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Winter in Palau

Zwei Monate minus einen Tag. So lange dauert es noch bis zum gebuchten Flug. Dann werde ich der Heimat zum ersten Mal in meinem Leben länger als vier Wochen fernbleiben. Mein Mann und ich werden die Wintermonate auf Palau verbringen.

Weil wir beide glauben, dass man von vier Monaten reinen Urlaubs, auch an einem noch so fremden Ort, Läuse im Kopf und Flöhe im Hintern kriegt, haben wir uns beim Palau International Coral Reef Center (PICRC) für zwei Vollzeit-Praktika beworben.

Das Center ist nicht einfach irgendeine unterhaltsame Touristenattraktion im Pazifik, es wird dort viel Forschung betrieben, natürlich vor allem zum Thema Korallenriffe, deren Erhalt, Bedrohungsfaktoren wie Klima, Erosion, sowie Aufklärungs- und Bildungsprogramme. Martin wird dort das Forschungsteam unterstützen, ich werde mich bei PR und Bildung betätigen.


(1.Foto von CasaDeQueso; 2.Foto von aSIMULAtor; 3.Foto von Tobze; alle unter CC-Lizenz)

Es ist schon länger fix, aber irgendwie noch nicht richtig real. Wir haben natürlich eine Menge vorzubereiten und zu organisieren, denn obwohl “vier Monate” nicht besonders lang klingt, fallen doch einige Termine in diesen Zeitraum – die jährliche Kfz-Überprüfung zum Beispiel, ich muss Reparaturen machen lassen und die Winterreifen vorher aufstecken lassen, weil es sein könnte, dass wir in eine beschauliche Schneelandschaft zurückkehren.

Ein zweiter Grund ist, dass mein Auto im Winter benutzt werden wird. Denn unser Haus wird gehütet, damit es sich so ganz ohne uns nicht so einsam fühlt. In diesem Zusammenhang waren natürlich etliche Erklärungen fällig, wie man die Heizkörper zur Mitarbeit bewegt, welche Sicherungen für welche Bereiche sind, welcher Müll wo hingehört und wann man davon befreit wird, wie oft die Blumen durstig sind, etc.

Ich war und bin mit Arzt- und Untersuchungsterminen beschäftigt, und mit anderen lang aufgeschobenen Dingen, die ich vorher erledigen wollte (Bikinis kaufen! Yay!) – und ein paar andere neue Anschaffungen gab’s auch.

Dann natürlich Gespräche mit den Chefs, Einschulungen in meinem Bürojob und jede Menge Notizen dazu, ein bisschen Papierkrieg, und nicht zuletzt natürlich diverse Bilanzen, die sich nicht von selber stricken. Jeder darf sein Soll haben.

(Als die Planung losging, hatten wir uns angesichts der schieren Aufgabenmenge übrigens für Astrid als begleitende Aufgabenhüterin entschieden – eine App für Handy und Web, in der man Aufgabenlisten teilen konnte und einzelne Aufgaben einem bestimmten Teilnehmer zuordnen, kommentieren, abhaken, informiert werden. Sehr praktisch, sehr sympathisch, sehr gratis, und mittendrin wurde Astrid von Yahoo gekauft – und die Server abgedreht. Kein guter Zeitpunkt und eine ungemeine Sauerei. Ja, es gibt noch andere Apps. Nein, es gibt keine bessere.)

Bisher wollte ich hier nicht über Palau schreiben – als würde ich das Schicksal herausfordern, indem ich zu früh das ungelegte Ei begackere. Langsam wird es mir aber zu unübersichtlich, wer es schon weiß und wer noch nicht, und meine Bloggeschichten sprechen sich ja recht schnell herum, wenn auch für mich immer wieder überraschend. “Weiß ich schon, hab ich in deiner Pfanne gelesen!”

So here’s something to talk about! Wie hält man es vier Monate ohne Freunde und Familie aus? Und ohne Hund? Was nimmt man mit, und wie trägt man das alles? Was lässt man hier? Wie schützt man die Kameras vor der Feuchtigkeit? Fragen über Fragen!

Ihr findet uns dann jedenfalls dort an dieser Stelle, und ganz sicher gibt es auch Fotos und Berichte in dieser Pfanne.

