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Kampf der Giganten

Ich habe ein Problem auf meinem Notebook behoben. Ganz allein!
Es war nämlich so: Immer, wenn ich am Tippen war – und ich tippe verdammt schnell – begab es sich, dass der Cursor plötzlich mir nichts, dir nichts, zwei, drei Zeilen nach oben sprang, und ich gegen meinen Willen dort weitertippte. Insbesondere, so schien es, trat das Problem auf, wenn ich Buchstaben in der oberen Reihe tippte, die in der Mitte, z, u, i, t, was mich an einen mechanisch-elektronischen Defekt denken ließ.
So ein Herumgehüpfe nervt natürlich, überhaupt wenn man nicht immer aufs Display schaut, sondern daneben, um etwas abzutippen, oder auf die Tastatur, denn ganz blind schaff ja selbst ich nicht alles. Dann ist man plötzlich irgendwo, und tippt in die Mitte eines alten Wortes hinein irgendein neues, was der Kreativität zuträglich, aber dem Nervenkostüm abträglich ist.

Zufall war’s, dass ich gestern das Problem löste.

Ich habe das Touchpad ausgeschaltet.

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Mir ein Rätsel

Warum kann ich in Bilderrätseln vom Typus „Das linke Bild unterscheidet sich vom rechten durch fünf Fehler“ immer nur 3,5 Fehler entdecken? Kommafünf, weil der vierte Fehler, den ich finde, immer irgendwie wie ein Artefakt aus dem Zeitungsdruck aussieht, ein kleines Pünktchen nur oder ein Härchen, von dem ich nicht glauben kann, dass er als Fehler im Sinne des Rätsels gemeint sein soll.
Der fünfte Fehler jedoch bleibt überhaupt unauffindbar. Immer. Seit 30 Jahren. Mit einer derartig soliden Zuverlässigkeit, wie man sie sonst im Leben und der Welt vergeblich sucht.

Wo bitte sind all diese fünften Fehler? Gibt es irgendwo da draußen gar eine Einkehrfalle für fünfte Fehler? „Zum fidelen Lapsus“? Werden sie womöglich gegen ihren Willen festgehalten, an einem selbst für Fehler mehr als unwürdigen Ort, in einem zugigen, feuchtkalten und fensterlosen Verschlag an der kasachisch-russischen Grenze vielleicht? Oder aber sind sie seit 30 Jahren frühpensioniert und liegen pausbäckig und amarettokirschen- sowie schirmchenbewehrte Cocktails schlürfend im Schatten einer südpazifischen Palme?

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Blödmann

Steht auf meiner Stirn eigentlich irgendwo „Erklär’s mir – ich bin blond“? Oder glauben manche MediaMarkt-Mitarbeiter generell, sie hätten die Welt erfunden? Jedesmal, wenn ich da hingeh, werd ich wie ein Trottel behandelt oder aber in puncto „wirkliche Wirklichkeit“ auf den vermeintlich neuesten Stand gebracht – speziell in der Computerabteilung.

Diesmal ging das so:

E: Ich hätte bitte gerne ein Chipkarten-Lesegerät.
MMM: (deutet) Die gibts in der Fotoabteilung.
E: Nein – eines für den PC.
MMM: Ja – die sind trotzdem in der Fotoabteilung.
E: Sie verstehen nicht – ein Chipkarten-Lesegerät – für Kreditkarte, Bürgerkarte und sowas.
MMM: Ach so! Ja, die haben wir hier! (Eilt voraus und erklärt derweil:) Na wissen Sie, Chipkarten, das sind Speicher für Digitalkameras.
E: Nein, die heißen Memory– oder Speicherkarten.
MMM: So, hier. Gibts für 62,90 und für 99,90.
E: (studiert Verpackung, auf der Chipkartenlesegerät steht) Und, steht da jetzt ‚Chipkartenlesegerät‘?
MMM: Hä? Ach so, ja.

Genauso damals, als ich (naiv) für meine Standardtastatur (PS2) einen Adapter für USB haben wollte:
MMM: Drüben bei den Spielkonsolen.
E: PS/2. Die Schnittstelle, nicht die Spielkonsole.
MMM: Asoooo! Wozu brauchnSn des?
E: Für buchhalterischen Unfug auf dem Notebook.
MMM: Sowos gibts net.
E: Sicher?
MMM: Ja. Außerdem verlieratnS da ja ganz, ganz viele Fiiitschas!
E: Sie meinen die, die meine Standard-Tastatur sowieso nicht hat?
MMM: Na nehmanS halt a USB-Tastatur.
E: Eine von denen um 59,90 mit dem Sonderkreativ-Layout? Nein, danke. Eine USB-Tastatur mit Standardlayout habt’s net?
MMM: Sowos gibts net.

