anderen Schweinehunden aus der Vermeider-Klasse zusammen. Hier zeigt sich das volle Potential der Schweinehunde, ihre Vernetzung und ihr Teamwork zumindest sind überaus beeindruckend. Tritt der Eremit auf den Plan, geben sich auch andere Schweinehunde die Türklinke in die Hand. Im Nu dirigiert der Eremit ein ganzes Orchester, und es grunzt die Eremiten-Lobeshymne Nummer eins: “Alle Menschen san ma zwida” (Kurt Sowinetz / Beethoven).

Seine ganz großen Zeiten hat der Eremit in den frühen Morgenstunden oder eben nach dem Aufstehen, außerdem in Stresssituationen und in den Phasen nach persönlichem Scheitern. Bei Frauen lässt er sich am liebsten in der prämenstruellen Phase blicken. Dabei wird das Sprechen dir stark erschwert; obwohl manchmal sogar ganze Sätze vorgeformt in deinem Kopf bereitliegen, bringst du einfach den Mund nicht auf. In anderen Fällen schlägt der Eremit dir ausschließlich Worte vor, die immer ein, zwei Spürchen neben dem tatsächlich Empfundenen liegen, und am Ende stellst du entsetzt fest, dass das, was dabei rauskam, vom ursprünglichen Gedanken himmelweit entfernt war.

Der Eremit sorgt dafür, dass sich auf jegliche Form eines Klingelns dein Seelchen empört zurückzieht wie der angetippte Fühler einer Schnecke. Ein Anruf, eine Kurzmitteilung oder eine andere Form vorsichtiger Kontaktaufnahme, und sogleich zuckt ein fuchtiges “Was wollt ihr jetzt schon wieder von mir?” durch dein Gehirn.

Menschen, die etwas von dir wollen, sind in der akuten Infektionsphase generell ein großes Problem. Manche von ihnen glauben gar, ein Gespür dafür zu haben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sein könnte, dir ihre konstruktive Kritik zu unterbreiten. Du könntest lachen, wenn es nicht so zum Weinen wäre – und wenn du den Mund aufbrächtest.

Denn alles in dir sträubt sich gegen soziale Kontakte. Also gehst du nicht ans Telefon, öffnest nicht die Tür, du schickst keine Kurzmitteilungen, und schon gar nicht rufst du von selbst irgendjemanden an, wo doch schon einen Termin beim Zahnarzt zu vereinbaren eine unüberwindliche Hürde darstellt – denn du möchtest mit niemandem reden. Du beantwortest auch deine E-Mails nicht, und irgendwann werden die Versuche von außen weniger. Dann kann der Eremit dir endlich das Gefühl geben, dass niemand dich mag und niemand sich um dich kümmert.

Mithin die größte Qual während des akuten Eremitenbefalls sind jedoch soziale Anlässe von so verpflichtendem und offiziellem Charakter, dass der Eremit bei aller Anstrengung dein Fernbleiben nicht erwirken konnte, weil dich die Wichtigkeit des Anlasses über alle Schweinerei hinweg zu einem Erscheinen zwingt. Hier wird dir jedes Wort, das du hervorwürgen musst, Schmerzen verursachen; der innere Widerstand und deine Fratze, die ein gekünsteltes Lächeln darstellen hätte sollen, führen nach kürzester Zeit zu einer Starre in der Kieferregion und einem verkrampften Gefühl in der Kehle. Deine Gehirnzellen veranstalten eine Demo und tragen Schilder mit der Aufschrift “Ich will heim. Bitte.”

Wenn dich in diesem labilen Zustand auch noch ein Anstifter aus der compellans-Klasse reitet und dich bei diesem offiziellen Anlass zu Aussagen verleitet, die einen Tick zu direkt ausfallen (“Ich hab dich ja immer schon für einen aufgeblasenen Affen gehalten, aber heute übertriffst du alle meine Erwartungen.”), dann könnte das Asocialis’ wildeste Träume erfüllen und deine beruflichen und privaten Beziehungen lahmlegen, bis die Hölle einfriert.

