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Gespart!

Hab heute wieder mal in die Flimmerkiste geschaut. Ich bin ein bekennender Serien-Junkie. Allerdings nehme ich sehr oft auf HDD-Recorder auf, was ich sehen möchte, und überspringe dann später die Werbeblocks. Heute jedoch hab ich mal bewusst hingeschaut und drei Werbeblocks lang aufgepasst. Ich wollte herausfinden, was es mich kostet, wenn ich alles kaufe, was in einem einzigen Werbeblock angepriesen wird. Daher überschlug ich mal, wie groß die Lücke ist, die so ein Werbeblock in die Brieftasche reißt.

Zwei der Blocks kamen bei vox, einer auf ORF 1. Langfristige Verträge werden nicht bewertet, Reminder (5- bis 10-sekündige Spot-Zusammenfassungen zur besseren Einprägung) zählen den Wert des ursprünglichen Spots mal zwei. Und ich kaufe natürlich immer nur ganze Produktserien, sofern sie feilgeboten werden.

Im ersten Block kaufe ich gleich dreimal den Sieger bei Stiftung Warentest, ich nehme Unmengen Vitamin C zu mir, habe Vorrat an essentiellen Fettsäuren für mindestens 60 Tage, und ich putze antiallergen, und zwar auf höchstem Niveau. Unvergleichliche Geschmackserlebnisse und besondere Genüsse ziehe ich mir ungeniert rein, unter anderem in Form von Marmelade und Schokolade mit Nüssen und siebenundachtzig weiteren besten Zutaten. Meine Finanzen sind gecheckt, und es ist für meine Zukunft gesorgt, dafür gehe ich allerdings in mindestens drei Fällen langfristige Verträge noch unbekannter Höhe ein. So eine kleine Unterschrift, was macht das schon? Wirkstoffe konzentriere ich an entzündlichen Stellen, mein Cholesterin senkt sich um insgesamt 103% (nur das böse natürlich), und auf Vorrat liegen nun Reinigungstabs und tiefenwirkende Mundspülung für meine Dritten, die ich mir leider nicht mehr leisten können werde. Ich habe meine Haare gefärbt, geschont und dabei noch 20 Minuten gespart, mich für einen guten Zweck engagiert und die Freude an Bewegung wiederhergestellt.
Und das alles um nur unglaubliche 150 Euro!

Im zweiten Block gönne ich mir besondere Dinge zu diversen Firmenjubiläen, und bestimmt nicht zu deren Nachteil, das besagt zumindest die Meinung, die ich mir auf Aufforderung getreulich gebildet habe. Ich genieße sicheren Schutz und abwechslungsreiche Geschmacksrichtungen, muss aber zu meiner Bestürzung auch Geranien, eine Gartenliege und einen Elektromäher mitnehmen. (Dabei hasse ich die Dinger. Ein echter Mäher hat Benzin in sich drin!) Dafür darf ich allerlei Technologien und Komplexe gezielt anwenden und mannigfaltige Effekte erzielen, meine Kurven sind wieder straff, elastisch und glatt, und ich verliere gar fünf Kilogramm – und das nicht nur durch zeitweiliges Abstellen der Einkaufstasche! Ich muss Würstchen mit ekligen Namen von ebenso ekligen Promi-Werbegesichtern erwerben, knochenstarke Kindernahrung zu mir nehmen (puh, das staubt!), Milchreismischungen selber basteln und hinterher noch locker-würziges aus knusprigem Kartoffelteig vertilgen. Anschließend freue ich mich über meine fettigen Fingertapper auf dem Touchscreen – für Individualisten! – habe außerdem meinen CO²-Ausstoß endlich auf unter 120g/km gesenkt, und bestelle in meinem Schwung noch schnell zwei E-Roller um je 1.660. Bei alledem schwebt über mir mein Kranz wie-schwereloser Haare.
Diesmal sind nur zwei langfristige Verträge dabei. Insgesamt ein grandioses Shoppingerlebnis. Dafür kostet mich der ganze Spaß aber auch schon satte 38.903,77 Euro.

Am teuersten erwischt es mich aber bei ORF im dritten Block.
Hier erreiche ich langfristige Ziele mit neuem Lifestyle, lerne etwas über Befruchtung unter Bonbons, die ich anschließend verzehre (Die Bonbons natürlich, aber genau genommen isst man die Befruchtung natürlich mit. Mir graust echt vor gar nix!), ich vernichte Schokolade wie eine Süchtige und komm mir dabei auch noch vor wie in den Alpen – nehme davon aber kein Gramm zu, schließlich habe ich auch ein Medikament zur Gewichtskontrolle in meinem Warenkorb. Gegen den Zuckerflash ist aber leider keines dabei. Studien legen mir stattdessen quicklebendige Bakterien für meinen Darm nahe, ich desinfiziere Wunden am laufenden Band, gewinne kein Auto, esse dafür aber noch mehr Schokoriegel. Weiters erwerbe ich ein sensationelles Studio-Album sowie Kapital- und Zinsgarantie, muss kreischenden Kindern das Gumminaschwerk abjagen und mir zum Muttertag gratulieren lassen, und das alles, während mir unter meinen drei neuen Kleidern für je 4,99 bereits der Schweiß auszubrechen beginnt, wovon ich mit meinen knallrot geschminkten und voller Allüren steckenden Lippen abzulenken versuche. Drei Kindershirts für je 2,99 hab ich auch in der Tasche – wem soll ich die bloß…? Schließlich erlöse ich noch die Kartoffeln, zu denen diese fiesen Menschen grob gewesen sind, senke im Vorbeigehen meine Energie- und Heizkosten und setze außerdem ein bis zwei Zeichen. Vier langfristige Verträge in schwer kalkulierbarer Höhe gehe ich ein.
Den in einem der Spots versprochenen Muttertagsrabatt von 30% ziehe ich mir frech von der Gesamtsumme ab. Die beläuft sich danach aber immer noch auf stolze 40.169,50.

