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Fusion durch die Mitte

Du sitzt irgendwo und tust irgendwas. Ich frage: ja, aber nein. Fehlen spürst du, doch wohl nicht dieselbe Sehnsucht, die aus Blei, die keinen Moment Aufschub mehr erträgt. Sonst wärst du längst hier. Aber endlose Momente kommen nach. Frage wieder: theoretisch ja, aber dann doch nicht, leider.

Ein Teil von etwas Besonderem sein! Nicht der besonderste Teil darin, der mit dem wichtigeren Ziel, der mehr Rücksicht braucht. Der auf ein Sorry wartet, das er selbst nicht kann, und mir Verzeihung mit einem Immer verspricht, das nie halten kann. Der xmal Nein sagen dürfen muss, um eines von mir zu respektieren. Schon zu Beginn, leere Kilometer als Anklage gegen mein Nein. Und am Ende, zum alten Plan mein Nein – ab in die Tonne damit, und mit mir auch gleich. Spiel die dir zugedachte Rolle no matter what oder hau doch ab, mir egal, dass du Geburtstag hast.

Und dann stirbt einer, und der war vielleicht verdammt unglücklich, so wenig Zeit, nur noch ein Jahr, im Vergleich. Ich will dich anschreien, so wenig Zeit! Für all das Geld gibst du deine Zeit, kriegst du keine Zeit zurück. Kannst sie nicht nachholen. Kriegst dafür auch keine, die dich liebt. Oder die du lieben kannst. Nicht zurückholen! Nicht gutmachen! Nur weitermachen. Zeit zurückkaufen, mit feinem Lebensstil als Blendwerk und Illusion. Spielzeug, originalverpackt, nicht für uns, für mich, “Spiel du doch und leb mein Leben, vertretungsweise!” Behalten, was du nicht brauchst, aus Zeitmangel. Dafür wegwerfen, was du vielleicht doch gebraucht hättest… gegen alle Behauptungen. Doch wofür keine Kapazitäten übrigbleiben, das kann auch nicht wichtig sein.

Kein Schlaf, keine Nahrung, und dann zu viel, ungeregeltes Alles, schwindeliger Ruhepol, rastlos am Sprung. Der Kraft hinterherhecheln und auf Stabilität warten. Den Kopf nie richtig freikriegen, bei aller Flucht in Flow, Schlaf, Wichtigkeiten. Hochgestimmt, wenn was klappt, und wenn nicht, am Boden. Liegt alles nur an der schwachen Seele? Andersrum, weil die Seele deinen Körper braucht, und dein Körper deine Zuwendung. Jetzt, verlässlich, regelmäßig, nicht später. Kannst auch Zuwendung nicht nachholen, auch nicht mit zehnmal-so-lang.

Ein neues Ziel, Beweis für Existenz? Statt zu leben, was du hast. Meine beschwörende Stimme gegen die Jagd nach anderen. Will es in dein Ohr brüllen! Hab Angst, du wirst wieder umfallen, aber nicht wieder aufstehen! Die war da, von Anfang an. Werde dich geliebt haben, und es wird umsonst gewesen sein, eine weitere leere Ecke im Keller meines Herzens, die nie wieder von Präsenz erfüllt wird, ein Karton materieller Erinnerung, unter Staub und Spinnweben in fahlem Mondlicht, Buch, Stofftier, Napf. Es spielt keine Rolle. Und ist doch das einzige, was zählt.

Ich wünschte, du tätest das alles nicht. Nicht so besinnungslos. Würdest selbst bremsen, bevor es dich bremst.
Eine, der du glaubst – was sie sieht. Was sie tut. Was sie sagt. Die gute Absicht. Das wär ich gern gewesen. Mit mir zu Bett statt schnell nochmal weg.

Irgendwas killt dich immer. Mein Anspruch, mein Fehlen, klar. Die eigenen Ansprüche in Camouflage aus dem Hinterhalt, unsichtbar. Oder noch mehr erreichen wollen. Mehr, wichtiger, als meine sinnlose Liebe.

