Der Hund dient bekanntlich so manchem Menschen als Kinderersatz. Und tatsächlich gibt es da gewisse Parallelen, den Schmusefaktor etwa, aber beispielsweise auch die Tatsache, dass Mama bzw. Frauchen stets den Überblick über die Endphase des Verdauungsvorgangs an Baby bzw. Hundi hat. Man weiß sozusagen als gute Mutter, wann und wie oft und… so weiter. Beim Baby ergibt sich dieser Einblick quasi zwangsläufig.
Beim Hund ist es eher eine Frage der menschlichen Aufmerksamkeit – die durchaus zweckdienlich ist, will man doch vermeiden, dass das gute Tier sich im Falle nicht oder unzureichend verrichteter Dinge später im Restaurant vor Krämpfen wände, oder dass es gar eine bislang recht unauffällige Ecke im spiegelnd gefliesten Einkaufszentrum als seine “Hier-muss-es-nunmehr-sein”-Ecke auserkore… erkähre… erküre. Der Hundebesitzer bevorzugt eine gewisse Konstanz in der Unauffälligkeit von Einkaufszentrumsecken.
Um diese Art von Überblick über das körperliche Geschehen zu bewahren, hilft es leider nicht, in die Windel zu sehen, denn der Hund trägt bekanntlich keine. Selbst an Hunden, die von ihren Menschen in befremdliche bis freiwillig oder unfreiwillig komische Kleidungsstücke gehüllt werden, die wie kleine T-Shirts (“I ♥ Jogger”) oder Sattel aussehen, habe ich noch nie ein integriertes Höschen hervorblitzen sehen.
Es empfiehlt sich also erstens für den Nichtwedler, den Spaziergang mit dem Wedler tunlichst vor dem restlichen Tagesplan zu erledigen, und zwotens, das Tier währenddessen gut im Auge zu behalten, wenn es nicht ‘on line’ ist; gerade in der kalten Jahreszeit könnte man sonst jenen Zeitpunkt verpassen, zu dem der Spaziergang guten Gewissens beendet werden kann. Ist dieser gekommen, bevor sich an den menschlichen Nasenlöchern erstes Blitzeis bildet, umso besser. Drum lautet die Devise irgendwas mit Wachsamkeit und Augen aus Fichtendickicht.
Es wächst die Erfahrung, infolge derer jeder Hundebesitzer ziemlich genau weiß, wie oft sein Hund, wenn er darf und man ihn lässt, das erledigt, was er feststofflich im Einkaufszentrum eben nicht mehr soll. Entgegen der landläufigen Meinung pflegt dieser spezielle Zähler nicht bei jedem Hund bereits bei 1 einzurasten.
Ob der Hund beim Spaziergang die wohl unwürdigste Haltung einnimmt, die ein Hund so einnehmen kann, lässt sich recht gut beobachten, solange Wedler und Nichtwedler sich in gemeinsamer Richtung von zu Hause wegbewegen, weil der Hund da gerne voranläuft. Ein Richtungswechsel zwecks Einhaltung des Tagesplans führt jedoch mitunter dazu, dass der Hund hinten bleibt, weil es da noch so viel zu schnuppern gibt, das noch nicht beschnuppert wurde – und weil selbst der dämlichste Hund merkt, wenn es heim- oder autowärts gehen soll, und sich dann eben entsprechend Zeit lässt. Dann muss der Nichtwedler sich aktiv um das Bemerken der innerhalb dieses gewissen Zeitfensters durchaus erwünschten Tätigkeit des Wedlers bemühen, sozusagen erkennen, wann der Zähler auf 2 oder 3 springt. Und das weckt in mir oft Erinnerungen an…
Kennt ihr Donner-Wetter-Blitz? Das Kinderspiel?
Hierzulande kann es im Laufe von Kindheiten immer wieder vorkommen, dass man einige Zeit unfreiwillig in Heurigenlokalen zubringen muss. Und weil diese Heurigen auch stets einen Garten zur Verfügung haben, zum Draußensitzen untertags und bis in die Nacht hinein, ist dort für die Beschäftigung des Kindes (zumindest in den 70ern, ich weiß nicht, wie das heute ist) auch bestens gesorgt, insbesondere wenn mehrere Weinselige ihre Kinder mitbringen, was so gut wie immer der Fall ist. Inmitten der Langeweile und der harten Heurigenbänke entstehen so Freundschaften fürs Leben, und Jahrzehnte später sitzen sich diese ehemaligen Kinder dann ebenso den Hintern beim Heurigen platt wie ihre Vorfahren. Frühkindliche Prägung.
Aber zum Spiel: Ein Kind steht in einiger Entfernung mit dem Rücken zu ein paar anderen Kindern und kräht weithin hörbar “Don-ner-Wet-ter-Blitz!”. Während dieses “Einzählens” bewegen die anderen Kinder sich unauffällig auf das Krähkind zu, bei “Blitz” dreht der Einzähler sich ebenso schnell zu den anderen Kindern um, und wer dann dabei erwischt wird, wie er auch nur den kleinen Finger bewegt, muss nach hinten, zurück an den Start. Wer das Krähkind als erster erreicht, ohne dabei gesehen worden zu sein, hat gewonnen – wobei dieses Erreichen dem Krähkind meist durch einen unsanften Schubs, ein heftiges Schulterklopfen oder eine urndliche Gnackwatschn vermittelt wird.
Nun entwickelt der Mutterinstinkt beim Hundespaziergang eine gewisse Gabe, eine Intuition zur Registrierung des erfolgenden Vorganges, ähnlich dem einer Babymutter, allerdings unter Zuhilfenahme des Seh- anstatt des Geruchssinns. Und das ist auch gut so, man möchte ja nicht ein halbes Hundespaziergangleben lang rückwärts laufen müssen, um jegliches diesbezüglich relevante Geschehen mitzukriegen, sich aber auch nicht alle zwei Herzschläge umdrehen, schon allein, weil man dabei spätestens ab 30 etwas schwindelig wird.
Wer es nun mithilfe dieser gewonnenen Intuition während eines Spazierganges schafft, bei jedem Umdrehen die beschriebene, unwürdige Haltung an seinem Hund zu erblicken, hat die Meisterdisziplin bezwungen.