Zur Verteidigung des Heimatsenders ist anzuführen, dass auf ORF die Sendungen nicht durch Werbespots unterbrochen werden. Nur jeweils zwischen den Sendungen gibt es einen Block – bei vox sind es während einer Serienepisode schon zwei.

Fazit: Shoppen ist anstrengend. Man muss sehr genau aufpassen, weil alles so schnell geht. Auf ORF1 wird man besonders schnell arm, dafür nicht so oft. Und ich bin jetzt um insgesamt 79.223,27 ärmer. Und ein paar Zerquetschte.

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Madeira 2

Gibt es auf Atlantikinseln sibirische Winde?

Um das herauszufinden, lege man sich in ein madeirensisches Bett, dessen Matratze im Laufe des Tages ausreichend Gelegenheit hatte, sich mit klammer Feuchtigkeit vollzusaugen. Schon streicht dir ein zarter Gruß aus Sibirien über den Rücken. Eine zusätzliche Weste bringt keinen Erfolg. Schließlich platziere ich meine erstaunlicherweise noch warmen Handflächen unter meiner Nierengegend. Zwei eingeschlafene Arme später gebe ich verdrossen auf und beziehe die Wohnzimmercouch. Die ist wenigstens den ganzen Abend lang mit warmem Rauch beheizt worden.

Sehr früh am nächsten Morgen ist es aber auch da schweinekalt. Ich ziehe mir ein paar Schichten an und gehe raus, stöbere das hoteleigene Holzlager auf, denn unser Holzkorb erfreut sich gähnender Leere. Im Holzlager siehts ähnlich aus, aber am feuchten Fliesenboden des Lagers liegen noch einige Holzscheite rum. Ich packe ein paar kleine ein, die auch sicher in unseren winzigen Ofen passen.
Wenn jemand “schdirdln auf da Gstettn” nach bundesdeutsch übersetzen könnte, wäre ich dankbar – denn das hab ich in meiner Kindheit gemeinsam mit Papa und Bruder oftmals und voller Freude betrieben. Und so werde ich auch dort im Halbdunkel des Holzlagers innerhalb kürzester Zeit weiterer Dinge habhaft – ein großer Blecheimer dort ist mit Holzresten und Rindenstücken gefüllt. Davon nehme ich einen Sack voll mit, außerdem einen leeren Eierkarton und weitere Kartonteile aus dem Papiermüll. Denn ich habe einen Plan für das perfekte Feuer am Abend. Warm soll es sein.

Aber fürs erste nix wie raus hier.

Wir fahren über die Boca Encumeada, von der aus man sowohl Richtung Norden als auch Richtung Süden bis zum Meer sehen kann, durch nebelverhangene Berge in die Paúl da Serra, eine sumpfige Hochebene, deren flache Landschaft und schnurgerade Straßen(!) sich von der restlichen Insel deutlich unterscheiden.

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Wären da nicht die Erikabüsche, man könnte glauben, man wäre durch ein Wurmfarnloch versehentlich irgendwo im Marchfeld gelandet. (Schau genau, auf diesem Foto ist auch das kleine rote Tschihuu versteckt.)

Danach latschen wir schnell mal zwei Kilometer auf einer Serpentinenstraße bergab Richtung Rabacal, in erster Linie, um die Levada do Risco zu erreichen, aber natürlich auch, um am nächsten Tag nicht womöglich ohne Muskelkater dazustehen.

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Levadas heißen die künstlichen Bewässerungsgräben auf Madeira, die in Zeiten der Sklaverei von eher unfreiwilligen Arbeitern angelegt wurden, und an deren Verläufen sich gut wandern lässt.

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Wir werden mit offenen Armen empfangen.

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Ein Wasserfall ist des Latschens Lohn.

Das schwarze Gestein in holder Eintracht mit dem hellen Himmel bildet prächtige Kontraste, bringt aber das Fotohirn regelmäßig zur Verzweiflung. Die Anzeige am Display der Alpha 300 ist unzureichend, die Histogramme sind zwar ausführlich, aber die zugehörige Anzeige des Bildes, auf dem unter- oder überbelichtete Bereiche gekennzeichnet werden, ist viel zu klein und am hellichten Tag kaum zu erkennen. Auch daher kam die schier unbewältigbare Menge an Fotos, die ich mitgebracht hab, nicht nur aus übersprudelnder Inspiration.