Wenn du ihn aber lässt, hindert der Eremit dich völlig am Erscheinen bei Terminen und Einladungen, und vielleicht sogar daran, bei der Arbeit aufzutauchen. Wenn ein Freund in einer deiner Eremitenphasen Geburtstag haben muss, ist das eben sein Pech. Du gehst ganz bestimmt nicht auf das Fest. Hmpf!

Teamwork

Aber natürlich gibt es einen verborgenen Anteil in dir, der liebend gerne auf dieses Fest gehen würde, weil er eine Spontanheilung verspricht. Andere Schweinehunde mischen hier sehr gerne mit und liefern massenhaft Gründe und Ausreden. Der Verbieter sagt, dass du vor dem Weggehen erstmal aufräumen solltest, duschen, den Hund füttern und den Müll rausbringen. Absichtliche Überforderung in einer Phase, in der schon das Hochheben eines Telefonhörers eine unüberwindliche Hürde darstellt.

Die Hysterikerfraktion kreischt, du hättest nichts anzuziehen und außerdem Angst vor den vielen Menschen auf dem Fest. Womöglich sind sogar welche dabei, die du gar nicht kennst! Oder du musst ganz alleine in eine Bar hineingehen, huh!

Der Verächter lässt verlauten, auf diesem Fest wolle dich vermutlich ohnehin niemand haben, schon gar nicht in dieser Stimmung, und dass du es echt nicht wert wärst, dass sich jemand um dich kümmert. Das wiederum kann in einer solchen Situation eine wahre Kaskade an Selbstmitleidsgefühlen auslösen.
Schließlich ruft der Eremit den Zweifler herbei, um gegen den Anteil in dir zu kämpfen, der auf das Fest gehen möchte. Mal gewinnt der eine die Oberhand, mal der andere, und so geschieht es, dass du dich zwölfzigmal hin und her entscheidest, an-, um- und ausziehst, zwischendurch auf Stühle niedersinkst und ins Leere starrst, bis es schließlich zum Weggehen zu spät ist oder du in Tränen ausbrichst und brennende, verquollene Schweinsaugen den Ausschlag fürs Daheimbleiben geben. Der verborgene Anteil in dir liegt nach dem Kampf wimmernd und ramponiert in einer dunklen Ecke des Schweinehundestalls, den Mund mit Schweinespeck gestopft.
Der Verbieter schließlich wird später sagen, “Hatte leider keine Zeit, zu viele andere Pflichten!”.

Umso schlechter, wenn bei all diesen vermiedenen Kontakten etwas Lebenswichtiges dabei war, denn der Faulpelz fängt sofort Feuer, wenn er davon Wind bekommt und wirft sich mit voller Wucht in die Waagschale mit der Aufschrift “Nein!”. Und langsam erkennst du, dass ein Landstrich voller Treibsand dagegen ein Spaziergang ist.

Manchmal würdest du vielleicht sogar gerne jemandem dein Herz ausschütten, dich schluchzend gegen eines Mitmenschen Schulter werfen; du spürst, dass das Aussprechen dich erleichtern würde – aber du bleibst stumm und deine Augen trocken. Solltest du dabei gar eine gewisse perverse Befriedigung verspüren – sei versichert, dass es sich dabei nicht um deine eigene Empfindung handelt.

Bei einem solchen kettenreaktionsartigen Befall ist es das Beste, erstmal einen Schritt zurückzutreten und das Treiben, so gut es eben in dieser Lage geht, aus einer gewissen Entfernung zu betrachten. Es kann auch helfen, dir selbst zu bestätigen, dass du in der Tat ein überaus armer Mensch bist, der langsam zum Schwein mutiert. Selbstmitleid ist besser als sein Ruf, denn es ist oft das einzige Mitleid, das gerade zu kriegen ist. Es ist nur keine Dauerlösung.

Daher kommt danach ein Schritt der größten Überwindung: Ruf den besten Freund an, den du hast. Das mag anstrengend sein und eine Zeitspanne erfordern, während der du Löcher in dein Telefon starrst. Das macht aber nichts, du hast im Moment ohnehin nichts Besseres zu tun. Dann erzähl deinem Freund offen und ehrlich von deinem Befall. Dieser Schritt ist immens wichtig, denn er ist der erste Impuls, der dem Treiben letztlich ein Ende setzen wird.

