Vor dem Essen bekommt man auf Madeira als Gruß aus der Küche stets Bolo do Caco serviert, das ist traditionelles Fladenbrot mit einem Teil Süßkartoffeln im Teig, es wird knusprig braun gebraten und mit Knoblauchbutter oder -öl bestrichen serviert. Ein Gedicht!
Danach gab es für uns mit Ausnahme des ersten Tages immer Espada, den Degenfisch. Auf Madeira gibts kaum eine Speisekarte, die ihn nicht enthielte – gebacken, gebraten, mit Banane oder als Eintopf. Er schmeckt wunderbar mild und hat weißes, saftiges Fleisch und dicke, spitze Gräten, die man mitsamt dem Rückgrat auf einmal entfernen kann.
Auf dem Fischmarkt im Mercado dos Lavradores in Funchal haben wir Gelegenheit, dieses Vieh mal im rohen Zustand zu beaugapfeln – tot zwar, aber in seiner ganzen Pracht – und da staunen wir nicht schlecht, wovon wir uns da die letzten Tage ernährten, denn der Degenfisch sieht reichlich grimmig aus, wie eines der Ungeheuer aus der Tiefsee!
Neben und hinter dem Mann, der hier soeben mit seinem großen Messer so ungerührt einen Thunfisch seines Innenlebens und seiner Flossen beraubt hat und gerade dabei ist, die Beweismittel dieser Taten wegzuspülen…
…kann man ebenfalls die schwarzen Degenfische sehen; eine Hälfte des Fisches, die mit der Schwanzflosse, hängt immer vom Tisch herab.
Auf dem Fischmarkt kann man sich all das wunderbar von oben anschauen – es gibt eigens dafür eine Beobachtungs- und Fotoplattform für Touristen – oder aber man guckt unmittelbar von daneben zu; dabei kann man aus Kopflosigkeit rote oder weiße Shirts tragen oder aber sich ausgiebig den Rücken kratzen, weil die Gelegenheit grad so günstig ist.
Im Hafen von Funchal liegt ein Kreuzfahrtschiff, gewohnt protzig in seinen Ausmaßen. Es trägt den klingenden Namen ‚Costa Fortuna‘ – Piri liest das vor und kommentiert es lakonisch: „DAS glaub ich sofort“. Ich falle vor Lachen fast in den Fußraum des roten Tschihuus.
Auch die nachgebaute Santa Maria zieht vor Funchal mit ein paar Touristen an Bord ihre Runden. Mit gerefften Segeln sieht sie allerdings eher wie die Black Pearl aus.
Auf dem ansteigenden Berghang, der die Häuserzeilen von Funchal mit sich nach oben trägt, liegt der Jardim Botánico do Funchal. Von dort genießen wir einen Tag später den prächtigen Ausblick über das Meer und den Hafen, die wir am Vortag noch aus der Nähe sahen.
Für den Pflanzenfreak gibt es dort viel zu sehen und beinah ebensoviel zu staunen. Unterhalb seht ihr den „Stolz Madeiras“, eine Natternkopfart, die die Einheimischen Massaroco nennen. Ihre ovalen Blütenköpfe sind so lang wie eine große Hand (hier von oben fotografiert).
An fast jeder Böschung kann man sie blühen sehen, sie überziehen die Straßenränder mit leuchtend blauen Farbtupfern.
Hier ein mir sowohl in seiner einheimischen als auch lateinischen Bezeichnung völlig unbekanntes Baumgeblüh samt Besucher.
Und hier noch der dritte Rollfarn für mkh, weil er so brav und geduldig war. (Bei Piri bedanken; sie hat das Foto gesehen, ich habs gemacht.)
Für mich aber ist das krasseste Gewächs, das es auf Madeira gibt, der Florettseidenbaum, Ceiba (vorm.Chorisia) speciosa – ein Baum südamerikanischer Herkunft aus der Familie der Wollbaumgewächse, ähnlich dem Brasilianischen Kapokbaum. Seine Stämme und Äste sind lückenlos mit unzähligen kräftigen Stacheln überzogen. Die Früchte sehen ein bisschen wie Avocados aus und sind auch von ähnlicher Größe, doch wenn sie sich öffnen, drängt nach und nach eine Unmenge an seidigen Samenfäden nach außen, aus denen man sich bestimmt tolle Kissen stopfen kann. Im Herbst trägt der Baum dann umwerfend schöne rosa Blüten.
