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A-6. C.i. obliviscens: Der Vergesser

Dieser Artikel ist Teil 8 von 11 in der Serie "Schweinehunde" ...
Nanü, worum gehts denn hier? Bitte zum ersten Eintrag in dieser Serie!

A-6. C.i. obliviscens: Der Vergesser

‘Glücklich ist, wer vergisst, was noch zu verrichten ist.’

Überlieferungen zufolge existierte in grauer Vorzeit schon einmal eine ausführliche Beschreibung dieses Schweinehundes. Angeblich sogar eine recht treffende. Sie wäre gewiss auch heute noch hochinteressant, hätte man nicht vergessen, sie niederzuschreiben. Also, auf ein Neues!

Öhm, was wollte ich gerade sagen?

Der Vergesser ernährt sich von deinen Ideen und von allem, was du dir einprägen möchtest. Er sorgt dafür, dass du Erledigungen oder Termine einfach vergisst, die nur wenig Zeit in Anspruch genommen hätten und noch dazu ohnehin auf deinem Weg gelegen wären (wie Arbeit, Tierarzt, Auftragsmord). Obliviscens lässt seine heimtückische Gnade walten und dich unbekümmerten Frohsinns deines Weges ziehen, womöglich macht er sich noch über dich lustig, indem er dich darüber frohlocken lässt, wie überraschend gut du doch heute im Zeitplan liegst.
Das wäre ja halb so hinterfotzig, hätte das Vorgehen des Vergessers nicht zwei Stufen. Im nächsten Schritt vollbringt er, dass dir diese Verpflichtungen kurz vor deren Fälligkeit – oder aber bevorzugt danach – wieder einfallen.

Ist die Wahl des Schweinehundes auf ‘kurz vor Fälligkeit’ gefallen, dann kannst du schonmal deine Herzpillen suchen gehen: Ein akuter Zustand siedendheißer Panik setzt ein, begleitet von Schweißausbrüchen und einem mulmigen Gefühl in der Magengrube, außerdem erfreust du dich einer infolge akuten Zitterns völlig unbrauchbar gewordenen Feinmotorik. Die Nebennieren schütten Adrenalin aus, das bekanntlich vor allem der quergestreiften Muskulatur den ultimativen Kick gibt. Flucht oder Angriff! Jetzt! Diese Voraussetzungen kombinierst du zu einem aberwitzig überstürzten Aufbruch – Arbeit, Tierarzt, Auftragsmord, wohin auch immer. Allerdings ist das menschliche Gehirn leider kein quergestreifter Muskel. Für die konkrete Erledigung unverzichtbare Utensilien wie Büroschlüssel, Hund, Pistole, bleiben daher zuhause auf – oder unter – dem Küchentisch liegen.

Schickt dir der Vergesser den Geistesblitz über die vergessene Erledigung hingegen erst nach deren Fälligkeit, bleibt zwar das erwähnte mulmige Gefühl auch nicht aus, dafür blickst du auf einen, je nach Angelegenheit, kleinen oder großen Haufen betretener Niedergeschlagenheit. Wenn du dabei noch sowas wie Glück hast, kannst du die Erledigung nachholen, es erwarten dich dabei aber verplemperte Zeit, unnötige Kilometer, und du spürst jeden einzelnen wie einen körperlichen Schmerz, nicht zuletzt deshalb, weil du dir die ganze Zeit lang Schimpftiraden anhören musst – von dir selbst über dich selbst.
Kannst du die Sache nicht nachholen, übermannt dich ein kindischer, ein absurder und vergeblicher Wunsch, nämlich jener, die Zeit zurückdrehen zu können – und er tut es mit voller Wucht. Mit diesem Wunsch beschäftigst du dich wesentlich länger, als es für einen Erwachsenen angebracht wäre.

Was die verlorene Zeit betrifft, so musst du dich aber gar nicht übermäßig grämen: In einem gut etablierten Schweinehundestall hätten der Verächter, der Verbieter oder der Zweifler eine kreative oder seelisch erfüllende Tätigkeit in dieser Zeit ohnehin erfolgreich verhindert.

Bist du vom Vergesser befallen, dann werden auch sämtliche Angelegenheiten, deren Notwendigkeit du dir mühsam eingeprägt hattest, sobald du einmal, wenn auch nur flüchtig, an deren Ausführung gedacht hast, sofort vom Hirn als erledigt abgehakt. Alle späteren Bemühungen, das verzweifelt Gesuchte wieder an die Oberfläche zu befördern, indem du dir ebenso krampfhaft wie tagelang dein Hirn zermarterst, bleiben erfolglos. So kommt es, dass tausende Ideen zur Rettung der Welt nicht einfach in Schubladen vermodern – sie wurden schlicht vom Vergesser gefressen.

Seine metaphysische Ausdehnung versetzt diesen Schweinehund allerdings in die Lage, dich anderweitig und sehr unmittelbar an die verlorene Erinnerungsspur heranzuführen, beispielsweise mithilfe von Anmahnungen von dritter Seite (Chef; den Impfpass beanstandender Zollbeamter; um die Anzahlung geprellter Auftraggeber Marke ‘Stinksauer’).

Selbst Lernerfolge, die du bereits vor langer Zeit erzielt zu haben glaubtest, fallen dem unstillbaren Appetit des Vergessers zum Opfer. Man sollte denken, dass gewisse Erkenntnisse deshalb mit bitteren Erfahrungen einhergehen, damit sie sich tief in das Selbst eingraben – das ist aber bei akuter oder chronischer Obliviscitis nicht der Fall. Daher findest du dich plötzlich in einer Situation wieder, deren Nie-wieder-Auftreten du dir bereits vor Jahr(zehnt)en geschworen hattest.

Ein kleiner Trost: Es ist niemals ein Fall bekanntgeworden, in dem jemandem eine bestimmte Sache nie wieder eingefallen wäre. Kunststück, das liegt auch in der Natur der Sache. Nun, wie ich bereits sagte, ist es ein kleiner Trost.

In seiner Freizeit beschäftigt der Vergesser sich gerne mit Abwägungen in Bezug auf den Schalterstatus von Bügeleisen und Herden, oder mit der Frage, ob du die Haus- oder Autotür auch wirklich abgeschlossen hast.

Nach Attacken durch C.i. obliviscens sind Selbstzerstörungsphantasien nicht selten. (“Ich könnte mich in den Hintern beißen!”“Ich könnte mich (er)schlagen!”) Der Wunsch, durch diese Zerstörung deines Selbst diese besonders infame Art Parasit gleich mitauszurotten, dürfte die tiefenpsychologische Grundlage dieser Phantasien sein.

