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Fusion durch die Mitte

Du sitzt irgendwo und tust irgendwas. Ich frage: ja, aber nein. Fehlen spürst du, doch wohl nicht dieselbe Sehnsucht, die aus Blei, die keinen Moment Aufschub mehr erträgt. Sonst wärst du längst hier. Aber endlose Momente kommen nach. Frage wieder: theoretisch ja, aber dann doch nicht, leider.

Ein Teil von etwas Besonderem sein! Nicht der besonderste Teil darin, der mit dem wichtigeren Ziel, der mehr Rücksicht braucht. Der auf ein Sorry wartet, das er selbst nicht kann, und mir Verzeihung mit einem Immer verspricht, das nie halten kann. Der xmal Nein sagen dürfen muss, um eines von mir zu respektieren. Schon zu Beginn, leere Kilometer als Anklage gegen mein Nein. Und am Ende, zum alten Plan mein Nein – ab in die Tonne damit, und mit mir auch gleich. Spiel die dir zugedachte Rolle no matter what oder hau doch ab, mir egal, dass du Geburtstag hast.

Und dann stirbt einer, und der war vielleicht verdammt unglücklich, so wenig Zeit, nur noch ein Jahr, im Vergleich. Ich will dich anschreien, so wenig Zeit! Für all das Geld gibst du deine Zeit, kriegst du keine Zeit zurück. Kannst sie nicht nachholen. Kriegst dafür auch keine, die dich liebt. Oder die du lieben kannst. Nicht zurückholen! Nicht gutmachen! Nur weitermachen. Zeit zurückkaufen, mit feinem Lebensstil als Blendwerk und Illusion. Spielzeug, originalverpackt, nicht für uns, für mich, “Spiel du doch und leb mein Leben, vertretungsweise!” Behalten, was du nicht brauchst, aus Zeitmangel. Dafür wegwerfen, was du vielleicht doch gebraucht hättest… gegen alle Behauptungen. Doch wofür keine Kapazitäten übrigbleiben, das kann auch nicht wichtig sein.

Kein Schlaf, keine Nahrung, und dann zu viel, ungeregeltes Alles, schwindeliger Ruhepol, rastlos am Sprung. Der Kraft hinterherhecheln und auf Stabilität warten. Den Kopf nie richtig freikriegen, bei aller Flucht in Flow, Schlaf, Wichtigkeiten. Hochgestimmt, wenn was klappt, und wenn nicht, am Boden. Liegt alles nur an der schwachen Seele? Andersrum, weil die Seele deinen Körper braucht, und dein Körper deine Zuwendung. Jetzt, verlässlich, regelmäßig, nicht später. Kannst auch Zuwendung nicht nachholen, auch nicht mit zehnmal-so-lang.

Ein neues Ziel, Beweis für Existenz? Statt zu leben, was du hast. Meine beschwörende Stimme gegen die Jagd nach anderen. Will es in dein Ohr brüllen! Hab Angst, du wirst wieder umfallen, aber nicht wieder aufstehen! Die war da, von Anfang an. Werde dich geliebt haben, und es wird umsonst gewesen sein, eine weitere leere Ecke im Keller meines Herzens, die nie wieder von Präsenz erfüllt wird, ein Karton materieller Erinnerung, unter Staub und Spinnweben in fahlem Mondlicht, Buch, Stofftier, Napf. Es spielt keine Rolle. Und ist doch das einzige, was zählt.

Ich wünschte, du tätest das alles nicht. Nicht so besinnungslos. Würdest selbst bremsen, bevor es dich bremst.
Eine, der du glaubst – was sie sieht. Was sie tut. Was sie sagt. Die gute Absicht. Das wär ich gern gewesen. Mit mir zu Bett statt schnell nochmal weg.

Irgendwas killt dich immer. Mein Anspruch, mein Fehlen, klar. Die eigenen Ansprüche in Camouflage aus dem Hinterhalt, unsichtbar. Oder noch mehr erreichen wollen. Mehr, wichtiger, als meine sinnlose Liebe.

Dafür etwas aufzugeben, als stolze Tat, die den Worten folgt, verantwortlich, nicht chronologisch verdreht als Pfand mit Dankbarkeitsanspruch. Nachfragen, hinhören, verstehen wollen, neu Maß nehmen… Zeit nehmen, bedingungslos. Wars nicht wert. Aber Bedingungsloses erwarten. Was hätte ich dafür noch aufgeben sollen. Zeit mit dir?

Man soll immer dreimal fragen: nein, leider. Lasse dich also hier zurück, gebe dich auf, wie du mich aufgegeben hast. Keine Worte gefunden, die klar genug wären, was diese Zeit ist, für die du kein Gefühl hast. Das kann nur die Zeit. Und dann ist es zu spät.

In meinem Traum sind wir zusammen. Weil Liebe mehr zählt als alles andere, in meinem Traum. Alt ist er geworden. Liebe besiegt nicht alles. Nicht, wenn sie auf halbem Weg verreckt. Es war wohl nie wirklich wahr, die Illusion kann weg, die Hoffnung auch. Stolz und Vorurteil sind mächtiger. Und jetzt? Die Brücke aus “Ich liebe dich” kracht zusammen unter dem Druck von “Ich kann nicht”.

Aber ich schreie nicht, sinke auch nicht weinend an deine Schulter. Du sitzt irgendwo und tust irgendwas.