Dafür etwas aufzugeben, als stolze Tat, die den Worten folgt, verantwortlich, nicht chronologisch verdreht als Pfand mit Dankbarkeitsanspruch. Nachfragen, hinhören, verstehen wollen, neu Maß nehmen… Zeit nehmen, bedingungslos. Wars nicht wert. Aber Bedingungsloses erwarten. Was hätte ich dafür noch aufgeben sollen. Zeit mit dir?

Man soll immer dreimal fragen: nein, leider. Lasse dich also hier zurück, gebe dich auf, wie du mich aufgegeben hast. Keine Worte gefunden, die klar genug wären, was diese Zeit ist, für die du kein Gefühl hast. Das kann nur die Zeit. Und dann ist es zu spät.

In meinem Traum sind wir zusammen. Weil Liebe mehr zählt als alles andere, in meinem Traum. Alt ist er geworden. Liebe besiegt nicht alles. Nicht, wenn sie auf halbem Weg verreckt. Es war wohl nie wirklich wahr, die Illusion kann weg, die Hoffnung auch. Stolz und Vorurteil sind mächtiger. Und jetzt? Die Brücke aus “Ich liebe dich” kracht zusammen unter dem Druck von “Ich kann nicht”.

Aber ich schreie nicht, sinke auch nicht weinend an deine Schulter. Du sitzt irgendwo und tust irgendwas.

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Hope I die before I get old

Spätsommer 1989, Konzert im Schlosspark, und ich war sofort verknallt. Der Sänger, der Mod mit den langen dunklen Haaren und den Mandelaugen, Chelsea Boots an den Füßen, schlank und groß. Und diese Stimme! Nine-two-seven-eight-zero, she said to call her at home, I’ve tried that number a hundred times, but nobody answered the phone.

Liebe auf den ersten Blick. Immer in Parka oder Harrington-Jacke, die mit dem Schottenmuster innen, schwarze, enge Hosen. Den Spitznamen von einem Kicker ausm ehemaligen Jugoslawien, der angeblich genauso aussah. In der Taverne am Abend, vor und nach den Proben. Vespa, Antn, “Bahnhof Zoo” für dich mehr Reiz als Schreck. Im Tonstudio für einen Bewerbungssong zum Songcontest.

Musik, das war unser gemeinsames Ding. Von jenseits meiner Linie hast du sie mir nähergebracht – oder reingedrückt, haha. Kratziger, unmelodischer, rauher und härter als meine Gewohnheiten, moddiger R&B, Beat und Punk, Soul, Reggae, Hard Rock und Metal.
Allen voran natürlich The Who – Quadrophenia, Tommy, und auch alle anderen Platten.
The Jam und Paul Weller – In a momentary lapse of my condition…
The Clash, Curtis Mayfield, Isaac Hayes, Gil Scott Heron – The revolution will not make you look five pounds thinner!
Peter Tosh und Alpha Blondy – Only the strong survive they say, weak heart dies in misery.
Purple und Whitesnake, Maiden, Judas Priest, Black Sabbath.
Ich denk jedes Mal an dich, wenn ich einen der Songs von damals höre.

Viel Gelächter und viel Unsinn, Schall und Rauch, viel gemeinsames Musikmachen, zu zweit und mit anderen, “Brainless”, später “Tea for two”. Oder einfach Gitarre und zwei Stimmen. His latest flame und Guitar Man und noch viel mehr von Elvis, sommerliches Schrummen allerlei alter Schnulzen in der Sitzgrube. Später auch Karaoke beim Rührig – der Travelin’ man, ewig dein Song. Bei Almost Paradise bist du seither ungeschlagen, keiner sonst ~dasingt diese Höhe. Und die zweiten Stimmen kann sowieso niemand. Up where we belong und natürlich Islands in the stream, unser Paradesong.

Mittwochs war gnadenlos Fußball angesetzt, mit deinem Onkel. Schauen, nicht spielen. Nicht so richtig mein Abend, bevor der verkündet: “I geh mi jetza ham brausn”. Darüber lachen wir jedesmal.

