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Sprachliche Zuckerln

Die Zusammenwürfelung diverser Nationalitäten bringt so manches Zuckerl für den sprachlich interessierten Menschen mit sich. So gibt es zum Beispiel ein Tier aus der Gruppe der Seesterne, das sich mit seinen ebenso bestachelten wie vielzähligen Armen auf Korallen stürzt (das ist übertrieben, eher kriecht es, aber das klingt nicht so überzeugend dramatisch) und diese Korallen einfach auffrisst. Sind zu viele davon an einer Stelle, kann das eine ernste Bedrohung für ein Korallenriff sein. Diese Tiere heißen “Crown of Thorns”, also “Dornenkrone”. Abgekürzt sagt man auch COTs, aber nicht Ceh Oh Teh, sondern so, dass es wie das Wort für Rückwärtsfrühstücken im Imperativ klingt. Als unser Kollege Julien diese Abkürzung letztens benutzte, sagte Roni aus Israel sinngemäß: “Cots? Wirklich? Das heißt “Dorne” auf Hebräisch!”

Auch im Palauanischen gibt es offenbar recht lustige Wörter. Viel haben wir ja bisher nicht gelernt, wie ich zu unserer Schande gestehen muss. Wir können gerade mal Guten Morgen (tu tao), Danke (sulang) und Ja (ochoi) sagen, und wir wissen ein paar Tiernamen (Demul ist der Delfin, Mesekui das Dugong, Maml der Napoleonfisch). Es ist einfach zu schnell, zu schwierig; nicht nur die Aussprache, auch das Einholen der Information selbst. Schließlich will der Palauaner sich auch weiterhin von Ausländern unverstanden mit seinen Landsleuten unterhalten können. Und wie will man sich als Ausländer einen Satz merken, der haargenau so klingt wie der vorige? Dazu kommt, dass etwa ein stummes “ch” auch nicht gerade für die Einfachheit einer Sprache spricht.

Mir schlug auch immer ein gewisser Widerstand entgegen, wenn es darum ging, auf Identifikationsschildern für das Aquarium die Tiernamen auf Englisch, Japanisch, Deutsch und Palauanisch anzugeben. Letztens beim Herumblödeln mit Ikert, einer der Damen, die am Front Desk arbeiten, erhellte sich mir dieser Widerstand: Die Unterwasserschnecken, Sea Slugs, haben einen Namen in Palau, der wie “gigilathaleeb” klingt. Das heißt wortwörtlich “Ghost Pussy”.

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Weit weg von Cindy

Meine Augen sind heute sehr verquollen. Ich meine sehr, sehr, mit Tränensäcken und allem. Dabei sind da gar keine Tränen mehr drin. Alles gestern ausgeweint. Mein Hund! Meine Mama schickt mir am Freitagmorgen dieses E-Mail, in dem steht, dass es Cindy in den letzten Tagen nicht mehr so gut ging. Ging! Sie schreibt “ging”, und ich glaube, jetzt ist alles vorbei, sie haben sie einschläfern lassen, und sie schreibt mir das Geschehene erst in der letzten Palau-Woche, auf Raten, damit ich nicht die ganze Zeit über traurig sein muss. Oder Cindy lebt noch, aber es geht sich nimmer aus, ich seh meinen Hund nicht mehr, wenn ich heimkomme. Wegen einer einzigen Woche! Ein paar beschissenen Tagen!

Das Geschwür, das Cindy am Bauch hat, ist viel größer geworden und schließlich durch die Haut gebrochen. Es blutet. Die Tierärztin, meine Tierärztin, die Cindy und mich seit Ewigkeiten kennt, die ich sehr mag und schätze, gibt nur Silberspray und Käspappeltee. Meine Mama bindet eine Windel um Cindys Bauch. Cindy will nicht aufstehen, nicht trinken. Und ich sitze hier und kann absolut nichts tun als eben das: hier sitzen.