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Süße Ernte

Gedacht sei ein exquisiter Mango-Club, der keinen finanziellen Beitrag verlangt, sondern einen persönlichen. Weil dieser Club nur dann funktioniert, wenn alle ihren Anteil leisten: Baumpflege, Gießen, Unwetterfolgen beseitigen, Schädlinge bekämpfen, Ernte, Schutz vor Frost.

Die Mangos sind mit Abstand die besten im Lande. Und sie sind nicht käuflich, sie werden nur unter den Mitgliedern verteilt.

Du willst unbedingt dort Mitglied sein, kannst aber diesen persönlichen Beitrag nicht oder zu wenig leisten. Weil man dich sehr mag, ruft man dich oft an, schreibt dir, lädt dich ein, und fordert dich schließlich zur Mithilfe auf. Du versprichst, in Zukunft deinen Beitrag zu erbringen, aber bei den nächsten paar Gelegenheiten hilfst du jedesmal ein bisschen weniger dort mit und schließlich gar nicht mehr.

Wenn du dann kommst und “deinen Anteil” an Mangos abholen willst und dort argumentierst, dass du ja auch einen Job zu machen hast, einen anderen Verein und eine Ehe zu führen, und dass man das ja auch verstehen muss, dann wird man dir dort sagen:

“Es sind deine Entscheidungen, die zu deinen Umständen führen. Dafür, wie du deine anderen Verpflichtungen verteilst, liegt weder die Verantwortung noch die Entscheidung bei uns. Deine Prioritäten musst du selber setzen. Wenn du dabei sein willst, dann gibt es dafür Regeln: Es muss dir wichtig genug sein, damit du den Beitrag hier auch leisten kannst und willst. Nur dann kannst nur deinen gesamten Anteil an Früchten mitnehmen. Die Pflege der Bäume aber ist keine Regel – sie ist eine Notwendigkeit.”

Würdest du dem Club vorwerfen, das wäre unfair, und er hätte dir alle Mangos geben müssen? Oder ihm vorhalten, du hättest soeben deine Ehe für ihn aufgegeben, und er hätte dir doch daher aus Dankbarkeit Mangos anbieten müssen?
Wohl nicht. Das wäre ein absurder Anspruch.

All das würde wohl erst recht gelten, wenn der gedachte Verein nur aus zwei Leuten bestünde.
Wenn dir die Arbeit an Mangobäumen, die Bedingung für eine gute Ernte ist, gar keine Freude macht, dann solltest du deinen Wunsch nach der Mitgliedschaft in diesem exquisiten Club hinterfragen.

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Der Feminist, das unbekannte Wesen

Zur Spiegel-Kolumne “Wie kann ich als Mann Feminist sein?” von Margarete Stokowski möchte ich ein paar Punkte hinzufügen.

(Via Twitter gefunden -> Hier hab ich Platz, hier darf ich schreibm. :)

Zur Frage “Warum sollte ich überhaupt einer sein wollen?” eine provokative Überlegung retour: “Die wollen mir doch meine Rechte als Mann wegnehmen!”
-> Hm, bedeutet das nicht auch: “Fairness ist mir unwichtig, solange ich meine Rechte behalte”? Zu welcher Art Mensch würde Sie so ein Gedanke machen? Aus meiner Sicht jedenfalls zu einem, der sich, wenns mal in die andere Richtung unfair wird, auch nicht beschweren dürfte.
Ernsthaft, ich hab dazu schon so viel in der Schublade, hadere aber leider wie so oft mit mir wegen der Länge, in die ich so gerne gehe – und das nur, um in meinen eigenen Worten große Hintergründe zu beleuchten, die jede:r ernsthaft Interessierte mittlerweile genausogut oder besser anderswo nachlesen kann. Unter anderem in den Artikeln, die in der oben zitierten Kolumne verlinkt sind – darum: Lesebefehl auch für diese Artikel.
Ganz unten beleuchte ich aber noch ein paar Quadratzentimeter der Bestrebungen von Feminismus, und dass da auch Männerrechte ein großes Thema sind (woah!).

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Leistungskult

Ich hatte in letzter Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten den Leistungsgedanken auf dem Tisch. Wurde unter anderem gefragt, was daran so problematisch sein soll. Und: “Wenn ich jeden (Mitarbeiter) uneingeschränkt für sein Da-Sein wertschätze, unabhängig von seiner Leistung – wer soll dann die Arbeit machen?”

Niemand wird bestreiten, dass es Sinn ergibt, in jener Umgebung Leistung als Wertmaßstab anzulegen, in der es um Leistung geht – in der Wirtschaft. Doch selbst da wird unfair umgesprungen mit den Begrifflichkeiten. In unseren Breiten ist mit “Leistungsträger” nur derjenige gemeint, der viel Geld verdient und daher “stark ist”, weil er ja “trägt” – wohingegen all jene, die “nur” viel leisten, aber wenig verdienen, in dieser Deutung schonmal durch den Rost fallen. Kein Träger, nicht stark, keine Leistung.

Womöglich muss man sich sogar fragen, ob der Kampf um gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit, den Feministinnen seit Jahrzehnten führen, nicht ein aussichtsloses Kämpfen ist um einen Wert innerhalb eines Wertesystems, das von der privilegierten Gruppe geschaffen wurde, um genau solche Wertunterschiede herauszuarbeiten. Die Rechnung würde dann gar nicht aufgehen können, weil jedes Berufsfeld, das von Frauen erobert werden kann, als Antwort auch abgewertet werden kann.
Aber abseits von Frauen und Männern: die Wahrscheinlichkeit des sozialen Aufstiegs steigt generell mit den initial vorhandenen Privilegien. Es ist nicht für jede(n) Dahergelaufene(n) so, dass Leistung und Fleiß sich automatisch auch auszahlen.

