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Wie weit?

Eine Autowerkstatt irgendwo in der niederösterreichischen Pampa. Eine von der Sorte, die nicht nur repariert, sondern auch kauft und verwertbare Teile verkauft oder verwendet. Im hiesigen Dialekt wird eine solche Firma mit einem Ausdruck bezeichnet, der ursprünglich aus der Fleischereitätigkeit stammt und eigentlich bedeutet, die Knochen vom Fleisch zu trennen. Man kann ihn nur sehr schwer in Buchstaben wiedergeben, Lautschrift wäre dafür besser geeignet: Ausbaadla. Bein-Entferner.

Schon vor der Mauer, die das eigentliche Firmengelände einschließt, stehen Reihen angekaufter oder gerade reparierter Autos gleich neben solchen, die bereits diverser Ersatzteile beraubt wurden. Direkt an der Mauer lehnen unzählige Autotüren verschiedenster Farben und Formen in hübschen Gruppen. Für den ordnungsliebenden Menschen ein schöner Anblick. Kunst aufräumen. Autos aufräumen.

Betritt man das Gelände der Firma, hinter der Mauer, so erblickt man Leichenberge, säuberlich gestapelt. Zur einen Seite sind es Havarien, grotesk verbogene Karosserien türmen sich wie nach einer vertikalen Massenkarambolage. Von den Autos auf der anderen Seite sehen viele ganz in Ordnung aus, allerdings schaukelt so manches in schwindelnder Höhe vor sich hin, und es fehlt ein Scheinwerfer, eine Tür, die Motorhaube oder Stoßstange.

Neben dem Bürocontainer, direkt im Freien und ohne Überdachung, liegt das Herzstück der Firma: die Werkstatt. Sie besteht aus einer alten Hebebühne, auf der heute ein Renault Scenic auf seine mechanische Heilung wartet, und aus einer kleinen, fensterlosen Werkzeughütte. Keine Nebelschwaden steigen aus den öligschwarzen Nasen der Mechaniker auf, denn dafür ist es zu warm. Hätte aber gut gepasst.

Der Boden besteht, für die Gegend eigentlich untypisch, aus rotbrauner und lehmiger Erde, die sich an einem feuchten Tag wie heute in eine noch schöner rotbraune, aber wesentlich glitschigere Masse verwandelt. Auf dem Fußabtreter vor dem Bürocontainer kann man entfernt die Umrisse eines ‘Hallo!’ erkennen, das darauf einmal gestanden haben muss, bevor ungezählte Fußpaare den Morast darüber verteilten. Zwei Mechaniker, die vor uns den Container betreten, weichen dem Fußabtreter geflissentlich aus, um nicht allzuviel Schmutz nach drinnen zu tragen.

Der Container selbst ist in zwei winzige Räume unterteilt, beide sind überheizt und überfüllt. Es riecht nach Essen und nach Zigarettenrauch. Der Raum links vom Eingang ist eine Art Küche, in der drei Arbeiter unter Neonlampen sitzen und sich, über dampfend heiße Imbisse gebeugt, unterhalten.

Das Büro nebenan ist mit zwei Kunden und einem Mechaniker bereits mehr als voll, man muss bereits in der richtigen Reihenfolge eintreten, denn später kann man sich nicht mehr aneinander vorbeischieben. Ein Schrank, ein Regal und ein winziger Schreibtisch sind dort ineinander verkeilt, darauf stapeln sich Ordner, Papierberge und Ersatzteile in aberwitzigen Mengen.

Ein Mechaniker übergibt uns den Schlüssel und kassiert den offenen Betrag. Seinen Blaumann kann man nur noch an seiner Form, nicht mehr an seiner Farbe erkennen. Die Rechnung für die durchgeführte Reparatur besteht aus einem winzigen, handgeschriebenen Zettel, so winzig, dass man ihn nichtmal lochen könnte, wenn man ihn aufbewahren wollte.

Ein anderer Mechaniker fragt einen Kunden, der zuletzt eine Reparatur in einer Vertragswerkstätte durchführen ließ, mit slawischem Akzent: ‘Wie weit ist das?’. Die Antwort, dass die Werkstätte in Wien sei, lässt ihn irritiert schauen, dann fragt er nochmal: ‘Nain, wie weit zurick?’ Er will wissen, wie lange es her ist.

Was für ein schönes Szenario für einen Ausflug an einem nebligen Tag.

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Carpe diem

Ich fühl mich heute wie der Obergott der Buchhalter, hab ich es doch tatsächlich geschafft, meine eigenen, privaten Belege einer Endlösung zuzuführen. Und die besteht nicht in der beliebten Variante Rundablage! Der Buchhalter nämlich hat das größte Chaos in seinen eigenen Ablagekisten.
Auch hab ich meine Kontoauszüge endlich mal online ausgedruckt, damit ich mich nicht immer in der Bankfiliale so schämen muss, wenn sie wegen mir im Kontoauszugsdrucker zweimal Papier nachlegen müssen.
Herrlich! Ich bin der König der Welt!