Was tun?

Bei starkem Befall durch den Vergesser helfen nur Stift und Papier in Personalunion. Wichtige Erkenntnisse des Lebens: Aufschreiben und Zettel an die Klotür kleben. Innen!
Organisiere dich, so gut du kannst. Kauf dir einen winzigen Block und einen Kalender, und trag diese stets bei dir, auch nachts. Den Kugelschreiber solltest du dir am besten in die Hand implantieren lassen, denn der Vergesser hat nicht nur einmal auf dem Weg zum Kugelschreiberholen wichtige Erkenntnisse einfach geschluckt. Als Zettel kann dagegen notfalls auch die freie Handfläche dienen.
Ein Tipp für dich, wenn du gerne beim Autofahren geniale Ideen hast: Kauf dir ein Diktiergerät. Eines mit Solarantrieb. Es ist bislang kein Fall bekannt, in dem es der Vergesser geschafft hätte, dass die Sonne vergisst zu scheinen, wohl aber solche, in denen er den Plan zum käuflichen Erwerb von Batterien über Monate hinweg vereitelte.

Man gewöhnt sich schnell daran, alles aufzuschreiben oder ins Diktiergerät zu sprechen. Der Schweinehund wird auf diese Weise recht effektiv ausgehungert. Dieses Vorgehen braucht dir vor anderen Menschen keineswegs peinlich zu sein. Und übrigens: “Ich dokumentiere meine zahlreichen Ideen” klingt wesentlich souveräner als “Ich bin eben ein vergesslicher Trottel”.

Mir wurde bereits einige Male von erfolgreichen Therapien und extrem abgemagerten C.i. obliviscens berichtet; ich muss allerdings der Ehrlichkeit halber zugeben, dass ich noch nie von der völligen Ausrottung eines Exemplars gehört habe. Kann aber auch sein, dass ich es vergessen habe.

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Die Beschriftung der Welt

Heute war ich auf der Bank, im Foyer, zum Geldabheben. Dort stehen in einem Aufsteller einige Folder nebeneinander zur freien Entnahme, im gewohnten Folder-Radikal-Hochformat, deren Vorderseiten so aussehen:

LEBENSVER
SICHERUNGEN
UNFALLVER
SICHERUNGEN
KRANKENVER
SICHERUNGEN
PENSIONSVER
SICHERUNGEN

Überaus ansehnlich, nicht? Alle Macht dem Layout? Brrr. Pfui Spinne.

Außerdem hängt dort ein Werbeplakat Marke ‘der Bankangstellte mit der schönsten Handschrift kritzelt mit quietschendem Edding was auf A3’. Es empfiehlt mir:

Legen Sie in “Krisenzeiten” Ihr Geld sicher an!

Was mich wieder zurück zu den Deppensatzzeichen bringt. Anführungszeichen, die Worte oder Wortgruppen umklammern, verströmen immer ein bisschen den Duft des “Sogenannten”, des “Angeblichen”, eines ironischen “Ist-ja-gar-nicht-so-wie-behauptet”. Der Duft dieser Satzzeichen ist umso stärker zu wittern, je undurchschaubarer die Gründe für ihre Setzung sind. Hier sind es also angebliche Krisenzeiten. Warum sollten Krisenzeiten, die nur angeblich sind, die Macht haben, mich zu irgendeiner finanziellen Entscheidung zu drängen?

Seltsame Blüten treibt das Anführungszeichenunwesen! (Ha! Was für ein ungemein gelungenes Wortspiel! Sofort in die Werbung damit!)

Wir sind ein “Nichtraucher” Bier Lokal.

(Man beachte auch das elegante Weglassen jedes noch so sehnlich erwarteten Bindestrichs.)

oder

Alle Speisen werden “frisch” zubereitet.

(Dazu fallen mir ausschließlich appetithemmende Interpretationen ein.)

An der Außenmauer eines Gebrauchtwagenhändlers auf der Triesterstraße steht seit Jahren in großen Lettern geschrieben:

KAUFEN SOFORT “IHR AUTO”
BARZAHLUNG

Die Anführungszeichen sind auch noch schräggestellt, obwohl der Rest der Schrift aus ganz geraden Blockbuchstaben besteht, sodass die Aufschrift sich schon in puncto Ästhetik einer auffälligen Gehaltlosigkeit erfreut. Anlässlich der spontanen Themenwahl “Die Beschriftung der Welt” am Telefon mit meiner Freundin N. besprechen wir dieses unschöne Beispiel einer hirnlosen Beschriftung, wobei ich ihr nebenbei auch bekanntgebe, dass der laut Verpackung “dezente Vanilleduft” unseres Klopapiers derzeit auf unangenehm aufdringliche Weise das gesamte Büroklo beduftet, und das noch nichtmal in einer erkennbaren Vanille-Duftnote.

Zum oben genannten Anführungszeichenkonstrukt argumentiere ich, würde man nur das Wort “IHR” unter Anführungszeichen setzen, dann würde das unterstellen, dass das Auto womöglich gar nicht im Eigentum des willigen Verkäufers steht. Oder man schrübe nur “AUTO”, dann wäre anzunehmen, es handle sich um einen verbeulten, kaum mehr als solchen erkennbaren fahrbaren Untersatz. Aber “IHR AUTO”…?

N. konstatiert scharfsinnig: Klarer Fall, “IHR AUTO” heißt dann natürlich gestohlene Rostschüssel.

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– -> ‘ ?

Mir ist eine ganz tolle Deppensatzzeichen-Austauschmöglichkeit eingefallen! Überall dort, wo aus Gründen der anglizistischen Anlehnung, der schriftlichen Nachahmung verblödet langsamen Sprechens oder schlicht aus dummdreister Ignoranz der Bindestrich fehlt, also in Worten wie Griess Pudding, Grimme Preis oder Birnen 1 kg Schale, könnte man doch das Deppenleerzeichen durch ein Deppenapostroph ersetzen! Schließlich hat man ein Zeichen ausgelassen!

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Wir hören uns!

Meine Schwägerin ist schuld. Sie hat sich so ein Ding gekauft. Und mir davon vorgeschwärmt. Für Musiker ist das natürlich eine tolle Sache: Audio-Aufnahmen in wav- oder mp3-Format in einstellbarer Qualität direkt auf SD-Karte. Tolle Aufnahmequalität, kleines Format – das Ding ist kaum größer als eine Zigarettenpackung. Und ich fürchte, ich hab auch meinen Bruder schon angesteckt, letztens, als wir uns trafen. Für Bandproben oder Sessions ist dieses Gerät genau das Richtige. Und freilich als Spielzeug für die kleine Tosha.

