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Segeln 1

So. Puh! Ich würde mehr fotografieren, wäre da nicht hinterher das elende Sichten, Vergleichen und Löschen und… aber das Gejammer kennt ihr ja schon. Viel Fotosichtung hab ich noch nicht geschafft, ich musste nämlich meine Wegwerfstimmung nutzen. Die, in der man am liebsten alles Klumpert wegschmeißen würde, das man daheim so hortet. Die Stimmung hat man (=ich) nämlich nicht alle Tage. Daher musste ich heute verschiedenes entsorgen, Après-Lotion aus dem Jahr 2004, zahnluckerte Kämme, einen Radiowecker, dessen penetrant hellgrüne Leuchtziffern mich schon seit Jahren beim Schlafen stören, sodass ich sein Display immer mit der Schlafmaske zudecke, die davon schon ganz staubig ist… und sowas alles eben.

Hier kommen nun aber die ersten Fotos vom Segeltörn. Besonders wortgewaltig fühle ich mich zur Zeit nicht, aber ich versuch halt mal, mir zu den Bildern ein paar Worte abzutrotzen.

Wir starten am Sonntag früh von der Marina Punat auf Krk. Erstes Ziel: Goli Otok, eine von zwei ehemaligen Gefängnisinseln – diese war die Insel für politische Gefangene männlichen Geschlechts. Die Inseln Goli Otok und Sveti Grgur, die Gefängnisinsel für die Frauen, wurden 1988 aufgegeben, die Güter wurden geplündert, die Gebäude dem Verfall preisgegeben. Für mein Fotoauge ist das genau die richtige Szenerie, wenn auch das emotional-geistige Auge dort eher unschöne Szenen visualisiert.

Goli Otok

Von hier aus geht rechts nach oben eine schnurgerade Straße entlang, an der verfallene Fabriksgebäude liegen, Stromverteiler und Lagerhallen. Links hinter dem großen Gebäude am linken Bildrand findet man den Steinbruch. Das ehemalige Gefangenen- und Zwangsarbeitslager ist unglaublich weitläufig, wir schaffen in eineinhalb Stunden nichtmal die Hälfte des Areals.

Goli Otok

Was für eine Funktion auch immer dieses Gebäude hatte, es sieht sehr seltsam aus. Es steht am Rande des Steinbruchs. Hinweise willkommen!

Goli Otok

Allzu gut lebt sich’s dort auch heute nicht.

Goli Otok

Das Betriebsgelände von etwa halber Höhe aus, nach unten fotografiert…

Goli Otok

… und nach oben.

Goli Otok

Eine der Hallen von innen. Was genau sie für eine Halle war, lässt sich nicht mehr sagen.

Goli Otok

Es war schwer, mich für ein paar wenige Bilder zu entscheiden. Mehr Infos dazu und Bilder von Goli: Virtueller Rundgang auf der Insel, älter als meine Fotos und daher auch noch in etwas besserem Erhaltungszustand.
Goli-Forschung.
Goli-Dokumentation.
(Links: thx to EGM)

Ich sehe allerdings, dass der Steinbruch selbst auf goli-otok.com nicht vorkommt – zumindest hab ich ihn nicht gefunden. Oder hab ich’s überblättert? Ich kann noch Fotos nachliefern, wenn’s jemand sehen möchte.

Schade, dass wir uns nur so wenig Zeit genommen haben, es hätte noch viel mehr zu sehen gegeben. Aber die Erfahrung war deprimierend genug, also schippern wir in die nahegelegene Bucht ‘Sahara Beach’ und testen dort erstmals das Wasser. Es ist eiskalt, aber salzig, wie es sich gehört. Und wunderschön.

Sahara Beach

Die Nacht verbringen wir auf Rab in der Supetarska Draga beim Stiegenwirt. Wir zahlen keine Liegegebühren und verspeisen dafür ein feudales Mahl bei Ivan, dem Besitzer des Gasthauses am Hügel. Die Aussicht ist phantastisch!

Abend in Supetarska Draga / Rab

Danach betrinken wir uns sinnlos – manche mehr, manche weniger – und schockieren wiedermal das kroatische Volk, indem wir Kruškovac mit Milch bestellen. Dabei schmeckt das sooo gut! Erst testen, dann motzen!

El Hase inspiziert Kruškovac mit Milch

Es zeigte sich schon zu Beginn des Törns, dass unser Tiefenmesser recht phantasievolle Zahlen anzeigt, wir motoren also Richtung Šilo auf Krk, wo ein Techniker sich die Sache ansehen will. Auf dem Weg dorthin ankern wir in einer Bucht, deren Name ich vergessen habe; dort wird die Crew lukullischer Zeuge meiner sensationellen Kochkünste wird – es gibt Spaghetti und kreatives Salatdressing ohne Essig.

El Hase versucht sich auf der Fahrt als Galleonsfigur und als Steuermann.

El Hase ist vorn dabei El Hase ist aber auch 1 guter Steuermann

Der Techniker kommt tatsächlich, kann aber keine Fehler in den Leitungen finden, der Defekt dürfte also das Gerät selbst betreffen. Zur Behebung muss das Boot aus dem Wasser – aber erst nach unserem Törn. Seichte Buchten sind daher für uns in weiterer Folge leider tabu.

Wir essen in Šilo zu Abend und freuen uns, dass wir noch schnell die Luken dichtgemacht und Regenjacken vom Boot geholt haben, denn der stundenlange Wolkenbruch, der unser Abendessen und die Stunden danach begleitet, ist sintflutartig. Die Befestigung der Sprayhood bei der Rückkehr zum Boot gerät aber zum kalten Vollbad.
Der nächste Morgen allerdings ist ein gar prächtiger. Alle Regenwolken sind über Nacht verschwunden, und der Ausblick ist bereits vom Niedergang aus atemberaubend.

Morgengrauen in Šilo

Auch der kleine Strand nördlich der Mole liegt da, als würde er auf Postkartenfotografen warten.

Morgengrauen in Šilo

Der Felsen erinnert mich an ein bis zum Hals im Treibsand der Schotterbucht versunkenes Schaf.

Und dann endlich geht die Sonne auf. Sie scheint die Wolken vor sich herzutreiben.

Sonnenaufgang in Šilo

Nach dem Knipsen gehe ich Brot und Eier fürs Frühstück kaufen, im Supermarkt treffe ich Crewmitglied und senil bettflüchtigen Navigator K., und wir karren gemeinsam Essbares für 180 Kuna zur Kasse, immerhin 25 Euronen. Wir befragen einander gegenseitig, ob der andere Bordkassageld dabei hat. Nein, nur privates Geld, naja, macht nichts, das rechnen wir dann später ab. Er glaubt, ich bezahle, ich glaube, er bezahlt, und die Kassierin glaubt ihren Augen nicht, als wir mit verpacktem Einkauf durch die Tür marschieren wollen – ohne dass einer bezahlt hätte. Ihr herzliches Lachen begleitet uns nach dem Begleichen der Rechnung noch zur Tür hinaus.


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Madeira 6

El Hase war im Urlaub auch mit dabei. El Reisehase, eigentlich. El Hase, mein guter, alter, bunter Begleiter, wäre mir zu groß gewesen, um ihn mitzuschleppen, immerhin misst er stolze 37 cm von der Pfotenspitze bis zur Ohrenkante. El Reisehase hingegen, der mir bei einem Einkaufsbummel vor dem Urlaub begegnete, ist um einiges kleiner, sodass er gut in meinen Fotorucksack passt, und er bettelte darum, mitkommen zu dürfen.

Und so geschah’s.

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In Machico, vor dem Forte de Nostra Senhora do Amparo. Endlich eine Rast! Die Sonne scheint, und vom nahen Restaurant weht uns schon der erste Duft von gegrilltem Fisch entgegen.