Und das, wo’s bei mir rumpelt und klopft, ich hab nämlich zwei freundliche Installateure im Haus, die mit vereinten Kräften versuchen, den weniger freundlichen Wassereintritt an der Arbeitszimmerwand zu beseitigen. Außerdem legen sie eine Wasserleitung in die Garage, damit ich im kommenden Winter auch meine Waschmaschine anwerfen kann, was ja nicht ganz unwesentlich ist.

Weil ich schon gestern in einem Marathon die restliche anstehende Arbeit erledigt habe, werde ich am Nachmittag Etoshas Weihnachtswichtelwerkstattsaison eröffnen, es warten nämlich unzählige Geschenke darauf, verpackt zu werden. Sollten mir völlig wider Erwarten ungeahnte Highlights der Verpackungs- und Schleifenkunst glücken, werde ich sie hier zur Beaugapfelung darbieten.

Außerdem könnte ich gleich ein Köfferchen packen, übers verlängerte Wochenende gehts nämlich mit der Firma des Rechtmäßigen nach Tirol zur gefälligen Entspannung und Weihnachtsfeier.

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Gar nicht ungern

Ich bin wieder dahaa! Leute, was gibts Frisches?

Folgender Text stammt von gestern, als ich noch in Ungarn war, sämtliche ‘hier’ sind also als ‘dort’ aufzufassen.

Eine Woche ist viel zu kurz. Als besondere Erschwernis habe ich die perfide Angewohnheit, zuhause alles in schönste Ordnung zu bringen, bevor ich wegfahre, was sehr zuverlässig für die endgültige Urlaubsreife sorgt. Vor der Novemberreise ist auch noch das Bestellen aller Weihnachtsgeschenke zu erledigen. (Mache ich per Versand bzw. online – erspart Einkaufsstress.)

Diesmal hab ich meine Hündin schon am Tag vor der Abfahrt bei meinem Vater einquartiert, und sie fehlte mir schon am letzten Tag daheim so furchtbar, dass ich mich umso mehr aufs Wegfahren gefreut hab. In ungewohnter Umgebung nämlich bin ich auch ihre Anwesenheit nicht gewöhnt, zuhause hingegen fehlt sie mir buchstäblich auf Schritt und Tritt.

Meine Mutter fährt jedes Jahr gemeinsam mit Freunden für zwei bis drei Wochen nach Ungarn zur Kur, und ich versuche, mich ihr für ein paar Tage anzuschließen. Ein bisschen Ausspannen und Massage tun auch mir gut.

Die wahren Gründe für meine jährliche Reise liegen aber natürlich nicht in der Kur an sich.
Ich verbringe diese Woche größtenteils allein mit meiner Mutter. Wir stehen uns sehr nahe, und es ist schön, diese Zeit zum Lachen und zum Quatschen zu haben, was uns sonst das ganze Jahr lang eher nicht gelingt. Wir wohnen dann gemeinsam in einem Appartement, bisher in zwei Zimmern, heuer sogar in einem, mit Doppelbett.

e: Grummel, ich kann nicht einschlafen.
M: Hast geträumt?
e: Nein, ich hab noch nicht mal geschlafen! Wieso?
M: Weil du ‘Psscht!’ gesagt hast.
e: Nein – du hast geschnarcht!
M: Oh, echt? … Und, hab ich aufgehört?
e: Ja. Sofortest.
M: Hihi! *schnarch*

Dann ist da die Ente. Eigentlich die En, te liegt nämlich am Teller nebenan. Die halbe gebratene Ente mit rotem oder weißem Kraut ist ein wahres Gedicht, und wäre allein schon ein guter Grund, hierher zu kommen.

Meandmyduck

Außerdem hab ich festgestellt, dass für mich ‘Theodora kereki’ das beste Mineralwasser ist, das es gibt. Viele sehr kleine Kugerln!

Ein Grund für meine Reise liegt auch im konsumbezogenen Bereich. In den Straßen des Ortskernes reiht sich eine Boutique an die andere, und obwohl die Kleidung nicht mehr so günstig ist wie noch vor einigen Jahren, macht das Shoppen hier und in der Nachbarstadt sehr viel Spaß. In den vergangenen Jahren kämpften wir uns hier tapfer stocksteif bei Wind und Eiseskälte durch die Einkaufsstraßen, heuer aber haben wir sonnige 15 Grad, da fällt auch das hie und da notwendige Anprobieren wesentlich leichter – in den meist ungeheizten Läden.
Die Jahreszeit ist außerdem perfekt, um noch fehlende Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Auswahl gibts jedenfalls genug.