Zukünftige Attacken abzuwehren ist schon schwieriger. Es erfordert größte Aufmerksamkeit, die erste Phase des Eremitenbefalls überhaupt zu bemerken. Manchmal ist es gut, allein zu sein, solange man darüber nicht verzweifelt. Man lasse den Eremit einfach eine gewisse Zeit lang bewusst für sich arbeiten, und genieße die Ruhe. Wenn aber etwas in dir “Genug!” ruft, sich eine seltsam perverse Befriedigung einstellt, wird es ungesund, und es ist an der Zeit zu handeln. Verwunschenerweise scheint jedoch gerade dann niemand Zeit zu haben – keine Sorge, das liegt in der Natur der Sache. Dies ist nicht der Moment für falschen Stolz. Die Zauberformel zur Manifestation von Zeithaben bei deinen Freunden lautet, “Ich brauche dich, mir gehts nicht gut”.

Interessanterweise kann man sich der Situation am effektivsten dann entziehen, wenn gerade alle Schweinehunde beschäftigt und in voller Aktion sind. Dann kannst du dich in dem Durcheinander zurückziehen, deine sehr wenigen echten Anteile zusammenpacken und unbemerkt verschwinden.

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Foto-Update

Nach ein paar eher hektischen Wochen ist endlich wieder mal etwas mehr Zeit, und die hab ich heute genutzt, um wieder mal ein paar neue Fotos hochzuladen und ein paar Geschichten dazu zu erzählen.

Dies hier fand ich am schwarzen Brett, das im hiesigen Supermarkt blau ist. Man beachte den Grund für den Verkauf:

Begründung

OT-Nebenfrage dazu: Machen eigentlich alle Handys so gschissene Fotos, oder ist meines ein spezieller Trottel? Und weil die Qualität so schön war, hier gleich noch eins. Man kann nicht alles gut lesen, erkennt aber bestimmt den Grund, warum ich es knipsen musste:

Verwirrspiel

Danke für die Information; im Vorbeifahren geht das Identifizieren natürlich noch viel leichter. Dazu kann man echt nur sagen: Do kennt si jo ka Sau aus!

Apropos ka Sau: Keine Sau weiß, warum ich immer so lang für die Be- bzw. Verarbeitung meiner Fotos brauche. So kommts, dass bei mir Anfang Juni Schneestern-Bilder erscheinen. Asche auf mein Haupt.

Schneestern
Schneesterne

Nun kommen wir aus dem tiefsten Winter zurück und zur beliebten Rubrik ‘Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich’. Man erlebt so manche Überraschung, wenn man nach einem langen Winter mal wieder einen Übertopf entfernt. In diesem Fall hatte Frau Aloe einen akuten Wachstumsschub. Warum sie mir das nicht am Dienstweg mitteilt, weiß ich nicht. Da hat man ja das Gefühl, Aliens auszupacken.

Aloe-Überraschung

Ich wundere mich auch jedes Jahr, warum sämtliche Kreuzspinnen-Nester in unserem Garten sein müssen. Heuer hatten wir drei dieser Art, zwei hab ich ausgerottet, eines aufs Feld transportiert. (Nämlich das hier abgebildete, nach dem Knipsen.) Links mein kleiner Finger zum gefälligen Größenvergleich. Ein einzelnes Nest ist etwa fünfmal so groß wie der hier gezeigte Ausschnitt.

Gartenkreuzspinnen-Nachwuchs

Wie groß die allerdings werden, illustriere ich auch gleich dazu (jeder weiß, wie groß Fliesen in etwa sind) – dadurch erklärt sich auch meine niederträchtige Ausrottung. Niemand braucht 500 dieser Viecher im Garten:

Spinne1

(Der Experte erkennt jedoch sofort: Die Farbe ist die der Babyspinnen ähnlich, aber das ist keine Kreuzspinne. Es ist eine Wespenspinne. Das leiste ich mir als Nicht-Experten-Blog und lasse das Foto jetzt einfach aus illustrativen Gründen trotzdem hier stehen.)

Was auch immer wieder mein Staunen erregt, sind die sich auf meiner Speicherkarte findenden schönen bis seltsamen Bilder nach dem Knipsen von Vögeln (den Tieren, nicht der Tätigkeit):

Schwingen

Hepp!

