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Freitagstexter

Dass der freitagmittwöchliche Wanderpokal diesmal hier gelandet ist, haben wir nicht etwa meinem launigen Sprachtalent zu verdanken, sondern jenem von Herrn Hubbie – und natürlich der schräg geneigten Zuneigung Seiner Pestilenz, des Herrn Krause, der mir noch bis vorgestern völlig fremd war. Welcher Natur meine Beziehung zu Hubbie ist, habe ich vor ein paar Tagen schonmal völlig ungefragt dargelegt.

Dass Herr Hubbie kein Blog hat, aber trotzdem endlich mal den Freitagstexter gewinnt, ist eine Sensation für sich. Dass ich Herrn Hubbie Asyl gewähre und den Freitagstexter ausrichte, ist Ehrensache.

 

Die Regeln sind einfach, dafür aber kurz: Man finde eine geeignete, rasend witzige oder tief nachdenkliche, jedenfalls aber außerordentlich formschöne und stabile Bildunterschrift zum nachfolgenden Foto, poste sie in die Kommentare und harre sodann geduldig aus bis zum kommenden Mittwoch, an dem die Jury sich in Klausur begeben wird, um den Gewinner zu küren. Dieser glückliche Mensch darf dann einen gar nicht pixeligen Pokal mitnehmen und den nächsten Freitagstexter in seinem Blog präsentieren – oder in einem Zufluchtsblog seiner Wahl – wir sind da ja nicht so streng.

Hubbie und das Tosherl wünschen gutes Gelingen! Bittesehr:

 

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Musik von Bedeutung

Von Janocjapun kommt ein fliegender Fisch daher: Acht Songs von Bedeutung. An der ursprünglichen Steckerlfisch-Quelle sieht mir das Ganze eher nach einer chronologischen Idee aus. Find ich gut.
Das wäre dann in meinem Leben jeweils ein Song für einen Abschnitt von viereinviertel Jahren. Find ich weniger gut. Ich brauch vermutlich viel mehr Songs, und muss bestimmt auch bisweilen Janocs Strategie übernehmen, ganze Alben zu nennen.
(Links zum Reinhören auf beinahe allen Titeln, Amazon-Links auf Alben.)
Betrachtet es als Fortsetzung zur Kindheitsmusik.

Alles begann mit

Vader Abraham und den Schlümpfen.

Darf ich dann fortfahren, wenn das Gelächter sich wieder gelegt hat?
Ich glaube, damals hab ich begriffen, wie man mehrstimmig singt, welcher Natur die Harmonien sein müssen, damit man welchen Ton über oder unter die Hauptstimme singt. Für mich der Klassiker von dieser LP: Warum? Simpel, verhältnismäßig tiefsinniger Text, wunderschön!

Electric Light Orchestra – Don’t bring me down bzw. Confusion

Im Bus auf der kurzen Fahrt zur Volksschule ließ der Fahrer das Radioprogramm erschallen. Und ich saß immer wie gebannt ganz vorne, ich musste das nämlich alles hören! Diese beiden Songs dürfte ich damals in mich aufgesogen haben wie ein musikausgehungerter Schwamm. Ein leichtes, merkwürdiges und etwas unangenehmes Sehnen lösen sie jetzt noch in mir aus, und ich erinnere mich auch, den Aufbau dieser Songs, das Gerüst dahinter, wenn man so will, beim Zuhören genauestens studiert zu haben.

Alphaville – Sounds like a melody
Mike Oldfield – Pictures in the dark
Al Corley – Square rooms

Alle drei für mich der Inbegriff der 80er. Alphaville aus krächzenden, metallisch klingenden Lautsprechern in der Eislaufhalle im Donaupark. Eislaufen mit neonfarbenen Schnürsenkeln und ebensolchen Handschuhen an den Händen – natürlich fingerspitzenfrei. Meine viel zu große, türkise, wattierte Winterjacke brauche ich dort nicht.
Mittels Kassettenrekorder Musik aus dem Radio aufnehmen. Die Versuche, meine Schwester davon abzuhalten, sich meine Kleidung oder meinen Freund zu krallen, wenn ich gerade nicht hinsehe.
Die genialen Chöre in Pictures in the dark finde ich heute noch ebenso faszinierend wie damals. Al Corley war damals Schauspieler und knutschte in dem Video mit allen möglichen Frauen rum, angeblich um die Homosexualitäts-Verdachte abzuschütteln. Ich hab ihn auf Single gekauft, ohne Cover, nur in einer weißen, papierenen Hülle. Beschriftet ist sie von mir persönlich mit schwarzem Kajal.
Meine erste Madonna-LP hab ich in dieser Zeit wohl auch tausendmal gehört.
Bezeichnenderweise sind alle diese Songs eher mit Erinnerungen an außerschulische Aktivitäten verbunden. Es gibt natürlich auch Songs, die schulische Erinnerungen hervorrufen, diese lassen mir aber eher mulmige Bauchgefühle entstehen, darum hab ich sie einfach weggelassen. Bedeutung – ja, aber eine wenig positive.