E: Ich brauche ein Parallel- auf USB-Adapterkabel, parallel-36polig auf USB-Stecker.
MMM: Wozu brauchnSn des?
E: Drucker an Printserver anschließen!?
MMM: Sowos gibts net.

‚Das führen wir nicht‘ ist im Sprachschatz des durchschnittlichen MMM gar nicht enthalten. Wenn MM es nicht hat, dann heißt der Satz ‚Sowos gibts net‘.

Selber schuld, ich weiß. Warum geh ich denn auch da hin? Ich wage es eh nur ganz selten. Aber manchmal muss es eben schnell gehen, heute noch, und da glaubt man zuweilen wirklich, es könnte klappen mit der sofortigen käuflichen Erwerbung. Bestellen kostet Zeit, die man mitunter nicht hat, dazu kommt, dass für Österreich oft geradezu absurde Lieferbedingungen und -kosten gelten.

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Frisst den Staub mitsamt dem Teppich

Da ich nun schon beginne, nachts davon zu träumen, wende ich mich heute mit einem sehr ernsten Thema an euch, einem Thema, das uns alle angeht. Zumindest all jene, die Gegenstände und Werkzeuge tatsächlich zu gebrauchen pflegen, und sie nicht nur als dekorative Elemente im Schrank stehen haben. Ich mag mich täuschen, und vielleicht werde ich auch nur langsam wirklich alt und unflexibel wie ein brüchiger Rexgummi, aber es drängt sich mir der Eindruck auf, dass die sogenannte Usability, also die Gebrauchstauglichkeit von Produkten, eine stetig sinkende Tendenz aufweist, seit es diesen Begriff dafür gibt.

Ob es sich nun um materielle Gebrauchsgegenstände handelt oder um Computerprogramme – wann immer man mir zu erklären versucht, dass ich das Naheliegende, welches ich so gerne unkompliziert und schnell erreichen würde, über sieben Umwege machen muss, bei denen ich mir, je nach Realitätshärte des Produktes, wahlweise blaue Flecken oder Krämpfe im Klickfinger hole, weil es ‚anders nicht geht‘, wird dies stets von folgenden Worten begleitet: „Ja, dann musst du halt… Dann musst du eben… Daran musst du dich eben gewöhnen…“

Aaaaaaaaaaaaaah! Schreien möchte ich, wenn ich sowas höre! Nein, ich muss nicht halt und eben, und ich will auch gar nicht. Da bin ich Querulantin, allem über die Jahre verlorenen Idealismus zum Trotze, jawohl, da widersetze ich mich ausdrücklich und vehement.

Es scheint stets vergessen zu werden, dass die Wirtschaft und die Industrie der Gebrauchsgegenstände für den Menschen entwickelt wurden. Nicht, wie manche gerne glauben und abgeklärt zu behaupten nicht müde werden, für jenen einzelnen Menschen, der sich daran einen goldenen Arsch verdient, sondern für den Menschen im kollektiven Sinne, der diesen Gegenstand dann benützt, damit vielleicht seine Brötchen verdienen oder Teile seines Alltags bestreiten muss. Folglich haben diese Gegenstände sich tunlichst dem Menschen anzupassen, und nicht umgekehrt, und sie haben dem Menschen unterwürfigst und ohne Widerspruch und Verletzungsgefahr zu Diensten zu sein.
Falls diesem Menschen, insbesondere der weiblichen Spielart, mal aus evolutionär naheliegenden Gründen ein dritter Arm wachsen sollte, dann dürfen die Gegenstände hernach diesem Umstand sehr gerne angepasst werden – aber darf es sein, dass erst die mangelnde Usability eines Gegenstandes zu solcherlei Evolution führt? Nein, das darf nicht sein! Und man unterschätze das Tempo der Evolution nicht!



Es begab sich kürzlich im Hause Etosha, dass der Herr ebendieses Hauses den Entschluss fasste, es müsse ein neuer Staubsauger her.

IMG_5314 Der gute alte Dyson der ersten Generation, dezent in lila und grün gehalten, der nun auch schon fast zehn Jahre auf dem Buckel hat, tut zwar im Grunde noch das, was er soll, aber nicht eben mit vollem Taten-, sprich Saugdrang. Wir mochten aber diesen Staubsauger und waren zufrieden damit, also wurde dysonmäßig verglichen und recherchiert – wobei es im Netz übrigens erstaunlich wenige Erfahrungsberichte zum Thema Staubsauger gibt – und letztlich wurde ein DC19 bestellt. Online bestellt. Man(n) ist ja fortschrittlich.