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Nopology

Von Entschuldigungen in echten und weniger echten Varianten

~ E N T S C H U L D I G U N G

Niemand ist davor gefeit, Dinge zu sagen oder zu tun, die aus einem Affekt entstehen und einem anderen Menschen weh tun. Wir sind nicht perfekt, niemand von uns ist das. Aber wir sind in der Lage, unser Verhalten zu überdenken und dabei zu dem Schluss zu kommen, dass es nicht in Ordnung war. Wir fühlen uns dann schuldig und schämen uns.

Entschuldigungen von der echten Sorte erfordern also vorangegangene Reflektion des eigenen Fehlverhaltens, und sie erfordern Respekt vor dem Menschen, dem man unrecht getan hat. (Natürlich entschuldigt man sich auch manchmal, ohne etwas falsch gemacht zu haben, aber darum geht es hier nicht.)

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Auch politisch inkorrekt

Es war bemerkenswert, wie viele unwillige, ablehnende Reaktionen es auf Social Media auf die schriftliche Entschuldigung des Herrn Dönmez für seine sexistische Beleidigung der Frau Chebli gab. Seine Entschuldigung wurde zerrissen, mit Kritik an allen Sätzen und Halbsätzen, nicht nur an einem.

Viele kritisierten ja ein “falls sich jemand verletzt gefühlt hat” – das da übrigens gar nicht stand. So ein “falls” hätte besagt, er hätte sich nur in diesem Fall entschuldigt und ansonsten gar nicht; und obendrein, er würde es tatsächlich für denkbar halten, dass sich gar niemand verletzt gefühlt hat.

Ob man verinnerlichten Sexismus mit einem Moment der Schwäche entschuldigen kann, sei dahingestellt – der Moment der Schwäche besteht wohl eher darin, das, was man ohnehin denkt, nicht für sich behalten zu können, was am Licht auf die Sache und Person nicht wahnsinnig viel verbessert.

Zu Recht in Zweifel gezogen wird eine Entschuldigung aber, wenn ein Nachdenken und eine Entschuldigung nur aufgrund der öffentlichen Reaktion auf das eigene Verhalten erfolgte, und nicht etwa aufgrund persönlicher Reflektion und Bewertung dieses eigenen Verhaltens.
Aber im Verhältnis dazu, wie selten sich heutzutage öffentlich für irgendwelche vorangegangenen, unerträglichen Wortmeldungen überhaupt noch entschuldigt wird, war sie ja gar nicht soo schlecht.

Nur unter ehrlichen und fairen Verhältnissen ergibt eine ehrlich gemeinte Entschuldigung überhaupt Sinn. Sie wird immer unredlich sein, wenn das Setting es auch ist. Im politischen Zusammenhang geht es ja letztlich ohnehin weniger um Vergebung als darum, eventuell doch noch den eigenen Arsch zu retten und seine Position nicht zu verlieren.

Im Falle Dönmez ist das nur so halb gelungen, und das lag letztlich wohl weniger an der missglückten Entschuldigung als an der transportierten Haltung. Vielleicht wurde auch das angestrebte Ziel erreicht – NR bleiben, nur nicht mehr in der Fraktion? Man weiß es nicht. Seine an den Haaren herbeigezogenen Umdeutungsversuche sprechen aber eher dagegen.

Vor sexistischen Ansagen wird nicht nachgedacht, das ist charakteristisch, eben weil es sich nicht nur um einen oberflächlichen Witz handelt, der halt grad passt. Es ist eine so tief verwurzelte Weltsicht, dass die Betroffenen sie wohl innerlich für die Wahrheit halten, mit der man heutzutage höchstens aus sozialverträglichen Gründen hinterm Berg halten muss – nicht, weil sie als grundlegend falsch empfunden werden könnte. “Es kommt nix raus, was nicht auch drin ist”, rufen da allerlei Großmütter. Daher wohl auch die Kritik am “Moment der Schwäche”. Sexismus ist keine Schwäche, sondern ein Ausdruck eines völlig unreflektierten Glaubens an die Überlegenheit der eigenen Gruppe, auch als Chauvinismus bekannt.

Echte Gleichstellung und ehrlicher Respekt vor Mitgliedern einer anderen Gruppe bedeutet, dass Vorurteile und Abwertungen gar nicht erst gehegt oder zumindest innerlich aufs Nachdrücklichste und immer wieder herausgefordert, objektiviert und korrigiert werden – und nicht, dass sie nur nicht geäußert werden.
Oder, einfacher formuliert: Ein Sexist bleibt ein Sexist, auch wenn er sich noch so schön entschuldigt. Nur dass eben mit einer ehrlichen Entschuldigung – in Absicht und Formulierung – hier eben gar nicht erst zu rechnen war.

Wäre es für Frauen tatsächlich so einfach, dauerhaft an gute Jobs zu kommen, die dann auch über Blowjobs hinausgehen, hätten sie nicht jahrhundertelang für gleichwertige Bildung für Frauen gekämpft.