Natürlich kann man das Ding auch einfach dazu benutzen, mal eine andere Facette der Welt aufzuzeichnen. Die Frage “Wie sieht’s bei dir eigentlich aus?” wird in der Zeit der digitalen Fotografie deutlich häufiger beantwortet als die Frage “Wie hört sich’s bei dir an?”

Ich hab ja ein ausgesprochenes Faible für Amseln und ihre Gesänge, und das nicht nur der Schönheit wegen, sie bringen mich auch oft zum Lachen. Schon als Kind prägte sich mir das Lied ein, das die Amsel in unserem Garten sang. Es klang vom Ablauf her so ähnlich wie das hier:

      Amsel wie früher


Jede Amsel singt ein wenig anders, sie sind ziemlich kreativ, singen also nicht immer den gleichen Song. Trotzdem erkennt man sie wieder, wenn man sie oft genug gehört hat.
Will man die Gesänge allerdings aufzeichnen, wird einem recht deutlich bewusst, gegen welche Geräusch- respektive Lärmkulisse diese Federviecher täglich ankämpfen müssen.

Hier bei uns daheim ist es in erster Linie der Fluglärm, der den Amseln das Leben schwermacht. Dabei singt ‘unsere’ Amsel aber bevorzugt zu genau den Spitzen-Startzeiten – gegen sieben Uhr früh und sieben Uhr abends. Vielleicht ist das ja auch Absicht, und sie denkt, die Säcke übersing ich noch einbeinig und mit Halsschmerzen.

      Amsel gegen Fluglärm

Die beiden nachfolgenden Sequenzen fand ich lustig, man hört mich nach der ersten ganz verhalten kichern.

      Amsel, witzig

Kaum hab ich begonnen, mich auf die Aufzeichnung von Amselgesang zu konzentrieren, werde ich morgens sogar von Amselgesang sofort hellwach! Ha! Da singt sie, und noch kein Flugzeug zu hören, also nix wie raus! Um 5:25 morgens muss es doch möglich sein, den Piepmatz auf mp3 zu bannen! Zuerst gelingt das auch, sieht man von dem Zug ab, der zu Beginn durchs Bild fährt, äh, durchs Ton. Aber dann muss die Amsel gegen die Trappel- und Knurrgeräusche bestehen, die Frau Hund macht, wenn sie wieder mal versucht, den Igel aus dem Garten zu verjagen, gegen ihr anschließendes enttäuschtes Schnauben und das Rascheln unseres Bambusvorhangs.

      Amsel frohmürgens ;)

Gegen Gebell vom Nachbarhund. (Hier mischt sich auch ein anderer Vogel ein, der seine Rufe mit einem scheußlichen Geräusch beendet, das irgendwie elektrisch klingt, weswegen ich ihn auch “Elektrovogel” getauft hab. Wer mir sagen kann, welches Federhirn da so scheußlich gräuspelt und zischelt, gewinnt den Titel Pfannenvogelkundler des Jahres.)

      Elektrovogel

Edit: Das Federhirn heißt Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros). Vogelstimmen nach Namen gibts auf vogelstimmen.de. Der Titel geht an… mich selbst. Hurra!

In Wien, gleich um die Ecke vom Büro, gibts eine Amsel, die unermüdlich gegen den starken Verkehrslärm der Triesterstraße ansingt; die Aufnahmen hab ich schon bei etwas ruhigeren Phasen des Verkehrs gemacht. Sie ist auch absolut gesehen deutlich lauter als die Amseln hier am Land.

      Amsel gegen Verkehrslärm

Sich gegen ein Motorrad durchzusetzen ist allerdings so gut wie unmöglich. Ab und zu gibt diese Amsel eine Art Sirenengeheul von sich, so ähnlich, wie bei uns die Polizeisirenen klingen. Ganz am Schluss hört man hier einen Ansatz davon. Oft sirent sie auch vier-, fünfmal hintereinander, das hab ich aber leider nie erwischt. Verscheucht die Motorräder aber auch nicht.

      Amsel gegen Bike


Hier die Sirene für Ungeduldige:

      Amsel-Sirene

Es klappt so gut wie nie mit einer halbwegs störungsfreien Amsel, sogar morgens rauscht’s ein bissel. Das ist aber hauptsächlich der Wind.

      Amsel gegen beinahe Ruhe

Aber Amselgesänge mag ich. Was mich dafür unfassbar nervt, ist das elende Gefiepe des Grünfinken, der seit neuestem täglich auf der Tanne des Nachbarn sitzt und von dort sein dämliches Kichern verbreitet. Ich komm mir echt ausgelacht vor.

      Lachvogel

Noch schlimmer aber ist sein ständiges zwii-zwii-zwii-zwii. Klingt, als würde jemand versuchen, ein Auto zu starten, bei dem die Batterie zwar ok, aber der Starter im Arsch ist.

      Springt net an

Und weil wir am Land leben und die Menschen so öko sind und sich lieber Schwimmteiche bauen anstatt einen anständigen, ordentlich gechlorten Pool, werden wir hier mittlerweile von zwei Seiten mit Froschgequake beschallt. Zum Glück nicht vom direkten Nachbarn, sonst wär ich wahrscheinlich schon ausgezogen. Romantisch? Mitnichten.

      Froschorchester

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Madeira 6

El Hase war im Urlaub auch mit dabei. El Reisehase, eigentlich. El Hase, mein guter, alter, bunter Begleiter, wäre mir zu groß gewesen, um ihn mitzuschleppen, immerhin misst er stolze 37 cm von der Pfotenspitze bis zur Ohrenkante. El Reisehase hingegen, der mir bei einem Einkaufsbummel vor dem Urlaub begegnete, ist um einiges kleiner, sodass er gut in meinen Fotorucksack passt, und er bettelte darum, mitkommen zu dürfen.

Und so geschah’s.

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In Machico, vor dem Forte de Nostra Senhora do Amparo. Endlich eine Rast! Die Sonne scheint, und vom nahen Restaurant weht uns schon der erste Duft von gegrilltem Fisch entgegen.