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Das ist gut so, denn wir sind schon hungrig und freuen uns aufs Essen. Das beste Bolo do Caco des ganzen Urlaubs bekommen wir im Restaurant Velho Mercado in Machico. Knusprig, knoblauchig, kräuterig, herrlig!

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El Hase erwanderte auch mit uns den Gipfel des Pico Ruivo. Die Luft ist für Plüschhasen dort schon sehr dünn, drum wirkt er auch ein wenig unscharf.

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In Santa Cruz auf einer Fensterbank wird El Hase zum Senhor Flores 2009 gewählt.

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El Hase, der sich mit Sprachen auskennt, staunt darüber, dass der Cafe Latte in Portugal Galao heißt. Was hat die griechische Milch mit madeirensischer Kaffekultur zu tun? Aber naja, bei uns daheim heißt mancher Kaffee auch Cappuccino und nicht Schlogowasgschloda.
Schön geschichtet ist er jedenfalls, der Milchkaffee!

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Am besten gefällt’s El Hase aber im botanischen Garten in Funchal.

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Dort steht sogar sein Traumhaus! So eins hätt El Hase auch gern. Am liebsten würde er gleich einziehen.

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Auch die schiere Größe der Botanik ist nicht zu verachten.

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Am tollsten aber ist die Rutschpartie am Ende des Besuches! Und er hat den Vergnügungspark ganz für sich allein! Die anderen Besucher sind einfach zu groß. Ihre verständnislosen Blicke gehen ihm am Arsch vorbei. Hurraaaaa!

Gegen Ende der Urlaubswoche fahren wir noch schnell ans ‘Ende der Welt’ – so schnell, wie’s eben geht auf den kurvigen Straßen. Der westliche Teil der Insel ist waldiger, rauher und weniger frequentiert als der Rest. Am Rande von Ponto do Pargo schließlich findet sich das Hotel und Restaurant Farol – wie der Name schon vermuten lässt, in der Nähe des Leuchtturms. Die Gegend dort wirkt auf uns wie schottisches Hochland, grüne, hügelige Wiesen und rundherum nur Natur, keine weiteren Häuser, keine Nachbarn, kein Garnix. Wenn El Hase mal in aller Ruhe ein Buch schreiben möchte, dann wird er sich dort hinbegeben und sich in diesem Hotel, mitten in der Stille und Weite dieser Landschaft, in Klausur begeben.

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Unterhalb des Leuchtturms befindet sich ein Parkplatz, der von einer Steinmauer begrenzt ist, und schräg dahinter ein kleines Stück Wiese, rundum begrenzt von zweihundert Meter tiefem Abgrund – und dann das Meer bis zum Horizont. Man kann sich dort sehr lebhaft vorstellen, dass die Menschen früher dachten, die Welt wäre eine Scheibe, und nach dem Horizont käme nichts mehr. Dort in Farol ist die Welt definitiv zu Ende.

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Und zum krönenden Abschluss dieser Madeira-Fotoreise gibts noch ein Bild zum Beweis, dass ich auch dortgewesen bin, aufgenommen am Strand bei der Flussmündung der Ribeira da Janela.

Ich danke für Eure Aufmerksamkeit!

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Madeira 5

Vor dem Essen bekommt man auf Madeira als Gruß aus der Küche stets Bolo do Caco serviert, das ist traditionelles Fladenbrot mit einem Teil Süßkartoffeln im Teig, es wird knusprig braun gebraten und mit Knoblauchbutter oder -öl bestrichen serviert. Ein Gedicht!

Danach gab es für uns mit Ausnahme des ersten Tages immer Espada, den Degenfisch. Auf Madeira gibts kaum eine Speisekarte, die ihn nicht enthielte – gebacken, gebraten, mit Banane oder als Eintopf. Er schmeckt wunderbar mild und hat weißes, saftiges Fleisch und dicke, spitze Gräten, die man mitsamt dem Rückgrat auf einmal entfernen kann.

Auf dem Fischmarkt im Mercado dos Lavradores in Funchal haben wir Gelegenheit, dieses Vieh mal im rohen Zustand zu beaugapfeln – tot zwar, aber in seiner ganzen Pracht – und da staunen wir nicht schlecht, wovon wir uns da die letzten Tage ernährten, denn der Degenfisch sieht reichlich grimmig aus, wie eines der Ungeheuer aus der Tiefsee!

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Neben und hinter dem Mann, der hier soeben mit seinem großen Messer so ungerührt einen Thunfisch seines Innenlebens und seiner Flossen beraubt hat und gerade dabei ist, die Beweismittel dieser Taten wegzuspülen…

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…kann man ebenfalls die schwarzen Degenfische sehen; eine Hälfte des Fisches, die mit der Schwanzflosse, hängt immer vom Tisch herab.
Auf dem Fischmarkt kann man sich all das wunderbar von oben anschauen – es gibt eigens dafür eine Beobachtungs- und Fotoplattform für Touristen – oder aber man guckt unmittelbar von daneben zu; dabei kann man aus Kopflosigkeit rote oder weiße Shirts tragen oder aber sich ausgiebig den Rücken kratzen, weil die Gelegenheit grad so günstig ist.

Im Hafen von Funchal liegt ein Kreuzfahrtschiff, gewohnt protzig in seinen Ausmaßen. Es trägt den klingenden Namen ‘Costa Fortuna’ – Piri liest das vor und kommentiert es lakonisch: “DAS glaub ich sofort”. Ich falle vor Lachen fast in den Fußraum des roten Tschihuus.

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Auch die nachgebaute Santa Maria zieht vor Funchal mit ein paar Touristen an Bord ihre Runden. Mit gerefften Segeln sieht sie allerdings eher wie die Black Pearl aus.

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Auf dem ansteigenden Berghang, der die Häuserzeilen von Funchal mit sich nach oben trägt, liegt der Jardim Botánico do Funchal. Von dort genießen wir einen Tag später den prächtigen Ausblick über das Meer und den Hafen, die wir am Vortag noch aus der Nähe sahen.

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Für den Pflanzenfreak gibt es dort viel zu sehen und beinah ebensoviel zu staunen. Unterhalb seht ihr den “Stolz Madeiras”, eine Natternkopfart, die die Einheimischen Massaroco nennen. Ihre ovalen Blütenköpfe sind so lang wie eine große Hand (hier von oben fotografiert).
An fast jeder Böschung kann man sie blühen sehen, sie überziehen die Straßenränder mit leuchtend blauen Farbtupfern.

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Hier ein mir sowohl in seiner einheimischen als auch lateinischen Bezeichnung völlig unbekanntes Baumgeblüh samt Besucher.

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Und hier noch der dritte Rollfarn für mkh, weil er so brav und geduldig war. (Bei Piri bedanken; sie hat das Foto gesehen, ich habs gemacht.)

Für mich aber ist das krasseste Gewächs, das es auf Madeira gibt, der Florettseidenbaum, Ceiba (vorm.Chorisia) speciosa – ein Baum südamerikanischer Herkunft aus der Familie der Wollbaumgewächse, ähnlich dem Brasilianischen Kapokbaum. Seine Stämme und Äste sind lückenlos mit unzähligen kräftigen Stacheln überzogen. Die Früchte sehen ein bisschen wie Avocados aus und sind auch von ähnlicher Größe, doch wenn sie sich öffnen, drängt nach und nach eine Unmenge an seidigen Samenfäden nach außen, aus denen man sich bestimmt tolle Kissen stopfen kann. Im Herbst trägt der Baum dann umwerfend schöne rosa Blüten.

