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Richtig und falsch

Soeben erscheint mir ein Schlüsselsatz, ein Puzzlesteinchen im Mosaik meines Welterklärungsmodells, wenn man so will. Er ist – wie so oft – eigentlich profan:

Hatte der englische Philosoph Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert noch spekuliert, die eigentlich egoistischen Menschen hätten sich aus rationalen Erwägungen über einen ausgeklügelten ‘Gesellschaftsvertrag’ zusammengeschlossen, so lassen die neueren [Emotions-]Forschungen anderes vermuten. Das Unternehmen Menschwerdung mit all seiner Ethik und Moral hätte wohl nie stattgefunden ohne eine entsprechende Entwicklung sozialer Emotionen wie etwa Sympathie oder Mitleid.

Oft schon stellte ich mir in meinen Überlegungen zur Welt die Frage, ob der Mensch an sich ‘gut oder böse’ sei, oder vielmehr, ob ‘das Gut-Sein’ im Menschen angelegt ist oder eine künstlich geschaffene Instanz darstellt. Selbst auf mein innerstes Gefühl kann ich mich dabei nicht verlassen, ist doch mein Begriff von gut und böse zum einen nicht immer eindeutig, und zum anderen sehr wahrscheinlich auch nur das Produkt meiner Erziehung, meiner Religion, meiner Umgebung.

Oder doch nicht? Ist beispielsweise mein Mitgefühl für andere Lebewesen eine ureigene Charaktereigenschaft, die sich auch fernab jeglicher ethischer Maßstäbe entwickelt hätte?

Dass die Regeln für das Zusammenleben ja aus irgendetwas entstanden sein müssen, aus Emotionen, die bereits vor der Entstehung von Gesetzen – seien sie nun weltlicher oder religiöser Natur – Realität waren, das kam mir bisher aus unerfindlichen Gründen so nicht in den Sinn.

Zitat aus GEO 8/2006 – Emotionsforschung – Die Sprache der Gefühle – Dr. Franz Mechsner

OT: Außerdem großartig in dieser Ausgabe: Die Bilder zu “Biominerale: Mit dem Dreh der Natur”. Wunderschöne, großformatige Elektronenmikroskop-Aufnahmen von Bio-Baumaterialien wie dem von Muscheln, Tintenfischen oder Seeigeln.

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Beim Schachtelwirt

Unlängst bei einem geschäftlichen Treffen beim Junkfoodprovider McD – ja, geschäftlich, auf den Tischen dort kann man wunderbar Akten ausbreiten – beobachtete ich folgende Szene:

Ein Baby, etwa sechs Monate alt, sitzt auf Opas Schoß und erkundet neugierig die Umgebung. Entschlossen greift es sich eine Burgerschachtel und beginnt, daran herumzukauen.

Mein Fazit: Das Kind hat bereits im zarten Alter begriffen, wofür andere ein halbes oder ganzes Leben brauchen.

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Schongang

Ole schrieb letztens sehr treffend:

Die Hitze […] lässt die Hirnwindungen in apathische Starre fallen. Alles ist im Fluss, nur nicht die Gedanken. Und wenn, dann nur seltsame.

Stimmt. Als ich unlängst auf der Luftmatratze im Pool dahindümpelte, dabei von einer Ecke zur anderen trieb und immer wieder vom Poolrand weggestoßen die Richtung wechselte, dachte ich: ‘Ich bin sowas wie ein Windows-Bildschirmschoner. Nur nackter.’

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Vom Zauber des Moments (II)

strgz Jeder, der schon mal das Bedürfnis hatte, im Programm des Lebens einen Mausklick auf Bearbeiten-Rückgängig auszuführen – aus dem Wunsch heraus, im Nachhinein verändern zu wollen, was nicht mehr veränderbar ist – kennt das Gefühl, dass die Uhr sich nicht zurückdrehen lässt, dass getane Dinge geschehen bleiben.

Aber hattet ihr dieses Gefühl schon mal nach schönen Erlebnissen? Die Empfindung, dass all die wunderbaren Momente unwiederbringlich sind, für immer verloren in der Flut mehr oder weniger nebliger Erinnerungen, die wir unsere Vergangenheit nennen?

