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Beautiful Woodquarter

Ein Sonntag wie im Bilderbuch – wir fahren ins Waldviertel. Beim Anblick der ersten sanften, grünen Hügel, der ersten Nadelwälder, wird mein Lächeln breiter. Der Raps blüht auf gigantischen Feldern, die Sonne scheint und macht daraus ein gelbgrünes Meer. Der verklärte Blick findet sogar den Strommasten inmitten dieses Motives stimmig.

Ein Spaziergang im Wald, darin die immer noch grünen Überreste von abgeknickten Nadelbäumen, grotesk verteilt, als wären sie vom Himmel gefallen. Weiches Moos unter den Füßen, und ich achte darauf, keine der unzähligen Schlüsselblumen zu zertreten.

Später gehen wir an der Thaya entlang, am Ortsrand von Waidhofen. In einer Flussbiegung lädt ein warmer Fels mich zum Sitzen ein. Die Sonne blinzelt durch die Blätter, ich höre Vogelgezwitscher und ein wenig Wind in den Baumkronen, ab und zu plätschert ein Fisch durch die Wasseroberfläche. Meine Seele atmet auf. Wunderbare Ruhe erfüllt mich, und ich lasse mich mit Kraft aufladen.

Anschließend verzehren wir in einem Gasthof in Waidhofen ein herrliches Mittagsmahl – es gibt Rinderbraten, dazu zwei flaumige Waldviertler Knödel und ein mit Preiselbeeren gefülltes Stück Birne. Am Salatteller findet sich auch Löwenzahn.

Nach einer kurzen Fahrt genießen wir noch einmal die Sonne, am Ufer des Allentsteiger Stadtsees, jeder auf seine Art.

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Es geht weiter zum eigentlichen Zweck der Fahrt: Die Teilnahme meines Mannes am NÖ Großkaliber-Cup im Pistolenschießen. Austragungsort 4 von 4: Ein kleiner Schießverein nahe Allentsteig. Für den Fall der Langeweile habe ich ein Kakuro-Rätselheft mit, aber ich brauche es nicht. Ich habe einen dieser wunderbaren Tage, an denen ich Smalltalk fließend spreche. Mit offenen Armen werden wir aufgenommen in diesem Waldviertler Verein, die Gespräche drehen sich nicht nur um den Schießsport und bewegen sich auf einem wohltuenden Niveau, sehr locker und zwischendurch auch derb, aber nie so, dass es mir unangenehm wird; zeitweilig sogar durchaus tiefsinnig.

Am Rückweg machen wir einen kurzen Abstecher, um im weichen Frühabendlicht über den Stausee Ottenstein zur Ruine Lichtenfels zu schauen.

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Danach der Anblick des wunderschönen Kamptals und der Wachau, weich aussehende Felder, Weinberge in goldener Sonne, schließlich die mächtige Donau, und die weitere Fahrt entlang der Donau, wo die Straße gesäumt ist von mächtigen Auwäldern.

Mir fällt mein gemeinsamer Kurzurlaub mit meiner Freundin N. ein, vor einigen Jahren, als wir das Waldviertel ganz entspannt und recht ungeplant erkunden, von Geras über Karlstein an der Thaya, wo wir versehentlich die Burg betreten, obwohl diese in Privatbesitz ist, und uns später hinter den großen Toren eingeschlossen wiederfinden, umgeben von meterhoher Burgmauer. Man lässt uns aber, allerdings nicht ungerügt, wieder raus, und wir setzen unseren Urlaub fort, über Dobersberg, Waidhofen und Vitis bis zur Blockheide in der Nähe von Gmünd, um dort die berühmten Wackelsteine einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Ein paar herrliche Tage waren das.

Ich habe mich schon oft gefragt, wie Hunde durch Vererbung zu ihren Eigenschaften kommen können, etwa Schussfestigkeit, Apportiertalent oder ähnliches. Wenn ich aber im Waldviertel bin, glaube ich, selbst etwas körperlich geerbt zu haben, die Liebe nämlich zu diesem wunderschönen Stück Niederösterreich; von meinem Vater, der seine Kindheit dort verbracht hat. Ich habe diese Gegend selbst von Kindheitstagen an geliebt, mein Vater hat mich auf seine Handelsvertreterfahrten oft mitgenommen, und jeder einzelne Aufenthalt hat das warme Gefühl verstärkt.