Ein neues, großes, schwarzes Bett unsere Wohnlandschaft, ganze Tage, oft nur unterbrochen von der Oma, die zum Blumengießen reinschlurft, in den Converse, die du ihr geschenkt hast, weil die so bequem ausschauen.
Du mit einem Stofftier-Entchen im Arm, breit grinsend. Mit Kartoffelchips in der Hand, und du lachst und spuckst: “Die ganze Pappm muass voi sein!” Dein “Gsundheit, Maus!” nach meinem Niesen hab ich heute noch im Ohr. Es ist und bleibt an Zärtlichkeit wohl unerreicht.

Deine Zähne, ein ewiges Gfrett, so viel Angst vorm Zahnarzt, schon als Kind, “beim Stiedl hat er scho gread”, das Gasthaus auf dem Weg zum Zahnarzt, keine 20m vom Elternhaus, deine Mutter erzählt das oft und gern. Jahre später dann alle Zähne neu in Narkose, armselig warst du, als wir dich abgeholt haben, noch halb weggetreten, mit deinem geschwollenem Mund und den aufgerissenen Mundwinkeln, so haben wir dich zum Auto geschleift.

“I hoss Bauern”, wenn vor uns auf der Bundesstraße ein Traktor war. “I hoss Piefke”, wenn im TV irgendeiner was piefkonisch ausgesprochen hat, sowas wie “Ferd” statt “Pferd” oder “Colgaahte” oder alles, was Österreicher halt sonst noch aufregen kann. Ernst gemeint bei dir immer nur höchstens zu 80%.

Viel größer warst du als ich, eine liebe Not, Zehenspitzen, Kniefälle, der Tanzkurs im Wirtshaus – beide zu dünn für Bauchkontakt beim Walzer, du zu groß, ich zu klein, unsere Schuhe einander im Weg. Der Beschluss: Entweder wir bleiben zusammen, oder wir tanzen – beides geht nicht. A echter Sänger tanzt net.

Oft bist du versumpert, beim Andi oder sonstwo, statt wie versprochen in 15 Minuten bei mir zu sein. Und warst danach gleich tagelang verschollen, wegen dem schlechten Gewissen. Du und dein Ausweichen und Vermeiden, und ich sah dich im Straßengraben liegen. Es gab noch keine Handys für eine SMS.
Nach einer sehr heftigen Nacht, damals irgendwann, hast du im Auto vorm Haus gesessen – mit einem Mopedhelm auf dem Kopf, selig schlummernd. Wurdest gefunden, geweckt, kopfschüttelnd zum Schlafen reingeschickt.

Die Todesanzeige, dachte ich spontan, als ich sie sah, die würd ich gern in unsere Vergangenheit schicken und sie dir zeigen. Die Daten. Hätte vielleicht deine Augen geöffnet und uns manche Diskussion zum Lebenswandel erspart. Unerwartet, plötzlich. Zu früh.

Schließlich Trennung, herzbrechend, es war Wahnsinn, es war furchtbar. Vielleicht hätte ich bleiben sollen. Aber zu zäh, zu viel Substanz, zu wenig Perspektive. Breaking up is hard to do.

Die Musik und die Freundschaft blieb uns aber. Auch die zu meiner Lieblings-Schwiegermutter, die einzige jemals, die einen ihrer Kuchen auf “Susykuchen” umgetauft hat und ihn heute noch so nennt.

An deiner Seite später die fesche kleine Rothaarige mit den Martens. Der fesche Rothaarige an meiner. Meinen feschen roten Audi hast du allerdings beim Abbiegen geschrottet, du hast zum Glück nicht viel abgekriegt.

Dann dein oranger Opel, die Mittelkonsole irgendwann mal halb gefüllt mit Cola aus einem maroden McD-Becher, eine Musikkassette schwamm drin. Das war typisch du. Die Backstreet Boys in voller Lautstärke, es warad wengan Chor, so perfekt geschrieben und produziert, meintest du. Stimmen verteilt und mitgegrölt auf den gemeinsamen Fahrten zur Bandprobe. Sometimes I wish I could turn back time, impossible as it may seem.