Zum Glück für unsere Beinchen bringt uns ein Bus die zwei Kilometer zurück nach oben zum Parkplatz.

Als nächstes landen wir an der Flussmündung der Ribeira da Janela, steigen durch die fensterförmige Öffnung im Fels…

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…und landen an einem prächtigen Strand.
Ich hab mich für die farbverzerrte Variante entschieden. Denn wie kraftvoll die Brandung dort ist, wie herrlich grün der Felsen leuchtet, wenn die Sonne durchkommt, wie herrlich einsam es da ist…

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…und wie wundersam die Pflanzenwelt, lässt sich weder mit Worten noch mit Bildern treffend beschreiben.

Auf dem Rückweg trinken wir Kaffee in der Bucht von Seixal in einem “männerdominierten Café” (O-Ton K.).

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Mir gefällt der grün bemooste, rundgewaschene Fels in der Bucht so gut.

Bei Sao Vicente versuche ich ein paar Langzeitbelichtungen der Brandung. Von einigem gewohnt undamenhaften Gefluche begleitet, denn durch den ND-1000-Filter kann weder Mensch noch Autofokus das geringste erkennen, weder ob der Horizont gerade, noch ob die Felsen scharf sind. Ersteres lässt sich leichter bewerkstelligen (Stativ-Ersatz Hotelmauer, vor der Filtermontage Kamera mit untergelegten Farnwedeln geraderichten), zweiteres ist schon etwas schwieriger, weil der Fokus sich nicht fixieren lässt – und es sich beim ND-Filter um einen Schraubfilter handelt. Eine verwunschene Kombination.

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Trotzdem gibt es eine kleine Belohnung für meine Geduld.

Am Abend, zurück in der Quinta, empfängt uns der warme Schein unserer indischen Hanflampe.
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Das ist aber auch das einzig Warme in der Hütte.

Sofort holen wir unsere Sportzeitung aus dem Toppits, die da drin zum Zwecke der Trockenhaltung gelagert war. Feuermachen mit Grillanzündern ist zwar unsportlich, ohne allerdings ist es unmöglich – auf Madeira. Da schon das Verheizen einer Sportzeitung offenkundig von unserer Unsportlichkeit zeugt, werden auch drei Grillanzünder an strategisch günstigen Stellen platziert. Darauf Stückchen von Fitzelchen von Eierkarton, darüber ein Haufen Kleinholz sowie ein schönes Pyramidchen aus dünnem Gehölz, und schließlich drei richtige Scheite. Es soll vermieden werden, dass die Tür geöffnet werden muss, bevor die Sache richtig heiß geworden ist. Ungeduldig darf man dabei natürlich nicht werden.

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Und siehe da – ein Feuerchen knistert im Ofen! Na geht doch!

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Madeira

So, meine Lieben. Eine Sichtung aller Fotos und eine Auswahl daraus schaff ich in so kurzer Zeit nicht, was in erster Linie daran liegt, dass ich eine Woche lang völlig ungehemmt geknipst hab, an manchen Tagen so viel, dass ich abends meinen Arm nicht mehr heben konnte. Trotz aller Vorsätze, die Kamera doch endlich am Objektiv festzuhalten, tat mir zuverlässig die rechte Schulter weh, woran man, wenn man mit der Anatomie von Kameras vertraut ist, leicht erkennen kann, dass ich das Befolgen von Vorsätzen lieber anderen überlasse. Ich kann aber echt gute Ratschläge geben. ;D

Aber ein paar erste Bilder hab ich ausgewählt. Und schon gehts los!

Die Wunder beginnen bereits in der Luft.

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Es zeigt sich mir dieses wundersame Lichtphänomen samt Flugzeugschatten.

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Auch klar: Je näher die Wolke, desto größer der Schatten.

EDIT: Der Schatten heißt Brockengespenst oder (englisch) Brocken spectre. Der bunte Lichtschein heißt Glorie (solar glory) – und nicht Halo.

Ich weiß, die endlosen und überaus spannenden Fotovorträge von Bekannten, die gerade im Urlaub waren, beginnen auch immer mit Wolkenfotos aus dem Flugzeug. Gähn-gähn, zu welchem frühesten Zeitpunkt können wir uns nach Hause verdrücken, ohne uns den Unmut unserer offenbar fotografiebesessenen Gastgeber zuzuziehen? Aber das Fliegen ist für einen Wolkenfreak wie mich einfach paradiesisch…

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…drum gibts hier, verzeiht, noch ein letztes davon, dann hör ich aber eh schon auf:

Nach viereinhalb Stunden Flugzeit kommt endlich die Insel in Sicht.

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Das auf Säulen erbaute Konstrukt an der Küste links im Bild ist übrigens die Landebahn. Hui, sonderlich lang sieht die ja nicht aus. Auch unter dieser Landebahn tut übrigens sich einiges – darauf komme ich in einem späteren Eintrag sicher nochmal zurück.