Einige technische Errungenschaften sind der profane Ausdruck dieser verzweifelten Sehnsucht nach dem Gestern, all die Tonbandgeräte, Fotoapparate und Videokameras ein kläglicher Versuch, den Augenblick zu bannen. Wir denken kaum jemals darüber nach, doch jede CD, die wir heute hören, jeder Film, den wir ansehen, ist ein geistiges Enkelkind dieser ursprünglichen Sehnsucht, gefühlsintensive musikalische oder szenische Momente für die Ewigkeit festzuhalten und wiedererleben zu können.
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Moderne(?) Zeiten

Heute klingelt mein Handy, eine mir unbekannte Nummer auf dem Display. Ich melde mich, und es ist – meine kleine Nichte! Sie hat jetzt ihr eigenes Handy, dabei ist sie grade mal 8. Früher hätt’s das nicht gegeben.
Ob mit weiteren Anrufen zu rechnen ist, abgesehen von diesem Tantentelefonnummerüberprüfungs-Testanruf? Man weiß es nicht.


Mir fällt immer wieder auf, dass auf Poststücken, die ich bekomme, und die wohlgemerkt richtig adressiert sind, zusätzlich ein weiteres Mal händisch von einem Postmitarbeiter meine Postleitzahl vermerkt wurde. Ist die Angabe des Absenders trotz ihrer Richtigkeit aus unerfindlichen Gründen ungültig? Können Postmitarbeiter nur die Handschriften von Postmitarbeitern entziffern? Muss sie gar in schwarzer Kugelschreiberschrift geschrieben sein, die Postleitzahl, und nicht, wie im aktuellen Fall, mit ordinärer blauer Tinte? Man weiß es nicht.


Habe ein kaputtes Handy auf der Straße gefunden, die SIM-Karte ist PIN-gesperrt. Der zur SIM-Karte gehörende Mobilanbieter fühlt sich nicht zuständig und empfiehlt die Abgabe bei Polizei oder Fundbüro. Ich hätte bei detektivistischem Erfolg vermittels der SIM-Karte das Ding glatt seinem Besitzer postalisch retourniert. Aber ob die Freunde und Helfer mehr tun als das Ding in einer Schublade verschwinden zu lassen? Man weiß es nicht.


Unlängst hab ich beim Baumarkt einen Insektenzerbritzler erstanden. Also so ein Ding, das, am Strom angesteckt, UV-Licht von sich gibt und zutraulich werdende Insekten durch elektrischen Schlag dahinrafft. Theoretisch. Praktisch hat sich noch nie ein Insekt da hineinverirrt. Nichtmal im völlig dunklen Raum lockt das blöde Ding eine Mücke an. Ob die Methode sich unter Insekten schon rumgesprochen hat? Stand eine Warnung gar schon im Gelsenkirchner Stadtanzeiger? Man weiß es nicht.

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Kleinkunst ist Baustelle

Kann/darf sich das Kulturamt aus seiner Verantwortung stehlen?
Sollen EUR 1,35 Mio. öffentliche Gelder in den Sand gesetzt werden?
Ist die Kabarettszene, speziell das Vindobona, abermals das Stiefkind der Wiener Kulturpolitik?

Nach Komplikationen bei den Umbauarbeiten des Vindobona und damit verbundenen Mehrkosten ist das Kulturamt der Stadt Wien nicht mehr willens, den Umbau bis zum Ende zu unterstützen – und das, nachdem von der Stadt bereits 1,35 Mio. in den Umbau investiert und vom Vindobona selbst 700.000 Euro dafür aufgewendet wurden. Der große Theatersaal ist bereits fertig, aber beim kleinen Theatersaal und dem Beisl haperts.

Ich habe im Vindobona schon viele unterhaltsame Stunden verbracht. Die Kleinkunstbühne im 20. Wiener Gemeindebezirk ist aus der Kabarettszene nicht wegzudenken. Seit Beginn ihres Bestehens hat sie ohne Theatersubventionen der Stadt überlebt. Und nun will man wegen eines vergleichsweise kleinen Betrages die Sanierung in den Wind schießen? Die ersten Auftritte werden bereits abgesagt, und mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, steigen die Kosten.

Man fragt sich ja, was mit dem halbfertig umgebauten Saal passieren soll. Hat die Stadt denn da vielleicht schon Pläne?

Eine Online-Petition soll dem Kulturamt die Wichtigkeit der Fertigstellung vor Augen führen. Ich hab mich bereits eingetragen.
(Auf der Vindobona-Seite etwas nach unten scrollen!)

