Corona – 15 .. Unser Weihnachten?

Dieser Artikel ist Teil 15 von 18 in der Serie "Corona" ...

Was brauchen wir wirklich für “unser Weihnachten”? Das Feiern der Nächstenliebe könnte im Jahr 2020 darin bestehen, daheim zu bleiben.

Armselig ist, wenn ein Messias geboren wird und danach in einem Futtertrog schlafen muss.
Diese Armseligkeit liegt nicht am Messias. Sie liegt an denen, die keine Herberge hatten für die schwangere Maria und ihren Mann.
So zumindest geht die Legende, diese armselige Situation war es, die von Christen zum Kult erhoben wurde – die Krippe, Ochs’ und Eselein als Mahnmal für die Hartherzigen und Fremdenfeindlichen.

Für uns ist das so normal, aber besieht man die Krippe mal aus einer etwas distanzierteren Perspektive, dann ist es schon bemerkenswert, wie so eine furchtbare, karge Situation jedes Jahr nachgestellt und angebetet wird. Die Krippe sollte als Erinnerung dienen, dass genau dieses Kind später in seinem Leben für Milde, Güte und Nächstenliebe eintrat.
Weil Milde, Güte und Nächstenliebe dringend nötig waren in dieser harten, kalten Welt.

Und das sind sie immer noch. Aus unserer Regierung hört man genau nichts über die Geflüchteten im Lager in Kara Tepe auf Lesbos, und seit gestern darf von dort auch nicht mehr berichtet werden, keine Fotos, keine Videos.
Man kann von hier aus nicht helfen, außer mit Unterstützung und Spenden (siehe ganz unten).
Man kann nur bei der nächsten Wahl sein Kreuz dort machen, wo Nächstenliebe kein Fremdwort ist.
Das ist diese “flexible Solidarität”, die sie meinen, die EU und unser Herr Kanzlerdarsteller. Wir schauen flexibel woanders hin. Wir haben schließlich unsere eigenen Probleme – die wir aber auch nicht lösen.

Daher soll nun unser Blick darauf umgelenkt werden, ob wir shoppen und skifahren “dürfen”, und was denn nun mit “unserem Weihnachten” ist. Indessen drückt uns im Fernsehen ein Spot rein, es würde uns vor einer Infektion schützen, zum Massentest zu gehen. Da piept und blinkt der Bullshit-Detektor sogar bei der Risikogruppe über 80. Und wer aus einem Risikogebiet einreisen will, der muss… Breaking: Wir sind das Risikogebiet!

Jo, und wenn alle Fingerzeige nicht helfen, droht man uns kurz mal an, die Polizei dürfe zur Kontrolle daheim vorbeikommen.

Das alles ausgerechnet von der Partei, die neuerdings Gebete im Parlament abhält, was natürlich interkonfessionell ist, aber freilich ohne Muslime auskommt (also mehr so intrakonfessionell eigentlich) – und von ihrem mundtoten grünen Anhängsel. Vermutlich haben sie keine andere Idee mehr als beten? Statt alles dichtzumachen, damit die Infektions- und Todeszahlen auf ein Maß sinken, das ein echtes Weihnachtsgeschenk wäre.

Sie zeigen auf die armen Nachbarländer, auf die Todeszahlen in den USA, weil die absoluten Zahlen eines so großen Landes ja auch so schön schockierend sind. Da muss wohl viel mehr schiefgehen als bei uns! Nur dass wir auf unserer vermeintlichen Insel der Seligen pro 100.000 Einwohner mehr Tote haben als die USA – mit unseren Werten hätten sie vorgestern (11.12.) nicht 2951 Tote vermeldet, sondern 3662. Auch Deutschland hat pro 100k nur halb so viele tägliche Covid-Todesfälle wie wir.

Corona ist aber kein Wettbewerb, und schummeln ist nicht drin. Fürchte aber, die können gar nicht mehr in anderen Begriffen denken als “Wer ist besser, wer ist beliebter, wie können wir das Desaster für uns noch positiv framen?”
Es gibt nix zum positiv-Framen, die Leute krepieren reihenweise, die Spitäler krachen, die Regierung hats verkackt!