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Hier sieht man zwei Jacken, die ich mir nicht gekauft hab – was ziemlich selten vorkommt. :)

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Am zweiten Urlaubstag habe ich eine Nachricht auf meiner Mobilbox, die merkwürdigerweise einer vom letzten Jahr zur selben Zeit sehr ähnlich ist: Ich habe vor der Abreise vergessen, eine berufsbezogene, wichtige Datei weiterzuleiten. Mein Notebook ist zwar hier, und im Hotel gibt es WLAN, aber der Herr über alle Schlüssel, der Rezeptionist, hat keinen Netzwerkschlüssel an seinen Haken hängen. Es gibt aber in der Lobby einen Rechner mit Internetzugang, den er mir freundlicherweise einschaltet.

Schön ist, wenn man sein Betriebssystem richtig gut kennt, es kann nämlich passieren, dass es einem auf ungarisch begegnet, und dann muss man sehr genau wissen, wo man normalerweise hinklickt. Angesichts der Bezeichnungen für die verschiedenen Oberflächenobjekte fühle ich mich wie auf dem Mars. Viele Schaltflächen sind breiter als sonst, denn die Ungarn haben eine Vorliebe für lange Wörter.

Als ich meinen Memorystick anstecke, meldet das System sehr erschrocken:
Uj Hardver!
Dass uj neu heißt, weiß ich, weil wir mal ungarisches Spülmittel daheim hatten, auf dem das Wort in typischer Manier angebracht war: Sunlicht uj! Wir hatten es so liebgewonnen, dass mein Mann später sogar ‘Sunlicht-Uj’ auf einem Einkaufszettel vermerkte.
Trotz dieses ersten systemseitigen Erstaunens gelingt es reibungslos, die Datei über Webmail wegzuschicken. Uiii!
Einen Text aus der Pfanne in ein Textdokument auf den Memorystick zu speichern glückt mir ebenfalls nur aufgrund erfolgreicher Klick-Konditionierung und sprachlicher Kombinationsgabe im Ausschlussverfahren. Meine Mutter sieht mir ehrlich beeindruckt über die Schulter; mit fortgeschrittenen Ungarischkenntnissen hat mein Erfolg aber nichts zu tun.

Aber auch so manche Übersetzung bietet Grund zum Grinsen, wie bei diesem Bargeldautomat, vor dem ich laut kichernd stand:

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Traumerinnerung stellt sich zuverlässig ein, wenn ich richtig ausschlafen kann. Gerade im Urlaub aber sind es immer wieder die gleichen Dinge, die mein Hirn sich da ausdenkt: Die Heimat bricht während meiner Abwesenheit völlig zusammen.
Regelmäßig stirbt mindestens ein Familienmitglied, außerdem haben sie diesmal kurzerhand beschlossen, den Donauturm abzumontieren. War ja sowieso nur aus Plastik.

Trotz des frühen Zubettgehens ist der Kurstress nicht zu unterschätzen. Frühstück gibt es nur bis neun. Davor oder danach sind jede Menge Termine einzuhalten, für Massagen oder gemeinsame Unternehmungen, zum Beispiel das obligate Baden im Thermalsee.

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Im Seebad ist alles neu umgebaut, es wirkt jetzt alles ein bisschen weniger russisch und speckig. Es gibt neuerdings für die Benützung des Bades ein dämliches Chipkartensystem, mit dem sich auch das Personal nicht richtig auskennt, was zu einigen Verwirrungen führt. Man kann froh sein, das Bad in der eigenen Kleidung wieder verlassen zu haben und fühlt sich an Pirron&Knapps ‘Tröpferlbad’-Lied erinnert.

Kaum zurück im Hotel, müssen wir uns auch schon fürs Abendessen umziehen und stylen.

Der Fiedler beim Abendessen im Weinrestaurant Árpád, der auch ein bisschen Akkordeon spielt, stellt sich vor mich hin und singt ‘Du bist die Rose vom Wörthersee’, was mir ein bisschen peinlich ist.

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Nach dem Abendessen gibt es oft Tanzabende in einem nahen Hotel, bei denen ich allerdings nur zuschaue, denn ich bin passionierte Nichttänzerin. Ich sehe gerne zu, solange mich nicht jemand mit ständigen Aufforderungen nervt. Meine Begleiter können ohnehin so gut tanzen, dass es im Schnitt für uns alle reicht.