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Das ist gut so, denn wir sind schon hungrig und freuen uns aufs Essen. Das beste Bolo do Caco des ganzen Urlaubs bekommen wir im Restaurant Velho Mercado in Machico. Knusprig, knoblauchig, kräuterig, herrlig!

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El Hase erwanderte auch mit uns den Gipfel des Pico Ruivo. Die Luft ist für Plüschhasen dort schon sehr dünn, drum wirkt er auch ein wenig unscharf.

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In Santa Cruz auf einer Fensterbank wird El Hase zum Senhor Flores 2009 gewählt.

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El Hase, der sich mit Sprachen auskennt, staunt darüber, dass der Cafe Latte in Portugal Galao heißt. Was hat die griechische Milch mit madeirensischer Kaffekultur zu tun? Aber naja, bei uns daheim heißt mancher Kaffee auch Cappuccino und nicht Schlogowasgschloda.
Schön geschichtet ist er jedenfalls, der Milchkaffee!

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Am besten gefällt’s El Hase aber im botanischen Garten in Funchal.

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Dort steht sogar sein Traumhaus! So eins hätt El Hase auch gern. Am liebsten würde er gleich einziehen.

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Auch die schiere Größe der Botanik ist nicht zu verachten.

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Am tollsten aber ist die Rutschpartie am Ende des Besuches! Und er hat den Vergnügungspark ganz für sich allein! Die anderen Besucher sind einfach zu groß. Ihre verständnislosen Blicke gehen ihm am Arsch vorbei. Hurraaaaa!

Gegen Ende der Urlaubswoche fahren wir noch schnell ans ‘Ende der Welt’ – so schnell, wie’s eben geht auf den kurvigen Straßen. Der westliche Teil der Insel ist waldiger, rauher und weniger frequentiert als der Rest. Am Rande von Ponto do Pargo schließlich findet sich das Hotel und Restaurant Farol – wie der Name schon vermuten lässt, in der Nähe des Leuchtturms. Die Gegend dort wirkt auf uns wie schottisches Hochland, grüne, hügelige Wiesen und rundherum nur Natur, keine weiteren Häuser, keine Nachbarn, kein Garnix. Wenn El Hase mal in aller Ruhe ein Buch schreiben möchte, dann wird er sich dort hinbegeben und sich in diesem Hotel, mitten in der Stille und Weite dieser Landschaft, in Klausur begeben.

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Unterhalb des Leuchtturms befindet sich ein Parkplatz, der von einer Steinmauer begrenzt ist, und schräg dahinter ein kleines Stück Wiese, rundum begrenzt von zweihundert Meter tiefem Abgrund – und dann das Meer bis zum Horizont. Man kann sich dort sehr lebhaft vorstellen, dass die Menschen früher dachten, die Welt wäre eine Scheibe, und nach dem Horizont käme nichts mehr. Dort in Farol ist die Welt definitiv zu Ende.

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Und zum krönenden Abschluss dieser Madeira-Fotoreise gibts noch ein Bild zum Beweis, dass ich auch dortgewesen bin, aufgenommen am Strand bei der Flussmündung der Ribeira da Janela.

Ich danke für Eure Aufmerksamkeit!

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Gespart!

Hab heute wieder mal in die Flimmerkiste geschaut. Ich bin ein bekennender Serien-Junkie. Allerdings nehme ich sehr oft auf HDD-Recorder auf, was ich sehen möchte, und überspringe dann später die Werbeblocks. Heute jedoch hab ich mal bewusst hingeschaut und drei Werbeblocks lang aufgepasst. Ich wollte herausfinden, was es mich kostet, wenn ich alles kaufe, was in einem einzigen Werbeblock angepriesen wird. Daher überschlug ich mal, wie groß die Lücke ist, die so ein Werbeblock in die Brieftasche reißt.

Zwei der Blocks kamen bei vox, einer auf ORF 1. Langfristige Verträge werden nicht bewertet, Reminder (5- bis 10-sekündige Spot-Zusammenfassungen zur besseren Einprägung) zählen den Wert des ursprünglichen Spots mal zwei. Und ich kaufe natürlich immer nur ganze Produktserien, sofern sie feilgeboten werden.

Im ersten Block kaufe ich gleich dreimal den Sieger bei Stiftung Warentest, ich nehme Unmengen Vitamin C zu mir, habe Vorrat an essentiellen Fettsäuren für mindestens 60 Tage, und ich putze antiallergen, und zwar auf höchstem Niveau. Unvergleichliche Geschmackserlebnisse und besondere Genüsse ziehe ich mir ungeniert rein, unter anderem in Form von Marmelade und Schokolade mit Nüssen und siebenundachtzig weiteren besten Zutaten. Meine Finanzen sind gecheckt, und es ist für meine Zukunft gesorgt, dafür gehe ich allerdings in mindestens drei Fällen langfristige Verträge noch unbekannter Höhe ein. So eine kleine Unterschrift, was macht das schon? Wirkstoffe konzentriere ich an entzündlichen Stellen, mein Cholesterin senkt sich um insgesamt 103% (nur das böse natürlich), und auf Vorrat liegen nun Reinigungstabs und tiefenwirkende Mundspülung für meine Dritten, die ich mir leider nicht mehr leisten können werde. Ich habe meine Haare gefärbt, geschont und dabei noch 20 Minuten gespart, mich für einen guten Zweck engagiert und die Freude an Bewegung wiederhergestellt.
Und das alles um nur unglaubliche 150 Euro!

Im zweiten Block gönne ich mir besondere Dinge zu diversen Firmenjubiläen, und bestimmt nicht zu deren Nachteil, das besagt zumindest die Meinung, die ich mir auf Aufforderung getreulich gebildet habe. Ich genieße sicheren Schutz und abwechslungsreiche Geschmacksrichtungen, muss aber zu meiner Bestürzung auch Geranien, eine Gartenliege und einen Elektromäher mitnehmen. (Dabei hasse ich die Dinger. Ein echter Mäher hat Benzin in sich drin!) Dafür darf ich allerlei Technologien und Komplexe gezielt anwenden und mannigfaltige Effekte erzielen, meine Kurven sind wieder straff, elastisch und glatt, und ich verliere gar fünf Kilogramm – und das nicht nur durch zeitweiliges Abstellen der Einkaufstasche! Ich muss Würstchen mit ekligen Namen von ebenso ekligen Promi-Werbegesichtern erwerben, knochenstarke Kindernahrung zu mir nehmen (puh, das staubt!), Milchreismischungen selber basteln und hinterher noch locker-würziges aus knusprigem Kartoffelteig vertilgen. Anschließend freue ich mich über meine fettigen Fingertapper auf dem Touchscreen – für Individualisten! – habe außerdem meinen CO²-Ausstoß endlich auf unter 120g/km gesenkt, und bestelle in meinem Schwung noch schnell zwei E-Roller um je 1.660. Bei alledem schwebt über mir mein Kranz wie-schwereloser Haare.
Diesmal sind nur zwei langfristige Verträge dabei. Insgesamt ein grandioses Shoppingerlebnis. Dafür kostet mich der ganze Spaß aber auch schon satte 38.903,77 Euro.