In Deutschland wird ein harter Lockdown von einem Zusammenschluss der Wissenschaft dringend eingefordert und ab Mittwoch umgesetzt, und das bei einer Inzidenz von 20 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner.
Bei uns gibt’s hingegen bei einer doppelt so hohen Inzidenz fröhliche Lockerungen, da macht die Regierung den Handel, die Dienstleister, Museen und Schulen wieder auf. Hurra, soll das Volk doch seine Kaufkraft noch schnell ins Weihnachtsshopping leiten, bevor es verreckt.

Zur Ablenkung zeigen sie mit nacktem Finger auf die bösen Reise- und natürlich insbesondere Herkunftsländer-Rückkehrer im Sommer, während drei Finger deutlich auf sie zurückzeigen.
Und erzählen immer noch was von Eigenverantwortung, weil sie selber nichts anderes denken können als “ich, ich, ich”. Eigen.
Niemand entscheidet jetzt für sich allein. Jeder Versuch, einzelne Gruppen aus dem Infektionsgeschehen auszuklammern, führt zurück zu dem Schluss, dass alles verbunden ist. Dass wir alle verbunden sind: Die Kinder mit den Alten. Die Verleugner mit den Risikogruppen. Die Menschen mit der Wirtschaft.
Die gesuchten Worte heißen also Verantwortung und Rücksicht.
Der Aufruf zur Eigenverantwortung ist nur das Vorbauen für die nächste Schuldzuweisung an das Volk. Nach Weihnachten. Mark my words.

Statt an einer Zahl, bei der man die Kontrolle über das Contact Tracing nicht komplett verliert, die Maßnahmen an der obersten Kapazität der Spitäler festzumachen, enthielt eine klare Botschaft seitens der Regierung: Es werden so viele Kranke und Tote in Kauf genommen, wie das Gesundheitssystem gerade noch bewältigen kann, Hauptsache man kann so schnell wie möglich wieder aufsperren. Und die heilige Skisaison klappt.
Diese Kranken und Toten sind wir. Es könnte jeder und jede von uns sein, die hier einer Regierung zum Opfer fällt, die von Milde, Güte und Nächstenliebe nur vom Hörensagen weiß. Wäre es nicht gewollt, bis auf Anschlag zu gehen, dann wäre man nicht so weit gegangen.

Von welchem Weihnachten reden die also eigentlich? Ist noch dieses Christenfest gemeint?
Weihnachten ist das Fest der Nächstenliebe. Nicht der Selbstverliebtheit. Es gibt eine Menge Menschen, die jetzt Nächstenliebe und Solidarität brauchen: Die Geflüchteten auf Lesbos. Die Covid-Risikogruppen. Was für heuchlerische Christen und Christinnen wären wir, wenn wir ausgerechnet zum Fest der Nächstenliebe diese Solidarität nicht aufbringen, weil wir “unser Weihnachten” wollen?

Mit den Öffnungen ab 7.12. geht sich eine neue Welle zu Weihnachten leider gut aus. Okay, dann will die Regierung uns eben nicht schützen. Ein Ausbund an Empathie war sie ja noch nie. Dann müssen wir eben die Gscheiteren sein.

Nächstenliebe könnte heuer bedeuten: Anderen Menschen körperlich fernbleiben. Besonders denen, die man lieb hat.

Den anderen bleibt man sowieso eher fern. Und manche sind nie richtig anwesend, wenn sie mit ihrer Familie in einem Raum sind. Ich behaupte: Wenn man in der Familie keine seelische Nähe hat, dann ist Weihnachten auch nicht die Krönung für ein Jahr voller Zuwendung und Liebe. Es soll ein Ersatz dafür sein. Davon hat niemand was. Und das liegt nicht an räumlicher Distanz.

Wenn man diese Nähe aber hat, kann und möchte, dann kann man zu Weihnachten telefonieren, skypen, zoomen – den ganzen Tag über, wenn man will. Man könnte mal über wesentliche Dinge miteinander reden, vielleicht ein bisschen tiefergehend als sonst, über Gefühle, Liebe und Dankbarkeit. Man kann auch rumblödeln oder miteinander singen. Man kann sich seelisch sehr nahe sein, auch wenn man keinen Raum miteinander teilt. Man braucht nur mit seinem Herzen voll anwesend zu sein. Das ist eine Frage des Wollens.
Was wir wollen, ist, dass unsere liebsten Menschen immer noch da sind, wenn die Pandemie vorbei ist, damit wir mit ihnen feiern können.