Daheim könnte ich vielleicht auch nicht mehr tun. Doch mein Hund hat meine Anwesenheit seit Monaten nicht gespürt. Sie muss glauben, ich wollte sie nicht mehr und hab sie verlassen. Sie muss glauben, ich liebe sie nicht mehr. Sie muss glauben, wenn selbst jetzt, wo es ihr so schlecht geht, keiner von uns beiden kommt, dann wird nie wieder jemand kommen. Was für ein Alptraum. Ich liege heulend in meinem Bett und ziehe die Decke an mich, stelle mir vor, sie läge bei mir, ich könnte sie festhalten und meine Nase in dem weichen Fell an ihrem Kopf vergraben.

Als es mir schlecht ging, vor Jahren, als ich über Monate, Jahre, solche Schmerzen hatte, ohne Diagnose und ohne Hoffnung auf diese besondere Heilungsfähigkeit des Menschen, wo man einfach schlafen geht, und am nächsten Morgen ist alles wieder gut – da war sie da. Sie war meine Therapie. Ich wachte eines Morgens auf und wusste, ich will einen Hund. Martin hielt das für verrückt, ich konnte kaum aufstehen oder rausgehen, war depressiv und insgesamt einfach “nicht in der Verfassung”. Trotzdem wollte ich es, ich wusste, das tut mir gut, wir hatten immer Hunde, als ich ein Kind war.

Ich sah mir einige Welpen an, bevor ich sie fand. Sie raste auf mich zu in der kleinen Korneuburger Wohnung, in der ich sie zum ersten Mal sah, ein schwarzes Energiebündel, das mir sein rotes Quietschtier vor die Füße warf und gleich in die andere Richtung losstartete, noch bevor ich es aufheben und werfen konnte. Ich wusste es sofort.

Wir hatten es nicht leicht mit dem Sauberwerden in der kleinen Wohnung im dritten Altbaustockwerk, es ist dort schwieriger, einem Hund beizubringen, wo er darf – vor der Wohnungstür? Auf den Stufen? Aber sie checkte es so schnell. Und dann nahm ich sie mit nach Mauerbach, zum Hundeverein, wir machten den Welpenkurs und Begleithunde I, bei Regen und Sonnenschein und Schnee stapften wir durch den Wald zu der kleinen Lichtung, von der das Gebell kam. Es half mir. Ich ging wieder raus, unter Leute, und ich hatte Gesellschaft, wenn Martin arbeiten ging. Ich war nicht mehr allein.

Sie ist jetzt natürlich nicht allein. Aber ich bin nicht bei ihr. Jetzt, wo sie mich braucht, bin ich am anderen Ende der Welt, mit einem Flugticket für nächsten Freitag, das nicht umbuchbar ist.

Ich heule andauernd, ich will mit Mama telefonieren, ich will meinen Flug umbuchen, aber daheim ist jetzt Nacht. Wir sollen Roni und Naor und Yeong Shyan zum Mittagessen im “Taj” treffen, als kleine Abschiedsfeier für uns. Martin findet, ich sollte mitgehen, mich ablenken. Ich will nicht, aber ich gehe, mit Sonnenbrille, obwohl es regnet. Als wir weggehen, sitzt draußen vor unserem Apartment an der Wand ein grimmiges, riesiges Insekt, schwarz, mit langen Fühlern.

Sie trösten mich und umarmen mich. Wir bekommen zwei Foto-Postkarten von Yeong Shyan, eine für jeden von uns, süße selbstgemachte Karten mit einem wunderschönen Dankeschöntext hinten drauf, der von Freundschaft spricht, von Dankbarkeit für Ermutigung und fürs Zuhören. Und später sagt sie, wenn es dir so viel bedeutet, dann buch doch einen früheren Flug. “There are some things money can’t buy.”