Am besten beschreibe ich es, wenn ich, wie mein Vater, sage: Mir geht das Herz auf!

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Vorfreude

Mir gefällt, mit welch strahlendem Gesicht Frauen aller Altersklassen sich samstags beim Blumenmarkt den Einkaufswagen holen und dann durch den Eingang gehen. Ach was, gehen – sie schweben! Hernach wandeln sie durch die Gänge, vorbei an Clematis, Phlox und Hortensie, und ihre Augen leuchten ein wenig mehr mit jedem Pflänzchen oder Stämmchen, das sie in ihren Wagen laden.

Manche gefährdet geradezu den Einkaufswagenverkehr. Sie ist zwar durchaus nüchtern, mitunter sogar im Sinne von ‘ohne Frühstück’ – hinter ihrem ungeplant auf überdurchschnittliche Höhe angewachsenen Einkauf jedoch kann sie den floresken Gegenverkehr nicht mehr rechtzeitig erkennen.

Trotzdem sind sie glücklich, alle.
Ich seh mir das gerne an.

Und wünsche mir die eigene Vorfreude zurück, die mich schmählich, aber spontan in der halbstündigen Wartezeit an der Kasse verlassen hat.

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Bedeutungsschwanger

Mir träumte von einer Arztpraxis. Der Arzt hat keine Beine, er hat sich selbst mit den von einem Hosenoberteil verborgenen Stümpfen auf einen großen Schwenkarm montiert, auf dem er munter zwischen der Patientin und seinen Instrumenten hin- und herschwenkt. Hinter dem Behandlungsraum, ohne direkte Verbindung zum Eingang, gibt es ein überaus weibchenweich eingerichtetes Wartezimmer, in Rattan und rotbraunen Farbtönen gehalten, es ist halb voll mit Frauen, die heimlich für den Arzt ohne Beine schwärmen, den sie überaus attraktiv finden.

Als der Arzt plötzlich wegmuss und auf Krücken durch sein Vorzimmer Richtung Ausgang humpelt (kann man das eigentlich humpeln nennen? Dazu würde man doch zumindest ein Bein brauchen!?), droht er zu fallen, und ich bewahre ihn davor, indem ich spontan nach vorne hechte und ihn stütze. Ich fühle mich, als wäre ich einem Superstar nahegekommen. Auf mein Deuten in die Richtung seines vollen Wartezimmers und meine Frage, ob er denn zu einem Notfall müsse, antwortet er: ‘Das ist es, was man Ihnen sagen wird.’

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Bohrungen

Heute hab ich bei Obi einen ganzen Einkaufswagen voll Blümchen eingekauft, für meinen Garten, damit alle Blumenkästen wieder bunt und fröhlich sind. Und jetzt ist schon fast alles eingepflanzt – endlich wieder schwarze Fingernägel, yeah.

Nach dem Obi-Einkauf steht schräg gegenüber von mir am Parkplatz ein Mann von etwa 40 Jahren in Arbeitskleidung, offenbar auf jemanden wartend. Während ich meine Beute im Kofferraum und den Hund am Rücksitz verstaue und danach den Einkaufswagen zurückbringe – und das dauert alles in allem bestimmt 15 Minuten – sehe ich ihn die ganze Zeit ebenso herzhaft wie unablässig in der Nase bohren, und das, obwohl er mich bemerkt hat.

Ich hoffe, er hat mittlerweile gefunden, wonach er gesucht hat.

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Morningshow

In der letzten karibischen Woche beim Frühstück auf Cousins Terrasse: Am Dach gegenüber, das auf unserer Terrassenhöhe liegt, taucht einer der schwarzen Jungs aus der Nachbarschaft auf, bewaffnet mit einem pelzigen Farbroller an einer Verlängerungsstange. Man begrüßt sich, und Cousin fragt: ‘Ah, you’re painting? Inside or outside?’ Der junge Kerl, der offenbar von den Hausbesitzern für diesen Ausmaljob engagiert wurde, meint grinsend mit leicht jamaikanischem Einschlag: ‘Inside, but-a they left me no key, so I gotta get inside from here’.