Rainhard Fendrich – Zwischen eins und vier
Tony Esposito – Papa Chico
Desireless – Voyage

Die Single von ‘Zwischen eins und vier’ hab ich von meinem Bruder geschenkt bekommen, das weiß ich noch genau. So schöne harmonische Auflösungen in diesem Song! Am besten auf ‘Der Krampf im Bauch geht langsam weg’. Gänsehaut krieg ich, wenn ich nur drüber schreibe.
Musikhören und Partys im Zimmer meines Bruders. Geknutsche in schummrigen Ecken. Auf Kleinmotorrädern unterwegs mit seinen Freunden, erstes Ausgehen in der großen Stadt. Die erste richtig große Teenagerliebe, Voyage ist unser Lied, ich kann den französischen Text immer noch auswendig.
Mit in diese Ära gehören diverse Italo-Gschichten wie Radiorama, Cenerentola von Martinelli, Samantha Fox in Musik und Bild, zum Knutschen und eng Tanzen (auch ‘Lamourhatscher’ genannt) I wanna know what love is von Foreigner (wie überaus subtil! *g*) und natürlich Say you, say me von Lionel Richie.
Unser braver, einzigartiger, schwarzer Familienhund Jolly stirbt mit fünfzehn Jahren.

Pink Floyd – The Wall (Beispiel)
Sting – Nothing like the sun (Beispiel)
Supertramp – Famous last words (Beispiel)

(Bei letzterem Link einige Sekunden Stille vor dem Songstart, lohnt sich aber.)
Eine kurze, aber dafür sehr musikreiche Zeitspanne, viele Erinnerungen und emotionales Auf und Ab, daher wohl auch mein zeitlich gestreckter Eindruck dieses Lebensabschnittes. Gerade noch A-capella-Singen im Schulchor, Erwägung Schulwechsel, plötzlich eine Berufswahl treffen müssen.
Eine schräge Fahrt nach Berlin mit dem benzinfressenden Monstertransporter zum The-Wall-Konzert auf dem Potsdamer Platz.
The Wall ist immer noch ein hinreißendes, von mir sehr bewundertes Album.
Sting begleitet mich seither ständig, ich liebe seine schrägen Ideen und seine Stimme. Supertramp hör ich nicht mehr allzu oft, aber das Album hab ich hier in LP und CD, und die Aufzeichnung von Roger Hodgsons Konzert letztens auf 3sat fand ich allerliebst.

Isaac Hayes – Use me

(30sec-Previewhear auch ohne Account)

Alpha Blondy – Brigadier Sabari
The Cure – Boys don’t cry
The Who

Das Auf und Ab geht weiter, etwas gemäßigt zwar, aber immer noch recht chaotisch, und immer noch musikreich. Zwielichtige Spelunken und haufenweise Kiffer in Räumen mit reichlich undurchsichtiger Luft. Etosha hat schon wieder einen Musiker-Freund, zum ersten Mal gemeinsam Möbel kaufen (damals war’s passenderweise ein Bett).
Die erste Band, die ersten eigenen Songs, Bandproben im Schloss Wolkersdorf.
Die Isaac-Hayes-Version von Use me ist wohl die groovigste ever! Alpha Blondy sind wahnsinnig niedlich, und The Cure haben mir schon damals nicht gefallen, (The Who auch nur in Teilen), ich musste sie aber um des lieben Friedens willen (mit)hören.

Phil Collins – Live in Berlin (Beispiel)

Endlose Wochenenden mit Freunden bei Mike. Nicht nur dieses Album haben wir rauf und runter gespielt, aber zu diesem haben wir auch gar wunderprächtig gesungen. Nächtelanges Würfelpokern und Schmähführen. Spontaner Ausflug zum Musikfest in Waidhofen an der Thaya, Sautrogrennen, Gummistiefelschleudern, jede Menge Spaß, Chillen zu gemütlicher Musik. Das Ganze mit meinem ersten eigenen Auto. Zwei gefährlich aussehende Biker helfen mir aus der Klemme, als ich dort meinen Autoschlüssel versehentlich im Kofferraum einsperre. In wenigen Augenblicken ist das Ding geknackt; ein Audi 80s in schmutzigem Dunkelrot – den mein damaliger Freund viele Monate später beim Linksabbiegen in einen Totalschaden verwandelt.

Tracy Chapman – Fast car
Live – All over you
Tori Amos – Silent all these years

Das erste gemeinsam Wohnen außerhalb von daheim, in einer eigenen Wohnung mit Freund in Korneuburg. Etwas merkwürdige Partnerlook-Anwandlungen. Nach jahrelanger Hundegesellschaft die erste eigene Katze, Joshua, ein ganz außergewöhnliches Persönchen, wir nennen ihn auch ‘Der Sir’. Nur eineinhalb Jahre später erkrankt er an FIP und stirbt.
Erste Photoshop-Erfahrungen, weil mein Freund einen Kurs dazu macht. Viel Zeit fließt auch in CorelDraw 4. Erster eigener Heim-PC, später ein Modem und die Anbindung ans weite Netz.
Tori Amos’ Songs sind ein Kapitel für sich – ich singe ihre Sachen gerne, und die Texte sind immer wieder für eine Grübelei gut. An Live liebe ich die Dynamik und die extreme Stimme des Sängers.