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This is how I work

Wahaaa, es hat mich ein Stöckchen getroffen! Und ich habe es bemerkt! Das ist mir seit Jahren nicht passiert. Es ist schon richtig schön glattgegriffen und flog mir von der lieben Sero ins Haus. Hier also nun ein paar Antworten auf brennende Fragen zu meinen Blog- und Organisationsgewohnheiten.

Blogger-Typ:
Unstete, aber über die Jahre konstante Lieferung von Betrachtungen aus meinem Kopf und Herz, mit Tendenz zu sprachlichen Spitzfindigkeiten, Erklärungen von liebenswerten Erscheinungen im ostösterreichischen Dialekt, auch mal Zurechtrückungen von gesichtslosen Köpfen, und mit dem einen oder anderen empörten oder emotionalen Ausbruch. Blog in Pfannenform, unter Verweigerung so mancher Aspekte der “neuen” Rechtschreibung, politischer Korrektheit und Gendering. Am sonnigen Rande eines Seitenarms der Blogosphäre.

Gerät­schaf­ten digi­tal:
HP EliteBook 8540w, mit numerischer Tastatur für den Brotberuf
iPhone 4
Zoom H2 (und seit heute neu: H4n) Digital Audio Recorder
Canon Powershot G11
Sony Alpha 300

Gerät­schaf­ten ana­log:
Stolze Sammlung von Kugelschreibern, Faserschreibern und Flügelmappen und jeder Menge Zeichen- und Malgerätschaften unterschiedlichster Natur, von Acryl bis Airbrush. Nein, ich bin keine Künstlerin, vielmehr bin ich Kunstmaterial-Sammlerin.
Außerdem besitze ich eine beachtliche Anzahl an qualitativ hochwertigen und formschönen Notizbüchern, sogar solchen mit Trennblättern und Ringbindung und kitschigen Hochglanzbildern auf dem kartonierten Deckel, in die ich irgendwie nie schreibe, weil’s mir drum leid tut. Schade um das schöne, jungfräuliche Buch! Stattdessen finden meine Ideen und organisatorischen Aufzeichnungen auf sogenanntem “Schmierpapier” statt, und zwar jenem, das gerade am nächsten liegt, meistens ist das ein Kuvert.

Arbeits­weise:
Ich arbeite nicht, ES arbeitet in mir, von selbst, und eines Morgens erwache ich dann und weiß: Heute schreibe ich genau das. Manchmal gären Ideen wochenlang vor sich hin, manchmal nur einige Tage. Ich schreibe jedenfalls nie “auf Befehl” oder “weil ich grad Zeit hab”, sondern immer nur, wenn’s quasi schon drückt. Manchmal schreibe ich etwas und stelle dann fest, ich hatte das schon vor ein paar Jahren mal verbraten. Das ist eben echte Persönlichkeitskonstanz.

Wel­che Tools nutzt du zum Blog­gen, Recher­chie­ren und Bookmark-Verwaltung?
Wordpress zum Bloggen, zum Recherchieren das Web und ein von mir heißgeliebtes Wortschatz-Buch, zur Bookmark-Verwaltung Firefox, Evernote – und die F12-Taste, auf der QuickNote von Ac’tivAid liegt, für unsortiertes und schnelles Strg+v. Dort siehts in etwa so halborganisiert aus wie in meinem Kopf.

Wo sam­melst du deine Blogideen?
Im prallen Leben selbst, in Erlebnissen, in meinem Empfinden dabei. Mitunter motiviert mich Ärger zum Schreiben, oder wenigstens wunderndes Kopfschütteln. In Gesprächen mit meiner besten Freundin, da loten wir die Tiefen menschlichen (=eigenen) Verhaltens aus oder amüsieren uns über Absurdes. Insgesamt ergibt das sehr viele unterschiedliche Themen. Ich schreibe, womit ich mich gerade befasse. Darum beginnen auch viele meiner Einträge mit “Unlängst…”, was soviel heißt wie “Neulich”, aber viel schöner ist, weil es den Satz gleich mal mit einer strapaziösen Verneinung beginnt.