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Und schon sind meine Freundin K. und ich mit unserem knallroten und überraschend spritzigen Nissan Micra auf der Straße und genießen erste Ausblicke auf die phantastische Küste.

Ich bin am Steuer und bleibe da für den Rest der Woche, K. möchte lieber navigieren. Es ist, insbesondere im Norden der Insel, so wenig Verkehr, dass ich oft einfach mitten auf der Straße stehenbleibe, um ein Foto zu machen. Hubbies Warnungen vor dem risikofreudigen Fahrstil der Madeirenser (und die gleichlautenden im Reiseführer) kann ich nicht bestätigen. Ich bin offenbar konkurrenzfähig.

Hier aber nun die Aussicht von einem der unzähligen “Miradouros” aus (Aussichtspunkte mit Park- und Postkartenkitschfotomöglichkeit).

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In diesem Fall jenem Miradouro bei Agostino, dem einnehmenden Obstverkäufer mit dem wohl grandiosesten Arbeitsplatz der Welt.

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Eine typische Ortsstraße, die infolge ihres halsbrecherischen Gefälles im Nirvana (oder dessen Entsprechung im Element Wasser) zu verschwinden scheint. Freundin K., die rechts von mir den Navigatorposten besetzt, fühlt sich an diesen Stellen merklich unwohl, wobei zwischen Abwärts- und Aufwärtsfahren in ihrem Unbehagen kein eklatanter Unterschied festzustellen ist.

Manchmal geht es so unglaublich bergauf, dass sich leise die Erwartung einschleicht, das Tschihuu (=Hupferl=Nissan) könnte jeden Moment nach hinten umkippen und dann eine für ein Auto eher untypische und daher aufsehenerregende, weil saltoschlagende Talfahrt hinlegen.
Diese gestalten sich aber auch ohne Rückwärtssaltos aufsehen- bzw. hörenerregend, weil so ein Benziner im zweiten Gang einen steilen Berg hinab sehr stark zum Heulen und Schreien neigt – und trotzdem immer schneller wird. Manchmal gibt das Tschihuu nach großen Anstrengungen auch die eine oder andere Fehlzündung von sich. Bitte nicht schießen, schon gut, wir fahren ab jetzt langsamer!

Bei einer unserer Fahrten macht K. mir gegenüber eine Bemerkung über meinen Fahrstil, etwa “Sehr souverän machst du das, beeindruckend!”; ich freue mich und erwidere “Schön, wenn du dich wohlfühlst”. Sie überrascht mich mit einer Antwort, die man geradezu als typisch für sie bezeichnen könnte: “DAS hab ich nicht gesagt”.

Später kreuzt im großen Garten eines Restaurants unerschrocken der erste Farn meinen Weg.

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Ich denke an mkh und mache ein Foto. Es ist nur ein gaaanz kleiner Farn.

Wir beziehen unser Häuschen in der Quinta do Arco, an der Nordküste gelegen, im Dörfchen Arco de Sao Jorge. So sieht unsere bescheidene Hütte von außen aus:

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Das linke der beiden Häuser ist unseres, es trägt die Nummer 16 und den klingenden Namen “Varanda”. Bitte eintreten:

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Rechts gehts noch weiter in ein Schlafzimmer und in ein Bad mit Wanne und großem Spiegel.

Der erste optische Eindruck ist umwerfend, der olfaktorische allerdings auch, er lässt sofort Schimmelbildung befürchten – wir finden die entsprechenden Gewächse dann später auch, an der Wand des Schlafzimmers und des Bades. Grund: Die Hütten werden, wenn sie nicht bewohnt sind, auch nicht geheizt. Und auf der Insel ist es saumäßig feucht. Im Bad nebenbei bemerkt auch, insbesondere, wenn man versehentlich den montierten Duschkopfhalter auch tatsächlich bestimmungsgemäß zu benutzen wagt. Ich sage euch, die wahren Wasserfälle auf Madeira spielen sich in den Badezimmern der Quintas ab.

Zwar gibt es zum Zwecke der Hüttenwärmung in unserem Schlafzimmer einen kleinen elektrischen Heizkörper, der aber verursacht maximal einen gewissen Placeboeffekt. K. tauft ihn später liebevoll “Kleidertoaster”, weil wir auf ihm morgens regelmäßig unsere Kleidungsstücke aufwärmen und entfeuchten, weil die aus dem Schrank doch eher feucht und klamm daherkommen. Auch die Handtücher trocknen so gut wie nie.

Aber – es gibt auch einen Kamin im Wohnzimmmer. Hahaa! Bin ich doch eine alte Feuerkundige, in meiner Kindheit wurde oft Kaminfeuer gemacht, man hat mir beigebracht, wie das geht.

Man hat mir allerdings nicht beigebracht, wie das mit durch und durch feuchten Holzscheiten und ohne jegliches Unterzündmaterial geht. Das einzige, was wir in unserem Holzkorb vorfinden, sind feuchte Riesenscheite und Grillanzünder. Ich sag mal so: Wenn man aus der einschlägigen Literatur (=Reiseführer) erfährt, dass Zarco, der Pionier der madeirensischen Besiedelung, erstmal einen kleinen Teil der Insel durch Brandrodung vom Lorbeerwald befreien und damit bewohn- und bewirtschaftbar machen wollte, und dass selbiger Wald nach diesem Versuch quasi versehentlich zwölf Jahre lang brannte, fragt man sich: Wie zum Geier hat der das angezündet?