Am teuersten erwischt es mich aber bei ORF im dritten Block.
Hier erreiche ich langfristige Ziele mit neuem Lifestyle, lerne etwas über Befruchtung unter Bonbons, die ich anschließend verzehre (Die Bonbons natürlich, aber genau genommen isst man die Befruchtung natürlich mit. Mir graust echt vor gar nix!), ich vernichte Schokolade wie eine Süchtige und komm mir dabei auch noch vor wie in den Alpen – nehme davon aber kein Gramm zu, schließlich habe ich auch ein Medikament zur Gewichtskontrolle in meinem Warenkorb. Gegen den Zuckerflash ist aber leider keines dabei. Studien legen mir stattdessen quicklebendige Bakterien für meinen Darm nahe, ich desinfiziere Wunden am laufenden Band, gewinne kein Auto, esse dafür aber noch mehr Schokoriegel. Weiters erwerbe ich ein sensationelles Studio-Album sowie Kapital- und Zinsgarantie, muss kreischenden Kindern das Gumminaschwerk abjagen und mir zum Muttertag gratulieren lassen, und das alles, während mir unter meinen drei neuen Kleidern für je 4,99 bereits der Schweiß auszubrechen beginnt, wovon ich mit meinen knallrot geschminkten und voller Allüren steckenden Lippen abzulenken versuche. Drei Kindershirts für je 2,99 hab ich auch in der Tasche – wem soll ich die bloß…? Schließlich erlöse ich noch die Kartoffeln, zu denen diese fiesen Menschen grob gewesen sind, senke im Vorbeigehen meine Energie- und Heizkosten und setze außerdem ein bis zwei Zeichen. Vier langfristige Verträge in schwer kalkulierbarer Höhe gehe ich ein.
Den in einem der Spots versprochenen Muttertagsrabatt von 30% ziehe ich mir frech von der Gesamtsumme ab. Die beläuft sich danach aber immer noch auf stolze 40.169,50.

Zur Verteidigung des Heimatsenders ist anzuführen, dass auf ORF die Sendungen nicht durch Werbespots unterbrochen werden. Nur jeweils zwischen den Sendungen gibt es einen Block – bei vox sind es während einer Serienepisode schon zwei.

Fazit: Shoppen ist anstrengend. Man muss sehr genau aufpassen, weil alles so schnell geht. Auf ORF1 wird man besonders schnell arm, dafür nicht so oft. Und ich bin jetzt um insgesamt 79.223,27 ärmer. Und ein paar Zerquetschte.

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Madeira 5

Vor dem Essen bekommt man auf Madeira als Gruß aus der Küche stets Bolo do Caco serviert, das ist traditionelles Fladenbrot mit einem Teil Süßkartoffeln im Teig, es wird knusprig braun gebraten und mit Knoblauchbutter oder -öl bestrichen serviert. Ein Gedicht!

Danach gab es für uns mit Ausnahme des ersten Tages immer Espada, den Degenfisch. Auf Madeira gibts kaum eine Speisekarte, die ihn nicht enthielte – gebacken, gebraten, mit Banane oder als Eintopf. Er schmeckt wunderbar mild und hat weißes, saftiges Fleisch und dicke, spitze Gräten, die man mitsamt dem Rückgrat auf einmal entfernen kann.

Auf dem Fischmarkt im Mercado dos Lavradores in Funchal haben wir Gelegenheit, dieses Vieh mal im rohen Zustand zu beaugapfeln – tot zwar, aber in seiner ganzen Pracht – und da staunen wir nicht schlecht, wovon wir uns da die letzten Tage ernährten, denn der Degenfisch sieht reichlich grimmig aus, wie eines der Ungeheuer aus der Tiefsee!

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Neben und hinter dem Mann, der hier soeben mit seinem großen Messer so ungerührt einen Thunfisch seines Innenlebens und seiner Flossen beraubt hat und gerade dabei ist, die Beweismittel dieser Taten wegzuspülen…

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…kann man ebenfalls die schwarzen Degenfische sehen; eine Hälfte des Fisches, die mit der Schwanzflosse, hängt immer vom Tisch herab.
Auf dem Fischmarkt kann man sich all das wunderbar von oben anschauen – es gibt eigens dafür eine Beobachtungs- und Fotoplattform für Touristen – oder aber man guckt unmittelbar von daneben zu; dabei kann man aus Kopflosigkeit rote oder weiße Shirts tragen oder aber sich ausgiebig den Rücken kratzen, weil die Gelegenheit grad so günstig ist.

Im Hafen von Funchal liegt ein Kreuzfahrtschiff, gewohnt protzig in seinen Ausmaßen. Es trägt den klingenden Namen ‘Costa Fortuna’ – Piri liest das vor und kommentiert es lakonisch: “DAS glaub ich sofort”. Ich falle vor Lachen fast in den Fußraum des roten Tschihuus.

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Auch die nachgebaute Santa Maria zieht vor Funchal mit ein paar Touristen an Bord ihre Runden. Mit gerefften Segeln sieht sie allerdings eher wie die Black Pearl aus.

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Auf dem ansteigenden Berghang, der die Häuserzeilen von Funchal mit sich nach oben trägt, liegt der Jardim Botánico do Funchal. Von dort genießen wir einen Tag später den prächtigen Ausblick über das Meer und den Hafen, die wir am Vortag noch aus der Nähe sahen.

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Für den Pflanzenfreak gibt es dort viel zu sehen und beinah ebensoviel zu staunen. Unterhalb seht ihr den “Stolz Madeiras”, eine Natternkopfart, die die Einheimischen Massaroco nennen. Ihre ovalen Blütenköpfe sind so lang wie eine große Hand (hier von oben fotografiert).
An fast jeder Böschung kann man sie blühen sehen, sie überziehen die Straßenränder mit leuchtend blauen Farbtupfern.

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Hier ein mir sowohl in seiner einheimischen als auch lateinischen Bezeichnung völlig unbekanntes Baumgeblüh samt Besucher.