Er öffnet das Fenster von außen, so ein im amerikanischen Raum verbreitetes Schiebefenster, dessen beweglichen Teil er nach oben schiebt, dann befördert er erstmal den Farbroller samt Verlängerung ins Wohnungsinnere, um daraufhin in einem beherzten akrobatischen Manöver kurzerhand kopfüber durch das Fenster zu kriechen. Als die obere Hälfte seines Körpers im Inneren verschwunden ist, bewegt sich der Schiebeteil des Fensters, wie einem Slapstickdrehbuch folgend, entschlossen nach unten.

Wir sehen von außen nur noch seine P0backen mit zwei strampelnden schwarzen Beinen untendran, seine Hände machen sich buchstäblich hinterrücks innen an dem Fenster zu schaffen, ächzende Geräusche und stückweises Körpergeschiebe, und er schafft es, erst verschwinden die Backen, dann plötzlich auch die Beine, fast gleichzeitig ein Poltern, kurz darauf sein Ruf: ‘I’m o.k.!’

Wer braucht da noch Fernsehen?

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Mit Ernie bei der Arbeit

Wir begleiten Ernie zur Arbeit. Er ist Skipper in der hiesigen ’12 Metre Challenge’, da werden Touristen auf Original America’s Cup-Jachten gekarrt und zu einer etwa 45minuetigen Regatta mitgenommen. Zuerst erfolgt an Land fuer die Touristengruppe eine kleine historische Aufarbeitung des America’s Cup durch einen der Skipper, der nebenbei bemerkt eine fantastsiche schauspielerische Leistung abliefert.

Die Regatta selbst ist keine reine Vergnuegungsfahrt am Sonnendeck, denn die Segel einer solchen Jacht wollen ja auch bedient werden. Also kriegt jeder Tourist einen Job verpasst, in den er dann waehrend der Fahrt hinaus in die karibische See ein bisschen eingeschult wird. Es fahren jeweils drei bis fuenf Boote raus.

Draussen gibt es eine Start- und eine Ziellinie, diese sind jeweils durch Bojen markiert. Vom Juryboot aus wird das Startkommando gegeben, von da an sind sechs Minuten abzuwarten, danach erst darf die Startlinie passiert werden. Anschliessend wird zwischen Start und Ziel sechs Mal hin- und hergekreuzt, bis das Siegerfaehnchen am Juryboot erscheint. Dazwischen gibt es gar enge Annaeherungen zwischen den Booten, bei diesen Gelegenheiten werden gerne Unflaetigkeiten zwischen den Mannschaften ausgetauscht.

Das Hin- und Herfahren zwischen Start und Ziel hat natuerlich zum Sinn und zur Folge, dass viele Wenden durchgefuehrt werden muessen, damit die Touristen auch was zu tun haben. Nun ist ja jeder Tourist anders – bei unserer Fahrt waren ein Haufen Franzosen an Bord, die offensichtlich nur Bruchstuecke von dem verstanden hatten, was mein Cousin ihnen zuvor erklaert hatte. Dass trotzdem niemand eine Hand verloren hat, grenzt an ein Wunder, denn wenn man zusieht, wo die Leute ueberall ihre Hande haben, in den Raeumen zwischen Leine und Winsch, und wie sie mit den Fuessen in Seile verstrickt sind, macht man zuweilen Gesichtsausdruecke, derer man sich gar nicht fuer faehig hielt.

Es gibt die Unbekuemmerten, die sich eher mit Nichtstun die Zeit vertreiben (so wie ich, es waren ja genug Touristen da! ;). Dann sind da aber auch solche, die vermutlich angespornt sind von der Aussicht auf den Sieg, oder aber – angesichts eines Urlaubes ohne echte Erfolgserlebnisse – einfach froh sind ueber eine Aufgabe. Dieser Touristentypus verausgabt sich jedenfalls bei der ersten Wende an der Kurbel derart, dass erstens sein Gegenueber erstaunt von seinem Teil der Kurbel ablaesst, und er selbst Minuten spaeter beinah an Hitzschlag verstirbt.

Trotz sprachlicher und intellektueller Schwierigkeiten ging aber alles gut, keine Verletzten, keine Toten. Und es war ein tolles Erlebnis, das fuer uns noch dazu gratis war. Der Tourist zahlt immerhin 75 Dollar fuer die Challenge.
Dass mein Cousin nicht immer enthusiasmiert zur Arbeit geht, verwundert anfaenglich, wird aber verstaendlich angesichts der freundlichen Worte, die er den teilweise wirklich nicht sonderlich begriffsfreudigen Touristen gegenueber von sich geben muss.