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Mitfühlen

Schlimm, dass einem lieben Freund gerade widerfährt, was ich selbst so ähnlich auch erlebt habe; ich sehe, wie er vor Schmerzen kaum gehen kann. Anderen Menschen die körperliche Pein ansehen, das lernt man als Schmerzpatient – erstaunlich. Und da ist im Grunde nichts, was ich tun kann.
Schmerzen, Arztbesuche, Befunde, noch mehr Arztbesuche, gute Ratschläge von allen Seiten. Verunsicherung über die eigene gesundheitliche Zukunft, über das pro und contra von Behandlungswegen, außer Gefecht gesetzt und wehrlos sein.

Ich schick Dir ein paar Engel. Möge es schnell vorbeigehen!

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Vom Zauber des Moments

Hattet ihr schonmal die Empfindung, dass das Leben ausschließlich in diesem einen Moment stattfindet? Ich weiß: So einen Satz zu lesen ist überaus profan. Natürlich findet das Leben jetzt statt, wann denn sonst? Aber habt ihr diese Wahrheit schon mal von tief innen empfunden?

In jedem einzelnen Moment habe ich die Wahl. Ich habe die Möglichkeit, mir mitten im Gedankengang ein STOP zu verordnen, wenn meine Gedanken mir nicht behagen, um sie durch welche zu ersetzen, die mir besser gefallen. Ich kann den nächsten Satz, der schon in den Startlöchern stand, einfach nicht sagen, und mir stattdessen einen ganz anderen ausdenken.
Ich verlasse die scheinbare Einbahn der Situation, indem ich den Zauber des Moments nutze: Diese ein, zwei Sekunden, in denen ich die Wahl habe, und das den ganzen Tag, die ganze Woche, mein ganzes Leben lang.

Dazu nötig ist, zugegeben, ein gutes Stück Bewusstheit über die eigenen inneren Vorgänge. Diese ist für den einen ein selbstverständlicher Begleiter, für den anderen nur schwer zu erreichen; die meisten bewegen sich irgendwo dazwischen.

Es lohnt sich aber, denn das ist viel schöner, als sich ständig als das Opfer der Umstände zu fühlen, und die damit einhergehenden Gefühle der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins mit sich zu tragen. Diese Gefühle verschwinden nach und nach. Statt sich zu weigern, die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, fühlt man sich plötzlich in der Lage, die eigene Freiheit so gut wie möglich auszukosten.

Nicht, dass man jeden im Zauber des Moments gewonnenen Gedanken auch in die Tat umsetzen müsste. Wenn man beispielsweise seinen Job behalten möchte, sollte man nicht im Zauber des Moments beschließen, dem chronisch grantigen Oberchef ein Götzzitat um die Ohren zu hauen. Aber man kann zumindest die Idee auskosten und sich danach etwas besser fühlen.

Auch mehr oder weniger bewusste Schikanen an sich selbst lassen sich so reduzieren. Wie oft am Tag sagst du dir, dass du ein Idiot bist? Dass du es nicht wert bist, …. (beliebiges zu Erreichendes hier einsetzen). Dass du nicht gut genug bist?
Nie? Wirklich nicht?

Klingt, als hätte ich die Weisheit mit dem Löffel gefressen, was? Leider bin auch ich nur selten im Moment verhaftet. Ich treibe mich viel in der Vergangenheit rum, am ‘liebsten’ in unangenehmen, peinlichen oder schuldbehafteten Situationen. Manchmal auch in der Zukunft, die in solchen Momenten meistens ebenfalls nicht allzu rosig aussieht.

Aber manchmal, da gelingt es mir, aus meinen Gewohnheiten des Denkens und Handelns kurzfristig auszusteigen, mir selbst Einhalt zu gebieten und den Zauber des Moments zu empfinden.

Das kann mitten in einem Streit sein:
Weiterstreiten, bis beide sauer sind.
Plötzlicher Richtungswechsel, weil man sich bewusst gemacht hat, was wirklich wichtig ist.

Das kann bei einem Familientreffen sein:
Den Tag einfach dahinplätschern lassen und alles für selbstverständlich nehmen.
Endlich mal wieder in Papas Arme kuscheln und ihm sagen, wie lieb man ihn hat.

Das kann in einem beliebigen Moment sein:
Gestresst sein und alles als nervig empfinden.
Sich bewusstmachen, wie gut man es im Grunde hat und wofür man dankbar sein kann.

Wenn dieses Innehalten funktioniert, führt die Achtsamkeit ausnahmslos und jedes Mal zu großer Freude, zu mehr Zufriedenheit mit mir selbst – und zu einem unvergleichlichen Gefühl des Triumphes über das taube, ahnungslose Dahinvegetieren.