Was ist dein bes­ter Zeitspar-Trick/Shortcut fürs Bloggen/im Internet?
Sich Zeit zu nehmen – und jene Zeit zu nutzen, in der der Drang zum Schreiben am größten ist – oder überhaupt zu allem, was getan werden muss. Mir ist aufgefallen, dass es bei mir so eine Art Biorhythmus gibt – fürs Arbeiten, fürs Schreiben, fürs Nähen, Gartenarbeit oder Bewegung genauso wie fürs Faulenzen, für Nickerchen – und ich richte mich danach, soweit eben möglich, indem ich darauf höre, was mein Körper und meine Seele gerade wollen. Ich arbeite zwei drei Fünftel der Fünftagewoche selbständig, und kann daher ein bisschen jonglieren.
In diesem Sinne wäre mein Ratschlag: Bei Widerwillen zu viel Gegendruck vermeiden! Wenn’s gerade nicht geht, lieber mal ein Stück spazierengehen. Am besten unter Zuhilfenahme eines Hundes. In einer guten Stunde kann man mehr erledigen als in drei schlechten.

Benutzt du eine To-Do-List-App?
Eigentlich nicht. Manchmal tippe ich Dinge in die “Erinnerungen” am iPhone ein, ich benutze nämlich mitunter gerne die Funktion “Erinnere mich an einem Ort” – “Bei der Ankunft/beim Verlassen”. Es gibt auch in meinem Evernote eine Kategorie, die “ToDo” heißt, aber da stehen mehr so mittelfristige Dinge drin, die an keinen Termin gebunden sind, mir aber gerne beim Einschlafen einfallen, zu einem Zeitpunkt also, an dem ich zu deren Erledigung absolut nichts Produktives beitragen kann. (Darüber müssen wir eh mal reden, Hirn. Wozu soll das bitte gut sein?) Wenn ich solche Dinge aufgeschrieben habe, fühle ich mich sicherer.

Wie oben erwähnt, findet der Großteil meiner kurzfristigen “Organisation” aber eher auf Kuverts statt, was zumeist der Tatsache geschuldet ist, dass ich zu faul bin, um von meinem Stuhl aufzustehen. Dort stehen dann wild durcheinander HTML-Farbcodes, kurzfristige Reminder für Erledigungen, Telefonnunmmern ohne zugehörige Namen, die ich an ihrer Verzierung wiedererkenne, welche wiederum ich beim Telefonieren anzufertigen pflege. Mitunter fotografiere ich Teile davon ab und speichere sie in Evernote.

Anstatt sich ToDo-Listen zu schreiben, sollte man lieber beginnen, Geschafft-Listen anzulegen. Eine Woche Geschafft-Items, der Zettel kommt dann aufs Klo, wo man ihn ein paar Mal am Tag sehen kann. Dann hätte man nach einer Woche vielleicht nicht so sehr das Gefühl, nichts weitergebracht zu haben in dieser sisyphosösen Welt. Hab’s aber erst wenige Male geschafft, eine solche Liste zu schreiben. Muss ich gleich auf die ToDo-Liste… wo ist denn… ah, hier ist ein Kuvert, das geht auch.

Gibt es neben Tele­fon und Com­pu­ter ein Gerät, ohne das du nicht leben kannst?
Ohne dass ich nicht leben kann? Wäre übertrieben. Man kann ohne sämtliche Geräte leben, und wahrscheinlich gar nicht mal so schlecht. Aber es gibt welche, die ich sehr liebe. Meine Gitarre. Mein Auto. Meinen Wasserkocher. Meinen Sparschäler und mein schönes scharfes Küchenmesser, ohne die der tägliche Verzehr von Frühstücks-Mango nicht ganz so einfach wäre. Den HD-Recorder, mit dem sich so gut die Werbung überspringen lässt. Der Hochdruckreiniger für Pool und Terrasse. Meine in die Jahre gekommene Mini-Heizdecke für Schultern, mein rheumageplagtes Brustbein und manchmal auch für meine Füße. Es sind eher alte Dinge, an denen ich hänge. Also am ehesten: die Heizdecke.

Gibt es etwas, das du bes­ser kannst als andere?
Die Fragen werden ja immer schwieriger! Bestimmt gibt es das. Aus Vorhandenem etwas improvisieren, das ewig hält und auch noch gut aussieht. Sagen, was ich denke. Tippfehler finden. Mitfühlen. Singen. Und Steuererklärungen ausfüllen.