Daheim ist jetzt früher Morgen, hier ist es Nachmittag. Das Kreditkartentelefon im Eingang des Instituts funktioniert nicht, und bis das Internet für Skype halbwegs brauchbar ist, sind es noch zwei lange Stunden. Ich wandere im PICRC hin und her, rede mit ein paar Leuten, warte, warte, warte. Ich schicke meiner Mama eine Nachricht auf WhatsApp, aber keine Antwort. Sie schläft sicher noch. Martin erreicht seine Mutter auf Skype und bittet sie, meine Mutter anzurufen und zu bitten, ihr Skype einzuschalten.

Endlich können wir mit Mama reden, sie erzählt nochmal alles und wirkt recht hoffnungslos. Dann weinen wir beide. Martin ermutigt sie, noch einen anderen Tierarzt nach Einschätzung und Möglichkeiten zu befragen, Mama sagt, ich dachte, du vertraust deiner Tierärztin, drum vertraute ich ihr auch. Dann fahren wir einkaufen, ich frage Martin nach einem neuen Flugticket, er sagt, dazu müssten wir jetzt nochmal zurück zu PICRCs Internet. Es ist spät. Er fährt in die andere Richtung, zu unserer Wohnung.

Ich will ein neues Flugticket. Martin sagt, diese Tausender stecken wir doch lieber in die Behandlungskosten, wenn wir wieder zurück sind. Ich sage, was ist, wenn sie tot ist, wenn wir zurück sind? Wieviel wäre so ein Flugticket dann wert gewesen? Wieviel würdest du dann bezahlen, um sie nochmal zu sehen? Selbst wenn du dann zehn Tausender auf den Tisch blätterst, das macht sie nicht mehr lebendig. Das ganze Geld ist dann einen Dreck wert.

Die Sache mit der Tierärztin meines Vertrauens bringt mich aber zum Nachdenken. Sie weiß genau, dass ich im Ausland bin und meinen Hund lebend vorfinden will, wenn ich zurückkomme. Und es stimmt, ich vertraue ihr. Also ist sie entweder total verrückt geworden mit dem Silberspray und ihrem Scheiß Käspappeltee – oder es ist nicht ganz so schlimm wie wir befürchten. Ich will ein Mail an meine Tierärztin schicken, sie fragen, wie es steht, irgendwie war keine richtige Prognose dabei bei dem, was Mama erzählt hat.

Aber das sowieso schon karge Internet über den Hotspot in der Nähe unserer Wohnung funktioniert jetzt gar nicht, “Unidentifiziertes Netzwerk”, die Login-Seite des Hotspotbetreibers lässt sich nicht laden, es regnet immer noch, das ist keine gute Voraussetzung für die Hotspots hier. Das macht mich noch verzweifelter, ich würde am liebsten meinen Computer mit einem Urschrei über den Zaun werfen und mich gleich hinterher – und dann hole ich tief Luft, will nicht mehr das Opfer all dieser beschissenen Umstände sein.

Wir fahren nochmal zurück zu PICRCs Internet, ich schicke das Mail an die Tierärztin und bitte um schnelle Antwort. Dann bitte ich Martin nochmal, sich beim Reisebüro nach Flug-Umbuchungen mit Aufzahlung zu erkundigen. Es gibt tatsächlich einen früheren Flug, am Montag, und umbuchen kann man gegen 75$ Gebühr und den jeweiligen Aufpreis auf das Ticket. Die Kommunikation mit dem Reisebüro ist zäh, sie schreiben immer nur “vorbehaltlich Verfügbarkeit zum Buchungszeitpunkt”, aber wie ebendiese Verfügbarkeit aussieht, das sagen sie nicht. Nur dass sie in wenigen Stunden fürs Wochenende schließen, wir aber am Wochenende über die Hotline in Amsterdam umbuchen könnten. Gut zu wissen, aber blöd, so ohne funktionierendes Telefon. Es ist halb zehn abends.