Der erste Versuch einer pyromanischen Raumbeheizung fällt auch entsprechend kläglich aus: Die Grillanzünder brennen heftig und lang, sie brennen schließlich ab, das Holz nicht an. Der Kamin ist winzig, aber drei Stück Grillanzünder sind für zwei Scheite eindeutig zu wenig. Zwangsläufig muss ich die Kamintür öffnen, um neue Anzünder zuzuführen; beißend kalter Rauch steigt daraus empor und verwandelt unser Wohnzimmer im Handumdrehen in eine gigantische Räucherkammer.

Das Foto oben zeigt, der Dachstuhl ist in den Raum integriert, da oben gibt es aber keine Fenster. Die Menge an Rauch, die sich durch das Öffnen der beiden Flügeltüren aus dem Wohnzimmer befördern lässt, ist äußerst kärglich. Auf eine Bewachelung in der Tradition der Saunagänger verzichte ich aus Müdigkeitsgründen.

Erste Maßnahmen werden alsbald ergriffen: In unserem Haus wandert kein noch so kleines Stück Papier in den Müll. Eine Zeitung, die wir tags darauf erstehen (“Welche?” – “Die größte bitte!”), soll uns Unterzündmaterial und einen Wetterbericht liefern. Letzteren finden wir leider nicht, denn es ist, wie wir später ernüchtert feststellen, eine Sportzeitung. Umso besser, damit ist sie recht und billig zum Anheizen. Wir verstauen sie in weiser Voraussicht in einem mitgebrachten Toppits-Sackerl mit Zipp, damit sie am Abend nicht genauso feucht ist wie unsere Handtücher.

(Fortsetzung folgt)

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Mein Körper

weiß schon, warum er Kopfweh generiert. Während alle auf den Frühling warten, bricht hier der Winter ein weiteres Mal über uns herein. Süffisant glotzen mich die Schneeglöckchen an, die finden das wohl sehr stimmig. Aber nur noch fünf Tage, dann bin ich hinfort und fliege dem Frühling entgegen. Ha! Ätsch!

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Völlig kostenlose Werbung

Ein prächtiges Beispiel von positiver Unternehmenskultur, gepaart mit witzigen, zielgenauen Werbetexten: Innocent Smoothies. Es lohnt sich, die Website zu durchforsten! Auch die Deutschland-Version ist gleichermaßen unterhaltsam.

Dafür mache ich gerne ungefragt Werbung – da stimmen Qualität, Philosophie und Humor. Mir gefällt das sehr. Offenbar ist man dort nicht nur der augenzwinkernden Seite des Lebens zugeneigt, sondern auch jenen Menschen, die am Ende der Wirtschaftskette stehen, dem Umweltschutz und der Wertschätzung für Mitarbeiter – innocent Großbritannien wurde sogar zum “best workplace in the UK” gekürt.

Das ist die Zukunft – und nicht jene Dienstgeber, die immer nur unser Bestes wollen, dafür aber zu keinerlei Zugeständnis oder gar Honorierung bereit sind. Die können sich schonmal warm anziehen!

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Mitspielen

Auf unserem stillen Örtchen steht ein Spanisch-Sprachkalender. “Spanisch-Übungen für jeden Tag”. An diesem Tag, von dem ich hier schreiben will, ging es um Phrasen bei sportlichen Aktivitäten. Und da prangte dieser Satz an erster Stelle:

“Kann ich vielleicht mitspielen?”

Nun mag das eine durchaus naheliegende Frage sein, wenn man sich eine Situation ausmalen möchte, in der man alleine in ein spanischsprachiges Land gereist ist und etwa am Strand eine Partie Volleyball ausgetragen wird, bei der man gerne dabei wäre. Das ist nicht weiter spektakulär. Doch in aller Herrgottsfrühe, wenn mein Seelchen dem kühlen Luftzug des wirklichen Lebens noch völlig ungeschützt preisgegeben ist, spüre ich manchmal wesentlich mehr als in den Stunden danach. Und so überfiel mich angesichts dieser simplen Frage tiefes Mitgefühl, die Empfindung der Unsicherheit und der Verletzlichkeit, die hinter diesem Satz verborgen ist, ein ziehendes Bauchgefühl mit zwei zusätzlichen schneeballgroßen Irrlichtern unterhalb der seitlichen Rippenbögen.

All die menschliche Sehnsucht nach Geselligkeit, danach, in eine feste Gemeinschaft eingebettet zu sein, die Illusion der Sicherheit und die Abhängigkeit, die sich aus dem Leben als soziales Rudeltier ergeben, all die freiwillige Unterordnung nur der Begleitung wegen, der schwankende und poröse Boden des Dazugehörenwollens, sie verdichten sich in diesem einen Satz: “Kann ich vielleicht mitspielen?”