Hier sind einige Stadien der puscheligen Baumfrucht zu sehen:

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Von Funchal bewegen wir uns Richtung Westen. In Ribeira Brava sehen wir den einheimischen Männern beim konzentriert-ernsthaften Dominospielen zu&hellip

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…und gehen ausgiebig shoppen, obwohl sich auch dort die von Piris Freundin gewünschte Ansichtskarte mit dem Motiv eines nackten Adonis nicht findet. Einfach zu katholisch, diese Insel. Die einzigen nackten Menschenteile auf Ansichtskarten sind die silberhaarigen Waden eines ebensolchen Touristen, der sich im Korbschlitten von Monte nach Funchal fahren lässt.

Den Rest des Tages verbringen wir in Ponta do Sol, wo wir uns zum Sonnenuntergang einfinden. Viel zu früh, wie sich zeigt, doch so haben wir endlich mal viel Zeit, die wir mit Kaffeetrinken, in der Sonne sitzen, schauen und einfach die Seele baumeln lassen verbringen (strike, triple-Verb-Konstruktion!). Und es gibt einiges zu sehen.

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Der nahe Strand, dessen westlicher Abschnitt wegen Steinschlaggefahr gesperrt ist, wird von oben stetig mit Süßwasser beträufelt, während unten die Gischt an die Felsen schäumt.

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Vom Schauen wird man schlau, und so machen wir dort die Feststellung, dass man als madeirensische Taube nicht zwingend fliegen können muss. Es reicht, sich einfach fallenzulassen.

[Bild nicht gefunden]
Und schließlich geht die Sonne dann doch noch unter. Da man aber die im Meer versinkende Sonne sicher auf zwölfzig Millionen Fotos im Netz bewundern kann, hab ich ein anderes Bild ausgesucht, das ich interessanter finde.

Die für mich schönste Wanderung machen wir am letzten Tag bei der Flussmündung der Ribeira do Sao Jorge, beim Örtchen Calhau, wo ich schon allein aufgrund der Beschreibung im Reiseführer vom ersten Tag an unbedingt hinwollte, weil sie die Anwesenheit von Ruinen versprach. Und ich liebe Ruinen, wie bereits berichtet. Die Straße, die dorthin führt, stach mir schon am ersten Tag als ausgesprochener Abbiegereiz ins Auge, ohne dass ich da schon gewusst hätte, wohin sie führt. Die Abzweigung liegt in einer der wenigen Talsohlen der nördlichen Küstenstraße, ein Schild weist Richtung ‘Piscina’, also Schwimmbad. (Es gibt dort auch tatsächlich eines. Sieht ein bisschen aus wie ein Knabeninternat im Ostblock der 70er Jahre.)

Die Fotos der Ruinen nahm ich im Teil 4 schon vorweg, weil sie so gut zum Thema ‘Immobilien auf Madeira’ passten. Doch auch abseits der Ruinen ist diese Wanderung grandios.

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Sie beginnt an der Flussmündung, wo zahme Rinnsale aus Süßwasser auf die Meeresbrandung treffen, die wild gegen Schotter und schwarze Felsen schlägt.

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Der Weg führt an der Küste entlang ein Stück bergauf, vorbei an der Ruine, die ihr bereits gesehen habt, zig Meter oberhalb der tosenden Brandung einen in den Fels gehauenen, schmalen Weg entlang. Manchmal sogar sehr schmal. An einem kleinen Wasserfall müssen wir uns über ein Stück trauen, an dem der Weg zum größten Teil weggebrochen ist. Nur ein schmaler Grat führt auf die andere Seite. Auf dem Hinweg habe ich damit weniger Schwierigkeiten als auf dem Rückweg, da denke ich zu lange nach und muss mich schließlich von Piri zur Überquerung anfeuern lassen.

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Das Meer sieht von hier oben noch viel schöner aus als vom Strand betrachtet, die Gewalt der Gezeiten ist ein ständiger Anziehungspunkt für unsere Augen, wir können uns gar nicht sattsehen. Türkis schimmern die Scheitel der Wellenberge einen Augenblick lang, bevor sie sich in weißer Gischt verlieren.

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Ziel des Weges ist Ponta de Sao Jorge, offenbar eine alte Kaianlage.

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Dorthin führt allerdings nur dieser einzige Weg – eine weitere Mutprobe, die wir in holder Eintracht und ohne jegliche Diskussion… bleiben lassen. Besonders vertrauenerweckend sehen die Holzplanken wirklich nicht aus, und wir wollen ja beide unsere Ehemänner nochmal wiedersehen, bevor wir von dieser Erde scheiden. Also kehren wir um und genießen auf dem Rückweg die Sonne, die sich doch noch entschließt, uns zu begleiten, und die leuchtenden Farben, die sie aus der Umgebung kitzelt.

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Madeira 4

Früh morgens parken wir unser rotes Tschihuu in Teixeira auf einem ebenso roten Parkplatz aus vulkanischer Erde und besteigen von dort aus den Pico Ruivo (“rothaariger Kamm”). Hier, in der Mitte der Insel, liegt der Geburtsort der Wolken. An diesem frühen Morgen beginnen die sie gerade erst, in Form von luftigen Nebelgespinsten aus den Tiefen der Inselschluchten aufzusteigen.

Es ist kalt auf dem Berg, eine Kälte, die sich auch mit Bewegung kaum vertreiben lässt und in alle rheumatischen Glieder dringt. Es liegt noch etwas Schnee.
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Zarte Eisgebilde auf dem Boden zittern vor dem Tritt des frühen Wanderers.

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Von hier oben kann man gut die tiefen Schneisen erkennen, die das Wasser im Laufe der Zeit in die Berge der Insel gewaschen hat. Die Ribeiras, also die Bäche und Flüsse, fließen heute tiefe Täler entlang, sie gestalten die Insel, geben ihr ein Gesicht, das faltig und zerfurcht wirkt, sie beherrschen die Straßenführung und die Struktur der Besiedelung.

Das Wort Madeira bedeutet ja Holz, die Insel war vor ihrer Erschließung von Lorbeerwäldern bedeckt gewesen, aus deren Holz später unzählige Schiffe gebaut wurden. Wenn es darum geht, den Charakter der Insel, ihr Element zu definieren, sollte sie aber eigentlich Agua heißen.

Der Gipfel ist fest von Nebel umschlossen, als wir vor der letzten Etappe des Bergwanderweges stehen. Nach einer kurzen Diskussion über Sinn und Unsinn des Wanderns auf neblige Gipfel (Gipfel-Erfolgserlebnis versus Aussicht) gebe ich mir einen Ruck, auch noch die letzten 500 Meter trotz vermuteter Fotountauglichkeit des Gipfels hinter mich zu bringen. Es springt sich nicht gazellenartig mit zwei Objektiven in der Fotojacke, die man bei jedem Schritt mitheben muss.

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Aber es lohnt sich, oben anzukommen – erstens gibt es endlich was zu essen, und zwotens lichtet der Nebel sich da und dort und gibt tatsächlich Blicke auf die Berge und die weit entfernt wirkende Küste frei. Auch die Wolken zeigen sich von ihrer schönsten Seite. Der Gipfel ist von verschiedenen Holzkonstruktionen überzogen, die auf ihre eigene Art für Stimmung sorgen.

Nach dem Abstieg genießen wir ein ebenso feudales wie dringend nötiges Mittagsmahl beim Kirchenwirt in Canico und trinken anschließend Kaffee in Heiligenkreuz. Also eigentlich alles wie daheim.
In Santa Cruz geht ein kräftiger Regenschauer nieder, was uns zwingt, uns in der überdachten Café-Terrasse einen anderen Sitzplatz zu suchen, auf den es nicht durchs Dach tropft. Bei Einsetzen des Regens reißen sich ein paar Jugendliche wie auf ein Stichwort die Kleidung vom Leib und springen vom Steg aus zum Baden ins Meer. Ich kriege eine teilnahmsvolle Gänsehaut.