Gemeinsam bei “Höhenflug” zu zweit gesungen, bis zum Abbruch deiner Zelte. Sechs Uhr zehn. Ohne mich. Die Kobolde. Am Wendepunkt. Arbeiten an Chören, Texte schreiben und die lernen, die andere geschrieben haben. Viel blödeln. Ein erster Gig, ein zweiter. Bei einem kündigst du auf der Bühne Leben auf Rädern an, den Song von Pe Werner über die Rolli-Fahrer, leicht lallend mit den Worten: “Wir spielen jetzt einen Song fürääh unserääh… gefiederten Freunde!”, so peinlich, und wir brechen nieder vor Lachen.

Mit dir singen, wow. Mit dir singen war das beste. Einander in- und auswendig kennen, genau wissen, was als nächstes kommt, wo’s gleich hingeht, dich vorausahnen und meine zweite Stimme deinem Verlauf anpassen. Und umgekehrt. Das war der gemeinsame Tanz, den wir beherrscht haben. Gutes und schreckliches Zeug aufgenommen, irgendwo liegen Kassetten aus den 90ern. Viele Jahre Übung, die sich nie wie Übung anfühlen. Das reinste Vergnügen, ausnahmslos.

Eine Frau aus DE in einem Online-Chat. Du warst verliebt. Ein letztes Höhenflug-Konzert in Angern, da war sie dann da und saß vor der Bühne, neben meinem zukünftigen Mann – und dann zack, Umzug nach DE, weg warst du. Wurdest selber zum Piefke. Sogar dein alter Dialekt bekam eine neue Piefke-Färbung mit der Zeit.

Ein paar Besuche, ein paar Mails. Die Samtstimme war schon bald verklungen. Zwei Kinder später hatten wir kaum noch Kontakt, nur deine Mutter hat mir noch berichtet, was es Neues gibt.

Du warst immer tendenziell patschert, aber lucky, irgendwie so ein Pechvogel-Typ mit Glück im Unglück. Diesmal nicht. Diesmal ist was schiefgegangen, luck’s end. Ich hoffe, du bist glücklich eingeschlafen.

Mir tuts leid um dich. Du hast mir lange gefehlt, die gemeinsame Musik hat mir gefehlt, deine Stimme, deine Art, dein Schmäh und dein Lachen. Man lebt wohl das, was man will, sonst hätte man es nicht so, oder würde strampeln, um was zu ändern. Die Lücke in mir hat schon dein Wegziehen hinterlassen, und die verändert sich für mich vielleicht nichtmal groß, jetzt, wo du tot bist. Aber zu wissen, sie wird nie wieder gefüllt werden, auch nicht kurz auf Besuch für ein, zwei Tage, auch nicht in einem Mail, das tut verdammt weh.

Ich hatte dich immer sehr lieb, und ich werd dich für immer liebhaben. Lach mit den Engeln – und sing viel mit ihnen, bitte! Ich bin sicher, das macht denen genauso viel Freude, wie es mir immer gemacht hat. Flieg frei, gefiederter Freund.

Unser letzter Song bei Höhenflug war immer der hier von Purple Schulz:

Immer nur leben, nur leben
Sich dem Augenblick ergeben
Jeder Tag so als ob’s der letzte wär
wie die Falken frei am Himmel
wie Delphine frei im Meer

Immer nur leben, nur leben
Keinen einzigen Tag vergeben
Alles genießen, jeden Atemzug
Und ganz genau zu wissen:
es ist noch lange nicht genug.

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Süße Ernte

Gedacht sei ein exquisiter Mango-Club, der keinen finanziellen Beitrag verlangt, sondern einen persönlichen. Weil dieser Club nur dann funktioniert, wenn alle ihren Anteil leisten: Baumpflege, Gießen, Unwetterfolgen beseitigen, Schädlinge bekämpfen, Ernte, Schutz vor Frost.

Die Mangos sind mit Abstand die besten im Lande. Und sie sind nicht käuflich, sie werden nur unter den Mitgliedern verteilt.

Du willst unbedingt dort Mitglied sein, kannst aber diesen persönlichen Beitrag nicht oder zu wenig leisten. Weil man dich sehr mag, ruft man dich oft an, schreibt dir, lädt dich ein, und fordert dich schließlich zur Mithilfe auf. Du versprichst, in Zukunft deinen Beitrag zu erbringen, aber bei den nächsten paar Gelegenheiten hilfst du jedesmal ein bisschen weniger dort mit und schließlich gar nicht mehr.

