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Schuldgefühlrecycling

Ich habe ein Problem: die Sache mit dem Essen-Wegwerfen. Also Feldforschung – ich fragte erstmal meine Mutter, ob sie uns Kindern eingeimpft hätte, dass man keine Lebensmittel wegwirft. Sie glaubt nein. Aber ich weiß noch, dass sie uns zur Schnecke gemacht hat, wenn sie entdeckte, dass wir unser ungeliebtes Jausenbrot zu Hause in den Müll geworfen hatten. So kam es, dass wir es fortan am Heimweg von der Bushaltestelle entsorgten – in das Kornfeld am oberen Ende der Gasse, samt Alufolie. Guter Wurf!
Also muss ja doch was dran sein an der Impfung.
Heute lasse ich immer alles so lange im Kühlschrank, bis es ungenießbar ist. Danach ist wegwerfen legitim: kaputt. Etwas vorher schon wegzuwerfen, weil ich bereits weiß, dass ich es nicht essen werde – das kann ich nicht. Die armen äthiopischen Kinder, oder was weiß ich. Ich denke dann immer: Warum hast du das unbedingt kaufen müssen, wenn du es jetzt nicht isst? Zum Beispiel hat das arme Hühnchen sein Leben dafür gegeben, einen Menschen zu ernähren, und was machst du? Schmeißt es einfach in den Müll. Aber das Hühnchen ist bereits tot. Es war bereits tot, als ich es im Supermarkt vorfand. Hat sich nicht für mich schlachten lassen. Der Hühnerbauer hat sein Geld bekommen.
Als militanter Vegetarier könnte man doch auch Fleisch aufkaufen und dann wegwerfen. Damit niemand es isst.
Aber wie befreit man sich von solch geistigem Unrat? Er ändert ja nichts, außer die Schuldgefühlbilanz in meinem Kopf! Mein neuer Glaubenssatz lautet daher: „Ich habe dafür bezahlt, mit diesem Stück Fleisch zu machen, was immer mir gefällt.“

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Traumfänger

Viel Getextetes hat sich auf meiner Platte angesammelt, das ich jetzt kleinweise hier posten werde. Los gehts!

Ein Traumfänger kann jeder sein, der sich morgens im Bett von da nach dort wälzt, um doch noch einen Schnipsel dessen zu erhaschen, was sich eben noch in der ausklingenden REM-Phase in seinem Hirn ereignet hat. Darum geht es aber hier nicht.

Es geht um den Gegenstand Traumfänger, diese Dinger, kreisrund, aus Metall oder Holz, meist umwickelt mit Leder. In des Kreises Mitte befindet sich ein Webwerk, oft mit Perlen oder Edelsteinen verziert. Verschönerungshalber hängen auch oft noch Federn unten dran, das baumelt lustig, muss aber nicht sein.

Die Legende über die Entstehung des Traumfängers erzählt, eine Indianerin hatte ein Kind, das Nacht für Nacht von Alpträumen gequält wurde. Die Weisen im Dorf wussten keinen Rat mehr, außer den, die Indianerin zur Spinnenfrau zu schicken. Ob sie lange auf den Termin gewartet hat, und ob sie dafür eine Überweisung vom Hausarzt gebraucht hat, ist nicht überliefert, dafür aber der Rat, den die Indianerin von der Spinnenfrau erhalten hat: Sie solle einen dünnen Ast nehmen, diesen zum Kreis binden, und in seine Mitte ein kunstvolles Netz weben, eines, das jede Spinne stolz machen würde. In der Mitte des Netzes aber solle ein kleines Loch bleiben. Die guten Träume nämlich bewegen sich auf geraden Bahnen, und können so direkt durch das Loch im Netz hindurch, während schlechte Träume sich hastig spiralisierend durch die Gegend bewegen und sich so im Netz des Traumfängers verheddern. Es half, das Kind war wieder um sieben im Bett, und alle waren glücklich.

Traditionellerweise hängt man daher einen solchen Traumfänger, wenn man einen hat, über dem Bett auf.

Neuerdings sieht man Traumfänger auch an Rückspiegeln baumeln, große, oft sogar mehrteilige vorzugsweise in Trucks, angesichts derer ich mich schon oft gefragt habe, wieviel Sicht auf die Straße da noch übrig bleiben kann. Aber auch in einem Otto-Superverbraucher-Pkw hab ich einen im Kleinformat soeben gesichtet. Ich vermute, die Traumfänger hängen da, damit der Fahrer auch beim Sekundenschlaf vor Alpträumen geschützt ist.