IMG_5286 Zuallererst muss ich einfach sagen, dass man die Saugkraft des DC19 nur sensationell nennen kann. Aufräumen vor dem Saugen empfiehlt sich, und ich meine richtiges Aufräumen im Sinne von ‚alles weg, weg, weg‘. Sonst muss man später seine sämtlichen Feuerzeuge, Kaffeetassen und kleineren Haustiere im Staubbehälter suchen.

Nun nennt mich konservativ, aber das alte lilagrüne Monster hatte auch einige Vorzüge aufzuweisen, die ich am neu durchdesignten DC19 nicht mehr wiederfinden kann. Diese Vorzüge betreffen insbesondere die Lieblingsbeschäftigung aller staubsaugenden Hausfrauen, nämlich jene, mit der Saugkraft des möbelbürstenbewaffneten Dyson allerlei finsteren Ecken und spinnwebenverhangenen Winkeln zu Leibe zu rücken. Mein lieber Schwan, da saugt’s der Spinne nicht nur das Netz zum Leben, sondern auch die Luft zum Atmen weg!
IMG_5303 Rank und schlank präsentierten sich am lilagrünen Monster die Aufsteckplätze für das Kleinzubehör Möbelbürste und Fugendüse sowohl am Ende des Saugrohres…

IMG_5305 …als auch an dessen Andockhafen, dem Haltegriffende am flexiblen Schlauch, sodass auch gröbste Stäube und Naturfilze im Nu geweste welche waren. Damit schlüpfte die kleinhändige Hausfrau wieselgleich und voller Elan in sämtliches Winkelwerk, sogar im Auto, und ließ kein gutes oder auch schlechtes Haar daran. Darin. Wie auch immer.

Etwas anders der DC19. Ja, auch bei ihm kann man die Bodenbürste abnehmen, um eine Möbelbürste direkt ans Rohr zu stecken. Die lustige Führungsschiene mit dem Rädchen untendran bleibt dabei allerdings am Rohr, nicht etwa an der Bodenbürste, und sorgt so für ungebetene Verbreiterung des Werkzeugs und damit Disqualifizierung für das kleinste mögliche Winkelvakuum.

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„Na guuut, dann musst du halt…“, seufzt eine Stimme in meinem Kopf. Nehme ich eben das Rohr ab und verwende die Möbelbürste ohne Verlängerungsrohr, ist sowieso viel flexibler.

IMG_5295 Aber ach, auch damit hab ich den Schlauch, wie man so schön sagt, denn der Haltegriff, in Form, Größe sowie Unhandlichkeit einem Zapfhahn bei der Tankstelle gar nicht unähnlich, verdirbt den Spaß am Winkelwerk (wenn er auch durch interne Verdrehbarkeit wenigstens ein Mindestmaß an Flexibilität zeigt, wie man gerechterweise erwähnen muss.) Man braucht keinen Wochenendworkshop über meditativ-kreative Visualisierungstechniken, um sich vorzustellen, dass man mit diesem Kombinationskonstruktmonstrum nicht gerade jene versteckten Ecken erreicht, in denen sich naturgemäß der meiste Staub ansammelt. Mift!

Was also tun?

Ha, wir nehmen den Zapfhahn einfach auch noch ab und stecken die Möbelbürste nun aber wirklich direkt an den Schlauch! Das Überlisten von Elektrogeräten habe ich nämlich in den Genen, das muss man wissen.

IMG_5296 Humpf – Fehlanzeige. Hier gibt es keine Andockmöglichkeit – der Schlauchausgang ist für die Zubehördüsen zu schmal.

Dann wäre eben maximale Flexibilität gefragt. Lilagrünes Monster hatte eine winkelmäßig verstellbare Möbelbürste.

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IMG_5298 DC19 hat vom Möbelsaugen starrere Vorstellungen – kein Gelenk erhöht hier die Flexibiliät, die Knickung ist Programm.

IMG_5276c Lilagrünes Monster hatte weiters eine Bodendüse mit ausklappbarer Bürste, mit der sich sowohl Teppiche als auch Fliesen- oder Parkettböden abwechselnd saugen ließen, nur durch fröhlich fußbedientes Aus- und Einklappen der Bürste. Flapp-flapp, man wechselte geradezu vorsätzlich die Räume und Untergründe, nur um in den Genuss des Flappens zu kommen.

Die Flat-Out ™-Bodendüse des DC19 passt sich ja dem Bodenbelag automatisch an – wie genau, erfährt man allerdings nicht.

IMG_5288 Zur zärtlichen Behandlung von Hartböden gibt es trotzdem eigens eine Hartbodenbürste (als Sonderzubehör erhältlich, Zuschlag erteilt), deren Bürste man dafür nicht wegklappen kann.