Wenn zwischen all diesen Aktivitäten Zeit bleibt, wird rumgekugelt, sudokulöse Hirnarbeit geleistet oder gelesen. Wenn meine Mutter in einer Zeitschrift etwas Interessantes findet, liest sie mir vor. So auch einen Leserbrief, der die folgende, sehr gut durchdachte Formulierung enthielt:
“Meine Mutter pflegte meine Großmutter jahrelang, wusch, kochte und badete sie.”
Als wir wieder sprechen konnten, stellten wir tränenden Auges fest, dass man sich den Alltag oft durch die Wahl der richtigen Reihenfolge wesentlich erleichtern kann: Hätte Mama sie zuerst gekocht, wäre das Baden und Waschen überflüssig geworden, weil Großmutter bereits keimfrei.

Wenn sich ebendiese ‘ganzwöchige’ Zeitschrift auch nicht wirklich zum Lesen eignet, zum Erschlagen von Gelsen (ja, die gibts noch!) ist sie erst recht nicht zu gebrauchen; ich hab leider an der Decke des Hotelzimmers schwarze Streifen hinterlassen, ein Souvenir der Druckerschwärze von einem Bild der Grünen-Vorsitzenden sowie ihrer Kinder.

Lustig und schön wars wiedermal. Jetzt hab ich bereits mein Lumpi wieder, und schon das meiste ausgepackt und verräumt. Nun werd ich mich mal mit euren Kommentaren befassen, und dann ein gepflegtes Schaumbad nehmen.

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Absurde Feiern

Ich hab mich manchmal wochenlang auf eine bestimmte Party gefreut. Dann überstiegen die Erwartungen am Ende meist das Geschehen selbst. Gehe ich dagegen ohne Erwartungen auf eine Party, weil ich nämlich gar nicht sicher war, ob ich überhaupt dabei sein würde, dann kann sich die gute Laune ungehindert ausbreiten.

So geschehen in dem einzigen Lokal, das ich als mein Stammlokal bezeichnen würde; nicht weil ich da so oft wäre, aber immer noch öfter als in allen anderen Hütten. Verdammt schade, dass es zum Jahresende seine Pforten schließen wird. Die gemütlich-speckige Atmosphäre wird mir sehr fehlen.

Zur Feier zweier Geburtstage spielte da am Samstag Abend jene Band auf, die sich mit meiner Band bei den Besetzungen für Gitarre und Schlagzeug überschneidet: Pi.

Und Pi war so gut drauf, produzierte einen so tollen Sound, dass es eine wahre Freude war! Die Leistungen des Mister Gitarrista waren zum Niederknien, diesbezügliche Komplimente wollte der Erlauchte aber nicht gelten lassen und verteilte das Lob gleichmäßig über die ganze Band, womit er auch wieder recht hatte. Schon rein musikalisch also ein ungemein erquickender Abend!

Vergleiche der intimsten Körperteile bezüglich ihrer Größe sind übrigens nicht gemeint, wenn der Mann an der Tontechnik einem Musiker Nachrichten auf gestischer Basis übermittelt, auch wenn es manchmal so aussehen mag, oder gar später vom Knöpfchendreher selbst behauptet wird.

Natürlich haben wir aber auch abseits der Musik wieder viel gelernt.
Dass man beispielsweise auch in betrunkenem Zustand auf einem dreibeinigen Hocker stehen kann, um als Kleinwüchsiger der Umwelt auf Augenhöhe zu begegnen, und das längere Zeit und unfallfrei. Dass manche Männer gar nicht so wild sind, wie sie ob ihrer höhlenmenschlichen Frisur aussehen, selbst wenn sie ein Zöpfchen aus ihrem Rauschebart geflochten haben.

Auch sollte man, wenn man erst später kommt, nicht unbedingt den dadurch entstandenen Rückstand in puncto Tequila innerhalb einer halben Stunde aufzuholen versuchen. Wer den gesamten Abend sortenrein und unfallfrei verbracht hat, sollte aber auch am Ende kein Stamperl Absurd mehr trinken. Der Magen dankt in beiden Fällen.
Gespräche im Freien vor dem Lokal im T-Shirt sind auch Mitte November ohne Gänsehaut möglich.
Der Lockruf für ein Kamel könnte ‘Höckerhöckerhöcker!’ lauten.

Ein Barkeeper, der um drei Uhr früh eine halbe Tafel Milka Vollmilchschokolade hinter der Bar hervorzaubert und damit Blicke voll Verlangen aus plötzlich riesengroßen Frauenaugen auslöst, darf sich mit Fug und Recht als Frauenflüsterer bezeichnen – insbesondere, wenn er es in dermaßen charmanter weil trockener Manier tut.
Dieses Attribut ebenfalls für sich zu erringen, wenn er dieser Szene als Zuschauer beiwohnt, mag für einen weiteren Mann sehr verlockend sein. Doch wenn auch die Genialität dieser süßen Strategie plötzlich so klar auf der Hand liegt, und die anwesenden Frauen betrunken sindein leichtes Damenspitzerl haben, so ist ihm gleichwohl ein etwas subtileres Vorgehen anzuraten, als in Demonstration seines spontanen Lerneffekts dem rechtmäßigen Besitzer kurzerhand die Schokolade zu entreißen und sie seinerseits den anwesenden Frauen anzubieten. Aber die Tränen unseres Lachens sind ihm dafür sicher.