Was beglei­tet dich musi­ka­lisch beim Bloggen?
Maximal ein Ohrwurm, und das ist mir oft schon zu viel. Ich kann nicht arbeiten, wenn Musik spielt, weil mein Musikerhirn immer (mindestens) die Hälfte seiner Aufmerksamkeit Richtung “Ah, da sind lustige Töne!” abzweigt. Das gilt fürs Schreiben ebenso wie fürs Nähen – zumindest für die anspruchsvolleren Abschnitte dabei – und für die Arbeit mit Zahlen, mit Fotos, eigentlich für fast alles. Wenn ich Musik höre, dann bewusst, manchmal beim Autofahren, beim Malen oder bei der Gartenarbeit.

Wie ist dein Schlafrhyth­mus – Eule oder Nach­ti­gall Lerche?
Irgendwie beides, verändert sich auch immer wieder. Ich versuche, früh schlafen zu gehen, um am nächsten Tag nicht den Sonnenschein zu verpassen. Erstens weckt der mich sowieso, wenn die Rolläden nicht komplett zu sind: Das erste Photon, das auf meine Augenlider trifft, schlägt in meinem Hirn den Gong an. Dann krieg ich Hunger. Dann will ich frühstücken. Und ich mag den frühen Morgen, wenn noch alles kühl, still, jungfräulich und wunderbar ist. (Jetzt, im Mai. Im Dezember, wenn’s statt hell nur dunkelgrau wird, kann mir der ganze Tag gestohlen bleiben.)
Wenn’s also sonnig ist, bin ich recht früh auf, dafür mach ich am Nachmittag ein Schläfchen, denn so um vier bin ich von Kopf bis Fuß auf Schläfchen eingestellt.

Aber wenn ich abends den Müdigkeitspunkt mal übertaucht und mich gerade in was verbissen hab – ich bin nämlich mit einer verheerenden Hartnäckigkeit gesegnet, sowas kann man sich gar nicht vorstellen, bei Recherche oder Software oder Projekten – dann bin ich auch bis spät in die Nacht auf, was sich dann als Rhythmus in die nächsten Tagen einschleicht. Irgendwann merke ich aber, dass mir der frühe Morgen fehlt, und ich gewöhne mich wieder zurück.

Eher intro­ver­tiert oder extrovertiert?
Schwankend. Ich bin gern unter Menschen, aber nicht wahllos. Unter Fremden fühle ich mich eher unwohl. Am Fluss, in der Natur mit dem Hund eher sauwohl. Ich unterhalte mich gerne, lieber tiefsinnig als oberflächlich, blödel gern herum, aber ich kann auch mit mir allein sehr gut, und brauche das Alleinsein auch. Richtig öffnen möchte ich mich nur sehr wenigen Menschen.

Wer sollte diese Fra­gen auch beantworten?
Der Hannes, wenn er möchte, und mein Brüderlein. Und der T.M., falls es ihn noch irgendwo gibt.

Der beste Rat, den du je bekom­men hast?
When in doubt, go for the experience.

Noch irgend­was wichtiges?
Ich bin nicht undiplomatisch. Das fühlt sich nur so an. Ich bin einfach fürs Schönreden zu ehrlich und fürs Verstellen zu authentisch.

Ursprünglich hat Isabella Donnerhall dieses Stöckchen ersonnen und hier alle bisherigen Antworten gesammelt. Ich finde das sehr wohlorganisiert und löblich.

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Das Ende naht

Wenn virtuell sich in echt verwandelt, ist das immer ein ganz eigenes, unwirkliches, warmes Gefühl. Heute früh kam ein Paket an, darin waren gar wunderbare Kekse, die ich bisher nur von Bildern in einem gewissen Blog und auf Facebook kannte. Jedesmal lief mir das Wasser im Mund zusammen – heute früh war das Wasser nicht vergeudet! Danke für diese gelungene Überraschung!

