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sing, klimper und schepper

Gestern abend fand ein Happening epochalen Ausmaßes statt, nämlich die lange ersehnte Neuauflage einer Session mit meinem unfassbar musikalischen Freundeskreis und meinem sogenannten lustigen Bruder. Nachdem wir beim letzten Mal nach der Devise ‚Wir ham no jede Hüttn leergspüüt‘ für die Unterhaltung eines ganzen Cafés gesorgt und trotzdem alle Getränke regulär bezahlt hatten, lautete der Beschluss für diesmal: Private Räumlichkeiten von Freunden an der südniederösterreichischen Weinstraße. Der Tequila kostet so wesentlich weniger, und Orangen gibts auch dazu.

Wenn jedoch die prinzipiell musizierwilligen Menschen einander länger nicht gesehen haben, sich gar in der Zwischenzeit menschliche Geburts- und tierische Todesfälle ereignet haben, dann ist der Drang zum Geschrumme und Gesumme nicht ganz so enthusiasmiert, und wird ständig von einer lästigen menschlichen Angewohnheit durchkreuzt, die man mit etwas Willen zu neutralen Formulierungen auch als Gespräche bezeichnen kann.

So fanden wir später auch heraus, dass es über das Mööpen (eine ganz bestimmte Berührung, die man an fremden Tieren vollführen kann, die singen und beim entsprechenden Gemööptwerden das Fellmuster wechseln) sogar einen Wiktionary-Artikel gibt. Oder zumindest Reste davon. So wesentlich ist das Mööpen für die Welt, man glaubt das kaum!
(Das fremde Tier übrigens singt voller Inbrunst Mööhööbeuheu-Heubeumööhöö!, was in etwa bedeutet: „Seht, das dicke Huhn auf dem Dach! Ist es nicht (ein wenig) wie der Wind in den Weiden?“ Danke, Walter Moers, für die Bereicherung mit Running Gags seit unserer lange verflossenen Sturm- und Drangzeit!)

Um sich als neues Mitglied in eine solche Runde nahtlos einzufügen, muss man schon ziemlich seltsam sein. Was aber offensichtlich keine allzu schwerwiegende Herausforderung darstellt für jemanden, der mit eigener Schräglage ausgestattet ist und mit der Fähigkeit, sowohl gälischen Folk als auch tschechische Gstanzln zum Besten zu geben – und das frohgemut und wohlgestimm, und mit beeindruckender gitarristischer Fingerfertigkeit.

Der Percussion-Unterricht, den der Lieblingsschlagzeuger dem halbwüchsigen Sohnemann seiner Freundin erteilt, scheint ebenfalls Früchte zu tragen, sodass der Rhythmusgruppen-Nachwuchs problemlos mithalten konnte. Da werden halt noch echte Werte vermittelt!

So wurden also auch Gespräche von Musik unterbrochen, nicht nur umgekehrt. Auf eine ausführliche Antwort des Lieblingsschlagzeugers muss man zwar mitunter ein Lied lang warten – unmittelbar nach dem letzten Taktschlag nimmt er den Gesprächsfaden aber ebenso selbstverständlich wie nahtlos wieder auf. Musizieren im Wurmloch zwischen Frage und Antwort, quasi. Man kann sich ja abwechseln.

Angesichts des abzuarbeitenden Informations- und Klangaustausches liegt jedenfalls auf der Hand, dass man sich unbedingt öfter treffen sollte. Oder früher am Tag. Oder beides. Es dauert nämlich seine Zeit, bis man musikalisch richtig warm wird, und dann ist es jählings 4 Uhr früh, ohne dass man sich auf eine wohlgeordnete Verteilung der zweiten und dritten Stimmen geeinigt hätte. Dafür aber auf eine Übernachtung im Kinder- oder Kellerzimmer.

Um diese Zeit gab es noch ein bisschen Schullandwochenstimmung bei Jamaica Farewell und Oh Susanna (ja, echt jetz!), und einen wohlverdienten Betthupferlimbiss an besäufnischaotisch anmutendem Tisch.