Wer sich am Ende des Abends, wenn es um die Heimfahrt geht, in bierseligem Zustand charmant-unverfroren selbst zur Mitfahrt in einem Auto einlädt und anschließend noch das Mitnehmen eines weiteren Heiteren verfügt, der davor erst in den Tiefen des Lokals aufzuspüren ist, dies begründet mit ‘Das ist nur fair!’, und anschließend eine Wegbeschreibung mit ‘Die Straßenverfolgung führt nach rechts’ formuliert, wird mit lautem Gelächter im weiblichen Rückbank-Duett nicht unter zehn Minuten bestraft.

(Tags: Absurd, Pitheband, Pi-theband)

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Bistro Poetry

EDITED – Audio und Übersetzungen – siehe weiter unten!


Amtlich is, dass Frauen si
mit Körperwärme schwera tan
Weu’s net so muskulös owara nie
vü klana wia die Männer san.

Wos dabei auf da Streckn bleibt?
Kakaosprudler sagn’s bei uns daham,
des san die Fiaß, wann’s net beleibt,
sondern gaunz dünne Haxn san.

So koide Frauenfiaß, de wandern
gern untern Schwarm sei Deckn.
Des soit an echten Mann auf der andern
Bettseitn owa net schrecken.

Damit’s nämlich die Liab ihrem Schwarm
net ungwollt on the rocks serviert,
schaut die Frau, dass’s Herzerl warm
bleibt, wanns aa sunst überoi friert.

Ermuntert von Merlix, hier also mein überaus österreichischer Beitrag für Sebas’ Bistro Poetry Contest. Mal schaun, obs auch mim Ping klappt.


EDIT:
Jetzt auch als Audio online. :) Meine persönlichen Kistenmusiker spielen passend zur Wiener Mundart einen Walzer dazu.
(Sorry für die Rauschentfernungs-Artefakte auf der Stimme, war nicht zu vermeiden, ich hab hier dermaßen viel Rauschen, das ist nicht auszuhalten. Ich will mein Notebook zurück! *snüff*)

      Etoshas Gedicht in Mundart


EDIT2:
Hier die versprochene hochdeutsche Entsprechung, spaßeshalber:

Es hat die Wissenschaft fundiert,
dass Frauen mehr als Männer friert.
Denn ihnen fehlts an Muskelmasse,
die in den Körper Wärme lasse.

Drum finden wenig Wärmesegen
die Gliedmaßen, die weit entlegen,
eben weil sie von des Körpers Kerne
geschieden sind durch große Ferne.

Der durchgefrorene Frauenfuß,
der sich ja auch mal wärmen muß,
schlüpft dazu oft und gerne mal
ein wenig unter beim Gemahl.

Dies sollte der durchaus begrüßen,
denn dass ihr kalt ist in den Füßen
beweist – ihr Körper sorgt dafür:
es ist im Herzen warm bei ihr.


Aber der Fairness halber versuche ich auch noch, einzelne Worte aus dem Original zu übersetzen:

owara = aber auch
vü klana = viel kleiner
Haxn = Beine
aa= auch
Kakaosprudler = sagt man tatsächlich hierzulande, wenn jemand richtig dürre Beine hat, vielleicht, weil man damit tatsächlich den Kakao in einem Häferl (=große Tasse) durchsprudeln könnte.

Ansonsten sollte anhand der geschriebenen Version eigentlich alles verständlich sein.

EDIT3 (3/2015):
Ich habe jetzt auch eine englische Version gemacht, die findet ihr hier.

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Schlafkreationen

Viele kreative Ideen begleiteten meinen Schlaf letzte Nacht. Ideen, die man leider höchstens dann verwirklichen könnte, wenn man Raumausstatter wäre, oder Installationskünstler. Oder beides.
Es ist trotzdem schön, das Potential zu spüren.

Auch aufs Sprachliche bezog sich die Kreativität. Beim Aufwachen hatte ich die Erkenntnis gewonnen, dass es gute Gründe dafür gibt, warum der Glaube an die Wiedergeburt in westlichen Sozialstaaten nicht so weit verbreitet ist wie beispielsweise in Indien.
Wäre es nämlich anders, müsste man hier in Österreich ganz bestimmt Beiträge in eine Reinkarnationskasse einzahlen.