Der Satz lautet nicht einfach nur “Kann ich mitspielen?”, sondern “Kann ich vielleicht mitspielen”, ganz so, als wäre der Fragende seiner eventuellen Abweisung schon eine Viertelerwartung entgegengegangen, um eine mögliche Enttäuschung vorweg ein wenig abzufedern.

Wer diese Frage stellt, rollt sich auf den Rücken und zeigt die Kehle und den weichen, verletzlichen Bauch. Er läuft Gefahr, sich ein Nein einzufangen, eine Ohrfeige mitten ins Gesicht einer Seele, die sich nach Einssein und Harmonie sehnt, einen Schlag in den Bauch eines Instinktes, der das von ihm behütete Körperwesen ohne die Akzeptanz seiner Mitmenschen zum Scheitern, ja, sogar zum Tode verurteilt sieht.
Ich möchte auch dazugehören; wenn die anderen mich nicht lieb haben, was bleibt mir dann noch, außer einem Leben in Einsamkeit und Traurigkeit, in dem das Glück der menschlichen Nähe und Geborgenheit mir verwehrt bleibt?

Wie beim Volleyball, so muss sich auch in dieser großen Gemeinschaft das Rudeltier gewissen Regeln unterwerfen, es erfährt mitunter schon sehr früh, dass es sich nicht unbeschränkt frei entfalten darf, dass es nicht weinen oder nicht so laut lachen soll, dass seine Interessen seltsam und seine Ausdrucksweisen eigenartig sind, ganz so, als ob es verwerflich wäre, eine eigene Art zu haben. Durch Ablehnung und Zustimmung entsteht im ‘Idealfall’ die gewünschte Form. Ein loses Blatt Papier in einem Stapel zu Boden gefallener Blätter, ein Stapel, der so lange mit Händen bearbeitet und von allen Seiten auf einer Unterlage aufgeschlagen wird, bis jedes einzelne vorwitzige, am Rand hervorstehende oder überhaupt ganz querliegende Blatt sich der Gesamtform des Stapels gebeugt hat.

Man sehe sich Kinder an und wie sie oft miteinander umgehen, da herrscht ein rauherer Ton als unter Erwachsenen, und wer sich diesen übermäßig zu Herzen nimmt, erfährt in einer Art übertriebener Vorbereitung auf das restliche Leben, wie direkt und hart Menschen in einer Gemeinschaft zueinander sein können. Da ist der Erwachsene klar im Vorteil, er profitiert von der Gnade der erlernten Höflichkeit, die Erwachsene in aller Regel walten lassen, und im konkreten Fall auch noch von der spanischen Sitte, Fragen nicht rundheraus mit einem “No!” abzuschmettern, sondern einen Satz mit “Es que…” zu formulieren, “Naja, es ist so, dass…”.

Ein solcher Satz in einem Sprachkalender, fast schon eine Metaebene der Kommunikation. Wären wir nicht die sozialen Tiere, die wir sind, hätte Sprache sich niemals entwickelt. Denn wozu sich selbst die Welt erklären, wenn niemand anderer da ist, der zuhören will, mit dem man sich absprechen und austauschen kann? Wenn niemand da ist, den man fragen möchte, ob man mitspielen darf?

Wie viel Verbiegungsenergie von Menschen darauf verwendet wird, Harmonie zu stiften und dazuzugehören, oder sich abzuheben, indem man so unwahrscheinlich anders und verrückt ist – was am Ende nur zwei Pole desselben Planeten darstellt – wie viel Hitze bei diesen Vorgängen frei wird, und wie sehr wir dabei noch versuchen, unsere Eigenständigkeit, unsere Unabhängigkeit und Willensfreiheit zu entwickeln und zu bewahren! Es ist schon ein vortreffliches Spiel, das wir uns da ausgedacht haben. Ich würde es “Lustiges Gratwandern zwischen nahezu unvereinbaren Gegensätzen” taufen.

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Kornkreise

Habt ihr euch schonmal Kornkreis-Bilder angesehen? Ich meine, mehr als eines, und mehr als einen simplen, gestempelten Kreis in einem Feld? Hach, es gibt ja soo schöne! Manche sind einfach die pure Freude! Und wusstet Ihr übrigens, dass Kornkreise die Kornhalme niemals knicken, sondern nur verbiegen?

Sehr umfangreiche Archivlinks gibts bei kornkreiseforschung.de. Dort findet man zB das International-Archiv 2008. In den Listen gibts ganz rechts außen oft einen Link zu einer externen Beschreibungsseite, meistens zum cropcircleconnector (der selbst aber etwas zickig zu bedienen ist bzw. restriktive Anwandlungen zeigt, sprich, man kann viele Seiten als Ohneglied nicht aufrufen).

Aber seht euch doch mal bitte den hier an! Oder den! Oder diesen da, einer meiner absoluten Favoriten aus dem Jahr 2008. Aber ich warne hier der Fairness halber vor dem Surfen im Archiv – ein Nachmittag ist da weg wie nix!