Der Hund war schon zu Beginn des Abends vorübergehend im Heizungskeller verschollen gewesen, und beim ohnehin so lange wie möglich hinausgezögerten Schlafengehen war er abermals meinem Wissen um seinen Aufenthaltsort entfleucht, was mein ruhiges Einschlafen gekonnt verhinderte. Dabei hat das Vieh seelenruhig unter dem Gastgeberbett gebüselt.

Obwohl reich beschenkt mit feudalem Frühstück von den Gastgebern, signiertem Blümchenbild von deren Tochter und einem Termin fürs nächste Happening verließ ich die gastliche Stätte eher un(frei)willig – so schöne Gelegenheiten können mir einfach nicht lange genug dauern. Mir scheint es beinah undenkbar, aber womöglich habe ich in meiner verflossenen Jugendheit doch nicht oft genug Session mit anschließendem Frühstück genossen.

Meinen innigsten Dank den lieben Gastgebern und Mitwirkenden – es war mir der gewohnte Hochgenuss!

(Nächster Termin für die Musikwilligen übrigens: 12. Jänner 2008)

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Hiram Bullock

Einem spontanen Bauchgefühl folgend pilgerte ich gestern in den Wiener Reigen, um einen Freund bei seinem selbstverordneten Geburtstagsausflug zu begleiten und daselbst dem Gig von Hiram Bullock & Band beizuwohnen.

Hiram wurde heuer 52 und kann eine beeindruckende Liste an musikalischer Mitwirkung vorweisen: Von Paul Simon über James Brown, Sting und Miles Davis bis zu den Blues Brothers und Billy Joel. Und er war, stets barfüßig, Mitglied in der Band der David Letterman Show. Den Jazz hat er genauso im kleinen Finger wie Latin, Blues und Funk, seine Solokarriere mit eigenem Songwriting und eigener Produktion hat ihn aber offenbar nicht von weiteren bona-fide-Arbeiten abgehalten.
Sein geringer Bekanntheitsgrad ist definitiv kein negatives Qualitätsmerkmal, sorgte aber angenehmerweise für intime Clubatmosphäre.

Hiram Bullock (g), Chris Codish (k), Frank Gravis (b) und Jeremy Gaddie (d) bilden eine humorvolle, entspannte und vor allem unfassbar virtuose Truppe, die mit ihren Instrumenten geradezu verwachsen scheint und nebenher ihre Refrains in jazziger Schräglage singt. Vierstimmig.

Das sensationelle Spektakel lässt zwar den Hobbymusiker, der das unerschütterliche Selbstüberschätzungs-Gen nicht sein eigen nennt, zumindest vorübergehend an eine künftige musikalische Abstinenz denken, schafft aber trotzdem verdammt gute Laune.

Die Burschen machen zu viert einen Groove und Druck, dass dir der Mund offenbleibt und Tanzbeine wie Trommelhände beständig zucken – der Wiener tät sagen: ‚Bumm! Des foaht!‘. Und sie nehmen sich selbst dabei herrlich wenig ernst – Hirams Texte über seine großen Leidenschaften, zum Beispiel jene fürs Essen, sind eine Kategorie für sich und erklären auch das Wohlstandswamperl, das er vor sich herschiebt – gerne auch mal kabellos solierend quer durchs Publikum.

All das zelebriert die Band recht unbeeindruckt davon, dass ein kleiner, aber hartnäckig lahmer Anteil des Publikums sich nicht mal für die Zugabe von seinen Stühlen erheben mag.

Nach zweistündiger Performance kümmerten sich Hiram und seine Band, bodenständig und unprätentiös, selbst um den Abbau ihrer Instrumente und signierten einige CD-Booklets, um sich dann zum volksnahen Nachtmahle ins Reigencafé zu begeben.

Danke, lieber Clemens, für den Anstoß! Diesen tollen Abend hätte ich um nichts in der Welt verpassen wollen!