Amanda Marshall (Album) (Beispiel)
Crosby, Stills, Nash – Teach your children

Mein erster Neffe Patrick wird geboren. Die Haustaufe mit unserer Darbietung von Teach your children, vierstimmig mit Gitarre, es singen mein Bruder, meine Mama, mein lieber Schulfreund Crisue und ich. Meine Schwester vergießt vor Rührung ein paar Tränen.
Sehr viel Einspringen in finanzieller und problemberatender Hinsicht, sehr viel Zeit mit Baby auf dem Arm, Baby nebenan schlafend, dann der Sommer, Kleinkind im Planschbecken, mein damaliger Freund stets mit Kleinkind im Schlepptau oder auf den Schultern.
Meine erste Spiegelreflex-Kamera, eine damals schon uralte Yashica mit bezauberndem Auslösegeräusch und manuellem Aufziehmechanismus. Eigene Schwarz-weiß-Fotoentwicklung im Kellerstüberl als Dunkelkammer.
Amanda Marshall begleitet mich von da an durch alle Lebenslagen, und immer wieder passt irgendein Song besonders gut. Mitsingen bringt immer (noch) seelische Erleichterung.

The Knack – My Sharona
Christina Aguilera – Genie in a bottle

Eingeschworene Verbindung mit meiner Freundin N. und eine wunderbare Freundschaft, die bis heute anhält. Tiefgang, konstruktive Gespräche mit vielen Aha-Erlebnissen, jede Menge Parallelen. Gemeinsames abendliches Ausgehen, Tequilatrinken, Tanzen – sogar meine Tanzmuffelbeine können diesen beiden Songs nicht widerstehen. Verkleidungen für Fasching erfinden und anfertigen. Lachen, bis der Bauch schmerzt.

Rosana – Lunas rotas (Album) (Beispiel)
Nick Cave – The ship song / Into my arms
Bryan Adams & Mel C – When you’re gone
Shania Twain – Still the one

1998: Schwer verliebt, die Umstände sind nicht gerade optimal. Meine Freundin N. muss sich die Ohren von mir vollsingen lassen, und diesmal nicht in glockenhellen Klängen.
Einige Wochen später aber wird schon zu den spanischen, kräftigen bis gefühlsausbrüchigen Klängen und zur rauhen Stimme von Rosana geknutscht und geredet, bis der Morgen graut. No habrá nadie que te quiera más que yo.
Wieder einige Wochen später ziehe ich nach Wien.
‘Come sail your ships around me, and turn your bridges down’ singt Martin und spielt Gitarre dazu. Gemeinsame Fahrten in die Arbeit bzw. zur Uni in meinem knallroten Daihatsu Cuore.
Weil wir beide eher Tanzmuffel sind, wird anstatt des Brautwalzers bei unserer Hochzeit im Mai 1999 gesungen, Martin und ich singen When you’re gone, mit gitarristischer Unterstüzung meines Schwagers. Ich singe Still the one für meinen Bräutigam.

Bebel Gilberto – Summer Samba
Ella Fitzgerald – Night and day

Jazz-Gesangskurs und das Einstudieren etlicher Standards. Gar nicht so leicht, so manchen Melodielauf in mein Hirn und meine Stimme zu kriegen – und dort auch richtig zu verankern.
Pflegen des Schrebergartens meiner Großeltern, willkommene Ausflüge ins ‘Grüne’. Mit Kopfhörern unterm Kirschenbaum liegen und ein- und dieselbe Nummer immer wieder hören.
Die erste Digicam, und Martin erwirbt erstmals einen echten, eigenen Griller – ein wichtiger Moment im Leben eines Mannes!

Disbelief

2006: Ich wache erstmals mit einem fertigen Refrain im Kopf auf. Einstudieren des Songs mit der Band.
Lange hält diese Konstellation nicht, aber ich fühle mich zu der Zeit extrem wohl damit.

Ausufernd, maßlos – also alles wie immer. Wer hat’s bis hierher durchgehalten? ;)

Fisch fliegt weiter an Serotonic und mkh – muss ja nicht so maßlos werden wie bei mir.

Nicht funktionierende Musiklinks bitte melden. Ich konnte nicht alle überprüfen, muss jetzt nämlich noch ein bisschen Sonne tanken, bevor sie demnächst untergeht.

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Butter bei die Fische!

ruft Frau Serotonic und bewirft mich damit steckerlfischartig.
Sagt mir nix. Außer dass es mir dabei den grammatikalischen Nackenkamm aufstellt, aber das nur nebenbei. Also nennen wir’s ‘Hosn owe!‘, damit man auch hierzulande weiß, worum’s geht.

Um die anbetungswürdigsten VIPs nämlich, jene, über deren erwünschte Fallrichtung klare Vorstellungen herrschen, wenn sie denn überhaupt an einer Bettkante einen Schubs bekämen. Fünf an der Zahl sollen’s sein. Na bitte.
Das böse f-Wort mit dem -able hintendran lass ich mal aus gugltechnischen Gründen weg, ich hab schon genug Spinner hier, die gar grausliche Dinge in den Google eintippen und aus unerfindlichen Gründen dann bei mir landen.

Müßig zu erwähnen: Die Frau an den Tasten würde niemalsnicht nur aus optischen Gründen usw.
Ein Ranking gibts bei mir nicht, sonst weint wieder einer. Daher alphabetisch:

B_Pene Penelope Cruz.

Entzückend. Wunderschön! Ganz besondere Art von Natürlichkeit. Könnte aber ein paar Kilo mehr auf den Rippen durchaus vertragen.

B_Johnny Johnny Depp.

Schon seit ‘Edward Scissorhands’. Der Außenseiter-Touch. Hat optisch was für beide Schwerpunkte im weiblichen Zyklus.