Hier sind einige Stadien der puscheligen Baumfrucht zu sehen:
Von Funchal bewegen wir uns Richtung Westen. In Ribeira Brava sehen wir den einheimischen Männern beim konzentriert-ernsthaften Dominospielen zu&hellip
…und gehen ausgiebig shoppen, obwohl sich auch dort die von Piris Freundin gewünschte Ansichtskarte mit dem Motiv eines nackten Adonis nicht findet. Einfach zu katholisch, diese Insel. Die einzigen nackten Menschenteile auf Ansichtskarten sind die silberhaarigen Waden eines ebensolchen Touristen, der sich im Korbschlitten von Monte nach Funchal fahren lässt.
Den Rest des Tages verbringen wir in Ponta do Sol, wo wir uns zum Sonnenuntergang einfinden. Viel zu früh, wie sich zeigt, doch so haben wir endlich mal viel Zeit, die wir mit Kaffeetrinken, in der Sonne sitzen, schauen und einfach die Seele baumeln lassen verbringen (strike, triple-Verb-Konstruktion!). Und es gibt einiges zu sehen.
Der nahe Strand, dessen westlicher Abschnitt wegen Steinschlaggefahr gesperrt ist, wird von oben stetig mit Süßwasser beträufelt, während unten die Gischt an die Felsen schäumt.
Vom Schauen wird man schlau, und so machen wir dort die Feststellung, dass man als madeirensische Taube nicht zwingend fliegen können muss. Es reicht, sich einfach fallenzulassen.
[Bild nicht gefunden]
Und schließlich geht die Sonne dann doch noch unter. Da man aber die im Meer versinkende Sonne sicher auf zwölfzig Millionen Fotos im Netz bewundern kann, hab ich ein anderes Bild ausgesucht, das ich interessanter finde.
Die für mich schönste Wanderung machen wir am letzten Tag bei der Flussmündung der Ribeira do Sao Jorge, beim Örtchen Calhau, wo ich schon allein aufgrund der Beschreibung im Reiseführer vom ersten Tag an unbedingt hinwollte, weil sie die Anwesenheit von Ruinen versprach. Und ich liebe Ruinen, wie bereits berichtet. Die Straße, die dorthin führt, stach mir schon am ersten Tag als ausgesprochener Abbiegereiz ins Auge, ohne dass ich da schon gewusst hätte, wohin sie führt. Die Abzweigung liegt in einer der wenigen Talsohlen der nördlichen Küstenstraße, ein Schild weist Richtung ‚Piscina‘, also Schwimmbad. (Es gibt dort auch tatsächlich eines. Sieht ein bisschen aus wie ein Knabeninternat im Ostblock der 70er Jahre.)
Die Fotos der Ruinen nahm ich im Teil 4 schon vorweg, weil sie so gut zum Thema ‚Immobilien auf Madeira‘ passten. Doch auch abseits der Ruinen ist diese Wanderung grandios.
Sie beginnt an der Flussmündung, wo zahme Rinnsale aus Süßwasser auf die Meeresbrandung treffen, die wild gegen Schotter und schwarze Felsen schlägt.
Der Weg führt an der Küste entlang ein Stück bergauf, vorbei an der Ruine, die ihr bereits gesehen habt, zig Meter oberhalb der tosenden Brandung einen in den Fels gehauenen, schmalen Weg entlang. Manchmal sogar sehr schmal. An einem kleinen Wasserfall müssen wir uns über ein Stück trauen, an dem der Weg zum größten Teil weggebrochen ist. Nur ein schmaler Grat führt auf die andere Seite. Auf dem Hinweg habe ich damit weniger Schwierigkeiten als auf dem Rückweg, da denke ich zu lange nach und muss mich schließlich von Piri zur Überquerung anfeuern lassen.
Das Meer sieht von hier oben noch viel schöner aus als vom Strand betrachtet, die Gewalt der Gezeiten ist ein ständiger Anziehungspunkt für unsere Augen, wir können uns gar nicht sattsehen. Türkis schimmern die Scheitel der Wellenberge einen Augenblick lang, bevor sie sich in weißer Gischt verlieren.
Ziel des Weges ist Ponta de Sao Jorge, offenbar eine alte Kaianlage.
Dorthin führt allerdings nur dieser einzige Weg – eine weitere Mutprobe, die wir in holder Eintracht und ohne jegliche Diskussion… bleiben lassen. Besonders vertrauenerweckend sehen die Holzplanken wirklich nicht aus, und wir wollen ja beide unsere Ehemänner nochmal wiedersehen, bevor wir von dieser Erde scheiden. Also kehren wir um und genießen auf dem Rückweg die Sonne, die sich doch noch entschließt, uns zu begleiten, und die leuchtenden Farben, die sie aus der Umgebung kitzelt.