Zu Beginn ist ja alles etwas gewöhnungsbedürftig. So ist es auch hier – die Unterkunft im Palheiro Village ist zwar mehr als prächtig, liegt aber direkt an der Straße. Das sei mir nicht bewusst gewesen, sage ich zu Frau Rezeption, als sie uns in unserem Appartment herumführt. Sie werde später mit dem Manager sprechen, erwidert sie, und ich denke, jaja, sicher – nicht. Komme mir auch etwas undankbar vor, hatte ich doch ein 1-Bedroom gebucht und später, im Zuge des Mailverkehrs vor der Abreise, von ebendiesem Manager ein 2-Bedroom-Upgrade bekommen – einfach so, weil es unser erster Besuch ist.
Also packen wir aus, organisieren unser Zeug und erspüren dabei die beachtliche Größe des Appartments mit den Füßen. Ich bringe den DVD-Player dazu, meine mp3s vom Stick abzuspielen und freue mich, dass der Fernseher das gleiche Logo trägt wie der daheim, und mir seine Bedienung daher geläufig ist, selbst mit portugiesischem Menü. Und meine Kosmetik-Box passt ganz genau in das Regal im Bad – Zufall oder göttliche Fügung?
Eine Stunde später klingelt es, dass mich beinahe der Herzzickzack ereilt, was passieren kann, wenn einem bislang nicht bewusst war, dass man überhaupt eine Klingel hat. Und tatsächlich steht da der Manager auf der Matte, strahlt mich an und will uns noch ein anderes Appartment zeigen, das etwas weiter hinten liegt. Wir stapfen also gemeinsam den Weg runter und besichtigen einen weiteren Palast. Dessen Pracht ist vergleichbar – die Aussicht jedoch nicht. Also entscheiden wir uns für den Straßenlärm, und das hat folgende grandiose Gründe:
Es stellt sich später heraus, dass gegen Abend sowieso kaum Verkehr auf dieser Straße ist – so wenig, dass ich schon sehr gutes Timing brauche, um diese Shots überhaupt hinzukriegen:
Und untertags bleibt doch auf Madeira sowieso kein Mensch zuhause.
Das einzige, was man von der Straße tatsächlich mitkriegt, ist Staub. Der setzt sich auf den Terrassen ab (ja, wir haben zwei) – man muss also vor dem Frühstück ein bisschen Staub wischen, wenn man den Bauch des Brötchens nicht mit Reifenabrieb gepfeffert haben möchte. Davon abgesehen gibt es aber nix zu meckern. Wir haben so unglaublich viel Platz, dass wir uns schon jetzt vor der Heimkehr und dem damit einhergehenden Beengungsgefühl fürchten.
Jeder hat sein eigenes Bad mit Fußbodenheizung (in einem der Bäder liegt ein Haartrockner bereit), im Wohnzimmer gibt es neben den TV/DVD-Gerätschaften auch einen Kamin, die Küche ist phantastisch ausgestattet mit Herd, Backrohr, Toaster, Mikrowelle, Kühli/Tiefkühli, Wasserkocher, Geschirrspüler und Waschmaschine mit Trockner, und auch an Kleinigkeiten wurde gedacht – es gibt Küchenrolle, Spülertabs, ein großes Schneidbrett und scharfe Messer (die in Urlaubsappartments großen Seltenheitswert haben), Geschirr und Besteck in rauhen Mengen, Flaschenöffner, ein Tablett, sogar einen Nussknacker und eine Schere.
Das einzige, was ein bisschen fehlt, ist eine klassische Kaffemaschine. Nicht mir, aber meiner Mutter. Der Kaffee aus dem Stampf-Pott ist nicht das Wahre, sagt sie, und hängt fortan ihre mitgebrachten Kaffeefilter oben in den Glaspott, fixiert mit unseren zwei einzigen Wäscheklammern, vorsichtig und tröpfchenweise aufgegossen mit Wasser aus dem Kocher. Manchmal geht das gut, und sie trinkt Filterkaffee zum Frühstück. Manchmal macht es platsch! und fluch! – und sie trinkt Fruchtsaft.
Wir fühlen uns trotzdem wie Göttinnen in Frankreich und lustwandeln unter indirekter, dimmbarer Beleuchtung von Terrasse zu Terrasse, zwischen gediegenen Möbeln und über den kuscheligen Wohnzimmerteppich. Man hat hier beinahe an alles gedacht – außer daran, die Appartments olfaktorisch sauber zu trennen. Eines Abends macht sich jählings eine üppige Geruchswolke bei uns breit. Jemand ist in das Appartment unter uns eingezogen, vielleicht Buffy und Professor van Helsing, und die erfreuen sich nun, kurz nach Mitternacht, an einer selbstgekochten Mahlzeit. Meine Phantasie liefert Bilder überdimensionaler, fettiger Pfannen voll brutzelnder Shrimps, die in einer zentimeterdicken Knoblauchschicht ihre letzte Ölung empfangen.
Unsere Ermittlungen hinsichtlich der Herkunft bleiben für einige Minuten völlig erfolglos – die Terrassentüren sind geschlossen, die Dunstabzugshaube gibt keinerlei Geruch von sich, der für Dunstabzugshauben ungewöhnlich wäre, unter der Eingangstür weht uns auch keinerlei Mief entgegen – als Schnüffler versagen wir kläglich. Doch dann fällt mir an der rechten Seite des Kamins ein Lüftungsgitter ins Auge – zum Glück nur sinnbildlich – und der Schnüffeltest ergibt umwerfenderweise: Das ist der Weg, den der flüchtige Eindringling nimmt. Eine Duftdrüse geradezu! Dort ein Mal tief luftholen, und die Blutfette aus Jahrzehnten sind wie weggeblasen.
(Rechts am Kamin sieht man den Übeltäter, am übrigen Bild die generelle Prächtigkeit des Domizils.)
Mit einem Stück befeuchteter Küchenrolle decke ich das Gitter ab und hoffe, dass die Gewebezwischenräume im Zellstoff kleiner sind als Allicinmoleküle. Es hilft ein bisschen, doch man kann noch am nächsten Morgen im Wohnzimmer den Geruch deutlich wahrnehmen. Eines anderen Abends später in der Woche gibts bei Buffy&Abraham Würstchen, doch da wissen wir ja schon, was wir zu tun haben – mit einem Wettex klappts noch etwas besser. Ganz geruchfrei bleibt es aber auch bei dieser Gelegenheit nicht. Am letzten Tag fällt mein Blick zufällig auf die andere Seite des Kamins, und dort thront ein weiteres Lüftungsgitter, viel weiter oben als auf der rechten Seite, unschuldig und natürlich unbedeckt. Unsere Fähigkeiten als Schnüffler erreichen also noch nicht das Niveau CSI Funchal.