Wir wissen nichts und wollen schon heimfahren, meine verheulten Augen wollen Schlaf, aber schließlich kommt doch noch Antwort von der Tierärztin. Sie schreibt, ich solle mich beruhigen, der Tumor sei durch die Haut gebrochen, aber davon stirbt Cindy nicht. Das Silberspray soll eine Infektion verhindern, aber diese eine Woche sei für Cindy gar kein Problem.

Wir fahren nach Hause. Dort wo das grimmige Insekt saß, sitzt jetzt ein Schmetterling. Ein dunkler Falter, dem vom linken Flügel ein Stück fehlt. Ich fliege also nicht am Montag allein nach Hause. Ich warte auf den Heimflug am Freitag wie geplant. “Leg dich unter eine Palme und genieß den Sonnenschein”, schrieb mir eine Freundin auf Facebook. Die Sonne scheint nicht, aber ich versuche jetzt, mich zu entspannen. Meine Augen sind heute sehr verquollen. Ich meine sehr, sehr.

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Peleliu

Im Jänner waren wir drei Tage in Peleliu. Das ist eine Insel südlich von hier. Man fährt eine Stunde mit dem Boot hin, und dann kann man sich dort der Einsamkeit, der Ruhe und den Sandflöhen hingeben. Die Ruhe ist auch nur relativ: Das Außenriff ist hier sehr nahe, man hört die Brandung durchgehend. Es ist kein Wellenrauschen, wie man das vom Strand kennt, sondern ein Dauerrauschen wie von einem in der Nähe vorbeifahrenden Zug.

Peleliu ist eine recht kleine Insel, etwa tausend Menschen leben dort, es gibt zwei Resorts mit je sechs Bungalows und ein Motel am Norddock. Das heißt, es steppt dort nicht gerade der Bär. Genau das richtige für eine Auszeit von der Auszeit. Und gegen die Sandflöhe sind wir mit “Off” bewaffnet, dem grünen, 25%-igen DEET-Blutsauger-Repellent.

Wir reisen mit unseren Apartment-Nachbarn aus Koror, Naor und Roni, und deren Freunden aus Israel, die zu dieser Zeit gerade bei ihnen zu Besuch sind. (Fun fact am Rande: Die Besucher – zwei schwule Friseure; der Cousin unserer palauanischen Nachbarin ist auch ein schwuler Friseur und übers Wochenende immer bei ihr zu Gast, es gab hier also zwei Wochen lang in einem 4-Apartment-Haus drei schwule Friseure. Der einheimische Friseur ist die palauanische Ausgabe von Lafayette aus True Blood” er schnitt meine Haare im Stehen, in grandiosem Schnitt und für den unschlagbar günstigen Preis von zwei Schokoladen-Cupcakes.)

In Peleliu haben wir im Dolphin Bay Resort gebucht – unser erster richtiger “Urlaub” hier, bisher haben wir uns um alles selbst gekümmert, Essen, Geschirr, Bettwäsche, und das neben der Arbeit, die von 8-17h getan werden muss – nun kümmert man sich um uns. Das Essen ist nicht köstlich, aber in Ordnung. Unsere Nachbarin Roni okkupiert jedoch die gesamte Aufmerksamkeit des Personals, weil sie beim Essen so kompliziert ist (Vegetarierin, viel Gemüse, vom Ei nur das Weiße, aber nicht das Gelbe, mehr Sauce, weniger Sauce, es ist eine unendliche Geschichte). Trotzdem bekommen wir so ungefähr, was wir wollen, und genießen die Rundum-Verpflegung des unendlich geduldigen Personals.

Die Bungalows sind wunderschön, es ist geradezu paradiesisch. Sie stehen in einer Reihe, vom Rezeptionshäuschen aus führen kleine sandige Wege durch die dschungeldichte Bepflanzung zu den Hütten, man hat einen großen Wohnschlafraum und ein Bad sowie einen Balkon mit Treppe, und dahinter gibt es eine extrem unwirklich grüne Wiese, die unter den Füßen nachgibt wie Moos, und in der abends die Kröten rumhüpfen und durchaus gefährdet sind, weggekickt zu werden. Ein Mäuerchen und ein paar Stufen trennen die Wiese vom Sandstrand. Dort warten ein paar Holzliegen, Schirme und Hängematten auf den entspannungsgewillten Gast.