Geht mann allerdings ganz selbstverständlich davon aus, nur sexuelle Dienste am anderen Geschlecht würden Frauen gute Jobs verschaffen, dann deutet das in erster Linie wohl darauf hin, dass diese Schlussfolgerung aus selbst angewandter “Praxis” entstanden sein dürfte. Es liegt also doch nicht am Peter-Prinzip, dass manche Stellen fehlbesetzt sind, sondern eventuell daran, dass Angestellte anhand von, sagen wir mal, eher jobfremden “Skills” ausgewählt werden?
Naja, jeder in seinem beruflichen Umfeld, was ihm am wichtigsten erscheint; hat ja nicht jeder den wirtschaftlichen Erfolg als sein oberstes Ziel. Das ist natürlich in erster Linie ein Armutszeugnis für den Absender. Solche Bewerbungsszenarien allen anderen (Männern) ebenfalls zu unterstellen, ist aber auch eine Beleidigung für alle (Männer), deren Aufgabe es ist, Stellen zu besetzen; nicht nur für die gemeinten Frauen.

Daher ist es fraglich, ob irgendeine auch noch so form(ulierungs)vollendete Entschuldigung hier tatsächlich Ruf oder auch nur Glaubwürdigkeit hätten wiederherstellen oder auch nur teilweise reparieren können. Aber dass sich nicht mehr Männer von dieser Unterstellung beleidigt gefühlt haben – das wiederum zeigt die scheinheiligen “Werte” in dieser Kultur. Sie merken gar nicht, dass sie gerade pauschal als Blowjob-Vergewaltiger bezeichnet wurden, oder es ist ihnen einfach egal.

Für mich waren die vielen negativen Reaktionen auf die Entschuldigung insofern erfreulich, als sie mein Empfinden bestätigten: Entschuldigungen, die gar keine sind, sollten auch nicht als solche getarnt werden.

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Handgemenge

Ich wurde gestern gefragt, warum die “linke” Twitter-Bubble hierzulande sich intern derzeit so zerrauft, warum darin so viel Aggression und Streit herrscht. Ich habe erklärt, was ich für den Grund halte, und wurde daraufhin eindringlich gebeten, das zu bloggen. Also blogge ich es.

Es geht dabei nicht nur um Social Media, sondern um eine Gesellschaft. Twitter-Bubble kann hier stellvertretend für alle kleinen und größeren Gruppen stehen, schätze ich. Familien, Freundeskreise, Arbeitsgruppen, Vereine, vielleicht sogar Parteien… Die Wege sind dann vielleicht andere, das Prinzip bleibt vermutlich gleich.

Mich mit dem, was zu fremd ist und mich zornig macht, weiter abzugeben, kostet mich auf Dauer zu viel Zeit, Kraft und Nerven. -> Schotten dicht.
Die erste Auftrennung in Richtig und Falsch ist damit schonmal geglückt – wir verschließen unsere Bubble-Grenzen: Alles, was extrem rechts ist und hetzt oder provoziert, Grenzen verletzt, entwürdigend beleidigt und unverhältnismäßig attackiert, wird geblockt. Legitim, denn meine Bubble suche ich mir immer noch selber aus, auf Social Media ebenso wie im echten (Privat-)Leben.

Oft wird davor noch “diskutiert” bzw “zurückgeschlagen” – mit harten Bandagen, weil jeder weiß, dass mit ExtremRechts nur schwer zu diskutieren ist: Affekte wie Sorge und Angst werden da dreist zu politischen Argumenten aufgebläht, Menschenverachtung und Übergriffigkeit als freie Meinung kostümiert und die Aggression daraus unreflektiert auf gruppierte Ziele entladen. Man gewöhnt sich schnell an, darauf – wenn überhaupt – nur sehr harten Konter zu geben.

Völlig dicht ist die Bubble ja nie. Die Attacken gehen weiter, wenn auch aus anderer Richtung. Die zornige, aggressive oder oft auch hilflose Energie aus den übrigen Interaktionen brodelt in uns weiter – und wird entsprechend kommentiert. Sie wird damit ständig in die Bubble importiert und schließlich auf deren Mitglieder projiziert. Ausagiert wird all das innerhalb der weitgehend abgeschotteten Bubble. Grenzüberschreitungen und Methoden* aus dem Umgang mit ExtremRechts werden dabei mitunter 1:1 für Zwiste innerhalb der Bubble übernommen. Und der angewöhnte harte Konter lässt einen womöglich in der nächsten Diskussion mit einem Bekannten vergessen, wen man vor sich hat.
*Etwa “Anprangerungen” wie Nonmentions und Screenshots statt Tweets mit Link, auf die der Gemeinte auch reagieren könnte.

Kurz gesagt, “friendly fire” wird allzu unbedacht eröffnet, und Zack! Alles zersplittert. Und wie soll eine zersplitterte Gesellschaftsgruppe gemeinsamen Widerstand leisten?

Die linken Fraktionen fahren oft kein vehementes Programm, eines mit eigener Sprache und eigenen Werten, das sich Raum verschaffen würde, sondern liefern nur Kritik oder gar segmentweise Anbiederung an rechte Standpunkte – sie, die es doch besser wissen müssten und sowas beherrschen sollten! Daran stören wir uns!

Und wir schaffens im Kleinen genausowenig. Warum? Weil wir tagtäglich fremdes Gift von Außerhalb mit “nach Hause” bringen, einerseits die fremdinitiierte Aggression, andererseits die fremden Denkmuster, an denen wir unsere Kritik festmachen – und mit der wir diese Denkmuster weiter verstärken!