B_Robert Robert Downey, jr.

Aber nur ohne Bart. (Und ohne Schnapsflasche.) Tolle Augen, tolles Lächeln. Tolle Singstimme! Tipp: ‘Every Breath you take‘ im Zwio mit Herrn Sumner. Umwerfend! Gänsehauuut! Ja, Frau Serotonic, singen können ist definitiv sexy.

B_Ethan Ethan Hawke.

Weil der Schmuddelfaktor auch zählt. Und die Naturburschen-Vibes.

B_Sean Sean Penn.

Der ewige Jungen-Charme, so alt kann der gar nicht werden. Trotzdem kann kein anderer so überzeugend verzweifelt schauen. Dieser Weltschmerz!

B_Aidan Aidan Quinn.

Gefühl und Charakter. Spielt immer den Guten. Das mag ich.

B_Noah Noah Wyle.

Was Frau Serotonic als Weltschmerzgesicht bezeichnet, trifft hier vermutlich auch zu. Und alle glauben, Frauen schauen sich E.R. nur wegen George Clooney an. Pah!

Huch!? Das sind ja schon sieben! Ich hör jetzt lieber auf. =)

Weiterwurf des Steckerlfisches an baumgarf, Ole, Jekylla, Adda, pk210 und überhaupt an alle, die wollen.
EDIT: Vergessen! Die Frau Filmfreak cappuccina! Sie hat dazu sicher was zu vermelden! ;)

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Zweckfreie Aktivitäten

können mich ja fast immer spontan begeistern. Heute: Das Erstellen eines Zufalls-CD-Covers.

Der Name der Band:

kommt aus dem Titel eines Zufallsartikels in der englischsprachigen Wikipedia.

Der Titel der CD:

wird frei Haus geliefert vom Zufallsgenerator der Quotationspage, und zwar die letzten vier Worte des letzten Zitats, das auf der Seite erscheint.

Das Albumcover:

kommt von Flickr. Im ursprünglich von mir erblickten Post dieser Art das dritte Bild auf der Last7days-Randompage. *)

Hier mein Ergebnis:

Foto von sandman.
Weiterverwendung unter CC by-nc-sa.

Könnte zu einem Hobby werden.
Idee gefunden und mitgenommen bei Frau serotonic – bilde ich mir zumindest ein. Der Gedankenzoo ist aber offenbar momentan serverseitig geschlossen, also kann ich die nagende Unsicherheit derzeit nicht lindern.
(EDIT: Ha! Wusst ich’s doch! Dieses Gedächtnis!)
Wiedergetroffen bei Frau Jekylla (Hypsche Randomcovers! hier und dorten).

*) Die Vorgabe war schön und gut, allerdings ist es recht unwahrscheinlich, auf diese Weise auf eine CreativeCommons-lizenzierte Abbildung zu treffen. Und gfladert wird net!
Leichter fündig wird man auf dieser Seite. Alle dort gelieferten Bilder sind unter ‘Attribution/Noncommercial/Share Alike’ lizenziert.
(Mehr Infos und andere Lizenzkombinationen.)

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Gestern ist morgen

Musik kann in mir annähernd das vollbringen, was Geruch vermag: Situationen ins Leben zurückzurufen, als wären sie nie vergangen, mehr in Farbe und Form und Gefühl als in Gedanke, Gespräch oder gar Tatsache.
Gerade eben fiel mir Milvas Version von ‘Johnny Guitar’ ein. Das Lied ließ den Herbst da draußen mitsamt seinem rauhen Wind und seinem Krähengeschrei mühelos und innerhalb eines Augenblickes verschwinden. Und während der sich stetig drehende Plattenspieler in meinem Kopf das Lied weiterspielt und Milvas tiefe Stimme vor minimalistischer Begleitung klagt, tauchen vor mir Gespinste aus meiner Kindheit auf, reine Sinneserfahrung, völlig frei von linkshirnigen Daten wie Jahreszahlen oder Ortsnamen.

Sommerurlaub im Süden. Duftendes gegrilltes Brot, das knusprig knirscht, während es mit dunkler, klebriger Hagebuttenmarmelade bestrichen wird. Das abendliche Zikadenkonzert richtet sich nicht nach dem Rhythmus der Musik. Es dringt in meine zufriedene Schwere, ansatzweise erkenne ich darin eine Art Unabhängigkeit. Kerzenschein beleuchtet einen Campingtisch, streift immer wieder einen Korken und das dunkel darin eingesogene Rotweinmosaik, flackert über weite, leichte Kleidung in tiefroten und orangefarbenen Tönen.

Meine Kinderhaut mit den Meersalzkrusten wird gestreichelt von warmer Abendluft, die nach Kiefernnadeln und Rosmarin duftet. Völlig unpassend, aber eng damit verwoben steigt von der Luftmatratze, auf der ich schlafe, jener intensive Gummigeruch auf, von dem ich bis heute nicht weiß, ob ich ihn auf perverse Weise angenehm oder aber ganz furchtbar finde.