Ich hab euch lieb, ihr Bloggerkollegen und Leser. Euch allen da draußen ein wunderbares Weihnachtsfest und schöne, geruhsame, gelassene Feiertage. Danke, dass ihr auch dieses Jahr hier mit dabei wart, und das nicht ganz so unregelmäßig wie ich selbst. Rutscht gut rüber in das Jahr, in dem das 21. Jahrhundert zum Teenager wird, und hoffen wir, dass die Welt damit auch erwachsener wird, reifer, friedfertiger, gerechter, und trotzdem nicht den Humor verliert und die Lust zu lieben, verrückt zu sein und einfach lauthals zu leben. Von Herzen meine besten Wünsche euch allen!

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Wunschkonzert

Meine lieben Leser, die ihr doch immer mehr seid, als ich glaube!

Ich wünsche Euch von Herzen schöne Feiertage, lasst es Euch gutgehen, esst auf keinen Fall zu wenige Kekse, und lasst Euch nicht von familiären oder anderen Sonderbarkeiten ins Bockshorn jagen. Mögen die Tage langsam vergehen, wenns grad nett ist, und sich sputen, wenns grad nervt. Vor allem aber denkt daran, dass ihr es immer selbst in der Hand habt. Alles andere ist soo yesterday. ;) Atmet tief, seid einfach ihr selbst, und alles wird gut.

Ich freu mich auf ein neues Jahr mit Euch, mal fleißig, mal auf Sendepause, aber stets die Eure!

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Verein der Blogger mit seltsamen Krankheiten

Letztens hatte ich ein online-Schwätzchen mit Herrn jawl, der wiederum von einer anderen Bloggerkollegin zum Bloggen seiner seltsamen Krankheit angeregt wurde. Ihr seid nicht allein, rufe ich euch da sogleich zu, und beteilige mich am pathologischen Striptease.

Allerdings ist die komplette Story meiner Erkrankung nicht nur gewaltig lang, sondern auch ebenso langweilig zu lesen. Stattdessen möchte ich nur relativ kurz berichten, was mir fehlt, und zum Schluss, rein aus aufarbeitungspsychologischen Gründen, ein paar Fragen in die Vergangenheit schicken.

Ich habe seit Ende 1998, da war ich 24, Schmerzen im Brustbein, in den Ellbogen, Schultern, Schlüsselbeinen, Rippen und in verschiedenen Gelenken. Auch ein Ausschlag an Handflächen und Fußsohlen gesellte sich später hinzu. Panikattacken wegen Herzstolpern und der Brustschmerzen (Huhu, Herr jawl!) waren lange meine Begleiter und kommen auch jetzt noch ab und zu vor, ebenso schubweise Zahnentzündungen. Die Aufzählung weiterer Symptome spar ich mir hier. Ich war jedenfalls wegen ihrer funkelnden Vielfalt freilich auch immer “psychisch extrem auffällig”.

Man hat mich über Jahre zum nächsten Arzt weitergeschickt (aber erst sehr spät zur Rheumatologie), mir unnötige Medikamente verschrieben, die mir nicht halfen und mir den Magen ruinierten, hat mir nicht geglaubt und mich mit, je nach Arzt, gleichgültigen bis spöttischen Kommentaren bedacht, mich jahrelang alleingelassen. Die Schmerzen waren so heftig, dass mir das Fenster im dritten Stock Altbau damals in Wien sehr oft sehr verlockend vorkam.

Meinen damaligen Job musste ich zuerst auf 30, dann auf 20 Stunden reduzieren und schließlich ganz aufgeben.

Die Suche gab ich trotzdem nicht auf, recherchierte viel im – damals noch recht medizinarmen – Internet, versuchte weiter, eine Lösung zu finden, raffte mich immer wieder zum nächsten Anlauf auf, von den Schmerzen gleichermaßen angetrieben wie sabotiert. Eine amerikanische Mailingliste mit Costochondritis-Betroffenen half mir seelisch sehr. Erst im dritten Jahr kam ich an eine fähige Schmerztherapeutin, die mir etwas Erleichterung verschaffen konnte – mit ordentlichen Schmerzmedikamenten und Akupunktur. (Dr. Laciny, Wien, wärmste Empfehlung!) Die erst sehr viel später angeordnete Szintigraphie zeigte deutlich die entzündungsbedingten Knochenveränderungen an meinem Brustbein – nicht, dass darauf eine Diagnose gefolgt wäre.