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Nach dem Regen kommt die Sonne von rechts, also schauen wir nach links.

Santa Cruz ist für uns eines der sympatischsten Städtchen, die wir auf Madeira besuchen. Obwohl es nahe am Flughafen liegt, hat es einen ganz eigenen Charme. Die hübschen Muster aus Basalt und Kalkstein am Boden der Uferpromenade zeigen Szenen aus dem Inselleben, Schiffe und Fische.
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Außerdem begegnet uns ein Basaltbild, das wir, kulturell gewohnt zielsicher, als bis über beide Ohren grinsendes Gesicht identifizieren. Wie wir später anhand der Insignien auf dem Rathaus erkennen können, dürfte es sich allerdings eher um das Heiligenkreuzer Stadtwappen handeln.

Gegenüber des Rathauses begeistert uns ein verwunschen wirkendes altes Häuschen. Es ist offensichtlich unbewohnt. Durch das schmiedeeiserne Gartentor, das bereits reichlich Rost angesetzt hat und mit violett blühenden, wuchernden Glyzinien überzogen ist, kann man einen verwilderten Garten und die Loggia des Hauses erkennen. Alte Blumentöpfe warten auf den Treppen zum Eingang auf neues Leben. Ich würde am liebsten sofort mit dem Renovieren beginnen.

Immobilienmakler auf Madeira. Das wär ein Job! Man pflegt ja dort durchaus seltsam zu wohnen. Die ganze Insel ist untertunnelt, ein Unterfangen, das mir persönlich bei einer vulkanischen Insel recht unerschrocken erscheint – aber ich bin ja auch nicht gerade ein Ausbund an Mut und Tapferkeit.
Vermutlich ist es also relativ schwierig, ein Haus zu finden, das nicht auf die eine oder andere Art über einem Tunnel steht.

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Aber so manche Immobilie ist von ihrer Lage her schon durchaus bemerkenswert.

Ich sah weitere Häuser, die noch viel unmittelbarer über einer Tunneleinfahrt standen, nur durch einen kleinen, steilen Vorgarten vom Betonbogen der Einfahrt getrennt. Aber nicht immer hatte ich beim Fahren die Kamera auf dem Schoß.

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Ein Häuschen direkt am Ufer der Ribeira de Sao Jorge hätt ich anzubieten, ganz unten im Tal und daher garantiert untertunnelungsfrei.

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Oder wäre eher ein Häuschen direkt am Meer genehm?

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Eines der bezauberndsten Häuser sehen wir aber regelmäßig auf unseren Heimfahrten nach Sao Jorge. Es steht völlig frei von Nachbarschaft (und Tunnels) am Straßenrand, vor einer der unzähligen Kurven der nördlichen Küstenstraße.

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Auch die Tunnelfahrten selbst sind zuweilen ein Erlebnis. Unser Lieblingstunnel befindet sich auf der alten Küstenstraße irgendwo zwischen Sao Jorge und Ponta Delgada. Er ist unbeleuchtet, rohe Felsen bilden sein Inneres, und an etlichen Stellen läuft das Wasser in Sturzbächen auf die Straße und in den Tunnel herab. Eine Autowäsche ist also inkludiert. Kommst du aus östlicher Richtung, siehst du zwar nicht in den weiteren Verlauf des Tunnels und kannst daher auch eventuellen Gegenverkehr nicht erkennen, du bist aber derjenige mit der einzigen Ausweichmöglichkeit vor dem Tunnel. Du musst also auf gut Glück hineinfahren – und bei Gegenverkehr wieder zurücksetzen. Nach einem dieser Reversiermanöver macht der offensichtlich einheimische Fahrer im entgegenkommenden Auto die beiläufige Geste eines Dankes, sieht mich beim Näherkommen aber überrascht an und hebt dann begeistert die Daumen. Piri übersetzt: “Gut hast du das gemacht – …für eine Frau.”

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Eine gefälligere Belohnung als diese bietet die Aussicht an der Tunnelausfahrt.

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Ein weiteres seiner vielen Gesichter zeigt Madeira auf Sao Lourenco, dem östlichsten Zipfel der Insel. In diesem Fall hat dieses Gesicht eindeutig schottische Züge – ich fühle mich an Arthur’s Seat erinnert, den Hügel bei Edinburgh. Nur dass in Edinburgh nicht unmittelbar unter mir das Meer toste, schäumte und an Felsen krachte.

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Ein grandioser Ort, und, wie so oft auf Madeira, ohne übertriebene Sorge um den Tourist – das beinah völlige Fehlen von Absperrungen oder Geländern beweist das. Freie Sicht trotz beachtlicher Höhe. Wer zu weit rausgeht, ist selber schuld – und gewinnt einen Freiflug.

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Man kann sich dort auch eine Wanderung antun, über die Hügel hinweg bis hinaus zur äußersten Spitze. An diesem Tag scheint das so gut wie unbewältigbar. Es ist schon spät, die Berge sind groß und die Menschen klein.

Also begnüge ich mich mit Fotos vom Aussichtspunkt aus. (Piri bezwang den Wanderweg in ihrer zweiten Urlaubswoche ohne mich.) Die wenigen Insekten, die ich auf Madeira zu Gesicht bekomme, begegnen mir allesamt auf Sao Lourenco. Dieses hier…
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… und Schwärme winziger Mücken, die uns dort (und nur dort) auf Schritt und Tritt verfolgen. Sie sind furchtbar anhänglich und schwirren uns vor der Nase rum, verstellen uns den Blick, dann kleben ihre winzigen, schwarzen Körper zu Dutzenden auf uns, auf den Jacken, den Haaren, im Gesicht, die Schwärme werden aber zu unserer Verblüffung trotzdem nicht kleiner. Nur Spiegel und Chip der Kamera bleiben erstaunlicher- und glücklicherweise mückenleichenfrei, obwohl ich mehrmals das Objektiv wechsle.

Die Aussicht zu genießen gestaltet sich daher etwas schwierig, aber wozu hat man schließlich Fotos?

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Das einzige weitere Insekt war bereits tot, als ich es traf; es war eine zertretene Küchenschabe von beachtlicher Größe auf einer Treppe des Forte de Sao Tiago in Funchal.

Zurück in der Quinta amüsieren wir uns ein weiteres Mal über die schriftlichen Hotelinformationen, die in ihrer sprachlichen Natur mit zunehmender Absatzzahl skurriler werden, als hätte der Übersetzer eine ungewöhnlich rasant fortschreitende Krankheit gehabt, die Zug um Zug das Sprachzentrum lahmlegt. Den letzten Absatz rezitieren wir mehrmals und titulieren ihn schließlich als ‘alte madeirensische Weisheit’.

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Madeira 3

So, ihr ein, zwei Hartnäckigen, die ihr hier immer wieder reinschaut und die Hoffnung nicht aufgebt, dass da irgendwann doch noch mehr Madeira kommen wird, eure Geduld wird nun belohnt. Nachdem mich – zusätzlich zu dieser meiner Phantasie – mathilda gerade via Skype mit virtuellen Pom-Poms bewedelt hat, hält mich nichts mehr von einer flammend motivierten Fortsetzung der Fotoshow ab!

Wir erinnern uns dunkel, dass den weiblichen Reisenden am Abend der letzten Folge dann doch noch ein wunderhübsch prasselndes Feuerchen gelingt. Daraufhin verwandelt sich die klamme Hütte übergangslos in eine indianische Schwitzhütte, und die beiden Heldinnen und Meisterinnen des Feuers machen einen Abendspaziergang.

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Obwohl an der Nordküste angeblich immer schlechtes Wetter herrscht, werden wir mit einer prächtigen Blue Hour gesegnet.