Am ersten Tag ist genügend Zeit für ein paar Fotos vom Strand aus, vor allem die Wellen am Barriereriff haben es mir angetan, und auch die Wasservögel. Ein Reiher stolziert herum und wird von einem Kingfisher attackiert, der zehnmal kleiner ist, aber zwanzigmal so mutig. Der Reiher hebt die Flügel zur Abwehr, stellt in grotesker Ärgerlichkeitspose die Kopffedern auf und trollt sich.

Es ist auch Zeit für ein Schläfchen und später noch dafür, die Gegend per pedales zu erkunden, die wir uns für 5 Dollar pro Nase mieten. Es regnet ein bisschen, aber das sind wir ja schon gewöhnt. Wir sehen uns den örtlichen Friedhof an, fahren irgendeine hintere Hauptstraße entlang, vorbei an Palmenwäldern und Hanfplantagen, die man nicht sehen, aber dafür deutlich riechen kann. Sie nennen Peleliu auch “Weed Island” (Gras-Insel). Niemand hat so richtig was dagegen, erzählt uns die Führerin der großen Inseltour am übernächsten Tag, selbst die Exekutive hat ihre eigenen Felder. Nur manchmal kommt die Polizei aus Koror, die konfisziert dann das ganze Gras und verbrennt es auf dem alten Flugfeld. Sicher eine grandiose Party.

Am zweiten Tag geht Martin mit den Nachbarn tauchen, ich hingegen leihe mir einen der hoteleigenen Kajaks (ist gratis) und paddle zu dem kleinen Inselchen, das vor dem Hotelstrand lockt. Das geht nur bei Flut, denn bei Ebbe kann man den Kajak maximal tragen. Das Wasser ist dort sehr flach, selbst bei Flut, man muss also zusehen, dass man zurückkommt, bevor das ganze Wasser futsch ist. Beim Inselchen schnorchle ich ein bisschen, die Strömung ist bemerkenswert für so wenig Wasser, aber was ich eigentlich möchte, ist näher dran ans Außenriff, denn so nah ist man dem Beschützer der Inseln nur selten. Ab und zu schwappt aber einer der Brecher auch über das Riff, und dann möchte man dem Riff wiederum nicht allzu nahe sein in seinem winzigen Kajak, also bleibe ich in adrenalinpassabler Entfernung und sehe mit offenem Mund den Wellen zu, bis die Ebbe mich zurückdrängt zum Ufer.

Am dritten Tag haben wir bei Dess die große Landtour gebucht. Wir fahren zuerst zum Museum, danach treffen wir auf eine Mitarbeiterin von Cleared Grounds, eine Organisation, die das Land nach und nach von allerlei explosiven Überresten aus dem Krieg befreit. Peleliu war Schauplatz blutiger Kämpfe im 2. Weltkrieg, die Japaner hatten die Insel besetzt, die Amis wollten sie, strategisch günstig für den Nachschub, und im Pazifik wollte man sowieso gerne mal Fuß fassen. Also dachten sie, in zwei, drei Tagen könnte man das Eiland locker ein- und den Japanern abnehmen. Es dauerte dann etwas mehr als vier Monate.