Man kann größere Familien bestimmt auch auf mehrere Orte aufteilen, in jeder kleinen Gruppe ein Mensch, der ein iPad bedienen kann und ein jitsi- oder Zoom-Meeting zusammenbringt – dann kann man einander zur Bescherung trotzdem sehen. Dafür müssen nicht zehn Leute in einem Raum sitzen. Man kann sich organisieren, in die Gänge kommen und sich was Kluges ausdenken. Gruppen halbieren und bei dieser Halbierung bleiben, zumindest bis wir das Gröbste überstanden haben, das ist immer noch eine der besten Strategien, die wir haben. Und in diesen Gruppen: Masken, lüften, Abstand halten, nicht zu lange bleiben.

corona-rk-weihnachten Ihr könntet jederzeit schon ansteckend sein, auch wenn ihr euch gesund fühlt. Und andere können das genauso sein. Ja, auch wenn ihr vorgestern negativ getestet worden seid.

Also fragt nicht danach, was erlaubt ist. Fragt, was vernünftig ist. Glaubt nicht nur das, was euch in irgendwelchen Pressekonferenzen aufgetischt wird. Lest mehrere Zeitungen und nicht nur eine.
Hört auf die Experten!
Informiert euch über Aerosole!
Und unterstützt eure lokale Wirtschaft, wenn ihr das gefahrlos könnt.

Wenn ihr irgendwelches Halb-So-Schlimm-Geschwurbel hört, dieses oder jenes würde “nichts bringen” oder wäre “gefährlicher als das Virus selbst”, dann müsst ihr auch nicht sofort wissen, was wahr ist. Ihr müsst wissen, was nach dem aktuellen Wissensstand vernünftig ist. Entscheidet euch im Zweifel für die Vorsicht. Denn Entscheidungen dagegen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Und mögen sie nachträglich betrachtet noch so “übertrieben” gewesen sein.

corona-uebertragungsrisiko Und fordert eure Regeln ein! Das ist nicht die Zeit, sich unbesorgteren Mitmenschen zu beugen, weil man nicht als übervorsichtig verspottet werden will, sich nicht unbeliebt machen oder keinen Unfrieden stiften. Oder weil man die schlechte Nachred’ vermeiden will, die man hat, wenn man nicht in die Kirche geht.
Wenn ihr wollt, dass die Leute bei euch daheim Masken tragen, dann sagt das. Wenn ihr nur ein kurzes Treffen oder kurzen Besuch wollt, sagt das. Wenn man eure Wünsche nicht respektiert, seid ihr alleine besser dran.

Ja, ich weiß, dass Einsamkeit nicht lustig ist. Ich weiß, dass nicht jede/r die heutige Technik bedienen kann. Dass Kinder das Christkind brauchen. Dass es Ausnahmen geben muss, dass Omas abgeholt werden müssen. Dann kann und sollte man sich vorher isolieren, 10 Tage wären gut, also ab morgen.

Aber wir, die wir es können, und unsere Angehörigen, die es können – da stirbt niemand, wenn wir zu Weihnachten mal alleine zu Hause bleiben.
Wenn wir es nicht tun aber womöglich schon.

Schon deshalb sollten wir bei Nächstenliebe und Rücksicht bleiben und uns nicht von der Verrohung anstecken lassen, deren kalter Wind uns aus der Regierung contra-vorbildhaft entgegenweht.

Apropos kalter Wind: Der Flüchtlingsarbeit kann man derzeit mit Geld helfen: Etwa der lieben und engagierten Doro Blancke, die gerade in Kara Tepe auf Lesbos ist. Oder Courage Jetzt.

Denn falls der neue Messias in Kara Tepe geboren wird, müssen wir uns sonst künftig überflutete Zelte ins Wohnzimmer stellen, die im kalten Wind flattern. Als Mahnmal für die Hartherzigen und Fremdenfeindlichen.

Dieser Artikel ist Teil der Serie "Corona".Zum nächsten Teil: "Corona – 16 .. Impfung (2) – mRNA: Ausflug in die Zellfabrik" >>

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