Wenn du dann kommst und “deinen Anteil” an Mangos abholen willst und dort argumentierst, dass du ja auch einen Job zu machen hast, einen anderen Verein und eine Ehe zu führen, und dass man das ja auch verstehen muss, dann wird man dir dort sagen:

“Es sind deine Entscheidungen, die zu deinen Umständen führen. Dafür, wie du deine anderen Verpflichtungen verteilst, liegt weder die Verantwortung noch die Entscheidung bei uns. Deine Prioritäten musst du selber setzen. Wenn du dabei sein willst, dann gibt es dafür Regeln: Es muss dir wichtig genug sein, damit du den Beitrag hier auch leisten kannst und willst. Nur dann kannst nur deinen gesamten Anteil an Früchten mitnehmen. Die Pflege der Bäume aber ist keine Regel – sie ist eine Notwendigkeit.”

Würdest du dem Club vorwerfen, das wäre unfair, und er hätte dir alle Mangos geben müssen? Oder ihm vorhalten, du hättest soeben deine Ehe für ihn aufgegeben, und er hätte dir doch daher aus Dankbarkeit Mangos anbieten müssen?
Wohl nicht. Das wäre ein absurder Anspruch.

All das würde wohl erst recht gelten, wenn der gedachte Verein nur aus zwei Leuten bestünde.
Wenn dir die Arbeit an Mangobäumen, die Bedingung für eine gute Ernte ist, gar keine Freude macht, dann solltest du deinen Wunsch nach der Mitgliedschaft in diesem exquisiten Club hinterfragen.

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Der Feminist, das unbekannte Wesen

Zur Spiegel-Kolumne “Wie kann ich als Mann Feminist sein?” von Margarete Stokowski möchte ich ein paar Punkte hinzufügen.

(Via Twitter gefunden -> Hier hab ich Platz, hier darf ich schreibm. :)

Zur Frage “Warum sollte ich überhaupt einer sein wollen?” eine provokative Überlegung retour: “Die wollen mir doch meine Rechte als Mann wegnehmen!”
-> Hm, bedeutet das nicht auch: “Fairness ist mir unwichtig, solange ich meine Rechte behalte”? Zu welcher Art Mensch würde Sie so ein Gedanke machen? Aus meiner Sicht jedenfalls zu einem, der sich, wenns mal in die andere Richtung unfair wird, auch nicht beschweren dürfte.
Ernsthaft, ich hab dazu schon so viel in der Schublade, hadere aber leider wie so oft mit mir wegen der Länge, in die ich so gerne gehe – und das nur, um in meinen eigenen Worten große Hintergründe zu beleuchten, die jede:r ernsthaft Interessierte mittlerweile genausogut oder besser anderswo nachlesen kann. Unter anderem in den Artikeln, die in der oben zitierten Kolumne verlinkt sind – darum: Lesebefehl auch für diese Artikel.
Ganz unten beleuchte ich aber noch ein paar Quadratzentimeter der Bestrebungen von Feminismus, und dass da auch Männerrechte ein großes Thema sind (woah!).

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Etoshalender 2019!

Es ist wieder soweit, ich bestelle die neuen Kalender! Er wird so eine Art Ode an das Fernweh.

kalender2019-sneak

Wie gewohnt in A3, Spiralbindung, schwarz und elegant. Ach, was red ich…
Er hat zwölf unglaublich tolle Seiten mit herzverlesenen, überaus selbstgemachten Fotos und als Draufgabe ein Deckblatt! Mit Schutzfolie vorne! Er wird wahnsinnig schön.

Kostenpunkt: unverändert 20€. Wer möchte einen, zwei oder fünf? Bitte flott bescheidsagen!
(wie immer auch gern per Mail: etoshaÄTweblog.co.at.)

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Leistungskult

Ich hatte in letzter Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten den Leistungsgedanken auf dem Tisch. Wurde unter anderem gefragt, was daran so problematisch sein soll. Und: “Wenn ich jeden (Mitarbeiter) uneingeschränkt für sein Da-Sein wertschätze, unabhängig von seiner Leistung – wer soll dann die Arbeit machen?”