Fotos folgen natuerlich.

Bei der Gelegenheit faellt mir ein legendaerer Ausspruch meines Angetrauten ein, beim Segeln mit meinem Bruder in der Adria: Mein Bruder meinte, es waere wichtig, ein paar Segelkommandos zu verstehen, denn wenn einer zu Dir sagt: ‘Fier auf die Gross-Schot!’ dann muesstest du ja wenigstens halbwegs wissen, wie darauf zu reagieren sei. Mein Mann antwortete verbalspontan wie so oft: Ich wuerd einfach drauf sagen: ‘Fuenfe auf die Kleine!’

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Mein freier Tag

Ich hab heut frei. Quasi. Mein Rechtmaessiger hat heute zwei Tauchgaenge gebucht, und Cousin Ernie ist segeln – das heisst arbeiten, er faehrt ’12 metre challenges’ mit Touristen, also alle zwei Stunden eine kleine Segelregatta mit einer anderen 18-Mann-Crew.

Also hab ich Zeit, hier rumzuhaengen, meine Musik zu hoeren, Gitarre zu spielen, ein bisschen zu bloggen und mich von einer Miniatur-Sonnenallergie am oberen Brustkorb zu erholen, die mich gestern heimgesucht hat.

Wir sind jetzt endlich motorisiert, only took four island days to get us a car, that’s about two european days I guess. Der Vermieter hat sich also etwas Zeit gelassen, aber jetzt steht ein Honda vor der Tuer, der alle Inselerfordernisse erfuellt. Der rechte Aussenspiegel bewegt sich zwar wesentlich mehr als er sollte, das Problem war aber mit dem Einklemmen eines kleinen Holzstueckes recht schnell behoben. Sogar die Aircondition funktioniert, und der Kofferraum laesst sich ebenfalls oeffnen. ;)
Es handelt sich um ein Automatikfahrzeug, und ich versuche an jeder Kreuzung verzweifelt, die Kupplung zu finden.

Das Autofahren selbst ist relativ problemlos, es wird sehr human gefahren, man hat ja Zeit. Die Steigungen allerdings sind nicht immer ganz ohne, gestern haben wir einige Strassenhoehen passiert, vor deren Erreichen ich manchmal dachte, wir kippen gleich nach hinten um. Auch die Schlagloecher sind nicht zu verachten – es sollen schon Fahrzeuge spurlos verschwunden sein.

Gestern haben wir also ein bisschen die Insel erkundet, sind ruebergefahren auf die franzoesische Seite der Insel und haben dort ein recht schoenes Plaetzchen in der ‘Baie Orientale’ gefunden, um im Schatten am Strand rumzuhaengen und gelben Krabben dabei zuzusehen, wie sie Sand aus ihren Hoehlen transportieren. Fotos folgen.

Witzige Insel, in einer Autostunde hat man sie umrundet, so klein ist sie, trotzdem ist sie zwischen zwei Laendern aufgeteilt, den Niederlanden und Frankreich. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist die franzoesische Seite Teil der EU, die niederlaendische hingegen aus irgendwelchen mir schleierhaften Gruenden nicht. Wir haben also gestern quasi eine EU-Aussengrenze passiert, an der keinerlei Grenzkontrolle stattfindet.
Hier auf der niederlaendischen Seite ist Englisch die Sprache der Wahl, ‘drueben’ Franzoesisch. Die Einheimischen Schwarzen allerdings sprechen eine unverstaendliche Version von franzenglisch oder was auch immer. Ernies Putzfrau hingegen spricht nur spanisch – seine Waschmaschine uebrigens auch.

Die offizielle Waehrung sind NAF, niederlaendisch-antillische Gulden, ‘but no one ever uses it’. Hier auf der niederlaendischen Seite zahlt man in Dollar, drueben in Euro. Aber hier nehmen sie Dir ganz frech, wenn Du in Euro zahlen willst, einen Euro pro Dollar ab, drueben wird fairer umgerechnet, da ist ein Euro immerhin 1,20 Dollar wert.