Man rennt also beim Saugen (natürlich nicht) ständig mit zwei Bodendüsen durch die Gegend, vielmehr grübelt man dauernd, wo man die gerade nicht benützte Düse nun wieder gelassen hat.

Es ist eine fast schon erwartungsgemäße Tatsache, dass sämtliche Schlauchanschlüsse, Zubehördurchmesser und sonstige Austauschmöglichkeiten zwischen lilagrünem Monster und DC19 eine Änderung erfahren haben, die die Weiterbenützung von altem Zubehör oder womöglich ganzen Schläuchen und Rohren unmöglich macht. Man könnte es auch als völlig fehlende Auf- und Abwärtskompatibilität bezeichnen.

Die Länge des ausgefahrenen Teleskoprohres auf lilagrünem Monster beläuft sich auf satte 110cm von Bürstenanschluss bis Haltekrümmung – beim DC19 hat diese Länge gute 15cm eingebüßt, was sogar ich mit meinen eher miniaturmäßigen 1,50m Körpergröße im Kreuz zu spüren bekomme, ganz abgesehen von der verminderten Erreichbarkeit diverser Spinnenzweckbauten unterhalb der Raumdecke.

Dafür gibt es am DC19 ein Sonderfeature: Ein sich in Funktion und Bestimmungsort maximaler Unklarheit erfreuendes Stück Plastikrohr, das sich nirgendwo andocken lässt.

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Ich fand es zufällig beim Fotografieren der Säugeriche in der Garage. Es steht Dyson drauf. Konsultiert man dazu die Gebrauchsanleitung, stellt man fest, diese gefällt sich in piktographischer Zartlinigkeit mit grünlettrigen „clik“-Rufen an den vorgesehenen Knackpunkten, sowie in Gewimmel rot durchgestrichener Piktogramme, das seitenweise wiederholt darstellt, was alles man mit dem DC19 keinesfalls anstellen sollte.

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Außerdem stellen die Garantiebestimmungen klar, dass die Garantieleistung keine Schäden umfasst, die durch Teile verursacht wurden, die „nicht gemäß den Anweisungen von Dyson zusammengebaut wurden“. Eine Anleitung zum korrekten ersten Zusammenbau sucht man allerdings vergeblich. Steht aber eh alles im Internet.

Hinweise auf das seltsame Plastikröhrchen liefert die Gebrauchsanweisung nicht.

IMG_5312 Ebensowenig übrigens wie auf die Funktion der roten Schieber an der Unterseite der Flat-Out™-Bodendüse. Sind sie womöglich gar eine Art magisches Portal in die feinstaubliche Anderswelt? Man weiß es nicht.

Für sachdienliche Hinweise bin ich natürlich immens dankbar. Ebenso schließe nicht aus, dass das Problem, wie so oft, durchaus anwenderseitig zu suchen sein mag. Allerdings entspricht die oben gezeigte Montierung der Zubehördüsen tatsächlich genau den Angaben in der Gebrauchsanleitung und im Web.

Zuletzt ist noch zu sagen, dass die „besonders robuste“ Ausführung des DC19 zumindest nicht das Teleskoprohr betrifft, dessen Oberfläche bereits nach dem ersten Sauggang beträchtliche Gebrauchsspuren aufweist. Aber pfeif auf die Optik!

Zitat James Dyson:

Bei gutem Design kommt es immer darauf an wie etwas funktioniert, und nicht nur, wie es aussieht.

Mhm, das sehe ich auch so. Meine persönliche Meinung nach dem Direktvergleich: Hier hat man, allen guten Vorsätzen zum Trotz, die ursprünglich nahezu perfekt gewesene lilagrüne Gebrauchstauglichkeit im Designrausch aus den Augen verloren.

Mein persönlicher Tipp: Die Geräte vor dem Kauf unbedingt in einem Laden vor Ort ansehen und an all ihren Ausgängen auf ihre Winkeltauglichkeit und Körpergrößen-Kompatibilität testen. Alternativ dazu muss man halt runde Räume bauen und bloß keine Möbel reinstellen. Daran muss man sich dann eben gewöhnen.

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Gepflügtes Gesichtsfeld

Wie schon in den Kommentaren erwähnt, hat des Samstags bei der Gartenarbeit ein Thujenwedel beschlossen, mir unversehens mit vollem Karacho ins rechte Auge zu schnalzen und dort ein Beben der Stärke 7 auf der nach oben offenen Glupsch-Skala auszulösen. Ich bitte also um Nachsicht, wenn ich derzeit nur mit einem Auge zuhöre. Details über sich gebildet habende Körperflüssigkeiten und augenjuck- und kratzbedingte Anfälle von Wahnsinn erspare ich euch hier in meiner unendlichen Güte.