Niemand wird bestreiten, dass es Sinn ergibt, in jener Umgebung Leistung als Wertmaßstab anzulegen, in der es um Leistung geht – in der Wirtschaft. Doch selbst da wird unfair umgesprungen mit den Begrifflichkeiten. In unseren Breiten ist mit “Leistungsträger” nur derjenige gemeint, der viel Geld verdient und daher “stark ist”, weil er ja “trägt” – wohingegen all jene, die “nur” viel leisten, aber wenig verdienen, in dieser Deutung schonmal durch den Rost fallen. Kein Träger, nicht stark, keine Leistung.

Womöglich muss man sich sogar fragen, ob der Kampf um gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit, den Feministinnen seit Jahrzehnten führen, nicht ein aussichtsloses Kämpfen ist um einen Wert innerhalb eines Wertesystems, das von der privilegierten Gruppe geschaffen wurde, um genau solche Wertunterschiede herauszuarbeiten. Die Rechnung würde dann gar nicht aufgehen können, weil jedes Berufsfeld, das von Frauen erobert werden kann, als Antwort auch abgewertet werden kann.
Aber abseits von Frauen und Männern: die Wahrscheinlichkeit des sozialen Aufstiegs steigt generell mit den initial vorhandenen Privilegien. Es ist nicht für jede(n) Dahergelaufene(n) so, dass Leistung und Fleiß sich automatisch auch auszahlen.

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Nopology

Von Entschuldigungen in echten und weniger echten Varianten

~ E N T S C H U L D I G U N G

Niemand ist davor gefeit, Dinge zu sagen oder zu tun, die aus einem Affekt entstehen und einem anderen Menschen weh tun. Wir sind nicht perfekt, niemand von uns ist das. Aber wir sind in der Lage, unser Verhalten zu überdenken und dabei zu dem Schluss zu kommen, dass es nicht in Ordnung war. Wir fühlen uns dann schuldig und schämen uns.

Entschuldigungen von der echten Sorte erfordern also vorangegangene Reflektion des eigenen Fehlverhaltens, und sie erfordern Respekt vor dem Menschen, dem man unrecht getan hat. (Natürlich entschuldigt man sich auch manchmal, ohne etwas falsch gemacht zu haben, aber darum geht es hier nicht.)

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Auch politisch inkorrekt

Es war bemerkenswert, wie viele unwillige, ablehnende Reaktionen es auf Social Media auf die schriftliche Entschuldigung des Herrn Dönmez für seine sexistische Beleidigung der Frau Chebli gab. Seine Entschuldigung wurde zerrissen, mit Kritik an allen Sätzen und Halbsätzen, nicht nur an einem.

Viele kritisierten ja ein “falls sich jemand verletzt gefühlt hat” – das da übrigens gar nicht stand. So ein “falls” hätte besagt, er hätte sich nur in diesem Fall entschuldigt und ansonsten gar nicht; und obendrein, er würde es tatsächlich für denkbar halten, dass sich gar niemand verletzt gefühlt hat.

Ob man verinnerlichten Sexismus mit einem Moment der Schwäche entschuldigen kann, sei dahingestellt – der Moment der Schwäche besteht wohl eher darin, das, was man ohnehin denkt, nicht für sich behalten zu können, was am Licht auf die Sache und Person nicht wahnsinnig viel verbessert.

Zu Recht in Zweifel gezogen wird eine Entschuldigung aber, wenn ein Nachdenken und eine Entschuldigung nur aufgrund der öffentlichen Reaktion auf das eigene Verhalten erfolgte, und nicht etwa aufgrund persönlicher Reflektion und Bewertung dieses eigenen Verhaltens.
Aber im Verhältnis dazu, wie selten sich heutzutage öffentlich für irgendwelche vorangegangenen, unerträglichen Wortmeldungen überhaupt noch entschuldigt wird, war sie ja gar nicht soo schlecht.

Nur unter ehrlichen und fairen Verhältnissen ergibt eine ehrlich gemeinte Entschuldigung überhaupt Sinn. Sie wird immer unredlich sein, wenn das Setting es auch ist. Im politischen Zusammenhang geht es ja letztlich ohnehin weniger um Vergebung als darum, eventuell doch noch den eigenen Arsch zu retten und seine Position nicht zu verlieren.

