Wenn man sich mit Politik beschäftigt, der Politik, die nach außen hin, dem Bürger ins Gesicht, gemacht wird, stellt man bald ein paar Dinge fest, die sich immer wiederholen. Vor den Wahlen schreiben sich die Parteien allerlei Errungenschaften auf die Fahnen, die sich mit ihren tatsächlichen Leistungen nicht so recht decken oder gar welche, gegen die sie noch vor ein paar Monaten im Parlament gestimmt haben. Es gilt das Motto: Schuld sind immer die anderen, und das waren sie auch in dieser Angelegenheit. Das tun sie völlig ungeniert, als hielten sie uns für blöd und unsere Gedächtnisleistung für eine, die jener einer gewöhnlichen Stubenfliege nicht unähnlich ist.
Nach den Wahlen sind sie wieder genauso kleingeistig, konservativ und verhandlungsunwillig wie vorher, und besonders erlahmt wirkt jener, der den begehrtesten aller Sitzplätze erjagt hat: Den Kanzlersessel. Das Möbel muss ja so unfassbar bequem sein. Nicht, dass man darin eine Macht besäße, die man tatsächlich zu nutzen plant. Es ist offenbar mehr das Sitzen an sich.
Dann kommt eine Steuerreform. Es werden Steuern abgeschafft, dass man denken könnte, wir würden im Geld schwimmen, und Absetzbeträge und Freibeträge aus dem Hut gezaubert, die jede Steuererklärung noch ein bisschen aufregender machen – anstatt frühere Beschränkungen in Absetzbarkeiten mal wieder aufzuheben und das zu vereinfachen, was schon vor Jahrzehnten zu kompliziert war und seither nicht eben besser wurde. Es sollen ja die Formulare nicht leerer werden und die Steuerberater sich nicht langweilen. Außerdem will die Wirtschaft zur Investition stimuliert und die Kinderkrieger belohnt werden.
Und dann passiert es, plötzlich und zur kolossalen Verblüffung aller: Es geht am Arsch die Haut net zsamm, und zwar hinten und vorne gleichermaßen, und das meine ich rein finanziell. Seit Neuerem wird diese Tatsache hilfsbereiterweise auch von außen in Form von diversen AA-Kriterien taxiert. Unglücklicherweise wird ein Sparpaket nötig. Nicht das erste in der Republik, und ganz bestimmt auch nicht das letzte. Wir wollen uns die nächste Reform ja auch noch leisten können.
Daher werden die zuvor abgeschafften Steuern wieder eingeführt, oder es wird lange darüber diskutiert, ob und wie man das könnte, Dinge, die schon tausendmal diskutiert wurden, für unser Geld Verhandlungsstundensätzen, wohlgemerkt. Oder noch besser, man denkt sich einfach ein paar neue Manöver aus, die den Menschen genau das aus der rechten Hosentasche ziehen, was man ihnen gerade erst in die linke gesteckt hat. Dazu behauptet man, Xy käme ganz bestimmt nicht, sodass das ahnungslose Bürgerohr sich schonmal an den Begriff Xy gewöhnen kann.
(Und nebenbei, um es hier mal ganz klar zu sagen, bei allem Verständnis für den Neid auf die “Besserverdiener”: Vermögensteuern besteuern Geld, das bereits versteuert ist. Wenn man gegen Schwarzgeldverdiener vorgehen will, muss man das anders anpacken: Erleichtern, wo Gewerbe-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht einem Selbständigkeitswilligen die Zukunft verbauen, nicht hinterher Dinge besteuern, die man sich von bereits verdientem und (allenfalls) versteuertem Geld leisten konnte.)
Wird einem Politiker im TV eine Frage gestellt, dann antwortet er stets recht ausweichend und lenkt das Thema gar nicht unauffällig auf etwas völlig anderes, am liebsten auf das, was die gegnerische Partei sich an Unterlassungen geleistet hat und… siehe oben. Sieht man allzu oft bei solcherlei Befragung zu, führt das zu Aggressionsschüben oder Traurigkeit, und zum Gefühl, dass man als Bürger für die Wahrheit nicht für wertvoll genug gehalten wird. Vulgo: “Verarscht doch wen anderen, ihr Deppen, ich dreh jetzt ab.”
Für all diese Leistungen wird der Politiker fürstlich entlohnt und sieht daher keinen Grund, sich anständig zu benehmen in seinen Äußerungen und Behauptungen, oder gar selbst mal ein wenig zurückzustecken, was seine Bezüge oder Sonderleistungen betrifft. Oder sich einfach mal verständlich zu äußern und eine Frage direkt zu beantworten.
Sparen heißt in der Politik, mehr Geld hereinzuholen als vorher, das ist mit der überaus schwierigen Entscheidung verbunden, an welcher Stelle man sich am meisten unbeliebt machen möchte. Das ist nicht die wörtliche Bedeutung von Sparen, die uns beigebracht wurde. Für den Bürger heißt es vor allem, den Gürtel enger zu schnallen. Sparen ist, liebe Politiker, wenn ich weniger ausgebe und mir daraufhin Geld übrig bleibt, das ich in mannigfachen Sparformen oder kunterbunten Kopfkissenbezügen anlegen kann.
Nach einigen Jahren gibts dann – Achtung, völlig neue Strategie! – eine neue Steuerreform. Für alle Steuerzahler, die nicht gerade erst aus dem Ei geschlüpft sind, haben die angebotenen Zuckerln einen ungemein bitteren Nachgeschmack. Sich solchermaßen verarscht zu fühlen führt dann ganz natürlich dazu, dass man sich nicht mehr mit Politik beschäftigt. Ich persönlich bin nicht politikmüde. Ich bin tot.