Die Moll-Akkorde und vor allem Milvas Tonfall an der Stelle ‘und ich nannte ihn…‘ dringen warnend an meine Instinkte und lassen mich etwas erahnen, das mir zu diesem Zeitpunkt noch fremd ist, das noch keine eigenen Erinnerungen auslöst, und das für mich so wenig bedrohlich und wahr ist wie der Wolf im Märchen, wie eine Geschichte aus einer nicht so heilen, aber weit entfernten Welt. Ich kann spüren, dass das Leben wohl zuweilen etwas Schweres, Verzweifeltes haben muss, oder aber etwas verzweifelt Glückliches, das festzuhalten und später wieder hervorzuholen jedenfalls nur mit einem Lied gelingen kann.


Edit:
Schöne Idee von der Nachtschwester, ein Stöckchen draus zu machen: Welcher Song aus welcher Zeit ist untrennbar mit welchen Eurer Kindheitserinnerungen verbunden?
Sie hat schon mit kräftigem Arm in die Runde ausgeteilt, Merlix und Ole wären bei mir wohl auch dabeigewesen (letzterer allein schon wegen seiner musikalischen Affinität) – und wer möchte noch? Monsieur baumgarf vielleicht, mkh kann das sicher sehr schön (es ist ja auch kein ‘richtiges’ Steckerl), dieJulia freilich, mein Bruder natürlich auch und vielleicht Frau percanta? (Alle Links auswendig! Ha! :)
Und wer sonst noch möchte, natürlich, bedient euch und hinterlasst einen Link (händisch bitte, Trackbacks sind off)!

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Book in stock

It’s Steckerltime! Frau Percanta warf mir eines.

  • Liest Du gerne?

    Ja, sehr gerne. Manchmal lieber als alles andere, besonders an Tagen, wo ich nach Input giere.

  • Wenn ja, welches Genre?

    Hauptsächlich und am ehesten Sachbücher. Ich bin an so vielen Themen interessiert, dass ich davon gar nicht genug lesen kann. Leider verhält sich mein vielfältiges Interesse zumeist umgekehrt proportional zu meiner Gedächtnisleistung.

    Darüber hinaus lese ich mich kreuz und quer durch die Genres; ich mag gute Geschichten, kurze oder lange, schaurige oder schöne, gefühlvolle oder knallharte, ich lese gerne Krimis, spirituelle Bücher, und ich mag Wörterbücher.
    Sehr angetan war ich unlängst vom Amulett von Samarkand, dem ersten Teil der Fantasy-Trilogie Bartimäus von Jonathan Stroud. Sehr kurzweilig, sehr humorvoll. Max Goldt liegt auch immer wieder auf meinem Nachttischkastl, ich liebe seinen schrägen Humor und seine unglaublich exakt gesetzten Worte. Ich liebe die ausführlichen Artikel in GEO (aber hasse das Layout). Und es gibt da ein paar Weblogs, die ich sehr gerne lese.

  • Dein letztes Buch hieß wie?

    Hab noch keines veröffentlicht. Ach, das letzte gelesene Buch! ;) Chemie des Todes von Simon Beckett, ein Thriller bzw. Kriminalroman.

  • Würdest Du es weiterempfehlen?

    Ja und nein. Ich fand es im Grunde gut und sehr spannend. Allerdings gab es da auch ein paar Störfaktoren. Zunächst kann ich es nicht leiden, wenn an jedem zweiten Kapitelende die Zukunft der Story vorweggenommen wird, mit Sätzen wie beispielsweise: ‘Es war eine Entscheidung, die ich bald bereuen sollte.’ Wer seinen Spannungsbogen beherrscht, braucht solche Sätze meiner bescheidenen Meinung nach nicht. Noch unrunder werde ich allerdings, wenn danach absolut nichts passiert, das diesen Satz auch nur annähernd rechtfertigt.

    Außerdem war ich mit der Übersetzung streckenweise recht unglücklich. Es irritiert mich und lenkt mich von der Hingabe an die Geschichte ab, wenn ich langsam von der entspannten Lesehaltung in die Fehlersuch-Lauerhaltung rutsche. Manche Konjunktive sind bunt gemixt, und auch die Zeiten sind nicht immer richtig gewählt.

    Einige sprachliche Pannen sind mir unangenehm aufgefallen. Da geht es beispielsweise um die Wildnis, und der nächste Satz lautet:
    ‘Sie konnte die Suchteams wie einen Schwamm aufsaugen, ohne jemals ihre Geheimnisse preiszugeben.’
    Peinlich, peinlich. Von mir aus soll die Wildnis die Suchteams aufsaugen wie ein Schwamm, aber wie einen Schwamm? Ist ein Schwamm neuerdings das Paradebeispiel für eine leicht aufsaugbare Substanz? Und vor allem dafür bekannt, dass er sich wahnsinnig gerne von Wildnissen aufsaugen lässt?
    Die Metapher ist Geschmackssache. Grammatik nicht.

    Zwei- oder dreimal kommt die Formulierung vor, dass Oberflächen ‘nach Spuren überprüft werden’. Oberflächen und auch andere Dinge überprüft man aber nicht nach sondern vielmehr auf Spuren. Man kann sie allerdings nach Spuren absuchen.

    Sie wrang ihre Hände ‘ ist auch so ein Satz, der mich nicht zu Begeisterungsstürmen hinzureißen vermag.

    Ich würde es jemandem empfehlen, der es in der Originalfassung liest. Um ihn dann auszuquetschen, ob es besser formuliert ist als die Übersetzung.

  • Warum hast Du Dir genau dieses Buch zugelegt?

