Wir Österreicher haben in vielen von uns geschätzten deutschen Blogs reichlich Diskussionen und Proteste zum Thema Überwachung, Vorratsdatenspeicherung und Bundestrojaner miterleben müssen. Während wir bisher dabei aufgeatmet haben (vorsichtig natürlich, als gelernte Österreicher), weil uns das zum Glück bislang nicht betraf, soll es jetzt auch unserer Privatsphäre an den Kragen gehen – und zwar offenbar möglichst eilig, und gleich ordentlich, durch Ausschaltung diverser richterlicher Kontrollen.
Ab Jänner 2008 sind die Sicherheitsbehörden nämlich berechtigt, ‘von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und sonstigen Diensteanbietern’ die Herausgabe von zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adressen (statischen und dynamischen) zu fordern, Name und Anschrift des Benutzers (§ 53 Z.3a SPG), und zwar auf dem schwammigen Fuße ‘wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer konkreten Gefahrensituation rechtfertigen’.
Außerdem sind sie ermächtigt, ‘von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) der von dem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zu verlangen sowie technische Mittel zu ihrer Lokalisierung zum Einsatz zu bringen.’
Skandalöse Vorgänge im Parlament dieses Landes! Schnell noch ein paar ‘ganz unwesentliche’ Ergänzungen zum Gesetz mittels Abänderungsanträgen durchschleusen, ohne Diskussion, ohne Vorlage bei Innenausschuss und Datenschutzrat? Gehts eigentlich noch, Herr Platter?? Na, herzlichen Dank für Ihr Misstrauen, das ich hiermit ausdrücklich erwidere. Sie wollen sich offenbar die gleiche zweifelhafte Popularität erarbeiten wie Herr Schäuble sie ‘genießt’?
(Und warum hab ich eigentlich gedacht, bei uns säße ein vernünftigerer Mensch auf dem Ministersessel im Innenministerium als in Deutschland?)
Hier informieren und Petition unterschreiben!
Die Grünen protestieren insbesondere gegen die ‘Aufhebung der richterlichen Kontrolle’, die man im Gesetzestext selbst jedoch vergeblich sucht. Mehr dazu weiter unten.
Das geänderte Sicherheitspolizeigesetz war heute bereits im Bundesrat. Trotzdem lohnt es sich, die parlamentarische Petition zu unterschreiben – die Grünen machen massiv gegen die geänderten Gesetze mobil und planen eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, sollten die Unterschriften im Parlament keine Wirkung zeigen.
Hier anmelden zur Überwachung der Überwacher – durch weitere Initiativen.
‘Wer sich nicht wehrt, hat sicher verloren.’ meint Peter Pilz.
Im Standard gibts ausführliche Informationen und Diskussionen zum Thema.
Wer übrigens den Text der Erläuterungen zur Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes sucht, hier ein Ausschnitt aus diesem Dokument:
Standortdaten unterliegen gemäß § 93 TKG 2003 dem Kommunikationsgeheimnis. Der Begriff des Kommunikationsgeheimnisses ist nicht ident zu setzen mit dem, was der historische Gesetzgeber zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses mit Art. 10a StGG 1867 unter Richtervorbehalt gestellt hat. Wie auch der OGH in seiner Entscheidung vom 19.12.2005, 14 Os 103/05m, festgestellt hat, schützt das Fernmeldegeheimnis des Art. 10a StGG die Vertraulichkeit der Kommunikation auf dem Übertragungsweg, auf dem sich die Kommunikationspartner vor Zugriffen nicht ausreichend schützen können, nicht jedoch vor Eingriffen außerhalb davon. Vorgänge außerhalb des Übertragungsbereichs sind nicht Gegenstand des Fernmeldegeheimnisses.
Solange Standortdaten nicht auf dem Übertragungsweg abgefangen werden sollen, sondern durch Erhebung beim Diensteanbieter gewonnen werden, liegt kein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis des Art. 10a StGG vor. Nur Inhaltsdaten sind dem Fernmeldegeheimnis iSd Art. 10a StGG zuzurechnen, ihre Erhebung ist unter Gesetzes- und Richtervorbehalt zu stellen (vgl. dazu Wessely, Das Fernmeldegeheimnis – ein unbekanntes Grundrecht,
ÖJZ 1999, 491).
Hier steht etwas konkreter das, was die massiven Vorwürfe gegen den novellierten § 53a SPG ausgelöst haben dürfte, aber im Gesetzestext selbst gar nicht vorkommt: Dass Standortdaten nicht unter das Fernmeldegeheimnis fallen (und damit auch nicht unter den Richtervorbehalt).
Wirkt diese Herleitung nur auf mich haarsträubend und zurechtgebogen?
Übrigens werden im gleichen Dokument die Kosten für die Anschaffung eines IMSI-Catchers mit € 600.000,- beziffert. Ich kann mir schwer vorstellen, dass diese Kosten tatsächlich nur für die paar vermissten Tourengänger im Jahr aufgewendet werden sollen.
Ja, im Gesetzestext steht zwar, dass die Standort-/Teilnehmerkennungs-Daten dann verlangt werden können, wenn ‘eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht’. Aber wer kontrolliert denn, ob diese Gefahr auch tatsächlich besteht – wenn es der Richter nicht mehr tut?
EDIT: Ich dachte eigentlich, ich hätte diesen Heise-Artikel schonmal verlinkt, finde den Eintrag jetzt aber nicht mehr. Sehr lesenswert, versohlt der Polemik den Arsch.
(war damals via Frau Serotonic)
Privatsphäre ist wie Sauerstoff, sagt eine deutsche Initiative. ‘Arsch hoch!‘ sagt eine andere, informiert über den aktuellen Stand der Dinge in Deutschland und bietet viele Links zum Thema.