[Aus der Aufholjagd-Serie • Geschriebenes, bisher nicht Verbloggtes]
Als ich mit Randa einen Tag auf dem Strand von Ngchus verbrachte, und wir dabei nicht so wahnsinnig viel zu tun hatten, befragte ich sie ausführlich zum Thema Frauen in Palau. Gleich zu Beginn hatte mir eine Kollegin aus Deutschland geflüstert, man wäre ja in Palau als Frau gezwungen, sich “angemessen” zu kleiden, was bedeutet: Keine Trägershirts, keine kurzen Hosen und schon gar keine Bikinis. Alles muss mindestens bis übers Knie reichen. Naja, nicht die Oberteile, aber ärmellos würde gar nicht gehen, meinte sie. Auch bei der Ngasech sollten wir Frauen uns ja “unrevealing”, also quasi unfreizügig, kleiden. Nun hatte ich Gelegenheit, eine Einheimische exklusiv dazu zu befragen, und das tat ich auch.
Randa zufolge ziemt es sich für eine palauanische Frau tatsächlich nicht, die Knie unbedeckt zu lassen. Die Frauen hier tragen also mindestens Dreiviertelhosen oder lange Hosen, manchmal auch Hosen und darüber noch ein Tuch um die Hüften. Das habe ich bemerkt, ist bei der Hitze für mich aber total absurd, geradezu unvorstellbar, sage ich, und Randa entgegnet, das sei aber schon seit Urzeiten so.
Das stimmt, finde ich alsbald heraus, sofern man 1910 als “Urzeit” gelten lassen möchte – in den Büchern von Krämer, dem Historiker, sieht man Skizzen der palauanischen Frauen: die Seegrasröcke reichen auch damals züchtig bis über die Knie. Obenrum allerdings sind sie nackt. Mir, der Westlerin, kommt das entsprechend scheinheilig vor. Über die Schultern sagte Randa nichts, aber ich habe bisher nur selten eine palauanische Frau in einem ärmellosem Shirt gesehen. Man bedeckt also den Busen heutzutage auch überaus großräumig.
Es ist aber nicht etwa so, dass in Palau die Männer den Frauen vorschreiben würden, was sie tragen dürfen und was nicht. Die Benimm- und Kleidungsregeln für die Frauen machen die Frauen selbst. Es gibt einen Frauenrat, der einmal im Jahr tagt und bei dieser Gelegenheit die Regeln immer wieder neu überdenkt und festlegt. Dabei wird zum Beispiel auch beschlossen, wie die Schuluniformen auszusehen haben. Es gibt übrigens auch einen Männerrat: die Chiefs der verschiedenen Clans betreiben eine eigene Vereinigung namens Rubekul Belau. Die dürfen auch ein paar Dinge entscheiden. Aber wenn’s um Kleidung und Benehmen geht, sind die Frauen am Drücker.
Wenn ich Randa richtig verstanden habe, werden die Ergebnisse dieser Frauenrat-Tagungen nicht öffentlich kundgemacht – das spricht sich dann irgendwie einfach so rum. Manchmal werden die Vorschriften etwas lockerer gemacht, und vieles würde heute ohnehin nicht mehr ganz so eng gesehen und streng ausgelegt wie früher, sagt sie.
Manches bleibt aber unverändert. Es gehört sich zum Beispiel auch nicht, dass ein Ehe- oder Liebespaar sich öffentlich “zur Schau stellt”, indem Zärtlichkeiten oder gar Küsse ausgetauscht werden. Das will keiner sehen, alles hat hinter verschlossenen Türen vonstatten zu gehen.
Randa sagt aber auch ganz klar, dass diese Vorschriften nur für Einheimische gelten. Als junge Palauanerin würde man von wildfremden älteren Menschen auf der Straße für Kleidungsverfehlungen durchaus zurechtgewiesen, das kann einem als Ausländerin aber nicht passieren. Bei offiziellen Anlässen kleidet man sich natürlich schon entsprechend, egal, woher man stammt. Bikinis seien eigentlich kein Problem, wobei es sich empfehle, diese wirklich nur am Strand zu tragen, nicht etwa auf der Straße. Die Palauanerin selbst badet freilich nicht im Bikini, sondern im T-Shirt und (mindestens) mit Shorts. (Der Palauaner badet übrigens auch nicht oben ohne. Hab ich zumindest noch nie gesehen. Und die Männer tragen Badeshorts, keine Badehosen.) Sieht man nackte Haut am Strand, weiß man also sofort, dass es sich nur um Touristen handeln kann.
Das schlägt sich natürlich auch im Kleidungsangebot nieder. In den Department Stores bekommt man kaum Bikinis zu kaufen, aber jede Menge Schwimmshirts und Leggings. Als mein Zugeständnis an die örtlichen Gepflogenheiten (und infolge wiederholten Zähneklapperns beim Ausüben der Disziplin Endlosschnorcheln) habe ich mir ein ärmelloses Schwimmshirt zugelegt und finde das ungemein praktisch. Im Wasser wärmt’s, und an Land kühlt’s. Dazu trage ich aber eine ganz normale Badehose. Die palauanischen Frauen hingegen sah ich am Strand meistens in knöchellangen, schwarzen Leggings. Ja, auch beim Schwimmen.
Ich sehe aber auch die Teenager-Mädels nach der Schule, wie sie, kaum auf den Gehsteig getreten, sich sogleich den Rock an der Taille so weit hochkrempeln, bis man die Knie schön sehen kann. Und ich sehe ab und zu einheimische Frauen, die sich nicht um die Vorschriften scheren. Ob das die Revolutionsführerinnen sind, weiß ich aber nicht. Vielleicht isses ihnen einfach nur herzlich wurscht.