Übrigens: Es schneit.

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Kurioses (3)

Die Firma Adler Mode schickt heute einen Werbebrief, auf dem der Halbsatz prangt ‘Weihnachten mit Happy End’. Im Gegensatz wozu? Der tragische Aspekt von Christi Geburt, der offenbar insbesondere ohne Adler Mode wahrnehmbar wird, muss mir bisher völlig entgangen sein.


Eine sehr schöne Idee für alle Schreiberlinge da draußen, die Buchstaben lieben, ist das Buchstabenasyl. Wer seine überschüssigen Buchstaben bisher kaltherzig gelöscht hat, sie jedoch künftig lieber an einen guten Platz abgeben möchte, ist dort richtig. (via)


Eine kleine, aber sehr hübsche Liste der Abhängigkeiten und Süchte gabs letztens im Nachtbriefkasten.


Herr Textspeier zeigt uns regelmäßig, wozu freies Assoziieren führen kann; ich kam erneut aus dem Staunen nicht heraus, als es dabei zuletzt um die Anzahl der Knoten in einem Teppich ging.


Wenn einer aus der Narkose völlig wider Erwarten ohne Hoden aufwacht, verdient er einiges an Mitgefühl, insbesondere braucht man eine gewisse Feinfühligkeit als Talkshow-Moderator, wenn man diesen Mann und seine Ehefrau interviewen will. Ist zwar auf niederländisch, aber Mitgefühl kennt keine Sprachbarrieren. Seht selbst.

(Dank an André für die Mail.)


Notiz für mich selbst: Wenn Corel 11 mal wieder nicht so will, wie es soll, gibts hier eine schöne, umfangreiche Punkt-für-Punkt-Liste fürs Troubleshooting. Insbesondere interessant: Corel nimmt beim Start Verbindung zum Standarddrucker auf; wenn ihm das nicht gelingt, weil dieser Standarddrucker ein Netzwerkdrucker ist und der Printserver gerade schläft, dann klappts auch nicht mitm Corel.


Und jetzt noch ein paar Zitate:

Gutenachtgeschichten aus dem Strafgesetzbuch:

Elementar für den Straftatbestand ist die Belästigung einer anderen Person durch die exhibitionistische Handlung. Die Belästigung ist nicht gegeben, wenn die Reaktion des oder der Betroffenen Interesse, Verwunderung oder Mitleid ist.

(via)


In Winders Wörterbuch ging es unlängst um die zweitschönste Wienerische Bezeichnung für schicke Bekleidung – die schönste lautet natürlich ‘Schoin’, die Schale – nämlich um die ‘Panier’, welche da sprachlich-assoziativ vom Wiener Schnitzel kurzerhand auf den Menschen übertragen wurde.

Chief Cohiba meinte in den Kommentaren dazu:

Es wurde berichtet…
…von einem jungen Mann, der seiner weiblichen Begleitung anbot, doch sitzenzubleiben und ihn – ganz Gentleman – den Mantel holen zu lassen! Seine ostösterreichische Herkunft bewies er durch ebendiese Wortwahl: “Oide, bleib pick’n, i fliag um de Panier!”


In ebendiesem Wörterbuche ging es an anderer Stelle um das ‘English for Runaways’ im Stile des Heinrich Lübke (“There stand one yes the hair to mountain!”). In weiterer Folge kamen in den Kommentaren von Nighstallion auch lateinische Wörtlichkeiten dazu:

Unus ignis quis vir multum de audere et dixit: “studium fuga, meum impedire!”
Ein Feuer wer? Mann viel vom wagen und sagte: “Eifer Flucht, mein hindern!”

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Selbstbezogen

Buntschatten Ich weiß nicht, warum es sie gibt. Habe ich irgendetwas an mir, in mir, das so ähnlich ist? Sie ist einfach da, meine Faszination für Autismus.

Autisten sind ‘selbstbezogene’ Menschen. Sie leben in ihrer eigenen Welt. Sie begreifen sich selbst nicht als einen Teil der Welt da draußen. Oder begreifen wir sie nicht als Teil unserer Welt?

Die in der Allgemeinheit verbreitete Wahrnehmung der Gesichtsausdrücke, der Gestik, der Sprache – die teilen sie nicht, oder nicht zur Gänze. Soziale Interaktion fällt vielen schwer, mitunter bleibt sie völlig auf der Strecke. Viele empfinden sie vielleicht auch einfach nicht als erstrebenswert.