Also alles in allem eine winzige Insel mit drei Waehrungen und jeder Menge Sprachen. Und jeder Menge Muell. Was fuer eine Schande, dass die schoensten Orte der Erde oft dermassen verdreckt sind. Am Strassenrand, vor den Haeusern, mitten in der Pampa – ueberall Getraenkedosen, Becher, Muellsaecke, Kanister in klein und gross, Alteisen, Autowracks, …
An Straenden, wo Sonnenliegen vermietet werden, wird halbwegs auf Sauberkeit geachtet, aber ueberall anders duerfte es ueblich sein, seinen Abfall (oder sein ausgedient habendes Fahrzeug) einfach fallenzulassen, wo man gerade steht.
Ich nehme meinen Muell trotzdem eisern mit, so wie immer – auch wenn es in Anbetracht der bereits vorhandenen Muellberge verlorene Liebesmueh zu sein scheint.

Ich hab meinen Cousin schon mit diversen heimischen kulinarischen Spezialitaeten beglueckt, er ist ja immerhin geborener Oesterreicher – wir hatten schon Gulasch, Palatschinken (=sehr duenne Pfannkuchen), und fuer heute abend hatte ich Cordon Bleu geplant. Hier schaffen sie es naemlich Ernie zufolge nicht, den Kaese und Schinken im Fleisch zu deponieren, wie sich das gehoert, sondern sie pappen das Zeug einfach obendrauf, was er als Wien-Kenner verstaendlicherweise ausgesprochen unbefriedigend findet.
Leider ist es mir im ersten Anlauf heute morgen nicht gelungen, entsprechendes Fleisch dafuer zu erwerben – weder in der Schweine- noch in der Rindfleischvariante, von Huehnerbrust ganz zu schweigen. Chicken wings kann man in allen Groessen und Zubereitungsvarianten kaufen, und Huehnerbeinchen ebenfalls. Von chicken breast aber keine brauchbare Spur.
Das Fleisch fuer Gulasch war erstaunlicherweise weniger Problem – das gibts hier einfach als Goulash Beef zu kaufen.

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Fahrbarer Untersatz

Diesen Eintrag moechte ich zur Gaenze dem widmen, was mein Cousin Ernie sein Auto nennt.
Nach aussen hin gibt es vor, ein weisser Subaru Justy zu sein, oder etwas in der Art. Aber der Eindruck, der sich einem bietet, wenn man naeher als zehn Meter an das Ding herankommt, ist schon etwas ganz Besonderes.

Wuerde ich die Stellen aufzaehlen, die nicht rostig sind, waere ich wahrscheinlich schneller fertig. Die A-Saeulen zeigen an ihren Innenseiten Rostloecher von der Groesse einer Zigarettenpackung. Auch an der Aussenseite der Karosserie prangen viele huebsche braungescheckte Stellen. Diese Rostbeschreibung wird dem Auto aber nicht im mindesten gerecht. Ich werde Fotos nachreichen.

‘We can go to the bigger supermarket to buy more food once you guys got your rental car… my trunk won’t open.’: Der Kofferraum laesst sich nicht oeffnen. Die Fenster hingegen lassen sich nicht richtig schliessen, zumindest die hinteren beiden, sie stehen 10 Zentimeter offen, was bei der Hitze hier stets fuer eine pleasant breeze sorgt. Es ist auch nur eine Kurbel fuer die Fenster uebrig, diese steckt naheliegenderweise in der Fahrertuer, kann aber zur Bedienung der anderen Fenster leicht abgenommen werden. (Don’t lose it, guys, it’s the only one I got!)

Das Innere des Autos sieht aus wie nach einem kurzen aber heftigen Brand. Der Himmel fehlt voellig, an der Wagendecke sind nur noch schwarze Reste von Schaumgummi und Klebstoff zu sehen.

Aber das Auto startet, es tut sowas wie fahren, und die Hupe funktioniert – das ist hier besonders wichtig. Die Bremsen haben ihren Kraftverstaerker in der Vergangenheit irgendwo verloren. Der Motor ueberhitzt, wenn man zuviel bergauf und bergab faehrt – unguenstig ist daran nur, dass die Insel so gut wie ausschliesslich aus Bergen besteht.