Diese bekam ich erst im September 2007: SAPHO-Syndrom / CRMO (Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis), eine rheumatische Erkrankung. Jemand hatte doch mal meine Befundmappe aufgeschlagen und die Verbindung zwischen dem schon zuvor als “zum psoriatischen Formenkreis gehörend” diagnostizierten Ausschlag und den Gelenks- und Knochenproblemen hergestellt. (Dr. Schmidt, wärmste Empfehlung!)

Wäre da nicht mein Mann gewesen und seine (nicht nur, aber auch) finanzielle Unterstützung, damit ich “privat” zum Arzt gehen kann (Schmerztherapie und Rheumatologie, demnächst auch Zahnarzt), würde ich vermutlich immer noch auf eine Diagnose warten. Ich habe über die Jahre unglaublich viele unfähige Ärzte erlebt, unglaublich viele Frechheiten eingesteckt und unglaublich viele Tränen geweint, sowohl aus Schmerz als auch aus Enttäuschung, Frustration und ohnmächtiger Wut nach einem weiteren fruchtlosen Arztbesuch.

Heute bin 37, zwar nicht schmerzfrei und auch nicht so leistungsfähig wie andere Leute, aber es geht mir besser als 1998. Die Schübe kommen immer wieder, aber ich habe zwei recht brauchbare medikamentöse Strategien dagegen – und immer noch den Eindruck, dass es insgesamt weniger wird statt mehr. Ich werde von einem lieben Freund regelmäßig und professionell massiert. Für die Schmerzmittel, die ich gut vertrage, muss ich ein Rezept vorlegen, so verlangt es die Bürokratie, dafür darf ich sie aber auch selber zahlen – die Kasse kommt dafür aus diversen Gründen nicht auf. Schön, dass ich jetzt zwei Jobs habe, bei dem man sich auf mein Auftauchen verlassen kann, mich aber nicht auf einen bestimmten Tag festnagelt und mir damit gestattet, mich sehr flexibel nach meinem Körper zu richten.

Ich habe mich aus einem sehr tiefen Loch zurück hinauf ans Tageslicht des Lebens gearbeitet. Falls jemand Rat und Hilfe zu den Themen Rheuma / chronische Schmerzen / Gelenksschmerzen / Panikattacken / Arztsuche braucht, kann er sich gerne an mich wenden, oder an das Forum rheuma-online – sehr nette Menschen da.


Ein paar Fragen in die Vergangenheit
(Muss man nicht lesen, ist nur zu Deponie- und Loslasszwecken hier)

Ist Ihre Sprechstundenhilfe eigentlich zu allen Patienten so scheiße unfreundlich oder nur zu denen mit chronischen Schmerzen? Und nimmt sie eigentlich immer Diagnose und Behandlung vorweg, oder nur bei einfachen Fällen wie meinem?

Ich bin also nicht der Typ, der Dinge zu Ende bringt? Ein kleiner Auszug gefällig? Lasertherapie, fünf Physiotherapien, TENS-Behandlung, Akupunktur über viele Monate samt Dauernadeln in den Ohren, drei Antibiotika-Kuren gegen nicht vorhandene Keime, sechs Monate Antibiotika-Kur gegen nicht vorhandene Knochentuberkulose, eine Hypnosetherapie und zwei Hyperthermiebehandlungen, bei denen ich über Stunden ein Thermometer im Arsch hatte. Mit der Qualität Ihrer Behandlung kann mein Therapieabbruch nichts zu tun haben?

Halten Sie als Arzt es für möglich, dass die Berichte und die mündliche und schriftliche Krankheitsgeschichte des Patienten einen gewissen Informationsgehalt haben, auf den Sie zur Diagnosefindung nicht von vornherein verzichten sollten?

Und Sie glauben nicht, dass nach jahrelangen chronischen Schmerzen die Verspannungen auch von den Schmerzen kommen könnten – und nicht umgekehrt?

Haben Sie, Herr Doktor, sich schon mal bewusst gemacht, wie viel Einfluss auf den Patienten ein Äußern Ihrer persönlichen Erwartung in Bezug auf den Therapieerfolg hat? Würden Sie angesichts dieser Erkenntnis nicht lieber doch den Mund halten als zu sagen: “Ich glaub ja nicht, dass das was bringt, aber probieren wir halt mal jenes”?