Eins meiner Lieblingsbilder aus der letzten Zeit ist dieses hier. Hat mit Vögeln nur bedingt zu tun.

Raup-Tier

Ich finde, der Abschnitt mit den Beinen sieht ein bisschen aus wie eine dieser Abbildungen aus dem Elektronenmikroskop.

Hier eine pazifistisch-pekuniäre Sonderanfertigung aus dem Hause Etosha:

Pazifistenvase

DAS is ein seltsames Zeugs! Kugelförmige schlüpfrige Scheißerchen, in Wasser sehr dekorativ aussehend und auch zu diesem Zwecke gedacht, zB für die Blumenvase. Hat mir meine Freundin N. mitgebracht.

Kugelhaufen

Ein Versuch einer händischen Beleuchtung und Hinterleuchtung mithilfe einer LED-Lampe auf einer Langzeitbelichtung:

Beleuchtung

Hier noch mehr Langzeitbelichtungen, am Ufer der Lavant in Kärnten aufgenommen. Übung zur Verbesserung meiner doch eher unvollkommenen Technik in Madeira.

An der Lavant An der Lavant

In letzter Zeit fielen hier im Garten häufig kleinere Schwärme von Staren ein, um die Wiese nach Regenwürmern abzusuchen. Am ersten Bild kann man gut erkennen, wie die hier entlangwatscheln, um den Würmern den Eindruck von Regen zu vermitteln und sie so hervorzulocken. Danach gehts um die Wurscht. Den Wurm. Wie auch immer.

Suche nach dem Wurm Kampf um den Wurm

Auf dem Weg zu den Vienna Harley Days und der dazugehörigen Parade am 9. Mai 2009 begeisterte mich dieses kurvige Gebäude der OMV.

OMV-Gebäude in Wien 2

Hier noch die Bilder von den Harley Days selbst. War ein Spaß, sich die vielen Stunden vorangegangener Polierarbeit vorzustellen. Die Parade selbst war übrigens reichlich kurz, die Biker fegten nur so über den Wiener Ring und waren im Nu verschwunden.

Vienna Harley-Days Vienna Harley-Days Vienna Harley-Days
Vienna Harley-Days Vienna Harley-Days Vienna Harley-Days Vienna Harley-Days
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Asiatische Zeichen anzeigen in Windows XP/Firefox/IE

Mein Hals nahm schon Sumoringer-Ausmaße an, weil ich es einfach nicht fertigbrachte, in Cehs Blog die chinesischen Zeichen angezeigt zu bekommen, weder in Firefox noch in IE! Tipps im Stile von “Da brauchst doch nur…” fruchteten nicht wirklich. Anscheinend war im Betriebssystem alles richtig eingestellt, und diverse Versuche in den Zeichencodierungs-Optionen von Firefox brachten immer nur noch mehr fehlende Zeichen, niemals aber weniger.

Da googelt man natürlich und liest immer wieder das, was man eh schon wusste, dass nämlich in der Systemsteuerung in den Regions- und Sprachoptionen unter “Sprachen” ein Häkchen bei “Dateien für ostasiatische Sprachen” gesetzt sein muss. Jaaahaaa! Was aber, wenn das Häkchen dort die ganze Zeit schon gesetzt war, und die Anzeige trotzdem nicht funktioniert?

Überraschung: Dass dieses Häkchen gesetzt ist, bedeutet in Win XP offenbar nicht zwingend, dass die benötigte Schriftart zur Anzeige dieser Schriftzeichen auch tatsächlich installiert wurde. Man kann also entweder die Sprachunterstützung erst ausschalten und dann via XP-Installations-CD wiederholen, oder aber einfach nur die benötigte Schriftart nachinstallieren – insbesondere dann, wenn man keine Windows-CD hat und/oder die erweiterte Sprachunterstützung gar nicht braucht, weil man die depperten (tschuldigung) Zeichen sowieso einfach nur anzeigen will und nicht eingeben.

Eines der dafür geeigneten Font-Files heißt zB Arialuni.ttf. Diese Schriftart runterladen und installieren, dann klappts auch mit der Anzeige im Browser.
(Wie installiert man eine Schriftart?)