Auch auf Googlemaps gibts ein paar Kornkreise u.ä. zu sehen: Hier, da und dorten. Letzteres ist ein seltsames Gebilde in der ägyptischen Wüste.

Falls ihr euch jetzt fragt, ob bei mir daheim das I WANT TO BELIEVE-Poster an der Wand hängt – nein. Ich glaube, dass Kornkreise menschlichen Ursprungs sind. Allerdings nicht im Sinne von “lasst uns doch am Wochenende mal ein Muster in die Gerste trampeln”, vielmehr denke ich, dass der Stand des menschlichen Bewusstseins sich hier ausdrückt. Dies in vergänglichem Korn stattfinden zu lassen scheint mir im Hinblick auf die stetige Veränderung und Erweiterung des menschlichen Bewusstseins sehr angemessen und passend zu sein.

Ebenfalls ein lustiges Phänomen, wenn auch vermutlich eher nicht so wundersamen Ursprungs, sind Eiskreise. Sehenswerte Fotos gibts zB auf kornkreiseforschung.de von Eiskreisen in Russland.

Ich selbst hab mich in letzter Zeit ein bisschen mit der Geometrie hinter den Kornkreisen, mit goldenem Schnitt und Proportionen beschäftigt, viele, viele Löcher mit dem Zirkel in Papier gestochen, Unmengen an Linien gezogen, sogar Gleichungen aufgestellt! Ha, und das MIR! Aber mein technisch höherbegabter Mann stand mir geduldig zur Seite. Ich bin ja bei diesem x²-Phi-Pi-Scheiß eher unbegabt und -darft. Wenn ich eine Gleichung sehe, beschließen meine Hirnzellen, in einer Art masochistischer Remineszenz an den Matheunterricht in wilde Panik auszubrechen, etwa so: Smilie by GreenSmilies.com Smilie by GreenSmilies.com Smilie by GreenSmilies.com Smilie by GreenSmilies.com

Außerdem hab ich – das war nämlich der Sinn der ganzen Brüterei – ein Airbrush aus einer Kornkreis-Vorlage gesprüht. Ich wollte es nicht einfach nur abmessen, ich wollte wissen, wie die Kreisproportionen sich zueinander verhalten, damit ich es in jedem Maßstab nachkonstruieren kann. Bei sowas bin ich genau, da kenn ich kein “wird scho halbwegs passen”. (Was sich mit oben beschriebener Panik nicht immer gut verträgt. Aber so wohnen eben 17 Seelen ach in meiner Brust.)
Ein Bild davon gibts dann demnächst. Vom Airbrush. Nicht von meiner Brust.
(EDIT: Hier isses.)

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Beschränkt

Ist es nicht seltsam, dass man (zumindest hierzulande) am Bahnübergang nicht etwa losfahren darf, wenn der Schranken hochgeht, sondern tunlichst erst dann, wenn das rote Licht verloschen ist? Ja, das ist so. Nein, das ist eben nicht egal. Steht nämlich zufällig die Polizei am Bahnübergang hinter dir, was dir aufgrund der finstren Aussichten durch die getönten Heckscheibe deines Autos leicht entgehen kann, und du gondelst unbedarft drauf los, sobald der Schranken oben ist, oder gar – noch schlimmer – sobald der Winkel des sich hebenden Gebälks es, deinem komparativen Fahrzeughöhe-Schrankenhöhe-Augenmaß zufolge, gerade so zulässt, aaaber das rote Licht leuchtet noch – oh, dann bist du aber dran!

Du wirst mit Blaulicht verfolgt, als hättest du soeben einer Frau das Handtaschl entrissen und im Weglaufen noch schnell einem alten Mann ein Zuckerl in den Bart gepickt.¹ “Das rote Licht war noch gar nicht aus! Das ist ja gefährlich, Frau G.! Was ist, wenn noch ein Zug kommt?” (Ja, was ist dann? Vor allem ist dann eines: der Schranken offen.)

Ist es naiv, sich zu fragen, warum beschrankte Bahnübergänge nicht derart gestaltet und geschaltet werden, dass schlicht und ergreifend das rote Licht gleichzeitig mit dem Heben des Schrankens erlischt? Und dass, sollte ein weiteres drohend Schienengefährt in halsbrecherischem Tempo heransausen, sich der Schranken sich gar nicht erst hebt? Denn wozu mit dem Schranken freie Fahrt heucheln, wenn das rote Licht ohnehin nicht ersterben will?

Wir sind hier im Dorfe der Lanzen mit einer Schnell- und Güterbahnlinie gesegnet, deren Überquerung zum Erreichen der Auffahrt zur Schnellstraße notwendig ist. Fünf Züge hintereinander sind dabei keine Seltenheit. Ich habe hier schon Situationen erlebt, in denen die verwunschene Funzel einfach nicht ausgeht, der Schranken sich jedoch hebt – um sich sogleich wieder zu senken. Seltsam. Was passiert in dieser Zeit? Ist man sich nicht sicher? Muss sich in diesen Sekunden, die vom vollständig gehobenen Schranken bis zu seinem eventuellen Verlöschen vergehen, das Rotlicht erst überlegen, ob es noch verantwortbar ist, bis zum nächsten Zug ein bis zwei Autos ihrer Wege ziehen zu lassen?