Denn auch die toxischen, fremden Inhalte werden in die Bubble importiert – in Form von Zitaten, “Einzelfällen”, “Entgleisungen”, Artikeln, Schlagzeilen und deren Interpretationen.
Wie im letzten Blog-Eintrag ausgeführt, beeinflusst das ständige Wiederholen von vorgefertigten Deutungsrahmen/Frames* sowohl die Ausprägungen unserer neuronalen Netze als auch in weiterer Folge unsere schiere Wahrnehmung der Wirklichkeit! Wir nehmen buchstäblich die Wirklichkeit gefiltert wahr, gefiltert nach Rahmen und etablierten Denkmustern. Welche sich etablieren, bestimmt die Wiederholung. Welche Filter wirken dürfen, bestimmt nicht das logische Nachdenken!

Jeder kennt die beinah sprichwörtliche Aufforderung, jetzt nicht an einen rosa Elefanten zu denken, und weiß, wie wenig sie funktioniert. Auch Frames werden auf diese Weise im Hirn aktiviert – durch ihre schlichte Erwähnung. Da hilft kein “nicht” und kein “kein” davor, eine Negierung – wie stark sie auch immer sein mag – ist nicht in der Lage, die Aktivierung eines Frames zu verhindern. Daraus folgt: Selbst wenn wir eine Aussage empört wiederholen, verstärken wir damit die erleichterte Aufnahme der kritisierten Kacke in die Gehirne aller! Durch unsere Wiederholung und damit Aktivierung des abgelehnten Denkmusters in unserem eigenen Gehirn und in dem der Leser findet das Muster ganz von selber seinen Weg in die Normalität.
* Willkürliche Zusammenhänge, sprachliche Umdeutungen, Herabwürdigungen, absichtlich auf weitverbreitete Assoziationsketten abzielende Begriffe, insgesamt: Denkmuster.

Und nein, dagegen ist niemand immun. Du nicht. Und ich auch nicht. Auch politische Experten nicht.
Es ist uns auch ein bisschen peinlich, dass man (mithilfe von simplem “Priming” zB) mit unseren Hirnen einfach so Sachen machen kann, ohne dass wir es wollen. Diese Mechanismen zu ignorieren und uns selbst eine freie Wahl der Denkmuster zu bescheinigen, ist weitaus leichter, als diesen Mechanismen ins Gesicht zu sehen. Das ist menschlich! Aber es muss uns zu allererst bewusst werden, dass jeder Pfad, der in unseren Gehirnen ausgeleuchtet und weiter ausgetreten wird – i.e.: unser Denken – extrem von außen beeinflusst ist, mit jedem Wort und jedem Satz, den wir hören und lesen. Und damit auch jeder Satz, den wir daraufhin ausspucken. Wenn wir das nicht (an)erkennen und unser Sprach- und Schreibverhalten danach drastisch verändern, fungieren wir als Multiplikatoren der anderen Seite, statt uns eindeutig zu positionieren. Und wir merken es noch nichtmal.
(Bitte lest dazu (nochmal) die ersten paar Kapitel von “Politisches Framing”! Bitte!)

Zur lösungsorientierten Überlegung trägt ein Gedanke wesentlich bei: Man erhält Antwort auf das, was man fragt. Im Vergleich zur Frage “Warum?” erhält man die besseren Antworten auf die Frage: “Was?”
Was kann da helfen? Was kann ich selber tun? Was können wir dann gemeinsam tun?

Ich werfe mal ein bisschen was in die Runde: Erstmal Bewusstmachung!
Reflexion – Hinterfragen des eigenen Empfindens und Handelns. Selbstkritik. Affektkontrolle.
Wo kommt das her? Welchem Denkmuster entspringt es? Ist es eines, das ich transportieren und verstärken will? Wie verleihe ich mir am besten Ausdruck? Und wie nicht?
Zeitlicher Idealpunkt dafür: Vor der Interaktion mit anderen. Vor dem Abschicken eines Tweets, einer Reply, eines Mails.
Input-Management: Wie viel meiner Zeit und Aufmerksamkeit widme ich fremden Denkmustern, die ich mir freiwillig oder unfreiwillig täglich reinziehe? Wo liegen meine Grenzen? Was funktioniert am besten als Ausgleich?

Und auch: Wieder öfter das verstärken, was Aufmerksamkeit verdient hat.
Es ist ein alter Hut: Es gibt keine “schlechte Publicity” – es gibt nur Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder eben keine Aufmerksamkeit. Freilich kann man nicht alles, was einem nicht passt, totschweigen. Aber auch nicht alles davon muss hervorgezerrt und kommentiert werden. Nicht, während wir immer noch zu wenig von dem dagegenstellen, was für uns tatsächlich von Wert ist.

Es liegt nicht daran, dass wir keine gute Streitkultur hätten. Es liegt daran, dass wir dem Wind, der uns zerzaust, ungeschützt ausgesetzt sind, ohne dass es uns überhaupt bewusst wird, und dass wir dagegen noch keine guten Strategien haben. Also tun wir weiter so, als wären wir unzerzausbar, während wir schon aussehen wie ein Mopp, mit dem man auch gut in die Ecken kommt. :)

-`ღ´–`ღ´–`ღ´–`ღ´–`ღ´-

Ich kann dazu gern noch weiter differenzieren und ins Detail gehen. Denn auch wenn es so wirken mag – ich meine es nicht schwarz-weiß. Es wird aber vielleicht schwarz-weiß interpretiert, weil alles derzeit gern schwarz-weiß interpretiert wird.

Allerdings war ich gestern in diesem Gespräch, das sich noch am Parkplatz fortsetzte, schon erstaunt von dem Statement: “Ich hab das so noch nirgends gelesen! Das müssten alle hören, schreib das!”. Sogar eine anonyme Zuhörerin hat sich aus dem Dickicht immer näher an das Gespräch herangepirscht und uns schließlich nach dem konkreten Anlass und mich nach dem Blog-Link gefragt.