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Und hier noch der dritte Rollfarn für mkh, weil er so brav und geduldig war. (Bei Piri bedanken; sie hat das Foto gesehen, ich habs gemacht.)

Für mich aber ist das krasseste Gewächs, das es auf Madeira gibt, der Florettseidenbaum, Ceiba (vorm.Chorisia) speciosa – ein Baum südamerikanischer Herkunft aus der Familie der Wollbaumgewächse, ähnlich dem Brasilianischen Kapokbaum. Seine Stämme und Äste sind lückenlos mit unzähligen kräftigen Stacheln überzogen. Die Früchte sehen ein bisschen wie Avocados aus und sind auch von ähnlicher Größe, doch wenn sie sich öffnen, drängt nach und nach eine Unmenge an seidigen Samenfäden nach außen, aus denen man sich bestimmt tolle Kissen stopfen kann. Im Herbst trägt der Baum dann umwerfend schöne rosa Blüten.

Hier sind einige Stadien der puscheligen Baumfrucht zu sehen:

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Von Funchal bewegen wir uns Richtung Westen. In Ribeira Brava sehen wir den einheimischen Männern beim konzentriert-ernsthaften Dominospielen zu&hellip

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…und gehen ausgiebig shoppen, obwohl sich auch dort die von Piris Freundin gewünschte Ansichtskarte mit dem Motiv eines nackten Adonis nicht findet. Einfach zu katholisch, diese Insel. Die einzigen nackten Menschenteile auf Ansichtskarten sind die silberhaarigen Waden eines ebensolchen Touristen, der sich im Korbschlitten von Monte nach Funchal fahren lässt.

Den Rest des Tages verbringen wir in Ponta do Sol, wo wir uns zum Sonnenuntergang einfinden. Viel zu früh, wie sich zeigt, doch so haben wir endlich mal viel Zeit, die wir mit Kaffeetrinken, in der Sonne sitzen, schauen und einfach die Seele baumeln lassen verbringen (strike, triple-Verb-Konstruktion!). Und es gibt einiges zu sehen.

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Der nahe Strand, dessen westlicher Abschnitt wegen Steinschlaggefahr gesperrt ist, wird von oben stetig mit Süßwasser beträufelt, während unten die Gischt an die Felsen schäumt.

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Vom Schauen wird man schlau, und so machen wir dort die Feststellung, dass man als madeirensische Taube nicht zwingend fliegen können muss. Es reicht, sich einfach fallenzulassen.

[Bild nicht gefunden]
Und schließlich geht die Sonne dann doch noch unter. Da man aber die im Meer versinkende Sonne sicher auf zwölfzig Millionen Fotos im Netz bewundern kann, hab ich ein anderes Bild ausgesucht, das ich interessanter finde.

Die für mich schönste Wanderung machen wir am letzten Tag bei der Flussmündung der Ribeira do Sao Jorge, beim Örtchen Calhau, wo ich schon allein aufgrund der Beschreibung im Reiseführer vom ersten Tag an unbedingt hinwollte, weil sie die Anwesenheit von Ruinen versprach. Und ich liebe Ruinen, wie bereits berichtet. Die Straße, die dorthin führt, stach mir schon am ersten Tag als ausgesprochener Abbiegereiz ins Auge, ohne dass ich da schon gewusst hätte, wohin sie führt. Die Abzweigung liegt in einer der wenigen Talsohlen der nördlichen Küstenstraße, ein Schild weist Richtung ‘Piscina’, also Schwimmbad. (Es gibt dort auch tatsächlich eines. Sieht ein bisschen aus wie ein Knabeninternat im Ostblock der 70er Jahre.)

Die Fotos der Ruinen nahm ich im Teil 4 schon vorweg, weil sie so gut zum Thema ‘Immobilien auf Madeira’ passten. Doch auch abseits der Ruinen ist diese Wanderung grandios.

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Sie beginnt an der Flussmündung, wo zahme Rinnsale aus Süßwasser auf die Meeresbrandung treffen, die wild gegen Schotter und schwarze Felsen schlägt.

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Der Weg führt an der Küste entlang ein Stück bergauf, vorbei an der Ruine, die ihr bereits gesehen habt, zig Meter oberhalb der tosenden Brandung einen in den Fels gehauenen, schmalen Weg entlang. Manchmal sogar sehr schmal. An einem kleinen Wasserfall müssen wir uns über ein Stück trauen, an dem der Weg zum größten Teil weggebrochen ist. Nur ein schmaler Grat führt auf die andere Seite. Auf dem Hinweg habe ich damit weniger Schwierigkeiten als auf dem Rückweg, da denke ich zu lange nach und muss mich schließlich von Piri zur Überquerung anfeuern lassen.

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Das Meer sieht von hier oben noch viel schöner aus als vom Strand betrachtet, die Gewalt der Gezeiten ist ein ständiger Anziehungspunkt für unsere Augen, wir können uns gar nicht sattsehen. Türkis schimmern die Scheitel der Wellenberge einen Augenblick lang, bevor sie sich in weißer Gischt verlieren.

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Ziel des Weges ist Ponta de Sao Jorge, offenbar eine alte Kaianlage.

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Dorthin führt allerdings nur dieser einzige Weg – eine weitere Mutprobe, die wir in holder Eintracht und ohne jegliche Diskussion… bleiben lassen. Besonders vertrauenerweckend sehen die Holzplanken wirklich nicht aus, und wir wollen ja beide unsere Ehemänner nochmal wiedersehen, bevor wir von dieser Erde scheiden. Also kehren wir um und genießen auf dem Rückweg die Sonne, die sich doch noch entschließt, uns zu begleiten, und die leuchtenden Farben, die sie aus der Umgebung kitzelt.

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Ask Dr. Etosha

Mal was anderes zwischendurch. Sonst kriegen wir hier noch den Fotokoller.
Seltsame Anfragen wurden der allwissenden Müllhalde wieder zugetragen, und merkwürdige Spam-Betreffzeilen erregten die Aufmerksamkeit der Frau (vom) Doktor. Na, dann los!

  • etosha farbe ändern

    Rein von außen steuerbar ist das leider nicht. Aber hier ein paar Hinweise: Wenn sie sich schämt oder Sonnenbrand hat: rot. Wenn sie sich ärgert: lila. (‘Do wiri lila!’, Ausruf des Zornes.) Wenn sie wartet: schwarz; je länger, umso schwärzer. Grün, wenn sie was Falsches gegessen hat, manchmal auch vor Neid. Blau… ja, kommt auch vor.