Zeit ist Geld, verehrteste Bahn! Aber Technik ist sehr kompliziert, und das hier sind, zugegeben, nur die recht schlichten Erwägungen eines einfachen Geistes.

Ich will eine Unterführung!

¹ Bezieht sich auf eine Redensart, die ungefähr ausdrückt, dass jemand besonders wenig zu fürchten sei, weil er maximal einem alten Mann… bundesdeutsch: ein Bonbon in den Rauschebart kleben kann. Anderen Quellen (=Mann) zufolge wird damit vielmehr ein Mensch beschrieben, der ganz besonders hinterfotzig ist (weil es, so der Mann, die fieseste Gemeinheit ist, die man so begehen kann. Viel fieser jedenfalls als Mord und Totschlag.)

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Frage an den klugen Leser

Wie kann man sich selbst und seine Fähigkeiten angemessen darstellen? Was tun? Was sagen?

“Bescheidenheit ist eine Zier…”

Man kann sich mit der Hoffnung begnügen, dass irgendwann jemand die Güte der Arbeit, die man leistet, schon bemerken wird. Ich spreche hier nicht von übertriebener Bescheidenheit, in der man auf Komplimente Antworten gibt wie “Ach, das war doch nichts…”, nicht von bewusster Zurückhaltung. Nur davon, für den Erfolg durchaus etwas tun zu wollen, aber nicht weiter auf die Eisfläche der Unwägbarkeiten hinauszustolzieren, als die vorsichtige Einschätzung der eigenen Leistungen einen trägt. Man könnte das als “strenges Niederstwertprinzip des Lebens” bezeichnen.

Früher oder später erhält man dann den Rat, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, nicht darauf zu warten, dass einem der Erfolg in den Schoß fällt. Das scheint ein guter Rat zu sein, denn man hofft ja tatsächlich zumeist vergebens und gilt zudem noch als naiv und als jemand, der “sich nicht verkaufen kann”. Selbst wenn man vielleicht tatsächlich eher jemand ist, der sich nicht verkaufen möchte, weil man das höchst peinlich findet.
“Einfach mal machen, der Erfolg kommt dann von allein!”, das ist ein schöner Rat. Wahr ist er nicht. Aber schön.

“…doch weiter kommt man ohne ihr.”

Lässt man dagegen seine Fähigkeiten ungeniert verlauten, stößt das wieder (zumindest) denjenigen auf, die sich auf der ehrenhaften Seite bewegen oder wähnen – dann ist man in deren Augen nur auf der Suche nach Anerkennung, eine Nervensäge, die ständig auf ihre Fähigkeiten pochen muss. Das versteht man, denn man ist von solchen Leuten ja selbst genervt.

Man darf sich auch – im Stillen – darüber wundern, welch bescheidene Qualität andere abliefern und dafür Honorare in gleicher Höhe beziehen wie man selbst (günstigstenfalls – meistens sind sie höher), man kann das dreist finden oder ungerecht – sagen darf man das aber nicht. Dann nämlich hat man ein Problem mit seinem Selbstwert. Man hüte sich insbesondere davor, Qualitätsunterschiede zu erkennen, die manch anderem nicht so augenfällig erscheinen. Denn nicht die eigene Erfahrung auf dem entsprechenden Gebiet zählt für die Einschätzung dieser Qualität, sondern allein der Massengeschmack und die Durchschnittsempfindung.

(So sorgt die Masse dafür, dass alles stets schön durchschnittlich bleibt. Offenbar ist es eher akzeptabel, dass ein kleiner Teil sich unterfordert fühlt und Qualitäten als mäßig empfindet, als dass womöglich der Durchschnitt überfordert sein könnte. Aber das nur nebenbei.)

“Ein weniglich ich lamentier.”

Manche Menschen haben im Laufe ihrer Erziehung eine gewisse Ethik erworben – oder sie sich vielmehr eingetreten, wenn man deren Fruchtlosigkeit und immanente Selbstbehinderung berücksichtigt. Manchmal wagen sie sich vielleicht ein Stück daraus hervor, aber im allgemeinen halten sie sich daran, weil sie sie “für richtig” halten – das Richtmaß des eigenen wohlkonditionierten Gewissens und nicht zuletzt die Maßregelungen anderer sorgen dafür.

Damit scheinen diese Menschen aber vor allem einem Zweck zu dienen: jenen das Feld zu überlassen, bei denen die diesbezüglichen Erziehungsmaßnahmen nicht gefruchtet haben, die sich nicht um Integritäten und Anständigkeiten scheren und nichts dabei finden, ihre Ellbogen massiv einzusetzen und sich auf dreifache Größe aufzuplustern. Manche bringen es vielleicht auch mit Rechtschaffenheit und Qualität zu Ansehen und Reichtum; der Regelfall dürfte das aber nicht sein.

Gibt es etwas dazwischen? Wo verläuft eurer Meinung nach der ehrenhafte und “spirituell annehmbare” Weg zum Erfolg?