Im Falle Dönmez ist das nur so halb gelungen, und das lag letztlich wohl weniger an der missglückten Entschuldigung als an der transportierten Haltung. Vielleicht wurde auch das angestrebte Ziel erreicht – NR bleiben, nur nicht mehr in der Fraktion? Man weiß es nicht. Seine an den Haaren herbeigezogenen Umdeutungsversuche sprechen aber eher dagegen.

Vor sexistischen Ansagen wird nicht nachgedacht, das ist charakteristisch, eben weil es sich nicht nur um einen oberflächlichen Witz handelt, der halt grad passt. Es ist eine so tief verwurzelte Weltsicht, dass die Betroffenen sie wohl innerlich für die Wahrheit halten, mit der man heutzutage höchstens aus sozialverträglichen Gründen hinterm Berg halten muss – nicht, weil sie als grundlegend falsch empfunden werden könnte. “Es kommt nix raus, was nicht auch drin ist”, rufen da allerlei Großmütter. Daher wohl auch die Kritik am “Moment der Schwäche”. Sexismus ist keine Schwäche, sondern ein Ausdruck eines völlig unreflektierten Glaubens an die Überlegenheit der eigenen Gruppe, auch als Chauvinismus bekannt.

Echte Gleichstellung und ehrlicher Respekt vor Mitgliedern einer anderen Gruppe bedeutet, dass Vorurteile und Abwertungen gar nicht erst gehegt oder zumindest innerlich aufs Nachdrücklichste und immer wieder herausgefordert, objektiviert und korrigiert werden – und nicht, dass sie nur nicht geäußert werden.
Oder, einfacher formuliert: Ein Sexist bleibt ein Sexist, auch wenn er sich noch so schön entschuldigt. Nur dass eben mit einer ehrlichen Entschuldigung – in Absicht und Formulierung – hier eben gar nicht erst zu rechnen war.

Wäre es für Frauen tatsächlich so einfach, dauerhaft an gute Jobs zu kommen, die dann auch über Blowjobs hinausgehen, hätten sie nicht jahrhundertelang für gleichwertige Bildung für Frauen gekämpft.

Geht mann allerdings ganz selbstverständlich davon aus, nur sexuelle Dienste am anderen Geschlecht würden Frauen gute Jobs verschaffen, dann deutet das in erster Linie wohl darauf hin, dass diese Schlussfolgerung aus selbst angewandter “Praxis” entstanden sein dürfte. Es liegt also doch nicht am Peter-Prinzip, dass manche Stellen fehlbesetzt sind, sondern eventuell daran, dass Angestellte anhand von, sagen wir mal, eher jobfremden “Skills” ausgewählt werden?
Naja, jeder in seinem beruflichen Umfeld, was ihm am wichtigsten erscheint; hat ja nicht jeder den wirtschaftlichen Erfolg als sein oberstes Ziel. Das ist natürlich in erster Linie ein Armutszeugnis für den Absender. Solche Bewerbungsszenarien allen anderen (Männern) ebenfalls zu unterstellen, ist aber auch eine Beleidigung für alle (Männer), deren Aufgabe es ist, Stellen zu besetzen; nicht nur für die gemeinten Frauen.

Daher ist es fraglich, ob irgendeine auch noch so form(ulierungs)vollendete Entschuldigung hier tatsächlich Ruf oder auch nur Glaubwürdigkeit hätten wiederherstellen oder auch nur teilweise reparieren können. Aber dass sich nicht mehr Männer von dieser Unterstellung beleidigt gefühlt haben – das wiederum zeigt die scheinheiligen “Werte” in dieser Kultur. Sie merken gar nicht, dass sie gerade pauschal als Blowjob-Vergewaltiger bezeichnet wurden, oder es ist ihnen einfach egal.

Für mich waren die vielen negativen Reaktionen auf die Entschuldigung insofern erfreulich, als sie mein Empfinden bestätigten: Entschuldigungen, die gar keine sind, sollten auch nicht als solche getarnt werden.