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Gestern ist morgen

Musik kann in mir annähernd das vollbringen, was Geruch vermag: Situationen ins Leben zurückzurufen, als wären sie nie vergangen, mehr in Farbe und Form und Gefühl als in Gedanke, Gespräch oder gar Tatsache.
Gerade eben fiel mir Milvas Version von ‚Johnny Guitar‘ ein. Das Lied ließ den Herbst da draußen mitsamt seinem rauhen Wind und seinem Krähengeschrei mühelos und innerhalb eines Augenblickes verschwinden. Und während der sich stetig drehende Plattenspieler in meinem Kopf das Lied weiterspielt und Milvas tiefe Stimme vor minimalistischer Begleitung klagt, tauchen vor mir Gespinste aus meiner Kindheit auf, reine Sinneserfahrung, völlig frei von linkshirnigen Daten wie Jahreszahlen oder Ortsnamen.

Sommerurlaub im Süden. Duftendes gegrilltes Brot, das knusprig knirscht, während es mit dunkler, klebriger Hagebuttenmarmelade bestrichen wird. Das abendliche Zikadenkonzert richtet sich nicht nach dem Rhythmus der Musik. Es dringt in meine zufriedene Schwere, ansatzweise erkenne ich darin eine Art Unabhängigkeit. Kerzenschein beleuchtet einen Campingtisch, streift immer wieder einen Korken und das dunkel darin eingesogene Rotweinmosaik, flackert über weite, leichte Kleidung in tiefroten und orangefarbenen Tönen.

Meine Kinderhaut mit den Meersalzkrusten wird gestreichelt von warmer Abendluft, die nach Kiefernnadeln und Rosmarin duftet. Völlig unpassend, aber eng damit verwoben steigt von der Luftmatratze, auf der ich schlafe, jener intensive Gummigeruch auf, von dem ich bis heute nicht weiß, ob ich ihn auf perverse Weise angenehm oder aber ganz furchtbar finde.

Die Moll-Akkorde und vor allem Milvas Tonfall an der Stelle ‚und ich nannte ihn…‚ dringen warnend an meine Instinkte und lassen mich etwas erahnen, das mir zu diesem Zeitpunkt noch fremd ist, das noch keine eigenen Erinnerungen auslöst, und das für mich so wenig bedrohlich und wahr ist wie der Wolf im Märchen, wie eine Geschichte aus einer nicht so heilen, aber weit entfernten Welt. Ich kann spüren, dass das Leben wohl zuweilen etwas Schweres, Verzweifeltes haben muss, oder aber etwas verzweifelt Glückliches, das festzuhalten und später wieder hervorzuholen jedenfalls nur mit einem Lied gelingen kann.


Edit:
Schöne Idee von der Nachtschwester, ein Stöckchen draus zu machen: Welcher Song aus welcher Zeit ist untrennbar mit welchen Eurer Kindheitserinnerungen verbunden?
Sie hat schon mit kräftigem Arm in die Runde ausgeteilt, Merlix und Ole wären bei mir wohl auch dabeigewesen (letzterer allein schon wegen seiner musikalischen Affinität) – und wer möchte noch? Monsieur baumgarf vielleicht, mkh kann das sicher sehr schön (es ist ja auch kein ‚richtiges‘ Steckerl), dieJulia freilich, mein Bruder natürlich auch und vielleicht Frau percanta? (Alle Links auswendig! Ha! :)
Und wer sonst noch möchte, natürlich, bedient euch und hinterlasst einen Link (händisch bitte, Trackbacks sind off)!

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Inhalt

Hohl wirkt die Musik auf mich, die an diesem Morgen aus dem Badezimmerradio zu mir ins Schlafzimmer dringt. Staksige Gerüste aus angedeuteten Akkordentwürfen überziehen morgensonnige Dreiminuten-Intervalle, zwischen ihren dünnen Streben aus Takt macht sich weiße Leere breit, ohne Schatten zu werfen. Unausgeschlafene Sänger setzen hier und da verwaschene Akzente in die lustlose Anordnung. Ein akustisches Malbuch, das man am Ende noch selbst mit Inhalten füllen muss.