Meine Einträge neigen bekanntlich aber ohnehin zu überbordender Länge. :) Also schick ich’s einfach mal so raus und schaue, ob das vorhergesagte Interesse tatsächlich eintritt – und auf welche Komponente(n) es sich richtet. Bitte sehr gern in die Kommentare damit! Auch Twitter-Kommentar, Twitter-DM oder E-Mail (etosha ÄT weblog.co.at) geht natürlich. Merci! <3

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Der narzisstische Staat

In einer globalisierten Welt die Probleme, die alle Menschen betreffen, auch gemeinsam lösen – ja, das wärs. Das würde aber voraussetzen, dass das Entstehen eines vollen Bewusstseins über ein gemeinsames Problem überhaupt offiziell gestattet wird. Das ist nur so halb der Fall. Machenschaften sind ja auch nur so lange rentabel, wie es höchstens halb-offensichtlich bleibt, auf wessen Kosten hier gewirtschaftet wird.

Da ist es für den mülltrennensollenden Durchschnittswestler naheliegend, bei globalen Zusammenhängen von sich wegzuzeigen: “Das ist doch alles nicht auf meinem Mist gewachsen, bei irgendeiner Kolonialisierung war ich persönlich doch gar nicht dabei, und dass unser Lebensstil hier auf Kosten irgendwelcher Dritteweltländer geht, wusste ich ja nichtmal richtig. Ich hätte das auch nicht so entschieden, aber mich hat ja niemand gefragt.”
In einer benachbarten neuronalen Region ist vielleicht fehl-verankert, dass wir Anspruch auf unsere Demokratie hätten und andere Bestrebungen gar nicht möglich wären. Schemenhaft ist bewusst, dass unser Wohlstand einen Preis hatte, den wir nicht nur ganz allein berappt haben. Bei wem konkret man in der Schuld stünde, bleibt aber angenehm unklar.

Den (paar) Damen und Herren in Machtpositionen sind die globalen Zusammenhänge wohl weitaus konkreter präsent. Diese dürfen aber nicht vollständig an die globale Bewusstseinsoberfläche dringen, am besten nichtmal an die des einzelnen Machthabers. Sonst würden sofort toxische Mengen an Schuldgefühlen wirksam. Und wer wollte da schon hinschauen? Mitverdeckt bleibt dann bequemerweise auch, wie profitabel diese Zusammenhänge für den einzelnen jeweils tatsächlich waren und sind.

Erzwungenes Wegschauen, daraus entstehen umgedeutete und verdrehte Tatsachen, dass einem sehr täglich sehr blümerant wird. Auf Neudeutsch heißt das dann “Reframing” – das mehr oder weniger elegante unterm-Arsch-Wegziehen des kontextuellen Bezugsrahmens. Zur Vertuschung wahrer Absichten und Verwirrung des Gegenübers. Ein krankhaftes Symptom, für den politischen Alltag legitimiert von sogenannten Strategen. Wir erleben das regelmäßig in der Tagespolitik. Wann war da zuletzt irgendwer für irgendwas voll verantwortlich? Wann hat jemals jemand einen Fehler einfach zugegeben und sich ehrlich entschuldigt? Paradoxe Szenarien, in denen uns kontinentale Vernetzungen aufgetischt werden von Leuten, die jede echte Vernetzungsidee grundlegend ablehnen. Und die glauben, Solidarität wäre, wenn es gemeinsam gegen einen Schwächeren geht.
Einzelfälle ohne Aussagekraft, Einzelschicksale ohne gewollte Grausamkeit.

Der Knoten im Magen lässt sich da vor der nächsten Verdrehung gar nicht mehr richtig auflösen. In einer zwischenmenschlichen Beziehung würde jeder feinfühlige Mensch solche Strategien ablehnen, beim Namen nennen und sich zurückziehen, bevor er unter einem Mangel an Kompromissen auf der Strecke zu bleiben droht.

Für Machtpositionen hingegen braucht es einzelne Personen, die an ihre eigene Grandiosität glauben und ohnehin hobbymäßig Allmachtsphantasien spinnen. Die sich für exquisit und überlegen halten und das anhaltend von außen bestätigt bekommen müssen. Zu viele Fehlzündungen in der autonomen Selbstwertregulierung. Für das Bestehen und Gewinnen eines Wahlkampfes sind das ideale Voraussetzungen!

Wenn dann noch ein paar weitere narzisstische Persönlichkeitsmerkmale mitspielen in der nationalen oder globalen Beziehung, wird daraus eine, in der:

  • Partner abgewertet werden.
  • Brauchbare Strategie zur weiteren Selbstwerterhöhung. Zynismus und verbale Aggression sind an der Tagesordnung, eigens dafür erfundene Schlag-Worte werden einprägsam von allen wiederholt – ob empört oder fasziniert ist egal, Hauptsache wiederholt. Privilegierte Gruppen werden weiter erhöht, unterprivilegierte dorthin zurückgedrängt, wo sie seit jeher hingehören, an den Herd, in die Versenkung, ins Ausland. Zurückrudern in die Vergangenheit.