Drei Schritte von der Veranda weg, und der Weg teilt sich. So, Etosha, nun musst du dich entscheiden: Kandidat A, der aufgrund der Dauerfeuchte zuverlässig rutschigen Untergrund bietet und dabei auch noch leicht bergab läuft, dafür jedoch am Zitronenbaum vorbeiführt, dessen Blüten so herrlich duften; oder Kandidat B, der Endliche, dessen Verlauf dich geradewegs auf die Terrasse der Nachbarin führt (welche ebendort offenbar tagein tagaus im Morgenmantel herumzufläzen pflegt und angesichts eines ungebetenen Gastes mit verblüffend ratlosen Blicken um sich wirft), dafür aber einen kleinen Ausblick aufs Meer bietet.

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Links ein Blick über die Quinta Richtung Meer, rechts unser Häuschen im Abendkleid.

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Danach spielen wir Billard in der ebenso hübschen wie ständig gähnend leeren Selbstbedienungs-Bibliothek und -Bar der Quinta und trinken dazu Wodka-Lemon. Wir stellen dabei fest, dass Menschen, die beim Billard ganz entschieden auf die Einhaltung der Regeln pochen, den großen Vorteil haben, am Himmelstor beteuern zu können, dass sie sich auf der Erde ganz bestimmt nicht zu stark amüsiert haben. Im Laufe des Spiels schleicht sich die Gewohnheit ein, miteinander in ungarischem Akzent zu sprechen, und wir lachen uns dabei Richtung Bauchkrampf, bis schließlich die liebe K. zur Piri mutiert, und ich zu Andi, was für den Rest des Urlaubs nicht mehr loszuwerden ist.

Hierhin würde nun sehr vortrefflich ein Satz passen, der ebenso eloquent wie witzig in den nächsten Tag überleitet. Er beginnt in Machico. Naja, eigentlich beginnt er beim Frühstück mit viel zu dickem Speck unterm Spiegelei, und beim gemeinsamen Faktor-40-Auftrag vor dem Spiegel, sonst wirstu kriegän Braand von Sonnä, Piri!

Machico ist ein hübsches kleines Küstenstädtchen im Osten Madeiras, wo man noch beschaulichen Tätigkeiten nachgeht, zum Beispiel dem Fischen…

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…oder auch dem Fischen.

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Fast obligat ist schon, dass ich ein Beweisfoto veröffentliche, das zeigt, wie falsch jene Leute ticken, die fest der Überzeugung anhängen, es würden mit höchster Zuverlässigkeit stets scharfe, gute Bilder aus meiner Kamera kommen.

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Hier ist das diesmalige.

Nach dem Strandspaziergang widmen wir uns dem kleinen Garten vor dem schmutziggelben Forte de nostra Senhora do Amparo, das heute die Touristeninformation beherbergt (die Fotos davon haben irgendwie alle den gleichen Gähnfaktor, drum erspar ich euch die hier).

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Genauer gesagt, widmet Piri sich breit lachend der Schaukel, die dort auf der Wiese steht, und ich mich dem Pflanzenreich.

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Links vom Forte liegt die schöne Rua do Mercado, gesäumt von mächtigen Bäumen, in deren Schatten alte Männer einander alte Geschichten erzählen; der Boden besteht aus dem hübschen Schotterpflaster, auf dem beim Lustwandeln die Fußreflexzonenmassage inkludiert ist.

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Auch verlassene und verfallene Häuser bekommt man immer wieder zu sehen, zu meiner Freude, ich mag Ruinen! Und natürlich die obligaten Bodenmuster aus Basalt und Kalkstein.

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Auch das Rathaus in Machico ist prächtig, die Computer-Arbeitstische mitsamt den emsigen Angestellten wirken etwas fehl am Platz, es riecht nach staubigen Teppichen und irgendwie nach offiziellen Anlässen und Hochzeit.

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Das Schaufenster des kleinen Blumenladens in einer Seitengasse wird von lebender Osterdeko aufgepeppt.

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Hatte ich übrigens erwähnt, dass die Bäume wirklich mächtig sind?

Nach einem feudalen Mahl mit Espada vom Grill (Genaueres dazu vielleicht in einer weiteren Folge) begeben wir uns nach Agua da Pena. In diesem Dörflein waren die touristischen Pläne hochfliegend, jetzt sind das nur noch die Flugzeuge, die vom dort erbauten Flughafen Santa Catarina aus abheben.

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Man kann aber vom Berg aus wunderbar auf die Landebahn und das Flechtwerk der Schnellstraßen runterschauen, sofern man es übers Herz bringt, das Tschihuu bei schreienden 8000 Touren ebendiesen hochzutreten.

Unterhalb der Landebahn, wo man den Ansatz der Säulenkonstruktion sieht, ist nicht etwa der Berg schon zu Ende, wie man aufgrund des obigen Fotos vermuten könnte. Der Fels fällt an dieser Stelle steil in mehreren Stufen Richtung Meer ab, und wo hierzulande ein bedrohlicher Schilderwald “restricted area” krähen würde (und “Ätsch! Airport! Nur für Privilegierte!”), stellt man auf Madeira welche auf, die Richtung Parque Desportivo (Sportplatz) leiten, und nach einem kurzen Stück steiler Straße…

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…findet man sich in einer grandiosen Säulenhalle wieder, in der das Tschihuu noch winziger wirkt, als es ohnehin schon ist. Und man selbst natürlich auch.

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Eine ganze Reihe verschiedener Sportplätze trennt die Säulenhalle vom dahinter liegenden Felsstrand.
Wer die drei schwarzen Pixel findet, die die Größenvergleichs-Piri auf dem folgenden Foto wiedergeben, gewinnt den Titel ‘Holzauge des Monats’.

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Ist noch jemand waaahach? Das war erst Tag 3! Soll ich noch mehr Material herankarren?

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Madeira 2

Gibt es auf Atlantikinseln sibirische Winde?

Um das herauszufinden, lege man sich in ein madeirensisches Bett, dessen Matratze im Laufe des Tages ausreichend Gelegenheit hatte, sich mit klammer Feuchtigkeit vollzusaugen. Schon streicht dir ein zarter Gruß aus Sibirien über den Rücken. Eine zusätzliche Weste bringt keinen Erfolg. Schließlich platziere ich meine erstaunlicherweise noch warmen Handflächen unter meiner Nierengegend. Zwei eingeschlafene Arme später gebe ich verdrossen auf und beziehe die Wohnzimmercouch. Die ist wenigstens den ganzen Abend lang mit warmem Rauch beheizt worden.

Sehr früh am nächsten Morgen ist es aber auch da schweinekalt. Ich ziehe mir ein paar Schichten an und gehe raus, stöbere das hoteleigene Holzlager auf, denn unser Holzkorb erfreut sich gähnender Leere. Im Holzlager siehts ähnlich aus, aber am feuchten Fliesenboden des Lagers liegen noch einige Holzscheite rum. Ich packe ein paar kleine ein, die auch sicher in unseren winzigen Ofen passen.
Wenn jemand “schdirdln auf da Gstettn” nach bundesdeutsch übersetzen könnte, wäre ich dankbar – denn das hab ich in meiner Kindheit gemeinsam mit Papa und Bruder oftmals und voller Freude betrieben. Und so werde ich auch dort im Halbdunkel des Holzlagers innerhalb kürzester Zeit weiterer Dinge habhaft – ein großer Blecheimer dort ist mit Holzresten und Rindenstücken gefüllt. Davon nehme ich einen Sack voll mit, außerdem einen leeren Eierkarton und weitere Kartonteile aus dem Papiermüll. Denn ich habe einen Plan für das perfekte Feuer am Abend. Warm soll es sein.

Aber fürs erste nix wie raus hier.