  • pinkeln im etosha

    Also ich muss doch sehr bitten. Suchen Sie sich doch eine geeignetere Stätte.

  • tanzbären trommeln sterne schmelzen

    Ich weiß ja vieles, aber… keine Ahnung, echt jetz. Klingt aber romantisch! Vielleicht fällt sie drauf rein. Grundsätzlich würde ich aber glauben, dass Tanzbären tendenziell eher tanzen als trommeln. Oder ist hier gemeint, dass auf Tanzbären getrommelt wird? Dann ist das aber die Königsdisziplin der Tierquälerei! Was das Sterneschmelzen betrifft, ist die schiere Entfernung ein kleines Problem. Man könnte es aber mit einem Laserpointer versuchen und den guten Willen zählen lassen. (1, 2, …)

  • kamel lockruf

    Höck-höck?! Hatten wir das nicht schonmal? Ah, nein, wir beschlossen vor Zeiten, dass der Lockruf ‘Höckerhöckerhöcker!’ lauten muss. Höck-höck gefällt mir heute aber besser. Daran kann man erkennen, dass man zu keinem Zeitpunkt im Lebens so schlau ist, wie man glaubt. Auch nicht 2006. (Und auch nicht 2009.)

  • Alle Software ist Deutsche Sprachen, originell und voll funktionsfahig.

    Das glaub ich sofort. Also, die originelle Komponente. Ich bin sicher, wenn die ganze Software so übersetzt ist, stößt man auf eine Menge origineller Zitate und Fehlermeldungen. Man hat freilich nicht den blassesten Schimmer, was sie bedeuten sollen – aber originell sind sie bestimmt.

  • Your manhood will fly like a white dove – independent and free.

    Das wiederum glaub ich weniger. Und wenn, dann würde es bestimmt einiges Aufsehen erregen. Nicht nur, weil ‘your manhood’ in meinem Fall höchstens geistig-seelische Aspekte betreffen kann, sondern auch generell. Ich bin der Ansicht, es herrscht auch jetzt schon genug Flugverkehr, sowohl technischer als auch tierischer Natur, sodass die Menschheit auf das freie und unabhängige Umherfliegen von primären männlichen Geschlechtsmerkmalen ohne weiteres verzichten können dürfte. Des weiteren möchte ich mir solcherlei Geflatter in dieser Farbgebung, nämlich einer weißen Taube vergleichbar, eigentlich gar nicht vorstellen, bei aller grunzipiellen Liebe zu Gedankenspielen.
    Und was ist mit dem schwarzen potenzgestörten Mann? Ich befürchte, ein frei flatterndes, weißes Geschlechtsteil, das einst ihm gehörte, könnte Auslöser nicht unwesentlicher und womöglich sogar mehrfacher Identitätskrisen sein.

  • Weihnachten ist Potenz-Zeit!

    Herzlichen Dank für diesen wirklich essentiellen Hinweis. Ich werd versuchen, es mir bis dahin zu merken.

Artikel

Madeira 4

Früh morgens parken wir unser rotes Tschihuu in Teixeira auf einem ebenso roten Parkplatz aus vulkanischer Erde und besteigen von dort aus den Pico Ruivo (“rothaariger Kamm”). Hier, in der Mitte der Insel, liegt der Geburtsort der Wolken. An diesem frühen Morgen beginnen die sie gerade erst, in Form von luftigen Nebelgespinsten aus den Tiefen der Inselschluchten aufzusteigen.

Es ist kalt auf dem Berg, eine Kälte, die sich auch mit Bewegung kaum vertreiben lässt und in alle rheumatischen Glieder dringt. Es liegt noch etwas Schnee.
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Zarte Eisgebilde auf dem Boden zittern vor dem Tritt des frühen Wanderers.

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Von hier oben kann man gut die tiefen Schneisen erkennen, die das Wasser im Laufe der Zeit in die Berge der Insel gewaschen hat. Die Ribeiras, also die Bäche und Flüsse, fließen heute tiefe Täler entlang, sie gestalten die Insel, geben ihr ein Gesicht, das faltig und zerfurcht wirkt, sie beherrschen die Straßenführung und die Struktur der Besiedelung.

Das Wort Madeira bedeutet ja Holz, die Insel war vor ihrer Erschließung von Lorbeerwäldern bedeckt gewesen, aus deren Holz später unzählige Schiffe gebaut wurden. Wenn es darum geht, den Charakter der Insel, ihr Element zu definieren, sollte sie aber eigentlich Agua heißen.

Der Gipfel ist fest von Nebel umschlossen, als wir vor der letzten Etappe des Bergwanderweges stehen. Nach einer kurzen Diskussion über Sinn und Unsinn des Wanderns auf neblige Gipfel (Gipfel-Erfolgserlebnis versus Aussicht) gebe ich mir einen Ruck, auch noch die letzten 500 Meter trotz vermuteter Fotountauglichkeit des Gipfels hinter mich zu bringen. Es springt sich nicht gazellenartig mit zwei Objektiven in der Fotojacke, die man bei jedem Schritt mitheben muss.

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Aber es lohnt sich, oben anzukommen – erstens gibt es endlich was zu essen, und zwotens lichtet der Nebel sich da und dort und gibt tatsächlich Blicke auf die Berge und die weit entfernt wirkende Küste frei. Auch die Wolken zeigen sich von ihrer schönsten Seite. Der Gipfel ist von verschiedenen Holzkonstruktionen überzogen, die auf ihre eigene Art für Stimmung sorgen.

Nach dem Abstieg genießen wir ein ebenso feudales wie dringend nötiges Mittagsmahl beim Kirchenwirt in Canico und trinken anschließend Kaffee in Heiligenkreuz. Also eigentlich alles wie daheim.
In Santa Cruz geht ein kräftiger Regenschauer nieder, was uns zwingt, uns in der überdachten Café-Terrasse einen anderen Sitzplatz zu suchen, auf den es nicht durchs Dach tropft. Bei Einsetzen des Regens reißen sich ein paar Jugendliche wie auf ein Stichwort die Kleidung vom Leib und springen vom Steg aus zum Baden ins Meer. Ich kriege eine teilnahmsvolle Gänsehaut.

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Nach dem Regen kommt die Sonne von rechts, also schauen wir nach links.