Die Japaner hatten Höhlen in die langgezogene Erhebung der Insel gegraben und sich sowie ein paar ordentliche Bumm-Macher dort verschanzt. Diese Erhebung heißt heute aus naheliegenden Gründen Bloody Nose Ridge (Kamm der blutigen Nase). Wir erklimmen diesen Kamm auf einem rutschigen Dschungelpfad, einmal falle ich dabei hin und hole mir selbst zwar keine blutige Nase, aber ein blutiges Knie. Eine Menge Höhlen sind dort zu sehen, in manche kann man auch vordringen, aber vor allem sieht man auf diesem Weg alte japanische Gewehrteile und Original-WWII-Colaflaschen aus Glas. Wir klettern bis auf den Gipfel und werden mit einem erhebenden Ausblick belohnt – man sieht das Barriereriff und die Brandung, und Richtung Süden sieht man bis nach Angaur, die nächste Insel. Auf der saßen im 2. Weltkrieg die restlichen Ami-Kumpanen, warteten, spielten Karten, rauchten Gras und wunderten sich, was die Kollegen auf Peleliu so lange treiben.

Wir schaffen den Rückweg durch den Dschungel und dürfen wieder in den Minivan einsteigen. Wir kommen an einer Menge rostiger Panzer und einem gewaltigen Monument vorbei, und zum Verzehr des Mittagessens, das kärglich ist (Sandwich), dafür aber auch sauteuer (10$), fahren wir zum Süddock, wo ein rostiger alter Kahn in der Wiese seiner Vergangenheit nachtrauert. Die Mole war mal mit Metallschienen verstärkt, die jetzt als rostigrote Farbspiele das Erdreich nur noch aus Gewohnheit zurückhalten.

Am Nachmittag kommt schließlich das, was mich am meisten interessiert: die alten Gebäude, die von der Natur zurückerobert werden. Deren gibt es drei, die wir alle ausgiebig bestapfen und bestaunen. Ich weiß eigentlich nicht so recht, woher meine Faszination für diese alten Überbleibsel kommt, aber es wird mir niemals zu öd, mir überwucherte Betonreste anzuschauen, eingestürzte Gebäudeteile, denen die Decke fehlt oder der Boden, und Mauern und Metalltore, aus denen der Farn wächst und die Lianen baumeln.

Die Sandfloh-Stiche beginnen erst in den nächsten Tagen zu jucken, hören dafür aber auch eine Woche lang nicht damit auf.

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Endspurt

Ich versuche, diese Woche alle meine Projekte hier abzuschließen, etwa den Aquarium-Folder, den ich neu gestaltet habe (der wird dann in drei Sprachen gedruckt), die “Staff Portraits” fertig zu bearbeiten, die ich letzte Woche von allen Mitarbeitern für die PICRC-Website fotografiert habe, und dann auch alle meine Daten für PICRC zu kopieren. Das alles, damit wir dann die nächsten knapp zwei Wochen bis zu unserem Rückflug am 28.2. noch ein bisschen echten Urlaub machen können und wenigstens halb so entspannt zurückkommen, wie ihr es vermutlich erwarten werdet.

Wenn es hier also diese Woche sehr ruhig ist, nicht wundern. Ich hab einfach viel zu tun.

Außerdem ist das Segelboot heute angekommen, die Okeanos, es ist ein Katamaran, vier Burschen und ein Mädel haben ihn von Pohnpei hierher gesegelt. Das Boot wird PICRC für sechs Monate zur Verfügung stehen, dank eines wohlhabenden Deutschen, dessen Namen keiner kennt. Gerade gab es eine kleine Willkommensparty für die Crew, die meisten sind aus Neuseeland, einer ist aus Fidschi. Der Kapitän Rai fliegt bald zurück nach Neuseeland, also wird der Neuseeländer mit dem beinah unausssprechlichen Maori-Namen Kaipara der nächste Kapitän.

Also hatte ich wieder keine Zeit, an oben Erwähntem zu arbeiten, denn ich musste Fotos von diesem Event machen und mich natürlich auch mit der Crew sozialisieren. Morgen darf ich dann an Bord einen Blick riskieren. Freu mich schon! (Bruder, du wirst so Schluckauf haben!)

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Zwischendurch ein paar Fotos

Die meisten Blümchen wachsen hier ja auf Bäumen oder Büschen. Hier ein bodenständiges Exemplar (Handyfoto).