Würden Sie, Herr Orthopäde, vielleicht mal in Betracht ziehen, den Patienten zu einem Rheumatologen zu überweisen, wenn Ihnen die Anzahl der Symptome zu hoch vorkommt und Ihre ewige Theorie “Das kommt alles von der Wirbelsäule” sich nicht und nicht beweisen lassen will? Und in Betracht ziehen, vielleicht mal ein Buch aufzuschlagen, bevor Sie äußern: “Das Brustbein KANN einem nicht wehtun”?

Ist den Herren Politikern bewusst, dass Sie mich mit Ihrem “Verhindernwollen einer Zweiklassenmedizin” regelmäßig zum Lachen bringen?

Übrigens: Wer mir aufgrund alter und neuer Erkrankungen dummdreist das Urteil ‘spirituelle Unreife’ aufdrückt (ja, das gabs letztens auch), der darf mir gerne, aber aus rheumatischen Gründen nur einmalig, den Buckel runterrutschen.

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Wie’s mir geht

Bin immer noch geschafft und zu müde für ein normales Leben. Heute konnte ich mich nicht zu vielem aufraffen, andauernd bin ich in irgendeiner Ecke des Hauses eingeschlafen und war auch sonst sehr unproduktiv. Ich vertraue einfach drauf, dass mein Körper schon wissen wird, was er will, und sorge mich nicht übermäßig, denn das macht mich nur noch müder. Habe am Telefon mit meiner Mutter ein Rätsel gelöst, aus sozialen Gründen. Sogar ein selbstgekochtes Essen resultierte am heutigen Tag aus einer vorübergehenden Aufwallung von Spannkraft, und ich habe ein, zwei Mails getippt.

Freundliches Feedback zu meinem Blog flatterte nämlich per Mail ins Haus, darüber hab ich mich sehr gefreut. Man fragt an, ob ich denn ans Bücherschreiben schon gedacht hätte. Danke, danke, eh nett, ja, hab ich, aber hier schlägt meine pathologische Lustlosigkeit zu, was das Klinkenputzen und Freundlichschauen betrifft.

Eine Ausstellung im Naturhistorischen Museum Wien zum Thema Parasiten hab ich verpasst, das ist weniger erquicklich. Auch die Aufnahme eines Internetereignisses ist mir nicht lückenlos geglückt, weil ich bei einer von mehreren Gelegenheiten die falsche Aufnahmequelle eingestellt hatte, dadurch hab ich genau das verpasst, was ich am liebsten gesehen hätte – Lee Harris, live singend. (Das ist ein Channeler und Musiker aus England, den ich sehr gerne mag.) Dafür bin ich jetzt im Besitz einer dumpfen Aufnahme der Geräuschkulisse, wie sie entsteht, wenn man seine Nachbarn zum Grillen zu Gast hat, inklusive Gelächter, Perlvorhanggerassel, Hundegetrappel und Geschirrgeklapper. Da kommt keine Freude auf, höchstens Appetit.

Außerdem hab ich eine Freundin wiedergetroffen, die ich länger nicht gesehen hatte, das wiederum war mir überaus angenehm. Und ich hab das warme Wochenende sehr genossen; den Rheumatiker an sich macht ja kaum etwas zuverlässiger glücklich als trockenes, stabiles Wetter. Nicht, dass ich frühere Wochenenden nicht genossen hätte, oder auch Wochentage, überhaupt das Leben an sich, wenn es gerade gut war oder auch nur nicht so schlecht. Auch jene slightly good times, die subtilen Alles-ist-eh-ganz-ok-bis-ziemlich-gut-Momente, die nicht jedem Dahergelaufenen sofort ins Auge bzw Herz springen, erkenne und anerkenne ich geradezu mit meisterlichem Können, was mich die universelle Ursache “Mehr Bewusstheit für die guten Momente schaffen” als zugrundeliegende Kraft für meine jüngste Erkrankung mit sehr hoher Sicherheit ausschließen lässt. Weitere Ursachenforschung ist auch nicht geplant, ich meine ja nur.

Jetzt aber such ich mir eine neue Ecke, in der ich mich zusammenrollen kann und mein Vertrauen in meinen Körper setzen. Alles andere kann warten.