Santa Cruz ist für uns eines der sympatischsten Städtchen, die wir auf Madeira besuchen. Obwohl es nahe am Flughafen liegt, hat es einen ganz eigenen Charme. Die hübschen Muster aus Basalt und Kalkstein am Boden der Uferpromenade zeigen Szenen aus dem Inselleben, Schiffe und Fische.
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Außerdem begegnet uns ein Basaltbild, das wir, kulturell gewohnt zielsicher, als bis über beide Ohren grinsendes Gesicht identifizieren. Wie wir später anhand der Insignien auf dem Rathaus erkennen können, dürfte es sich allerdings eher um das Heiligenkreuzer Stadtwappen handeln.

Gegenüber des Rathauses begeistert uns ein verwunschen wirkendes altes Häuschen. Es ist offensichtlich unbewohnt. Durch das schmiedeeiserne Gartentor, das bereits reichlich Rost angesetzt hat und mit violett blühenden, wuchernden Glyzinien überzogen ist, kann man einen verwilderten Garten und die Loggia des Hauses erkennen. Alte Blumentöpfe warten auf den Treppen zum Eingang auf neues Leben. Ich würde am liebsten sofort mit dem Renovieren beginnen.

Immobilienmakler auf Madeira. Das wär ein Job! Man pflegt ja dort durchaus seltsam zu wohnen. Die ganze Insel ist untertunnelt, ein Unterfangen, das mir persönlich bei einer vulkanischen Insel recht unerschrocken erscheint – aber ich bin ja auch nicht gerade ein Ausbund an Mut und Tapferkeit.
Vermutlich ist es also relativ schwierig, ein Haus zu finden, das nicht auf die eine oder andere Art über einem Tunnel steht.

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Aber so manche Immobilie ist von ihrer Lage her schon durchaus bemerkenswert.

Ich sah weitere Häuser, die noch viel unmittelbarer über einer Tunneleinfahrt standen, nur durch einen kleinen, steilen Vorgarten vom Betonbogen der Einfahrt getrennt. Aber nicht immer hatte ich beim Fahren die Kamera auf dem Schoß.

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Ein Häuschen direkt am Ufer der Ribeira de Sao Jorge hätt ich anzubieten, ganz unten im Tal und daher garantiert untertunnelungsfrei.

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Oder wäre eher ein Häuschen direkt am Meer genehm?

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Eines der bezauberndsten Häuser sehen wir aber regelmäßig auf unseren Heimfahrten nach Sao Jorge. Es steht völlig frei von Nachbarschaft (und Tunnels) am Straßenrand, vor einer der unzähligen Kurven der nördlichen Küstenstraße.

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Auch die Tunnelfahrten selbst sind zuweilen ein Erlebnis. Unser Lieblingstunnel befindet sich auf der alten Küstenstraße irgendwo zwischen Sao Jorge und Ponta Delgada. Er ist unbeleuchtet, rohe Felsen bilden sein Inneres, und an etlichen Stellen läuft das Wasser in Sturzbächen auf die Straße und in den Tunnel herab. Eine Autowäsche ist also inkludiert. Kommst du aus östlicher Richtung, siehst du zwar nicht in den weiteren Verlauf des Tunnels und kannst daher auch eventuellen Gegenverkehr nicht erkennen, du bist aber derjenige mit der einzigen Ausweichmöglichkeit vor dem Tunnel. Du musst also auf gut Glück hineinfahren – und bei Gegenverkehr wieder zurücksetzen. Nach einem dieser Reversiermanöver macht der offensichtlich einheimische Fahrer im entgegenkommenden Auto die beiläufige Geste eines Dankes, sieht mich beim Näherkommen aber überrascht an und hebt dann begeistert die Daumen. Piri übersetzt: “Gut hast du das gemacht – …für eine Frau.”

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Eine gefälligere Belohnung als diese bietet die Aussicht an der Tunnelausfahrt.

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Ein weiteres seiner vielen Gesichter zeigt Madeira auf Sao Lourenco, dem östlichsten Zipfel der Insel. In diesem Fall hat dieses Gesicht eindeutig schottische Züge – ich fühle mich an Arthur’s Seat erinnert, den Hügel bei Edinburgh. Nur dass in Edinburgh nicht unmittelbar unter mir das Meer toste, schäumte und an Felsen krachte.

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Ein grandioser Ort, und, wie so oft auf Madeira, ohne übertriebene Sorge um den Tourist – das beinah völlige Fehlen von Absperrungen oder Geländern beweist das. Freie Sicht trotz beachtlicher Höhe. Wer zu weit rausgeht, ist selber schuld – und gewinnt einen Freiflug.

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Man kann sich dort auch eine Wanderung antun, über die Hügel hinweg bis hinaus zur äußersten Spitze. An diesem Tag scheint das so gut wie unbewältigbar. Es ist schon spät, die Berge sind groß und die Menschen klein.

Also begnüge ich mich mit Fotos vom Aussichtspunkt aus. (Piri bezwang den Wanderweg in ihrer zweiten Urlaubswoche ohne mich.) Die wenigen Insekten, die ich auf Madeira zu Gesicht bekomme, begegnen mir allesamt auf Sao Lourenco. Dieses hier…
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… und Schwärme winziger Mücken, die uns dort (und nur dort) auf Schritt und Tritt verfolgen. Sie sind furchtbar anhänglich und schwirren uns vor der Nase rum, verstellen uns den Blick, dann kleben ihre winzigen, schwarzen Körper zu Dutzenden auf uns, auf den Jacken, den Haaren, im Gesicht, die Schwärme werden aber zu unserer Verblüffung trotzdem nicht kleiner. Nur Spiegel und Chip der Kamera bleiben erstaunlicher- und glücklicherweise mückenleichenfrei, obwohl ich mehrmals das Objektiv wechsle.

Die Aussicht zu genießen gestaltet sich daher etwas schwierig, aber wozu hat man schließlich Fotos?

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Das einzige weitere Insekt war bereits tot, als ich es traf; es war eine zertretene Küchenschabe von beachtlicher Größe auf einer Treppe des Forte de Sao Tiago in Funchal.

Zurück in der Quinta amüsieren wir uns ein weiteres Mal über die schriftlichen Hotelinformationen, die in ihrer sprachlichen Natur mit zunehmender Absatzzahl skurriler werden, als hätte der Übersetzer eine ungewöhnlich rasant fortschreitende Krankheit gehabt, die Zug um Zug das Sprachzentrum lahmlegt. Den letzten Absatz rezitieren wir mehrmals und titulieren ihn schließlich als ‘alte madeirensische Weisheit’.

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