Wir fahren über die Boca Encumeada, von der aus man sowohl Richtung Norden als auch Richtung Süden bis zum Meer sehen kann, durch nebelverhangene Berge in die Paúl da Serra, eine sumpfige Hochebene, deren flache Landschaft und schnurgerade Straßen(!) sich von der restlichen Insel deutlich unterscheiden.

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Wären da nicht die Erikabüsche, man könnte glauben, man wäre durch ein Wurmfarnloch versehentlich irgendwo im Marchfeld gelandet. (Schau genau, auf diesem Foto ist auch das kleine rote Tschihuu versteckt.)

Danach latschen wir schnell mal zwei Kilometer auf einer Serpentinenstraße bergab Richtung Rabacal, in erster Linie, um die Levada do Risco zu erreichen, aber natürlich auch, um am nächsten Tag nicht womöglich ohne Muskelkater dazustehen.

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Levadas heißen die künstlichen Bewässerungsgräben auf Madeira, die in Zeiten der Sklaverei von eher unfreiwilligen Arbeitern angelegt wurden, und an deren Verläufen sich gut wandern lässt.

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Wir werden mit offenen Armen empfangen.

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Ein Wasserfall ist des Latschens Lohn.

Das schwarze Gestein in holder Eintracht mit dem hellen Himmel bildet prächtige Kontraste, bringt aber das Fotohirn regelmäßig zur Verzweiflung. Die Anzeige am Display der Alpha 300 ist unzureichend, die Histogramme sind zwar ausführlich, aber die zugehörige Anzeige des Bildes, auf dem unter- oder überbelichtete Bereiche gekennzeichnet werden, ist viel zu klein und am hellichten Tag kaum zu erkennen. Auch daher kam die schier unbewältigbare Menge an Fotos, die ich mitgebracht hab, nicht nur aus übersprudelnder Inspiration.

Zum Glück für unsere Beinchen bringt uns ein Bus die zwei Kilometer zurück nach oben zum Parkplatz.

Als nächstes landen wir an der Flussmündung der Ribeira da Janela, steigen durch die fensterförmige Öffnung im Fels…

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…und landen an einem prächtigen Strand.
Ich hab mich für die farbverzerrte Variante entschieden. Denn wie kraftvoll die Brandung dort ist, wie herrlich grün der Felsen leuchtet, wenn die Sonne durchkommt, wie herrlich einsam es da ist…

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…und wie wundersam die Pflanzenwelt, lässt sich weder mit Worten noch mit Bildern treffend beschreiben.

Auf dem Rückweg trinken wir Kaffee in der Bucht von Seixal in einem “männerdominierten Café” (O-Ton K.).

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Mir gefällt der grün bemooste, rundgewaschene Fels in der Bucht so gut.

Bei Sao Vicente versuche ich ein paar Langzeitbelichtungen der Brandung. Von einigem gewohnt undamenhaften Gefluche begleitet, denn durch den ND-1000-Filter kann weder Mensch noch Autofokus das geringste erkennen, weder ob der Horizont gerade, noch ob die Felsen scharf sind. Ersteres lässt sich leichter bewerkstelligen (Stativ-Ersatz Hotelmauer, vor der Filtermontage Kamera mit untergelegten Farnwedeln geraderichten), zweiteres ist schon etwas schwieriger, weil der Fokus sich nicht fixieren lässt – und es sich beim ND-Filter um einen Schraubfilter handelt. Eine verwunschene Kombination.

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Trotzdem gibt es eine kleine Belohnung für meine Geduld.

Am Abend, zurück in der Quinta, empfängt uns der warme Schein unserer indischen Hanflampe.
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Das ist aber auch das einzig Warme in der Hütte.

Sofort holen wir unsere Sportzeitung aus dem Toppits, die da drin zum Zwecke der Trockenhaltung gelagert war. Feuermachen mit Grillanzündern ist zwar unsportlich, ohne allerdings ist es unmöglich – auf Madeira. Da schon das Verheizen einer Sportzeitung offenkundig von unserer Unsportlichkeit zeugt, werden auch drei Grillanzünder an strategisch günstigen Stellen platziert. Darauf Stückchen von Fitzelchen von Eierkarton, darüber ein Haufen Kleinholz sowie ein schönes Pyramidchen aus dünnem Gehölz, und schließlich drei richtige Scheite. Es soll vermieden werden, dass die Tür geöffnet werden muss, bevor die Sache richtig heiß geworden ist. Ungeduldig darf man dabei natürlich nicht werden.

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Und siehe da – ein Feuerchen knistert im Ofen! Na geht doch!

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Madeira

So, meine Lieben. Eine Sichtung aller Fotos und eine Auswahl daraus schaff ich in so kurzer Zeit nicht, was in erster Linie daran liegt, dass ich eine Woche lang völlig ungehemmt geknipst hab, an manchen Tagen so viel, dass ich abends meinen Arm nicht mehr heben konnte. Trotz aller Vorsätze, die Kamera doch endlich am Objektiv festzuhalten, tat mir zuverlässig die rechte Schulter weh, woran man, wenn man mit der Anatomie von Kameras vertraut ist, leicht erkennen kann, dass ich das Befolgen von Vorsätzen lieber anderen überlasse. Ich kann aber echt gute Ratschläge geben. ;D

Aber ein paar erste Bilder hab ich ausgewählt. Und schon gehts los!

Die Wunder beginnen bereits in der Luft.

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Es zeigt sich mir dieses wundersame Lichtphänomen samt Flugzeugschatten.

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Auch klar: Je näher die Wolke, desto größer der Schatten.

EDIT: Der Schatten heißt Brockengespenst oder (englisch) Brocken spectre. Der bunte Lichtschein heißt Glorie (solar glory) – und nicht Halo.

Ich weiß, die endlosen und überaus spannenden Fotovorträge von Bekannten, die gerade im Urlaub waren, beginnen auch immer mit Wolkenfotos aus dem Flugzeug. Gähn-gähn, zu welchem frühesten Zeitpunkt können wir uns nach Hause verdrücken, ohne uns den Unmut unserer offenbar fotografiebesessenen Gastgeber zuzuziehen? Aber das Fliegen ist für einen Wolkenfreak wie mich einfach paradiesisch…

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…drum gibts hier, verzeiht, noch ein letztes davon, dann hör ich aber eh schon auf:

Nach viereinhalb Stunden Flugzeit kommt endlich die Insel in Sicht.

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Das auf Säulen erbaute Konstrukt an der Küste links im Bild ist übrigens die Landebahn. Hui, sonderlich lang sieht die ja nicht aus. Auch unter dieser Landebahn tut übrigens sich einiges – darauf komme ich in einem späteren Eintrag sicher nochmal zurück.

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Und schon sind meine Freundin K. und ich mit unserem knallroten und überraschend spritzigen Nissan Micra auf der Straße und genießen erste Ausblicke auf die phantastische Küste.

Ich bin am Steuer und bleibe da für den Rest der Woche, K. möchte lieber navigieren. Es ist, insbesondere im Norden der Insel, so wenig Verkehr, dass ich oft einfach mitten auf der Straße stehenbleibe, um ein Foto zu machen. Hubbies Warnungen vor dem risikofreudigen Fahrstil der Madeirenser (und die gleichlautenden im Reiseführer) kann ich nicht bestätigen. Ich bin offenbar konkurrenzfähig.

Hier aber nun die Aussicht von einem der unzähligen “Miradouros” aus (Aussichtspunkte mit Park- und Postkartenkitschfotomöglichkeit).

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In diesem Fall jenem Miradouro bei Agostino, dem einnehmenden Obstverkäufer mit dem wohl grandiosesten Arbeitsplatz der Welt.