Genesungswünsche, Blumen und Geldgeschenke bin ich auch mit nur einem Auge wohlwollend zu betrachten in der Lage.

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Das werte Wohlbefinden

Sollte ich mal nach 253 Tagen Geiselhaft nach Ö zurückkehren, und der/die/das Außenminister und Journalisten erwarten mich, dann hoffe ich, sie behaupten im Vorfeld nicht, es wäre mir unmittelbar nach der Freilassung den Umständen entsprechend gut gegangen. Dass sowas etwa in der kleinformatigen Tageszeitung steht, ist ja kaum anders zu erwarten, aber von der ORF-Berichterstattung wünsche ich mir schon etwas mehr Sprachgefühl. Schließlich fällt der korrekte Sprachgebrauch auch unter Bildungsauftrag.

Ganz abgesehen von sprachlichen Spitzfindigkeiten bin ich der Ansicht, dass das Thema von den Medien übertrieben breitgetreten wurde und wird – ich glaube nicht, dass das irgendjemandem dient; den ehemaligen Geiseln jedenfalls bestimmt nicht. Die werden froh sein, wenn sie die Tür hinter sich schließen können und ihre Ruhe haben. Und ob da Geld geflossen ist oder nicht, ist doch für den Durchschnittsbürger auch eher von untergeordneter Bedeutung, zwar nicht in Bezug auf den Verbleib seines Steuergeldes, aber zumindest angesichts seines doch sehr beschränkten Stimmgewichtes in dieser Frage.

Die Überschrift zu diesem Eintrag gibt noch mehr Einblick in die weite Welt des Sprachunsinns. Die Frage ‚Wie ist das werte Wohlbefinden?‘ erreichten schon etliche Male diverse spinnwebenverhangene Winkel meiner sprachzentralen Graumasse. Was soll man darauf antworten? ‚Nicht vorhanden‘?

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Ein böhmisches Dorf

Die Verwandtschaft kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen – könnte man das jedoch, würde sich wohl so mancher von euch jene entzückende Verwandtschaft erwählen, die ich in Tschechien habe. Insbesondere mein tschechischer, hm, nennen wir ihn der Einfachheit halber Cousin, weil er in meinem Alter ist bzw. so alt wie mein Bruder, auch wenn Cousin eigentlich so nicht stimmt – die Verwandtschaftsverhältnisse sind aufgrund verschobener Generationen etwas komplizierter.

Zu den Zeiten, als der eiserne Vorhang noch zwischen uns und unseren tschechischen Verwandten stand, empfanden wir es alle als reichlich ungerecht und tragisch, dass wir nur alle vier oder fünf Jahre die Gelegenheit hatten, einander zu sehen – noch dazu durfte nicht die ganze Familie aus der CSSR ausreisen, sondern es musste immer jemand zurückbleiben. Mein Bruder und ich genossen die knappe Zeit mit unserem Cousin immer sehr, wir haben ihm stets eine Menge österreichischer Schimpfworte beigebracht und andere immens wichtige Vokabeln.

Seitdem die Grenzen geöffnet sind, ist zwar die Tragik verschwunden, die gegenseitigen Besuche sind aber auch nicht häufiger geworden, zumindest nicht was mich betrifft. Man hat einander seither zwar zum Geburtstag und zu Weihnachten oder Neujahr angerufen, aber nur sehr selten gesehen. Die Tochter meines Cousins ist schon vier, und ich hatte sie noch nicht mal kennengelernt. Früher waren eben meine Eltern und die Eltern des Cousins stets dafür zuständig, Besuche und Treffen zu vereinbaren. Offenbar habe ich viel zu spät gecheckt, dass ich mit nunmehr fast 35 Jahren schön langsam selbst für Kontakt sorgen muss.

Also tat ich das und setzte endlich in die Tat um, was wir schon seit fünf Geburtstagstelefonaten immer wieder am Telefon besprechen – wir fuhren übers Wochenende nach Zlín.
Die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit meiner Familie ist wirklich unschlagbar. Obwohl ich vorab lautstark verkündet habe, dass wir uns für die zwei Nächte ein Hotelzimmer nehmen wollen, um niemandem Umstände zu bereiten und auch in Ruhe ausschlafen zu können, erfahre ich im Laufe der Hinfahrt über sieben Ecken, dass mein Cousin gedenkt, uns seine komplette Wohnung zur Verfügung zu stellen und für das Wochenende samt Frau und 4jähriger Tochter woanders zu wohnen, damit wir unsere Ruhe hätten.