  • Anspruchsdenken herrscht.
  • Aus einem Lebensstil, der zur lieben Gewohnheit geworden ist, leiten wir einen künftigen Anspruch ab und verteidigen ihn, als hätten wir ihn uns eigenverantwortlich verdient, während wir gleichzeitig denken, was interessiert mich, woher die Möglichkeit dazu einst gekommen ist? (Wir bemerken, die Eigenverantwortung hat da nur ganz kurz vorbeigeschaut, so lange, wie es nötig war, den Anspruch zu berechtigen.)
    Ein Mädchen, das in der dritten Welt einen Kanister Wasser sehr weit und lange trägt, hat auch den ganzen Tag schwer gearbeitet, aber damit doch noch lange keinen Wohlstand verdient! Ich bin 40 Jahre ins Büro gegangen, he. Wir haben richtig gewirtschaftet, wir haben was aufgebaut, wir haben Gewinne und ein Pensionssystem. Der soziale Futternapf gehört daher unseren Leuten, wir wollen doch nicht deren Probleme importieren, bittschön.
    Anspruchsdenken dient der Gewissensberuhigung bei der Benachteiligung anderer.

  • Mitgefühl fehlt.
  • Was ich selbst nicht am eigenen Leib erfahren habe, ist mir auch nicht zugänglich, sorry. Und da mir meine eigenen Empfindungen generell nicht sehr nahe sind, ist das mit dem Mitgefühl so eine Sache. Wenn ihr euch die Miete nicht leisten könnt, kauft euch ein Haus. Wenn ihr bei 12 Stunden Arbeitszeit keinen Kinderbetreuungsplatz kriegt, nehmt den Privatkindergarten. Wenn ihr nicht enteignet und abgeschoben werden wollt, wenn ihr nicht ersaufen wollt – dann bleibt halt daheim! Wo ist das Problem? Sollen sie doch Kuchen essen!

  • Ausbeutung und Missbrauch an der Tagesordnung sind.
  • Anspruchsdenken und Mitleidlosigkeit führen direkt hierher. Wer für sich mehr fordert, als ihm zusteht, tut das immer auf Kosten anderer. Umso mehr, als er an seiner Macht weiterhin mit aller menschlichen Nötigkeit hängen muss. Macht ist geil, Mitgefühl beurlaubt, da könnte ich doch ein paar Menschen abschieben, die grad nicht damit rechnen, so als kleines Geburtstagsgeschenk an mich selbst. Alles Gute!
    Reaktionsheischendes Verhalten, das darauf abzielt, im Empfänger Emotion auszulösen, egal ob positiv oder negativ, die den Mangel an eigener Empfindung irgendwie kompensieren soll. Diese Reaktion dann den Reagierenden wahlweise als “zu empfindlich” vorwerfen, “zu weltfremd” oder “zu mitgefühlsbetont”, der “Gutmensch” als Schimpfwort, Menschlichkeit zur Psychose degradiert, als würden barmherzige Empfindungen und Denkvermögen einander von vornherein ausschließen. Und als würde deren nach Aufmerksamkeit lechzendes Verhalten jede einzelne Überschreitung aller Grenzen von Anstand, Redlichkeit und Gewaltfreiheit rechtfertigen. Sich aber gleichzeitig auf irgendwelche “Werte” berufen. Sich am Ende als das Opfer von Hetze wähnen, wenn nicht sogar alle Nonnen im Land diese Überschreitung schweigend hinnehmen.
    Wie doppelzüngig. Und da soll’s einem als anständigen Menschen nicht die Sicherungen durchhauen?

  • Verantwortung abgelehnt wird.
  • Das ergibt sich geradezu zwangsläufig aus allem anderen, sonst würde diese Strategie gar nicht funktionieren. Ein Dauer-Engagement in der geliebten Opferrolle, bis zur ersehnten, hochdotierten Pensionierung hinter einer sehr undurchsichtigen Gartenhecke.

    Es entsteht eine Beziehung, in der eine Seite peinlichst darauf bedacht ist, unangreifbar zu bleiben, gut dazustehen, die Verantwortung nicht übernehmen zu müssen, während sie selbst den größten persönlichen Nutzen daraus zieht – in der Personen-Politik genau wie in der nationalen und der internationalen, im kleinen wie im großen Kontext. Die anderen sind schuld! Abgrenzen. Die und wir. Wegschauen, negieren, auf vermeintlich naturgegebene Ansprüche pochen und alle Impulse unterdrücken, die sich gegen all das wehren, innen und außen. Durchziehen und durchgreifen, arrogante, unerbittliche Kaltblütigkeit hinter Scheuklappen. Dann demonstrieren da halt ein paar, na und? Man kann’s nicht jedem rechtmachen, gell, haha, Prost!

    Vorbildfunktion dürfte das theoretisch nicht haben, praktisch werden manche Anschauungen sogar unbesehen übernommen, schließlich scheinen sie zu Erfolg und Macht zu führen. Wer das ausbadet, sehen wir noch nicht. Empathischere Bürger leiden unter dem mitleidlosen Egoismus, wissen sich aber auch nicht zu helfen, funktioniert doch ihr von Rücksicht geprägter way of life auch nur in sehr engen Kreisen. Doch selbst wenn sie jeglichen kapitalistischen Lebensstil hingeben wollten für mehr Mitgefühl, bliebe solch Einzel-Aktionismus im globalnarzisstisch geführten Diskurs völlig ungesehen. Entscheidender ist doch, dass auch die Empathen bald irgendwie das Gefühl kriegen, es sei ja auch zu ihrem Besten. Man kämpfe ja auch und gerade für jene, die sich weniger wehren können, für unser aller Sicherheit, für “unsere” “Werte”!