So wirkt manch modernes Musikstück auf mich: inhaltsleer, gefühlsleer, unmotiviert. Eine Abwärtsspirale wird bis zum Ende ausgetestet: Wie weit kann ich mich zurückziehen, wie wenig aus meinem Inneren enthüllen, um noch als Künstler zu gelten, immer noch gespielt zu werden?

So wird die Leere im Radio mit inhaltslosem Bausch gefüllt. Wir lernen, uns in endlos aneinandergereihten Arbeitswochen unserer Emotionen immer effektiver zu entledigen, wir gieren nach Inhalten. Dann aber müssen wir stattdessen die uns vorgesetzten Verpackungsmittel konsumieren, die nur aus schaumigen Luftblasen bestehen – und bleiben unbefriedigt zurück. Die Musik will sich uns nicht mehr öffnen! Diese einzige paradiesische Bereicherung, die völlig überraschend bislang in dieser kalten, linkshirnlastigen Welt bestehen konnte, kann sie sich nicht mehr leisten preiszugeben, was da in den Tiefen des Künstlers schlummert? Lediglich die innere Leere wird noch bereitwillig offenbart.
Ist das der Spiegel unserer Zeit?

Hinschauen müssen wir, uns selbst im Spiegel erkennen, und uns wieder wandeln, weg von den verlorenen, gefühlslosen Mumien, die gehaltlose Berufe ausüben und inhaltsleere Musik hören. Endlich aufhören mit dem zynischen Versteckspiel, wieder offener werden, unsere Liebe und unsere Angst zeigen, verletzlicher und anlehnungsbedürftiger werden. Unsere wahre Herzlichkeit nach außen tragen – und echter sein.
Das sind die Inhalte, nach denen es mich verlangt.

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Out now!

Pi, die Band, mit der sich meine Band den Schlagzeuger teilt, hat in Eigenregie ihre erste CD produziert. Am 15. September findet in Wien die CD-Präsentation statt.

Worauf ich besonders stolz bin: Viele der Fotos auf dem CD-Cover und drüben bei Myspace sind durch meine und Martins Linse gewandert! Bei der Fotosession im April drüben im Hafen Albern waren wir insgesamt sogar drei Fotografen – damit die Band sich schonmal an die Paparazzi gewöhnt.

Check it out!
Pi bei myspace.com mit Musik und CD-Info
Pi-Homepage mit Band- und Kontaktinfo

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Rhetorisches

‚Weniger spielen‘ – das will in einer Band kein Instrumentalist. Auch nicht unser Schlagzeuger. Gerne wird ja als Argument für eine Reduktion das Minimalistenmotto ‚Weniger ist mehr‘ zitiert, so auch gestern abend, worauf der Schlagzeuger krähte:
‚Aber noch weniger ist bald gar nichts mehr!‘

Gegen so viel rhetorischen Spürsinn ist kein Oxymoron gewachsen.

Aber – juchuu! – ein Zitat!

Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.

Antoine de Saint-Exupéry

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Immer noch tastenlos

Meine Band sucht immer noch nach einem fähigen Keyboarder!
Inserat auf musica.at ist geschaltet, hier nochmal der Text für alle Interessierten:

Wir sind eine Pop-/Rockband mit Ausreißern Richtung Swing und Soul, alle so zwischen 30 und 40 und sehr zutraulich. Wir spielen aus Freude an der Musik, hauptsächlich Eigenes, aber auch ein paar Covers.

Einen Gig (Fotos) haben wir gespielt, weitere sind geplant, Kommerz oder Profit stehen aber nicht im Vordergrund. Wir arbeiten an unseren Songs, langsam, aber motiviert, und haben unseren Spaß dabei.

Welcher kreative Kopf möchte sich bei uns einbringen? Wer knüpft gerne Soundteppiche, ersinnt Lines, die für Wiedererkennungswert sorgen, und singt begeistert zweite Stimmen? Oder bringt gar eigene Songs mit? Probe wöchentlich in Wien-Albern, Kfz von Vorteil, aber Mitfahrgelegenheit lässt sich bestimmt auch arrangieren. Derzeitige Besetzung fem. voc, b, git, dr.

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