    Ich hab auf dem Flughafen Frankfurt nach Lesestoff für den Rückflug nach Wien gesucht. Ich finde, Krimis sind ein netter Zeitvertreib. Außerdem gefiel mir das dezent-morbide Cover.

  • Welches war das miserabelste Buch, das Du je in der Hand hattest?

    Sprachlich war das eindeutig Mysterio aus der Reihe Ella Kensington. Obwohl ich andere Bücher aus dieser Reihe sehr nett fand, ist dieses vergleichbar mit dem Schulaufsatz eines mittelmäßigen Hauptschülers, und zwar erzählerisch und orthographisch.
    Über die Sternsagen von Wolfgang Schadewaldt hab ich mich ja letztens schon ausgelassen.
    Kehlmanns Vermessung der Welt halte ich für maßlos überschätzt. Was für ein distanziertes, emotionsloses, schnarchiges Buch.
    Ansonsten hab ich die meisten von mir als miserabel empfundenen Bücher offenbar erfolgreich verdrängt. Es gab da durchaus einige Bücher, deren Autoren an Humorlosigkeit, Arroganz und Ausschließlichkeit kaum zu überbieten sind, aber ich könnte keine Titel mehr nennen.

  • Bist Du ein Bücherquäler? Entsorgst Du z.B. die Schutzumschläge, machst Eselsohren oder besudelst die Seiten?

    Wenn da schon das Wort ‘besudeln’ gewählt wird… Gegenfrage: Finden Sie nicht auch, dass man Menschen keine Suggestivfragen stellen sollte?
    Jawoll, ich gestehe, ich besudle die Seiten meiner Bücher mit persönlichen Anmerkungen oder mit Querverweisen zu anderen Büchern – ha! Ich mieses Schwein! Verlinken geht ja nicht.
    Ich mache ungern Eselsohren, also nur, wenn ich kein Lesezeichen zur Hand habe und sich auch nichts anderes Zweckentfremdbares findet. Manchmal merke ich mir aber auch einfach die Seitennummer.
    Schutzumschläge nerven mich meistens, weil sie ständig verrutschen und dann an der Unterseite aufgebogen würden, also mache ich sie ab. Entsorgt werden sie aber nicht, sondern wieder auf das Buch getan, bevor es seinen Platz im Regal bekommt.

  • Was machst Du mit den Büchern, wenn Du sie gelesen hast?

    Wenn es ein gutes Buch war, leihe ich es am liebsten einem lieben Menschen, der damit bestimmt etwas anfangen kann, damit ich später mit jemandem über den Inhalt sprechen kann. Weil die meisten mir bekannten Menschen aber weder so schnell noch so viel lesen wie ich, bekomme ich das Buch meistens monatelang nicht zurück und weiß dann selbst nicht mehr genau, was drin stand (siehe Punkt 1).
    Wenn ich es dann zurückbekomme, lese ich es daher oft nochmal. Zumindest schaue ich nochmal rein. Dann bekommt es einen von den (mittlerweile spärlichen) Plätzen im Regal.

  • Stöckchen weiterreichen:

    Natürlich alle, die möchten.
    MoniqueChantalHuber?
    baumgarf, wenn er möchte, der alte Bücherwurm?
    Jekylla vielleicht, nach ihrer Rückkehr?

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Küchensteckerlfisch

Hier ist Steckerl-Beantwortungsphase – sogar in meiner körperlichen Abwesenheit. Wir treiben uns nämlich in der Wirklichkeit derzeit in der Nähe von Frankfurt rum.
Frau creezy interessiert sich anscheinend für den Inhalt meiner Speisekammer.

  1. Welche Essige stehen in deiner Küche?

    Balsamico, Rotweinessig und der klassische Hesperidenessig von Mautner Markhof (insbesondere für den Chinakohl).

  2. Welche Öle?

    Olivenöl (zufällig sogar Bio), Kürbiskernöl, Walnussöl, Bona im geliebten Tetrapack für leichteres Ausgießen und ein sauscharfes Chiliöl von meiner Freundin N.

  3. Welche Sorten Reis stehen dir derzeit zur Verfügung?

    Basmatireis von zweierlei Marke, wobei ich von einem nicht sicher bin, ob darin nicht schon die gemeine Lebensmittelmotte haust und schmaust.

  4. Welche Sorten Nudeln?

    Spaghetti, Dinkeldralli (*rofl*) von Recheis, Hausgemachte Fettuccine aus Wolfsberg in grün und gelb (Schwiegermutter sei Dank), Suppennudeln, kiloweise Lasagneblätter, Tortelloni alla Carne im Vakuumpack (nein, ICH esse sowas nicht.)

  5. Welche Zuckerarten hast du in deiner Küche?

    Demerera (ausschließlich zu Besäufniszwecken – ist für Caipi & Mojito schließlich unerlässlich!), Puderzucker (in Tupperware-Mühle, das gehört so), Feinkristallzucker, Vanillinzucker (Bourbon-Vanille ist separat vorrätig), Traubenzucker und ein kümmerlicher Rest Gelierzucker 2:1

  6. Von welchem Gewürz hast Du die meisten Varianten in Deiner Küche?

    Hm, das hält sich gut die Waage, würd ich meinen. Das Angebot ist recht breit gefächert. Am ehesten von scharfem Zeug: Sambal, Ajvar, Chilimühle, Chiliöl, bunte Chilis im Gemüsebeet, Piri-Piri-Mischung sowie Pfeffer in allen Farben inklusive cayennerot.