Sogleich bemächtigt sich da eine beträchtliche Verlegenheitsröte meiner Visage, wie man sich unschwer vorstellen kann. Aber kurze Zeit später, nach dem Abklingen meiner Wehklagen (‚Nein, das ist ja furchtbar unangenehm, ich stäärbää!‘), ist mein Cousin am Telefon nicht von seinen Plänen abzubringen, hätte er doch, wenn er mit seiner Familie bei meiner Mutter oder meinem Vater zu Besuch war, auch noch nie ein Hotelzimmer nehmen müssen. „Is absolut kaine Problem, Susy, jo?“ Stimmt soweit – für Übernachtungsmöglichkeiten war für ihn und seine Familie auch bei uns immer gesorgt. Aber eine eigene Wohnung hatten sie bei uns nie zur Verfügung. Schon gar nicht eine so aufgeräumte.

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Auf der Fahrt: Faszinierender Industriecharme in Břeclav

Ein ziemlicher Jammer ist, dass wir Kinder der österreichischen Familie nie Tschechisch gelernt haben, obwohl sogar mehrere Familienmitglieder es sprachen und uns Kindern hätten beibringen können. Aus diversen Gründen kam es leider nie dazu. Ich verstehe ein paar Worte und kann artig Danke sagen, aber das war’s auch schon. Auch mein Vater, der jetzt in zweiter Ehe mit einer Tschechin (aus ebendieser Stadt) verheiratet ist, musste die Sprache eigens erlernen, weil sein Vater sie ihm nie beigebracht hatte. Der Krieg war daran schuld und viele persönliche Umstände.

Aber mein Cousin spricht Deutsch, und zwar auf sehr kreative Weise. Selten gelingt es mir, Dinge so simpel und so verständlich auf deutsch zu formulieren, wie er das kann. Abgesehen von seiner Verwendung universeller Worte wie ‚Quartier‘, ‚ideal‘ oder ‚Risiko‘ hat er auch wunderbare spontane Ideen, wie eine allgemeinverständliche Aussage sich anzuhören hat. Als er nach der Bedeutung des Wortes ‚wahrscheinlich‘ fragt und ich ihm mit Händen deute, wo sich auf einer halbrunden Skala von 180 Grad ‚absolut nicht‘, ‚vielleicht‘, ‚wahrscheinlich‘ und ’sicher‘ ungefähr befänden, ohne für diese Skala einen einfachen Ausdruck parat zu haben, da denkt er kurz nach und sagt dann strahlend: „Joystick von Möglichkeiten!“ Meine Bewunderung dafür ist immer wieder grenzenlos.

Netterweise sorgt mein Cousin vor Ort auch für das richtige Programm: ein Besuch im wunderschönen Zoo von Zlín, ein Stadtbummel, eine Besichtigung der Stadt von oben von der Terrasse des Mrakodrap aus, dem ‚Wolkenpeiniger‘ – dem Wahrzeichen des Tomáš Baťa, der mit seiner Schuhfabrik und seinem späteren Bürgermeisteramt praktisch die ganze Stadt im Bauhausstil entstehen ließ.

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Typische Backsteingebäude aus der Ära Baťa Blick über die Stadt

Mrakodrap stand da schon, als es in Wien noch gar keine ‚Wolkenkratzer‘ gab, was meine Großmutter in früherer Zeit immer sehr zu beeindrucken pflegte. Der Chef Tomáš Baťa war dort früher in seinem Büro in Form eines vergrößerten Aufzuges(!) gesessen, um sämtliches Geschehen stets im Auge zu behalten.

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(Der Aufzugsbereich am Gebäude links… …war früher das Büro des Chefs)

Mein Cousin hat zum touristischen Programm viel Hintergrundinformation parat – und noch viel mehr Essen. Gebratene Ente nach dem Zoo, danach darf ein Besuch bei den Eltern des Cousins im Häuschen am Waldrand in Hvozndá natürlich auch nicht versäumt werden, freilich mit Kaffee und Apfelstrudel und viel Hallo.
Abends – d.h. knappe zwei Stunden später – eine fette Stelze (in Germanien sagt man dazu auch Eisbein, seltsamerweise auch dann, wenns gebraten ist).
Am nächsten Tag mittags ein schönes Hühnchen mit allerlei Beiwerk – man kann sich kaum mehr bewegen. Doch wer würde schon auf die wunderbare böhmische Küche einfach verzichten wollen – oder können?

Bis zum nächsten Treffen wird jedenfalls nicht mehr so viel Zeit vergehen, das ist sicher. Es war ganz wunderbar, alle wiederzusehen und füreinander Zeit zu haben. Mein Vater war mit seiner Frau dabei, auch das war sehr schön. Richtig familiär eben.