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Eine typische Ortsstraße, die infolge ihres halsbrecherischen Gefälles im Nirvana (oder dessen Entsprechung im Element Wasser) zu verschwinden scheint. Freundin K., die rechts von mir den Navigatorposten besetzt, fühlt sich an diesen Stellen merklich unwohl, wobei zwischen Abwärts- und Aufwärtsfahren in ihrem Unbehagen kein eklatanter Unterschied festzustellen ist.

Manchmal geht es so unglaublich bergauf, dass sich leise die Erwartung einschleicht, das Tschihuu (=Hupferl=Nissan) könnte jeden Moment nach hinten umkippen und dann eine für ein Auto eher untypische und daher aufsehenerregende, weil saltoschlagende Talfahrt hinlegen.
Diese gestalten sich aber auch ohne Rückwärtssaltos aufsehen- bzw. hörenerregend, weil so ein Benziner im zweiten Gang einen steilen Berg hinab sehr stark zum Heulen und Schreien neigt – und trotzdem immer schneller wird. Manchmal gibt das Tschihuu nach großen Anstrengungen auch die eine oder andere Fehlzündung von sich. Bitte nicht schießen, schon gut, wir fahren ab jetzt langsamer!

Bei einer unserer Fahrten macht K. mir gegenüber eine Bemerkung über meinen Fahrstil, etwa “Sehr souverän machst du das, beeindruckend!”; ich freue mich und erwidere “Schön, wenn du dich wohlfühlst”. Sie überrascht mich mit einer Antwort, die man geradezu als typisch für sie bezeichnen könnte: “DAS hab ich nicht gesagt”.

Später kreuzt im großen Garten eines Restaurants unerschrocken der erste Farn meinen Weg.

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Ich denke an mkh und mache ein Foto. Es ist nur ein gaaanz kleiner Farn.

Wir beziehen unser Häuschen in der Quinta do Arco, an der Nordküste gelegen, im Dörfchen Arco de Sao Jorge. So sieht unsere bescheidene Hütte von außen aus:

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Das linke der beiden Häuser ist unseres, es trägt die Nummer 16 und den klingenden Namen “Varanda”. Bitte eintreten:

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Rechts gehts noch weiter in ein Schlafzimmer und in ein Bad mit Wanne und großem Spiegel.

Der erste optische Eindruck ist umwerfend, der olfaktorische allerdings auch, er lässt sofort Schimmelbildung befürchten – wir finden die entsprechenden Gewächse dann später auch, an der Wand des Schlafzimmers und des Bades. Grund: Die Hütten werden, wenn sie nicht bewohnt sind, auch nicht geheizt. Und auf der Insel ist es saumäßig feucht. Im Bad nebenbei bemerkt auch, insbesondere, wenn man versehentlich den montierten Duschkopfhalter auch tatsächlich bestimmungsgemäß zu benutzen wagt. Ich sage euch, die wahren Wasserfälle auf Madeira spielen sich in den Badezimmern der Quintas ab.

Zwar gibt es zum Zwecke der Hüttenwärmung in unserem Schlafzimmer einen kleinen elektrischen Heizkörper, der aber verursacht maximal einen gewissen Placeboeffekt. K. tauft ihn später liebevoll “Kleidertoaster”, weil wir auf ihm morgens regelmäßig unsere Kleidungsstücke aufwärmen und entfeuchten, weil die aus dem Schrank doch eher feucht und klamm daherkommen. Auch die Handtücher trocknen so gut wie nie.

Aber – es gibt auch einen Kamin im Wohnzimmmer. Hahaa! Bin ich doch eine alte Feuerkundige, in meiner Kindheit wurde oft Kaminfeuer gemacht, man hat mir beigebracht, wie das geht.

Man hat mir allerdings nicht beigebracht, wie das mit durch und durch feuchten Holzscheiten und ohne jegliches Unterzündmaterial geht. Das einzige, was wir in unserem Holzkorb vorfinden, sind feuchte Riesenscheite und Grillanzünder. Ich sag mal so: Wenn man aus der einschlägigen Literatur (=Reiseführer) erfährt, dass Zarco, der Pionier der madeirensischen Besiedelung, erstmal einen kleinen Teil der Insel durch Brandrodung vom Lorbeerwald befreien und damit bewohn- und bewirtschaftbar machen wollte, und dass selbiger Wald nach diesem Versuch quasi versehentlich zwölf Jahre lang brannte, fragt man sich: Wie zum Geier hat der das angezündet?

Der erste Versuch einer pyromanischen Raumbeheizung fällt auch entsprechend kläglich aus: Die Grillanzünder brennen heftig und lang, sie brennen schließlich ab, das Holz nicht an. Der Kamin ist winzig, aber drei Stück Grillanzünder sind für zwei Scheite eindeutig zu wenig. Zwangsläufig muss ich die Kamintür öffnen, um neue Anzünder zuzuführen; beißend kalter Rauch steigt daraus empor und verwandelt unser Wohnzimmer im Handumdrehen in eine gigantische Räucherkammer.

Das Foto oben zeigt, der Dachstuhl ist in den Raum integriert, da oben gibt es aber keine Fenster. Die Menge an Rauch, die sich durch das Öffnen der beiden Flügeltüren aus dem Wohnzimmer befördern lässt, ist äußerst kärglich. Auf eine Bewachelung in der Tradition der Saunagänger verzichte ich aus Müdigkeitsgründen.

Erste Maßnahmen werden alsbald ergriffen: In unserem Haus wandert kein noch so kleines Stück Papier in den Müll. Eine Zeitung, die wir tags darauf erstehen (“Welche?” – “Die größte bitte!”), soll uns Unterzündmaterial und einen Wetterbericht liefern. Letzteren finden wir leider nicht, denn es ist, wie wir später ernüchtert feststellen, eine Sportzeitung. Umso besser, damit ist sie recht und billig zum Anheizen. Wir verstauen sie in weiser Voraussicht in einem mitgebrachten Toppits-Sackerl mit Zipp, damit sie am Abend nicht genauso feucht ist wie unsere Handtücher.

(Fortsetzung folgt)

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Wieder zuhaus, wieder zuhaus!

Diesen Singsang gebe ich immer von mir, wenn ich hier nach längerer Zeit wieder reinstolpere – Zitat eines der seltsamen Haustier-Replikanten im Film Blade Runner.

Kinder, anstrengend wars! Schööön wars! Und zu kurz! Von Erholung kann keine Rede sein, zu viel gab es zu tun, zu sehen, zu erwandern und zu bestaunen. Üppige Natur vor schroffen Felsen, Bergkämmen und Wasserfällen, wuchtige Meeresbrandung, abenteuerliche Fahrten auf schmalen Küstenstraßen, Feuermachen mit feuchtem Holz, unbekannte Früchte probieren und viel lachen.

Ich hab Unmengen Fotos mitgebracht, zu mehr als einer ersten Sichtung hats gestern jedoch nicht mehr gereicht. Sobald sich aber ein paar Favoriten herauskristallisiert haben, kriegt ihr sie zu sehen. (Auch ein paar Farnkringel-Bilder für mkh sind dabei.)

Wieder zuhaus, wieder zuhaus!

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Bergromantik im Land der salzigen Burgen

Das vergangene Wochenende war schön, aber in erster Linie anstrengend. Die lange An- und Rückfahrt, der ständig aufrecht zu erhaltende soziale Gesichtsausdruck, und dann der relativ enge Zeitplan, der allerdings nicht vorgegeben war, sondern sich einfach aus den Möglichkeiten vor Ort ergab. Beispiel Öffnungszeiten Eislaufhalle in der Vorsaison: 13h – 15:30. A blede Zeit. Zerreißt den Tag in der Mitte. Konkret bedeutete das: Aus der warmen Wellness-Oase in die kalte Eislaufhalle – und retour.