  7. Welches andere Nahrungsmittel hast du in auffallend großer Variantenzahl vorrätig?

    Tee in derzeit 13 Sorten.
    Hundeleckerlis, teilweise grausam stinkend, in unzähligen Sorten.
    Die Gefrierlade für Grillfleisch und -fisch ist auch immer gut gefüllt.
    Und (vermutlich alles andere weit übertreffend) mein Grundnahrungsmittel Schokolade: Von zwei 40g-Riegeln aus Madagaskar und Neuguinea-Kakao von Rausch über Nussbeugel und Nasch-Herzerl von der Confiserie Heindl Wien (Suchtpotential: 99%, 1% Abzug für den Leistbarkeitsfaktor), Ritter Sport in den Sorten Milch-Vollnuss und Cornflakes, Maltesers, Napoli Drageekeksi, Lindt-Kugeln in der Vollmilchvariante und Kinder Schokobons bis hin zu drei Haselnuss Billigminitafeln (für Proviantzwecke) ist alles vertreten. Und natürlich das klassische Kakaopulver zum Backen.

Und womit kocht la percanta so?

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Achtens

Es war im Juli, da warf Frau Jekylla ein Stöckerl in meine Richtung, das mich allerdings in einer unsozialen Phase erwischte, in der mich nichts dazu trieb, mir selbiges unter den Nagel zu reißen. Dann kam die Pfannendysfunktionsphase, und jetzt bin ich richtig stolz, dass ich es wiedergefunden habe, obwohl sie mich im entsprechenden Eintrag nicht verlinkt hat (was, nebenbei bemerkt, liebe Stöckerlwerfer, die Sache durchaus erschwert und bestimmt die Aufheb-Quote entsprechend senkt).

Jeder beschreibt acht Dinge von sich. Wer das Stöckchen zugeworfen kriegt, schreibt das alles in sein Blog rein, mitsamt den Regeln. Nun überlegt man sich, an welche acht Personen/Blogs man das Stöckchen weiterreicht. Schlussendlich schreibt man bei den Betreffenden einen entsprechenden Kommentar in das Blog.

  1. Ich bin nur eineinhalb Meter groß. Trotzdem trage ich nur ganz selten hohe Schuhe – ist mir zu viel Quälerei.
  2. Dass Mittagsschläfchen immer noch so verpönt sind, halte ich für überkommenen, leistungsgesellschaftlichen Standesdünkel – oder den Neid der Besitzlosen. Meine Lieblingszeit für ein Schläfchen ist während meines Leistungstiefs nachmittags zwischen vier und fünf, und ich schäme mich überhaupt nicht.
  3. Zu meiner größten Freude sinkt meine emotionale Erpressbarkeit täglich, bei gleichzeitigem Ansteigen meiner Ursprünglichkeit.
  4. Ich sehe nachts gar seltsame Dinge, die sich jeder Beschreibung hartnäckig widersetzen. Den Erklärungsansatz einer Schlafparalyse hab ich mittlerweile ausgeschlossen.
  5. Ich glaube nicht an Gott, jedenfalls nicht an einen externen in einem herkömmlich-religiösen Sinne. Mitglied der evangelischen Kirche bin ich aus rein menschlichen Gründen.
  6. Die Beziehungen zu anderen Menschen, jene zu mir selbst und den Humor halte ich für die wichtigsten und interessantesten Aspekte des Lebens.
  7. Auf die erst kürzlich erfolgte Diagnose einer schubhaft entzündlichen rheumatischen Erkrankung musste ich neun Jahre lang warten.
  8. Bei uns darf der Hund ins Bett.

Acht Menschen, die sich auch mal völlig vorgabenlos den Kopf über sich selbst zerbrechen dürfen? Vielleicht jene, die sich auf ‘Noch jemand hi-hier?‘ so nett gemeldet haben, abzüglich T.M., der ist ja ein Steckerlfischverweigerer.

baumgarfErnstjanocjapundieJuliaMerlixmkhdie NachtschwesterRotfell

Viel Spaß!

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Euer Merkwürden

Was an mir merkwürdig ist, will der Kristof wissen. Hm, man findet sich ja selbst ganz normal – man lebt ja mit sich. Wenn also jemand in der Aufzählung etwas vermissen sollte, dann ab damit in die Kommentare!

Ich bin ein Chaot. Meine organisatorische Kompetenz in Sachen Zettelwirtschaft und mein strukturelles Denken ist angelernt. Ab und zu müssen diese erworbenen Fähigkeiten dem nervigen Chaos Einhalt gebieten. Dem Chaoten ist der maßregelnde Wichtigmann ein Dorn im Auge. Die beiden inneren Kontrahenten verstehen sich also nicht allzu gut.
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Daheim

Frau Rotfell sehnte sich nach einem Stöckchen. Frau Rotfell bekam ein Improvisationsstöckchen. Da bekommt einer ein Stichwort zugeworfen, zu dem er dann spontan einen Text, ein Gedicht oder sonstwas verfassen soll.
Der Text, den sie zum Thema ‘Kinder’ improvisiert hat, ist ausgesprochen unterhaltsam und herrlich frei von political correctness.
Insbesondere könnte ich mir vorstellen, dass mein Bruderherz daran Spaß hat, und auch Freunde wie N.+K. oder die Herren Bassist und Drummer, die – selbstgebrütet oder gepatchworkt – gesegnet sind.