Will man nur die Zeichen anzeigen, dann reicht es, diese Schriftart installiert zu haben. Eine Aktivierung der Eingabesprache “Chinesisch” in den Regions- und Sprachoptionen oder womöglich ein Einschalten der verwunschenen Eingabegebietsschemaleiste (was für ein Wort!) ist dazu definitiv nicht nötig.
(Verwunschen deshalb, weil das Ding sich immer wieder reindrängt, vordrängt und auf diverse Tastenkombinationen reagiert, selbst wenn man definitiv alle Shortcuts ausgeschaltet hat.)

Die Zeichencodierung im Browser kann man wieder zurückstellen auf “Automatisch bestimmen – Universell”.

Dank gebührt der Firefox-Wiki – die Desinformation im Microsoft-Supportcenter kann sich der Herr Gates getrost dort hinstecken, wo die Sonne niemals scheint.
(Microsoft weiß, dass die meisten Händler keine Setup-CDs mehr zu vorinstallierten Rechnern dazugeben. Es ist daher reichlich dreist, in sämtlichen Hilfedokumenten davon auszugehen, dass eine CD vorhanden ist, und dem ohnehin schon etwas krawutischen Hilfesuchenden wiederholt den Satz “Legen Sie dann die Windows-CD ein” um die Ohren zu hauen, ohne alternative Lösungswege anzubieten.)

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Seltsam eigentlich

Kaum öffnet man zu dieser Jahreszeit der Natur ein Fenster oder eine Tür zum Leuchten einer Glühbirne, kommen Eintagsfliegen und Nachtfalter daher und scharen sich um das Licht.

Wenn diese Flattermänner Licht so überaus gerne mögen, warum fliegen sie dann nicht am Tag?

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A-6b C.i. obliviscens: Fallbeispiele

Dieser Artikel ist Teil 9 von 11 in der Serie "Schweinehunde" ...
Nanü, worum gehts denn hier? Bitte zum ersten Eintrag in dieser Serie!
Weitere Ausprägungen und Fallbeispiele

Schlüssel, Sonnenbrillen, Geldbörse – nicht nur neigt so mancher Schweinehundewirt dazu, sie irgendwo liegenzulassen, auch ist der nicht gelingenwollende Abruf des entsprechenden Aufenthaltsortes ein häufiger Anlass zum Verfluchen des Vergessers. C.i. obliviscens lässt dich mitten in einer Handlung einen tranceähnlichen Zustand erreichen, sodass du später nicht den geringsten Tau hast, wo du das eine oder andere abgelegt haben könntest. Zeitdruck ist in einer solchen Situation nicht unbedingt eine Hilfe. Da kommt der Wunsch nach einem leibeigenen Hypnotiseur auf, der in deinem Unterbewusstsein nach den Informationen gräbt, die dir bewusst nicht mehr zugänglich sind. Ich habe schon Schlüssel im Eierfach der Kühlschranktür wiedergefunden. Natürlich nicht beim Suchen, sondern beim anschließenden Frustfressen. Auch ließ ich früher, als ich mit meinem Mann noch in Wien wohnte, wiederholt meinen Schlüsselbund am Briefkasten im Erdgeschoß stecken, was mir erst auffiel, als ich ihn an der Wohnungstür nicht finden konnte. Dritter Stock, Altbau.

Hat in einem Zuhause ein beliebiger Gegenstand einmal einen angestammten Platz, so wirst du ihn immer dort suchen. Je länger er dort verbleibt, desto fixer ist dieser Aufenthaltsort, zumindest im Geiste. Sabotiert wird solcherlei Ansinnen einerseits von weiteren im Haushalt lebenden Menschen, die zwar stets wissen, wo sie diesen Gegenstand finden können, ihn aber nie dorthin zurücklegen. Oder du selbst öffnest dem Vergesser Tür und Tor, etwa indem du in einer großen Umräumaktion vielen Dingen gleichzeitig einen neuen Platz zuweist. Meine Mutter hat eine große Tabelle angelegt: “Gegenstand, alter Platz, neuer Platz”. Denn wenn ein Fotoalbum zwanzig Jahre lang an einem bestimmten Platz war, wo suchst du es dann? So eigenhändig kannst du das Album gar nicht umgeräumt haben, dass du es auf Anhieb wiederfändest. Im Extremfall machst du dich auf, um es in einem bestimmten Schrank zu suchen, der, wie du bei der Ankunft am entsprechenden Platz feststellen wirst, an dieser Stelle schon seit Jahren nicht mehr steht.