Trotzdem waren wir zweimal eislaufen, und die Hockeyschuhe, die ich mir voriges Jahr ertauscht, aber nicht mehr am Eis getestet hatte, passen halbwegs. Das ist bei mir eh schon das höchste der Gefühle – wenn ich in einem Eislaufschuh mal wirklich richtig gut drinstehen will, muss ich mir wohl einen Schuh an den Fuß schäumen lassen. Insbesondere an den rechten – der entspricht bei mir irgendwie nicht der EU-Norm. Wenn ich mit diesem Fuß und gewohntem Schwerpunkt, also verkrampfungsfrei, in einem Eislaufschuh stehe, kippe ich nach innen. Am linken Fuß funktioniert das bestens, da bleibt die Kufe senkrecht, was das Eislaufen wesentlich erleichtert.

Es waren ja nicht meine Kollegen, die da Weihnachten feierten, sondern die meines holden Sonnengottes. Des Abends gabs soziale Happenings mit integriertem Besäufnis, im Laufe dessen mir einige Gesichter doch wieder bekannt vorzukommen begannen, deren Einprägung sich innerhalb der letzten zwei Jahre (seit der letzten ‘Weihnachtsreise mit Partner’) in tiefere Hirnregionen zurückgezogen hatten. Von Namen zu diesen Gesichtern, abgesehen von ein paar Schlüsselgestalten, sind diese Hirnregionen aber generell weitgehend frei, eine Tatsache, mit der ich mich langsam abzufinden beginne.

Auch die Slapstick-Komponente durfte nicht fehlen, und so kam es beim Frühstück am Montag, dass ich am Vierfach-Getränkespender beim Zapfen eines Schusses Orangensaft für meinen Tee mit dem linken Handgelenk versehentlich auch den Nachbarspender betätigte, worauf dieser eine nicht unwesentliche Menge Johannisbeersaft mit ebensolchem Druck in meinen linken Ärmel schoss. Zum Glück war meine Weste ebenfalls johannisbeerfarben.

Der Montag begann mit zartem Morgenrot und blauem Himmel. Der Blick vom Balkon des Hotelzimmers war die pure Bergromantik.

Zell am See Zell am See

Also begaben wir uns auf den Berg, denn nach zwei Tagen heftigen Schneefalls lockte uns das sonnige Wetter. Was es da heutzutage schon alles gibt! Als ich zum letzten Mal ein Schigebiet aus der Nähe sah, musste man sich den Arsch noch auf Sesselliftsitzflächen aus gegittertem Metall abfrieren und war oben angekommen so stocksteif und weggetreten, dass man Yetis, Eisbären und Pinguine sah. Heute hingegen gibts hübsche, warme nicht ganz so eiskalte, rundherum verglaste Minigondeln für das besondere romantische Erlebnis!

Gondelfahrt auf die Schmittenhöhe Gondelfahrt auf die Schmittenhöhe

Mein Angetrauter meint ja, ich sei adrenalinmäßig beneidenswert leicht zu erregen, aber da gehts ja auch wirklich tief runter unter so einer Gondel. Brüderlein, da hab ich an dich gedacht! Da hättest die Arschbacken zusammengezwickt! Sehr aufregend, diese Höhe! Bei jedem Rappeln über die Räder an den Haltemasten entfuhr mir daher ein entsprechendes Japsen, beim Runterfahren gings aber schon besser.

Gondelfahrt auf die Schmittenhöhe Etosha in luftigen Höhen

Noch mehr winterliche Romantik gefällig, weil wir gerade so schön in Stimmung sind?

Gondelfahrt auf die Schmittenhöhe Bergromantik Zell am See Winterlicher Weitwinkel

Eine nenneswerte Motivation will sich seit unserer Rückkehr bei mir partout nicht einstellen, vermutlich bin ich schon urlaubsreif. Es müssen aber noch einige Dinge erledigt werden. Das Fest der Feste naht, jeden Tag kommen Pakete hier an, und ich bin darüber hinaus mit der händischen Herstellung von Geschenken beschäftigt, über deren nähere Natur ich noch nichts sagen will, weil hier Menschen mitlesen, die sonst ihrer Überraschung beraubt würden. Aber es hat was mit Nadel und Faden zu tun.

Außerdem bin ich seit jeher auf der Suche nach einem schenkbaren Spielzeug, das in seiner Unwiderstehlichkeit für menschliche Hände einem zufällig auf dem Tisch liegenden Capodaster oder einer bezahnten Haarklammer nahekommt.
Ich glaube, heuer hab ich sowas gefunden! Rechnung per Vorauskasse zahlen und dann… gespannt sein! :)

Daneben versuche ich, noch ein bisschen bezahlter Arbeit nachzugehen und das Sudoku der terminlichen Koordination von Freundes- und Familientreffen zu lösen. Im Moment hab ich die 14 zweimal, was ganz eindeutig einen Regelverstoß darstellt.

Und bei euch so?

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Der Zoo in Zlin

Bergauf und bergab, durch weitläufige Laubwälder, vorbei an kleinen Schlösschen und an großen Tieren, die in ihren Gehegen reichlich Platz und Auslauf finden – so präsentiert sich der Zoo Zlín. Nichtmal dichter Nebel an einem Herbsttag vermag das Erlebnis zu trüben. Die Blätter leuchten golden und rot von den alten, hohen Bäumen. Stundenlang kann man hier wandern und die Ruhe genießen, nur manchmal durchdringt ein mysteriöses Grollen oder ein Vogelruf die Stille.

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Die Gehege sind nicht dicht an dicht gebaut wie in Schönbrunn. Und sie sind recht weitläufig. Manche darf man sogar betreten und mittendurch wandern, wie beispielsweise jenes der Känguruhs. Boxhandschuhe werden vor dem Gatter allerdings nicht ausgehändigt.
Ein wunderschönes Tropenhaus gilt es zu erkunden, und hier und da bietet ein frei gelegenes Biotop neben dem Weg exotischen Seevögeln eine Heimat. Aufgrund der Höhenunterschiede gibt der Wald erst nach und nach den nächsten reizvollen Anblick nach unten oder oben frei, auf ein weiteres Gebiet des Zoos, in dem man schon voller Vorfreude die nächsten Tiere wähnen darf.

Im Elefantenhaus sind die Tiere während der Fütterung in mattgelbes Licht getaucht. Der Pavillon ist wunderbar fototauglich, es gibt kaum störende Hintergründe, Gitter, Stangen oder Glaswände, die in Schönbrunn den Fotografen regelmäßig in die Verzweiflung treiben. Man betritt den Pavillon von oben über eine Galerie mit freier Aussicht auf die Elefanten, und über eine Treppe ist der ebenerdige Bereich zu erreichen, wo mich dann nur noch ein niedriges Geländer und ein abschüssiger Graben von den schönen Tieren trennt. Ich kann mich gar nicht losreißen.

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Der Löwe mit der dunklen Mähne durchstreift unablässig sein Revier. An der Oberseite des Geheges hält er jedesmal inne und brüllt genussvoll, wohl weil dort eine hohe künstliche Felswand seine Stimme verdoppelt zurückwirft und durch weite Teile des Parks dröhnen lässt. Er scheint dabei stets ein bisschen an Schulterhöhe zu gewinnen. Die Löwin jedoch bleibt davon völlig unbeeindruckt und gönnt sich einen ausgedehnten Mittagsschlaf. Und auf dem Waldweg, der hierher führt, horcht der nächste Besucher und fragt sich, wessen Grollen das wohl sein mag.

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Insgesamt war es eine eher anspruchsvolle Wanderung für die couchaffine, aber durchaus auch fotoausflugsgewöhnte Menschin, besonders, wenn sie eben auch ihre Ausrüstung mitschleppt. Es hat sich aber sehr gelohnt – für die stillen Glücksgefühle beim Anblick der Tiere und des wunderschönen Herbstwaldes in familiärer Eintracht.

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