Es gibt auch ein Regelwerk dazu, nur falls Fragen auftauchen. Mein Lieblingsparagraph ist 4.2., wenn ich auch nicht sicher bin, ob die Absurdität darin Absicht war oder nur leichtfertige Benutzung stellvertretender Demonstrativpronomen.

Danach hat Frau Rotfell das Stöckchen neu zugeschnitzt und mir an den Kopf geworfen. Mein Stichwort lautete ‘Daheim’.


Daheim wird immer größer, je weiter man davon entfernt ist. Vom Büro aus betrachtet, ist daheim der ruhige, kleine Ort, an dem ich mit meinem Mann und meinem Hund zusammen bin, alleine und abgeschottet von der Welt. Sogar die Realität muss meistens draußen bleiben. Auch der sonst allgegenwärtige Ruf nach gutem Benehmen wird dann leiser.

Reise ich aber an das andere Ende der Welt, erfährt mein Daheim mit jedem hinter mir gelassenen Kilometer stetiges Wachstum. Bin ich angekommen, ist es so groß, dass daheim alle meine Lieben sind, enge Freunde und Verwandte, die wohlgemerkt da nicht sind, wenn ich selbst wieder zu Hause bin; so viele Quadratmeter sind es nämlich gar nicht; wir sind wieder unter uns.

Daheim ist, wo ich den Geruch nicht wahrnehme. Diese Melange aus Aromen; aus den Speisen, die dort zubereitet, verzehrt und verdaut werden, je nachdem, ob dort mit Butter und Dille gekocht wird oder mit Olivenöl und Thymian; aus den Gerüchen der Menschen, deren Überzeugungen, Wünsche und Ängste vielleicht gar einen bestimmten Duft hervorbringen. Den Geruch all dessen, der Haustiere, der Pflanzen, der Möbel und sogar des Hauses selbst, die Resultate aus dem trauten Bettbakterien-Sharing, bemerke ich nur in anderen Häusern und Wohnungen. Ich weiß, wie die Nachbarn riechen. Natürlich nicht einzeln, das wissen sie voneinander besser. Aber ich weiß, welchen Geruch sie gemeinsam produzieren – das wissen sie nicht.
Dieses Ausblenden des Eigengeruches ist sinnvoll, um besser erkennen zu können, wenn daheim etwas faul ist.

Auch die Geräusche eines Hauses, die einen übernachtenden Gast stundenlang wachzuhalten vermögen, lassen den Bewohner für gewöhnlich völlig unbeeindruckt. Ausnahmesituationen gibt es natürlich, Ungewohntes wird bemerkt. Nach den vielen windigen Nächten der letzten Zeit habe ich mich aber auch an das Quieken der Holzdecke im Schlafzimmer gewöhnt – im Gegensatz zu meinem Mann, der beruflich bedingt nur am Wochenende daheim schläft.

Antworten, die einen anderen eventuell aus seiner persönlichen Verständnisbahn werfen könnten, tragen ebenfalls zu meinem Daheim-Gefühl bei. Wenn ich zu meinem Mann ‘Na, Sie?’ sage, und er darauf ‘Goreng?’ erwidert, weiß ich, dass sie ihn während der vergangenen Woche nicht hinterrücks gegen einen Replikanten ausgetauscht haben.

Sogar meine Hündin versteht, was Daheim ist. Wenn ich sie nach einem langen Tag unterwegs ‘Gemma hause?’ frage, dann weiß sie genau, worum’s geht. ‘Hause’, das ist, wo sie entspannt auf dem Rücken liegen und schnarchen kann, und dabei trotzdem sicher sein, dass noch das kleinste ungewohnte Geräusch sie sofort erwachen lassen wird.
Aus fremden Hundeschüsseln trinkt sie nicht. ‘Hause’ ist, wo die eigene Wasserschüssel steht, deren Geruch sie nicht wahrnimmt.

Sich wohl und sicher zu fühlen ist also eine Frage der Wahrnehmungslosigkeit, oder zumindest des unwillkürlichen Ausblendens bestimmter Wahrnehmungen. Man möchte, dass Gäste sich auch geborgen fühlen. ‘Fühl dich wie daheim!’, das ist schon oft gesagt, aber bestimmt von einem Gast noch nie tatsächlich so empfunden worden. Zuhause ist eben nicht nur Wie-daheim-Fühlen, sondern Daheim sein, nicht nur Wohnen, sondern Gewöhnung und Gewohnheit.
Wohnen wiederum ist dem Wort nach zwar eine Tätigkeit, man muss dafür aber absolut nichts tun. Ich wohne quasi nebenher. Ich brauche nur das Haus zu betreten, und ich wohne bereits. Eine gute Antwort übrigens für die Telefonfrage ‘Was machst du grade?’.

Daheim sind wir allein, wenn es nah ist, und es ist voller Menschen, wenn es fern ist. Es ist nur dort, wo ich wohne, aber es ist auch, wo du wohnst. Daheim ist groß und klein, daheim ist überall – und es riecht eigenartig.


Die Stichworte meines Weiterwurfs heißen
Unbeschwertheit für Herrn Baumgarf
Schönheit für Herrn Janocjapun
und Anerkennung fürs Bruderherz.