Ich hingegen mag Kommunikation, ich mag es, andere Menschen zu erleben; der Austausch mit meinen Lieben ist mir geradezu ein Lebenselixier. Was also haben wir gemeinsam? Ich empfinde etwas in mir, einen vergessenen Kern, der den Planeten Autismus schon besucht haben könnte, eine tief in sich versunkene Welt, die sich selbst genügt, und die sehr empfindlich ist gegenüber Reizüberflutung. Wer weiß, vielleicht gibt es diesen Kern sogar in jedem von uns? Ist es eine Grundeigenschaft, die wir nur verlernt haben, getauscht haben gegen die durchaus heimtückische Arena der sozialen Interaktion, und gegen Filter, die bei einem stärker arbeiten und beim anderen weniger stark?

Endlich habe ich mich wieder daran erinnert, dass es Bücher von Autisten gibt, und mir eines davon bestellt. Es war die beste Lese-Idee, die ich heuer hatte, ich bin völlig darin versunken, ha!, war gefesselt und fasziniert. Und spürte sie nach langem einmal wieder, diese abwehrende Traurigkeit, wenn plötzlich nur noch ein paar Seiten vor einem liegen.

Die Lebensgeschichte von Axel Brauns in Buchform endet in seinem zwanzigsten Lebensjahr. Im Klappentext sagt er, er hätte bis zu seinem 29. Lebensjahr in einer Welt nur mit sich selbst gelebt. Zwar gibt es weitere Romane von ihm, aber keine Fortsetzung seiner Geschichte. Es fehlen also neun Jahre seines Lebens mit Autismus, die ich mir sehr gerne noch auf weiteren 370 Seiten von ihm erzählen hätte lassen.

Natürlich mag man entgegnen, ein Autist, der schreiben und erzählen kann, wäre wohl höchstens von einer “milden” Form dieses Zustandes betroffen, und ein solches Buch könnte nur schwer einen Eindruck von diesem selbstbezogenen Leben geben. Dennoch dürften solche Bücher unsere einzige Möglichkeit sein, einen Blick hinter die autistischen Kulissen zu werfen.
Auch andere Bücher von Autisten gibt es, vielleicht werde ich noch weitere lesen.

Hier erstmal mein Lesetip für alle Interessierten:
Axel Brauns – Buntschatten und Fledermäuse
Goldmann Verlag, ISBN 3442152445.

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Flashback

Unlängst fahr ich auf der neuen Verlängerung der Wiener Nordbrücke Richtung Shuttleworthstraße, da seh ich doch glatt die Rückseite des früheren KGM mitsamt dem alten, schon etwas zerbröckelten Fassadendesign:

KGM

KGM war eine riesige Depandance jener früheren, genossenschaftlich organisierten Supermarktkette Konsum, die Mitte der 90er mit fliegenden Fahnen das Insolvente segnete.
KGM, das hieß Konsumgroßmarkt.

Das wusste ich als Kind freilich nicht. Für mich war es einfach das Kaagee-Emm, ein Paradies der Köstlichkeiten, das wir samstags in holder familiärer Eintracht zu besuchen pflegten, Papa, Mama, mein Bruder und ich. Wir wohnten etwas außerhalb der Stadt (das ist untertrieben, damals war es der AdW, eigentlich ist es erst jetzt “etwas außerhalb”), also wurde für die Woche(n?) im Vorhinein eingekauft.

Die Halle war riesig, mir schien sie zwanzig – ach was, hundert Meter hoch zu sein! Die Einkaufswagen waren ebenso wuchtig, die Kindersitze darin damals schon orange und wahnsinnig unbequem, aber mit den kurzen Beinchen selbst zu gehen wäre keine echte Alternative gewesen – es war ein kilometerlanger Gewaltmarsch! Die vielen verschiedenen Abteilungen waren in gleißendes Neonlicht getaucht, auch wenn es draußen winterlich dunkel war, und in jeder roch es etwas anders, beim Eingang aber meist nach nassem Hund.

Wenn wir im KGM waren, gingen wir immer in die Parfumerieabteilung mit dem erschlagenden Duft. Wir besuchten dort eine sehr blonde Frau namens Bogner, die mit meiner Mutter persönlich bekannt war und in dieser Abteilung arbeitete. Frau Bogner sprach mit leicht slawischem Akzent. Sie war immer sehr nett zu mir, und ich mochte sie, wenn sie mir auch wahnsinnig alt und faltig vorkam. Wahrscheinlich war sie so alt wie ich es heute bin, oder sogar jünger. Ich kannte sie und freute mich auf sie, und ich lief auch noch zu ihr hin, als meine Mutter sich aus irgendeinem Grund – ein Zwist unter Erwachsenen? – lieber vor ihr versteckt hätte.