An unserem ersten Morgen hier war der linke Hinterreifen platt. Mein Cousin hat da aber Schnickschnack zur Hand, der sowas im Nu loest: Stolz praesentiert er eine Spraydose. Erst denke ich, da ist einfach Pressluft drin, aber weit gefehlt: Es ist klebrig-schaumiges Spruehzeug, das eventuelle Lecks im Reifen im Nu von innen verklebt. Wir meinen, er sollte sich vielleicht mal neue Reifen zulegen, die aktuellen sind eher profillos und sehen ausgesprochen bruechig aus. Mein Cousin jedoch klaert uns auf, die Reifen waeren erst drei Monate alt. So sehen sie nicht aus, also konstatiere ich, da haetten sie ihn beschissen, und er solle reklamieren. Tja, meint er, die Firma werde gerade abgerissen.

Gestern frueh dann war zur Abwechslung der vordere linke Reifen platt, es prangt ein fingergliedgrosses Loch an der rissigen Seite des Reifens. Aber – oh Wunder des Amilandes! – auch dieses Probelm behebt das Klebespruehzeug, und zwar problemlos und schnell, nachdem wir den Reifen ein Stueck bewegt haben, sodass das Gewicht des Autos nicht mehr genau auf das Leck drueckt. Zur Sicherheit will mein Cousin beim Supermarkt vorbeifahren und noch eine Dose holen. Preis: 4 Dollar.

Mittlerweile ist mein Cousin Besitzer zweier neuer Reifen. (Oh, the other two ones are just fine!)

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Erste Meldung aus dem karibischen Ausland

Ein Glueck, mein Cousin hat superschnelles Internet, also kann ich ein bisschen Laut geben, wie geplant.

Die Ankunft hier war abenteuerlich, wir hatten einige Schwierigkeiten, das Haus meines Cousins zu finden – er war bei der Arbeit und kam zu spaet zum Flughafen – als er dort ankam, waren wir schon im Taxi und haben uns die Insel von beinah allen Seiten angesehen. Die Fahrt mit der eher hantigen Taxlerin verdient mindestens das Attribut ‘interesting’.
Zum Glueck trafen wir beim Fragen nach dem Weg zufaellig auf den Nachbarn meines Cousins, und seine Nachbarin hat uns, als wir endlich das Haus gefunden hatten, sehr freundlich in Empfang genommen und uns Drinks spendiert.

Die erste Nacht war ebenfalls abenteuerlich. Nach 20 Stunden unterwegs bin ich zwar recht schwer ins Bett gefallen, hatte aber dann doch so meine Schwierigkeiten mit dem Schlafen. Ich war landkrank nach dem langen Flug (ich bin dauernd landkrank, schon nach einer Stunde im Tretboot schaukelts mich einen Tag lang innerlich nach). Also hat hier rein subjektiv betrachtet das ganze Haus kraeftig geschwankt.

Ausserdem war es hier zur Zeit meines Umfallens erst halb neun Abends (hier ist es sechs Stunden frueher), also hat mein Cousin noch seinem Lieblingshobby gefroent, dem Onlinegolfen, was diverse gewoehnungsbeduerftige Gerausche produzierte (bim-bam! ploenk! brrcchhh! boing!, dazwischen cousinintern fabriziertes Kichern, letzteres aber durchaus liebenswert).
Dann gibts hier Nachbarhunde hoch zehn, die des Naechtens offenbar sehr gerne ausgedehnte Heulkonzerte geben, und ab halb drei Morgens hat der benachbarte, singfreudige Hahn mich unablaessig an roasted rooster zum Fruehstueck denken lassen.

Mehr als eine Entschaedigung war jedoch der morgendliche Ausblick vom Dach des Hauses Richtung Meer und der Nachbarinsel St. Barth samt Sonnenaufgang. Auch die davor im Gelaende hinterbliebenen geschrotteten Autos trugen auf ihre Art zum ganz eigenen Inselcharme bei.

Heute haben wir einen ersten Blick auf das Innere der Stadt Philipsburg geworfen, waren natuerlich da auch baden – der Test des Meerwassers hat ergeben, dass es salzig und nass ist (alte Familientradition ;) – und wir haben einen ersten Ueberblick gewonnen ueber Front Street, Back Street und die unzaehligen Gaesschen dazwischen. Die Stadt wirkt klein, hat aber durchaus Verwirrungspotential.
Bald schon werden wir die Strassen unter Zuhilfenahme eines Mietautos noch ein bisschen unsicherer machen.