    Und auf der anderen Mittelmeerseite der globalen Ungleichung, welches Gefühl entsteht da? “Die ganzen Jahre war ich dir als “Freund” gut genug, aber dann, als es mir scheiße ging, hast du mich nicht reingelassen!” Ist das die Beziehung, die wir weiterführen wollen? Welche Ressentiments, welcher Backfire wird uns daraus in Zukunft noch entgegenschlagen? Hat sich das jemand überlegt? Wichtig scheint vielmehr zu sein, was uns im Moment noch zum Vorteil gereicht. Auf den egoistischen Positionen so lange zu verharren, wie es irgend geht. Die Strategie strapazieren bis zu einem Zerreißpunkt, an dem dann alles den Bach runtergehen muss.
    Vorbeugen, vorausdenken, umsichtig taktieren, nachgeben – Fehlanzeige. Me, me, me – now, now, now.

    In der narzisstischen Scheinwelt wird eine geraubte Kindheit nachgeholt, frei von Schuld und Verantwortung. Da fehlen ein paar wesentliche Upgrades auf Erwachsener 1.0. Den Blick abgewendet von der eigenen Verletzlichkeit, an eine Rettung in der Zukunft glaubend, in der die Unbesiegbarkeit, ja, die Unsterblichkeit doch noch für uns alle wahr wird! Bis dahin führt der Weg über eingeschränkte Reflexion und fehlendes Mitgefühl zu panischer Angst vor dem Beweis des Gegenteils, vor einem “Aufgeblatteltwerden” und somit Einsturz des fragilen Trugbilds. Da hilft nur wegschauen, wegschauen, wegschauen. Das jeweilige Gegenüber in eine erfundene Wirklichkeit hüllen. Und ihm jedes bisschen Macht möglichst abknöpfen. Je weniger Macht du hast, umso weniger kannst du an meinem wackligen Gebilde rütteln.

    Doch kein Staat kann es sich wohl leisten, Verletzlichkeit dauerhaft und offen zu präsentieren. Und damit findet das Töpfchen sein Deckelchen. Staatsmänner und -innen beherrschen die Strategie der Wahl bereits. Toxische Menschlichkeit als globale, kurzsichtige Abwertungs-, Ausbeutungs-, Egoismus- und Kriegsseuche im Spiel um die finanziellen Vorteile auf der Welt. Die alles mit sich reißt. Für ein paar persönliche, punktuelle Jahrzehnte schamlosen Wohlstands. Des hamma uns verdient.

    Viel zu viele unreife Menschen in Machtpositionen gebären nationale Positionen. Im globalen Zusammenhang ist das fatal für alle. Nicht schuldig, nicht beschämt, nicht verantwortlich. Das ist unsere infantile globale Position.

    Wir sind nicht unverletzbar, nicht als einzelne Menschen, nicht als Familie, Dorf, Staat, Staatengemeinschaft. Wir können auch mit noch so viel Macht diese Verletzbarkeit nicht wegzaubern.
    Wir können sie nur akzeptieren und uns danach verhalten. Demut, Mitgefühl und Fairness würden auf solchem Boden vielleicht auf natürlichem Wege gedeihen. Dann ensteht Verantwortungsgefühl für unsere Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft.

    Es ist wie in einer guten Beziehung: Wir lösen Probleme dann gemeinsam, wenn wir sie als gemeinsame Probleme begreifen und uns fragen, aus welchen Kompromissen eine mögliche Lösung bestehen kann. Wer von seiner Position keinen Millimeter abrücken will, auf eigene Unschuld beharrt oder darüber streitet, wer schuld ist oder wer angefangen hat, bleibt im Problem gefangen und wird mit ihm untergehen.

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    Sehet auch die Kolumne von Sybille Berg im Spiegel Online, Das sinkende Schiff.

    Artikel

    Nein? Arschloch.

    Macht einen Nein-Sagen gleich zum Arschloch?
    Eine eingehende Sichtung von Nettigkeit und Nachgiebigkeit, von Grenzsetzung und Gefühlsabwehr.

    Ich hab “Widerworte” gelesen, die “Emanzen-Kolumne” auf kupf.at von Jelena Gučanin, die sich darin auf die Psychologin Jacqui Marson bezieht. Sie richtet sich gegen anerzogenes Nett-Sein und plädiert für häufigeres Nein-Sagen.
    Titel: “Mehr Arschlochfrauen”.

    “Das Ideal der netten Frau verneint ihren Selbstwert, ihre Würde, ihre Intelligenz und ihre Selbstliebe. Denn die Botschaft ist: Frauen sind da, um anderen zu gefallen.”

    schreibt Jelena Gučanin in der Kolumne.
    Und das stimmt völlig.
    Und es kann weg.

    Was in dem Artikel als Arschloch-Verhalten gedeutet wird, ist jedoch nichts weiter als gesunde Grenzsetzung, legitime Abgrenzung und faire Verteilung der Verantwortlichkeiten, was wohl viele Frauen rein deshalb schon als Arschlochsein abnicken, weil ihnen ein faires 50:50 konsequent aberzogen wurde.

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    „Hm?“ ist keine Frage

    Es ist ein Laut mit einem stimmlichen Fragezeichen hintendran, ein Laut, der sichs leicht macht. Wer darauf nicht die erwünschte Antwort erhält, sollte sein Gegenüber nicht für stur oder taub halten. Es möchte eventuell nur stattdessen eine tatsächlich ausformulierte, aus echtem Interesse entstandene Frage gestellt bekommen. Etwas, das ein bisschen mehr Mühe erfordert.