Einige weitere Bilder vom Industriecharme und der Terrasse nachfolgend. Die Bilder aus dem Zoo kommen dann separat – immer schön eins nach dem anderen.

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Die Fäden und der Grant

Grantig bin ich. Grantig, weil die Dinge nicht schon fertig sind. Die vielen Dinge, in denen ich stets gleichzeitig meine Finger drin hab, die vielen losen Fäden in meiner Hand – nein, in meinen Händen! Ich würde mich auch nicht als geduldig bezeichnen, eher als hartnäckig. Der Schaffensprozess an sich gibt mir relativ wenig. ‚Der Weg ist das Ziel‘, was für ein Unsinn! Das Ziel ist das Ziel! Darum heißt es ja so!

Schreiben ist eine der ganz wenigen Unternehmungen, an denen mir das Werden, das Schaffen, das Herstellen und Verfeinern wirklich Spaß macht. Manchmal auch die Malerei, aber auch da möchte ich oft schon fertig sein, bevor ich überhaupt begonnen habe, nur um endlich das zu Gesicht zu bekommen, was bislang nur in meinem Kopf existierte. Und selbst wenn es ’schön‘ wird – ist es nicht das geworden, was ich mir vorgestellt hatte, bin ich damit nicht zufrieden.

Die meisten anderen Unternehmungen beginne ich eben nur, um das Bild, das ich davon in meinem Kopf habe, zu ver-körpern – oder um diese Dinge zu können. Üben will ich nicht. Üben ist was für Loser. Ich will beginnen und können! Sie kam, packte an und erschuf!
Um diese ohnehin schon seltsame Eigenschaft erst zu einer wahren Herausforderung zu machen, bin ich obendrein mit viel zu vielen Interessen gesegnet. Und wie sich das alles mit meinem Hang zum Perfektionismus verträgt, muss ich hier wohl nicht näher beschreiben.

Ob es sich nun darum dreht, ein Kleidungsstück vom Schnitt weg selbst herzustellen, ein Bild zu malen, einen Song zu schreiben, einen Tisch zu bauen oder ein bestimmtes Foto zu schießen – erweist sich meine Fingerfertigkeit, meine körperliche Kraft oder mein Hirn dazu als zu unfähig (ungeübt!), gebe ich mich nicht etwa geschlagen und höre auf, sondern ich werde grantig und verbissen. Wie es mich generell grantig macht, wenn die Welt der physischen, unbelebten Dinge sich mir widersetzt und stattdessen beispielsweise lieber der Schwerkraft gehorcht, oder wenn ich mich andauernd vertippe.

Und dann kommt noch eine Wespe hereingeflogen und tanzt mit ihrem Gesumme und mit ihrer stets gleichbleibenden Unfähigkeit, eine Glasscheibe als solche zu erkennen, auf meinen Nerven Tango, oder die Nachbarin kommt hereingeschlurft und erzählt mir ungefragt von den Wetteraussichten.

Unbeherrscht ist Synonym von passioniert, sagt das Wortschatzlexikon. Ein reichlich schwacher Trost.

Denn ich habe dort die Übersetzung eines umfangreichen Dokuments fertigzustellen, oben habe ich Stoff liegen, den ich gerne zu Hosen, Shirts und Mänteln verarbeiten möchte, hier ist mein Weblog, das gefüttert werden will, es warten Songs, die es noch zu schreiben und Rezepte, die es zu erfinden gilt, E-Mail-Kontakte, die, meistens vergeblich, auf Post von mir hoffen, und darüber hinaus bin ich überhaupt für Größeres bestimmt, das ich noch gar nicht kenne. All diese Vorhaben werden freilich immer wieder aufs Lästigste durchkreuzt von Arbeit im Haushalt, Arbeit im Garten und Arbeit für Geld. (Und von Schmerzen, die mich zudem bei der Ausführung behindern und meine Vorhaben weiter erschweren.)

Diese vielen losen Fäden, die ich in der Hand halte, verheddern und verfilzen sich zuweilen, manche sind auch urplötzlich und ohne mein Zutun zu Ende, und ich hab das Gefühl, nichts jemals fertigzukriegen, niemals je fertig zu sein. Der scharfsinnige Leser könnte natürlich an dieser Stelle einwerfen, das Leben bestehe ja wohl im Großen und Ganzen darin, niemals fertig zu sein. Und recht hätte er. Ja, rufe ich dann, mein Hirn weiß das, aber der Grant kommt dennoch – und diesen dann unmittelbar in die Werke einfließen zu lassen, ist nicht immer die beste Idee. Außerdem lässt der Spaß an der Sache dann noch mehr zu wünschen übrig, als er es ohnehin schon tut. Und nicht zuletzt ist dieser Grant zwar ein effektiver Motor, aber kein besonders behaglicher.