Auch vollkommen sinnfreie Handlungen gehen auf das Konto des Vergessers. Warum nicht in der alltäglichen Routine den einen oder anderen Punkt überspringen und das ganze als Effizienz tarnen? So kann man nach dem Befüllen des Wasserkochers den Teebeutel an der vorbereiteten Teekanne vorbeischmuggeln und ihn mitsamt seiner bereits aufgerissenen Umverpackung seiner finalen Bestimmung im Müll zuführen. Nicht nur erspart man sich die Ziehzeit und das Teetrinken selbst, auch das anschließende Spülen von Teekanne und Tasse entfällt. Der Vergesser schickt dir auch gerne einen mitteilsamen Gesprächspartner, der dir beredt, aber trotzdem kommentarlos dabei zusieht, wie du dreißig Schnitzel panierst, ohne dazu auch nur ein Tröpflein Ei zu verwenden.

Wie schon kurz angedeutet, sorgt der Vergesser in großen Häusern, womöglich mit mehreren Stockwerken oder Räumen auf verschiedenen Ebenen, gerne für die Fitness seines Wirtes, was bei anderen Schweinehunden relativ selten ist. Willst du beim nächsten Hinaufgehen etwa das soeben gekaufte Brot mitnehmen, dann musst du es schon mitten im Weg platzieren, beispielsweise auf der Treppe. Ein schnödes Sammeln von Mitraufnehmzeug an einem Platz in der Nähe der Treppe hat in der Geschichte der Menschheit nur selten dazu geführt, dass etwas tatsächlich mit nach oben genommen worden wäre.
Aber auch hier ist kein endgültiges Vergessen drin; man will ja frühstücken, und nichtvorhandenes Brot lässt sich oben, auf der Maschine in der Küche, relativ schlecht schneiden. Die Scheiben werden dann so dünn. Um das Benötigte zu holen, an dem du soeben mit leeren Armen, sprich: mit 100% Mitnehm-Kapazität, vorbeigegangen bist, musst du also nochmal runterstapfen, und bist dabei so mit Kopfschütteln beschäftigt, dass du natürlich auch vergisst, dir wenigstens gleich das gesammelte Mitrunternehmzeug aufzuladen.

Mit-nach-oben-Nehmen ist wirklich ein schwieriges Kapitel. Ich vermute, dass auch viel mehr Menschen nach ihrem Ableben in den Himmel kommen hätten sollen.

Brot ist übrigens eine Leibspeise des Vergessers. Er verhindert, dass es abends austrocknungsresistent verpackt wird, und sorgt so am nächsten Morgen für lange Gesichter angesichts der erhärteten Tatsachen.

Wie oft verfolgen wir uns selbst und unsere Wege zurück durch die Zeit, um herauszufinden, was uns gerade dazu angetrieben haben mag, den Raum zu verlassen, um kurz darauf in einem anderen völlig ahnungslos zum Stehen zu kommen? Wie viel Zeit verschwenden wir mit Hand-auf-die-Stirn und Zurück-zum-Start?

Ich weiß von einer Freundin, die nur zuhause und nur in einem gewissen Sicherheitsabstand zwischen sich und jeglicher Notierungsmöglichkeit in der Lage ist, die Erinnerung an versäumte Pflichten im Büro erfolgreich abzurufen. Sie nennt diese Ausprägung des Vergessers “fieser Saboteur”, und hier ist der von dir gewünschte Namenszusatz: ludificans maleficus. Ein Dämmerzustand ist im Büro ja nicht selten und dient vermutlich der psychischen Gesundheit (nicht umsonst heißt es “Augen zu und durch”), und der Schlaf zwischen 9 und 17 Uhr soll ja der gesündeste sein. Ich schicke mir selbst regelmäßig Mails von zuhause an meine Büroadresse und leite diese ein mit “Hier spricht dein Gewissen!”.
Ich weiß von einer anderen Freundin, die mit wohlüberlegt gepacktem Köfferchen zum Flughafen fuhr, ohne das daheim gut sichtbar auf dem Tisch liegende Päckchen mit Ticket und Reisepass mitzunehmen, und dann in einer hektischen Aktion nochmal den ganzen Weg zurückfahren musste. Und wieder hin, versteht sich.