Manchmal kaufte meine Mutter Marshmallows in dreieckigen Plastiksäckchen, an denen wir uns gleich nach dem Bezahlen gütlich taten. Das Essen von Marshmallows war offenbar reine Frauensache, mein Bruder aß lieber türkischen Honig.
An anderen Samstagen kaufte Mama uns in der dortigen Konditorei ‘Indianer mit Schlag’, ein festes, mit Schokolade überzogenes Biskuit in zwei Teilen, die rund wie die UFOs von oben und unten den mittig plazierten Riesenhaufen Schlagsahne bezwingen. Ebenfalls Frauensache – die Männer verputzten derweil süße Cremeschnitten oder etwas mit Rosinen (=Männersache). Apfelstrudel zum Beispiel.

Danach machten wir gelegentlich noch merkwürdige Fotos im dortigen Fotoautomaten, die mir schon im Neuzustand ausgebleicht vorkommen, wenn ich mich heute daran erinnere.

In der Mitte des Marktes jedoch, da gab es ein Selbstbedienungsrestaurant. Es war ein quadratischer Kobel, der von einer sehr merkwürdigen Zwischendeckenkonstruktion aus senkrechten, hohlen Zylindern aus dunklem Holz überspannt war. Diese sollte dem Besucher wohl jenes Gefühl ersparen, das sich mit dem Gegenteil von ‘vorhandener Bodenlosigkeit’ beschreiben ließe. Auch die Tische waren quadratisch und aus dunkel lackiertem Holz, sie standen auf einem 70er-typisch gemusterten Fliesenboden. Vor dem Restaurant parkten unsere Eltern die beiden Einkaufswagen, und wir kehrten dort ein, wenn wir vom Einkaufen müde und hungrig geworden waren.

Die luxuriöse Sensation daran: Jeder kriegte etwas anderes zu essen! Dort gab es Gulasch, es gab Germknödel, Schnitzel mit Pommes frittes, Grillhendl, Palatschinken – die Auswahl schien mir endlos. Schlussendlich aßen wir alles durcheinander, was wir auf dunkelbraunen Tabletts zum Tisch gekarrt hatten, Palatschinkengulasch, Grillhendlschnitzel.

Und so kommt es – welch erfolgreiche Konditionierung – dass ich mir heute noch insgeheim Pommes mit Ketchup als Beilage wünsche, immer, wenn ich Germknödel esse.

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Update

Die Putzigkeit der Woche: Meine Mutter hat das Kabel an ihrem sogenannten ‘Hörsel’, also dem kabelverbundenen Freisprechhörer für ihr Mobiltelefon, versehentlich beim multitaskingbedingten Telefonieren während der Gartenarbeit mit der Gartenschere angeritzt. Die Existenz dieses Einschnittes hat in ihr vorübergehend Zweifel über die weitere Benutzbarkeit der Gerätschaft aufkommen lassen, bis zur Reparatur mittels Isolierband und zum erfolgreichen Funktionstest.
Diese Stelle an jenem Kabel bezeichnet sie jetzt als ‘Schnittstelle’ und kichert dabei über den Doppelsinn wie ein Teenager.


Ich sinniere darüber, ob verhaltensauffällige Kinder (schreiende Wutanfälle kriegend, hypochondrisch, zuweilen morbide angehaucht), die als Berufswunsch ‘Filmregisseur’ angeben, die Berufswelt wirklich schon so frühzeitig auf ihre Tauglichkeit für das etwas andere Benehmen geprüft haben können, oder ob es nicht viel eher den Beruf des Regisseurs überhaupt nur gibt, weil es auch schon früher verhaltensauffällige Kinder gab.


Cartoons zum Zerkugeln von Beck gibts dort drüben, beispielsweise diesen da. Oder auch diesen oder jenen. Klickt Euch durch, es lohnt sich!


Auch absolut sehenswert sind die Tiere der Woche von Bernd Püribauer. Wenn ihm auch mein Kommentar zur Batwäsch anscheinend zu schlüpfrig war. Dabei hab ich nur vorgeschlagen, diesen Cartoon in ein längst fälliges Buch ‘Ungarisch für Angeber’ aufzunehmen, sowie eventuell einen zur gültigen ungarischen Übersetzung von Schambehaarung: Gäbüsch.


Aus der beliebten Reihe ‘kreative Namen für Friseursalons’, gesehen in Wien, Linke Wienzeile: Hairgott.
(Edit: Wusst ichs doch, ich habs schon mal gebloggt gesehen. Es war bei Herrn Boomerang.)


Größtenteils zweckfreie statistische, astrologische und rechnerische Werte zum persönlichen Geburtsdatum kann man sich hier errechnen lassen, inklusive Alter in verschiedenen Zeiteinheiten, Tag der Zeugung und äquivalentes Hundealter (According to information received, I’m still chasing cats!).


Zu guter Letzt noch ein Zahlungszweckvermerk aus der buchhalterischen Kuriositätenkiste:

Berfusschule

Schönes Wochenende!