Um einen Faden zu verfolgen, muss man einfach durch das filzige Knäuel hindurch und es dabei entwirren. Dabei besteht aber die Gefahr, einen anderen Faden zu entdecken, den man schon vergessen hatte, und in stiller Trauer darüber zu verharren, dass man bislang noch nicht die Zeit hatte, ihn zu verfolgen.

Gerade wenn ich aber dieses Fertigseinwollen als die offenbare Ursache so eines Grants herausgefiltert habe, fällt es mir schwer, das, womit ich gerade beschäftigt bin, loszulassen und etwa einen Spaziergang zu machen – oder darüber zu schreiben. Es kommt mir kontraproduktiv vor, denn ich will ja fertigwerden!
Dennoch ist es sehr zu empfehlen, denn es ist hilfreich und effektiv.

Dieser Faden ist hier zu Ende. Und mir geht’s jetzt auch besser. Danke fürs Zuhören.

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Schon Jesus wollte die Lauwarmen ausspucken

In der abgeschlankten Online-Version des Bankspots mit dem Krawattengetacker sehen wir nur die Kurzversion, das Nötigste. Und das wäre fürs TV auch kein Fehler gewesen. Was wir nämlich im TV erblicken, nachdem die Frau voll des neuen Mutes und Elans zur Tür hinausbraust, ist, wie der Bankmann mit verschwörerischem Blick der Sekretärin des soeben festgetackerten Chefs eine unbeschädigte Krawatte in die Hand drückt.

‚Meine Bank ist wie ein Fels in der Brandung und steht auf meiner Seite.‘ Wenn die Bank mir das ernsthaft mit diesem Spot vermitteln möchte, dann muss sie das transportieren – und nur das. Aber nein, man ist ja schwer originell, und taktisch schlauer ist es doch, die Gelegenheit zu nutzen und sich auch die Gegenseite warm zu halten. Im Spot handelt es sich dabei um meinen (gerade erst) erklärten Feind, in der wirklichen Welt um alle zuschauenden Chefs und Wannabes, die sonst womöglich konsterniert die Nase rümpfen – und die es daher zu beschwichtigen und zurück auf die Seite der Bank zu ziehen gilt. So pfiffig. Bravo.

Hier geht es nicht um wirtschaftliche Notwendigkeiten – denn ja, es ist für einen Betrieb notwendig, Kunden zu gewinnen. Wobei man nach einer solchen Szene freilich unterstellen könnte, dass es der betreffende Betreuer aber schon sehr dringend nötig haben muss.

Mir geht es vielmehr um die transportierte Emotion, denn das ist doch der Kanal, auf dem Werbung wirken möchte. Hat dieser Spot mein Vertrauen erweckt? Nun, lasst es mich so sagen: Wenn mein neuer Fels in der Brandung schon bei der ersten sich bietenden Gelegenheit meinem Feind die Hand reicht, ist er für mich ein prinzipienloser Verräter – aber sicher nicht der richtige Bankbetreuer. Der hat überall seine Finger im Spiel, und bei der ersten Gelegenheit, bei der sich ihm ein besseres Geschäft bietet – selbst wenn es mit meinem ärgsten Feind ist – wird er mich fallenlassen und dabei noch ungerührt mit den Schultern zucken – so mein Eindruck.
Ich kann euch also ganz gut beschreiben, welche Emotion da in mir erweckt wird: Es ist eine, die in meiner Phantasie zu einer Situation führen könnte, in der eine Zweckentfremdung der Krawatte eine Rolle spielt und jemand, der blau anläuft. Mein Bankmensch, der opportunistische Scheißer.

Unberechenbare Durchtriebenheit mag zu finanziellen Vorteilen führen, über die der Mensch, der in seinem Leben keine wahre Freude finden kann, meinetwegen heimlich frohlocken soll. Eine geschätzte menschliche Qualität ist sie jedoch nicht, weder an Freunden noch an Geschäftspartnern. Hat man diese ‚Qualität‘ trotzdem, entspricht es der größtmöglichen taktischen Schläue, diese Tatsache für sich zu behalten.

Liebe „In jeder Beziehung zählen die Menschen“-Bank: Wenn man in einer solchen Beziehung zuverlässig, entschieden und mit Rückgrat auf jemandes Seite steht, nimmt man dabei ein eventuelles Naserümpfen der Gegenseite und insbesondere auch verpasste finanzielle Gelegenheiten gelassen in Kauf. Das ist wahre Loyalität.