Das Mitnehmen von Dingen zu einem Zielort außerhalb des Hauses – vulgo “Mitbringen” – ist aber auch gar nicht so einfach. Schaffst du es doch mithilfe trickreicher Selbstüberlistungen, etwas ins Auto mitzunehmen oder in die Handtasche zu packen, ist mit diesem Teilsieg gegen den Vergesser die Mitbring-Handlung für dein Gehirn auch schon abgeschlossen. Du vergisst später garantiert, es dort abzugeben, wo es sein Ziel hätte haben sollen. Und ich weiß, wovon ich schreibe. Nicht umsonst nannte mein Mann letztens meine privaten Aktivitäten “Zustellung von Kleinscheiß aller Art”.

Apropos Teilsieg: Dem Vergesser reicht es völlig, wenn du irgendwas in der Hand hast. Es muss nicht zwingend das richtige Utensil sein. Mit einem Hut, einer Sonnenbrille oder einem Feuerzeug kann man zwar keine Autotür wieder aufschließen, sie reichen jedoch völlig aus, dir das Gefühl zu geben, deine Hände seien voll und daher wäre alles in Ordnung, und mit diesem Gefühl die bereits abgesperrte Auto- oder Kofferraumtür guten Gewissens zuzumachen. Zum Glück sind neuere Autos heutzutage anders gebaut und verhindern solcherlei Schmach, die mir anno 1992 noch nicht erspart blieb, als ich mir von ein paar Rockern am Musikfest in Waidhofen an der Thaya das Kofferraumschloss knacken lassen musste, in dem mein Schlüsselbund lag. Kostenpunkt: Drei große Biere.

Ich kann auch fotografieren gehen, ohne die Kamera mitzunehmen, oder zu diversen einzigartigen Anlässen ohne das in langen Stunden vorbereitete und wunderschön verpackte Geschenk auftauchen – mit dem richtigen Schweinehund ist das alles kein Problem. Am schwersten ist der Befall durch Obliviscens für Perfektionisten oder vom Verbieter befallene Leute zu ertragen, denn diese Menschen leiden doppelt unter jeder versäumten Gelegenheit zur persönlichen Effizienz.

Eine der besonders unbrauchbaren Künste des Vergessers sind auch seine Reminder vor dem Einschlafen. Als könnte man zu diesem Zeitpunkt auch nur das Geringste erledigen! Meines Wissens sind Arztpraxen oder Kfz-Werkstätten zu dieser Zeit weder besetzt, noch freut sich die Urstrumpftante über einen nachmitternächtlichen Geburtstagsanruf. Darum sind Block und Kugelschreiber auch am Nachttisch unentbehrliche Utensilien, um nach dem Notieren dieser lebenswichtigen präsomnalen Eingebungen doch noch ein wenig Schlaf zu finden. Wer erst aufstehen muss, um an Schreibgerät zu kommen, kann schon froh sein, wenn er noch weiß, was er holen wollte, wenn er mit schmerzhaft verkleinerten Pupillen verloren in der hellerleuchteten Küche steht.

Fazit

Das Leben mit C.i. Obliviscens erfordert höchste Konzentration. Einen eingelullten Traummännlein-Zustand kann man sich als parasitbefallener Mensch nicht leisten. Die innere Stimme bemüht sich jedoch stets, den Vergesser zu überschreien. Beim Hantieren mit Brieftaschen, Schlüsseln und Sonnenbrillen brüllt sie ihren Weckruf stets aus vollem Hals. Lausche ihrem Ruf – und platziere deine Notizblöcke günstig, dann wird alles gut. Denn das Notieren führt dich im Kampf gegen den Vergesser in eine neue Dimension: Anstatt deine Zeit mit der Suche nach Gegenständen zu verplempern, suchst du in Zukunft nach Zetteln.