Wenn wir mit dem Boot wegfahren, dann sind immer Taucher an Bord, und für die brauchen wir genügend Luft in Flaschen, die wir auf Malakal bei Carp abholen. Dort werden wir immer von diesen Hunzis begrüßt.

Wenn die Taucher dann ins Wasser hüpfen und die Tiefe des Objekts mir das Schnorcheln unmöglich machen, genieße ich meine 50 leutefreien Minuten auf dem Boot, ganz allein, nur ich, das Meer, der Selbstauslöser und El Reisehase – und auch nur fürs Foto mit Shirt.

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Kuriositätenkabinett 7

Kuriositätenkabinett • Radiergummis/Erasers #Palau #Puppenküche
Tweet von @Et0sha

Mein Kollege Lincoln kam mit diesen Radiergummis daher. Wegen Süßheit von der bestimmungsgemäßen Verwendung ausgeschlossen.

Dazu noch die Wuchtel der Woche:
Unsere Kollegin Yuen spaßhalber beim Zwischendurch-Bad im Meer am beliebten und von Touris vielbesuchten Cementery Reef: “Oh, the water is salty!”
Asap, der Aquarist und Bootskapitän: “That’s because a lot of snorkelers just left.”

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Morgen-Routine: Yuka

Wenn wir morgens am Blechl vorbei- und nach genossener Dreispurigkeit im Büro angekommen sind, kriege ich den ersten bis zehnten Schweißausbruch, weil ich zumeist mit Fotobox, Notebookrucksack, Mittagsjause und Handtasche bepackt bin und dieses Zeug in Original-Tropenluft die Stufen zu meinem Schreibtisch in der Library im ersten Stock hinaufkarren muss. Meine Kollegin Yuka ist dann meistens schon da und sitzt vor ihrem Rechner. Mein Standardsatz zu ihr lautet: “Is it just me, or is it hot today?” Mitunter sage ich aber auch “or is it cold today”, wenn ich nicht schwitze, weil’s draußen schifft und stürmt. Dazwischen gibts eigentlich nix. Yuka kichert dann immer pflichtbewusst.

Yuka ist eine junge Japanerin und als solche recht zurückhaltend, wie die Kultur es vorgibt. Nur wenn’s außerhalb der Arbeit ein paar Biere gibt, verwandelt sie sich in das Gegenteil und ist dann eine sehr ausgelassene Person, die gerne im Regen tanzt und auch sonst sehr viel Spaß hat.

Ich habe sie in diversen beruflichen Situationen unterstützt und auch zum Widerstand aufgewiegelt, wenn sie sich zu sehr fügen wollte, beispielsweise in die unerträgliche Wohnsituation bei ihrer Gastfamilie, unter der sie sehr litt. Sie hat dann tatsächlich ihren Mund aufgemacht, und seither hat sie eine neue Gastfamilie, bei der sie sich sehr wohl fühlt. Sie geht in einem Jahr zurück nach Japan. Sie wird dort eine Revoluzzerin sein, die alles auf den Kopf stellt.

Wenn Yukas Telefon läutet, spricht sie meistens mit jemandem auf Japanisch. Meinem Kopf ist sehr wohl bewusst, dass das japanische “Hai” die höfliche Version von “Ja” ist, und sogar ihr “un”, die weniger hochgestochene Ja-Version, die eigentlich nur aus “n” besteht, erkenne ich mittlerweile und weiß dann: Ah, ein Freund ruft an!

Trotz all dieser Bewusstheit: Wenn sie abhebt und als erstes “Ha-ai” sagt, und danach wieder Hai, und nochmal Hai, und danach noch sehr oft Hai, dann denkt mein Hirn irgendwann: “Und, führst du dann irgendwann auch ein richtiges Gespräch, oder willst du den Anrufer nur begrüßen, bis er auflegt?”