Bekämpfung
Wir sind nach der langjährigen Konfrontation mit unseren ruppigen seelischen Mitbewohnern, den Schweinehunden, meist der Resignation näher als dem Willen zum Sieg. Hinterrücks schlich sich irgendwann das Gefühl ein, dass wir gegen sie einfach nicht gewinnen können. Das muss nicht so sein! Es geht hier schließlich um unsere nackte Freiheit!
Leidensgenossen und deine Machtergreifung
Oft kann man als Befallener das freudige Zappeln kaum unterdrücken, wenn man erkennt, dass es noch andere Leidende gibt. Mitmenschen zu haben, denen es ganz prächtig geht, ist gut – aber Leidensgenossen zu haben ist besser. Auch der Erfolg von Selbsthilfegruppen fußt auf diesem einfachen psychologischen Prinzip. Also Kopf hoch, du bist nicht der einzige Grünschnabel, der mit seiner Lebensenergie diesen besonderen Parasiten durchfüttert. Schweinehunde der einen oder anderen Art sind in beinah jedem von uns heimisch; ob wir uns die Viecher nun in der Erziehung eingetreten oder abgeschaut haben, oder ob wir später im Leben vorsätzlich infiziert oder heimtückisch befallen wurden.
Die Kenntnis dieser Tatsache kann auch Hemmungen oder Gefühle von Unzulänglichkeit im Umgang mit schwierigen Zeitgenossen abbauen. Jede Geschäftsbesprechung wird kurzweiliger, und dein Lächeln gewinnender, wenn du dabei stets ein klares Bild des schmierigen Schweinehunderudels im Inneren deines Geschäftspartners oder Kollegen vor dir hast. Auch er ist nicht ganz allein, wenn du weißt, was ich meine.
Der Austausch mit Gleichgesinnten ist also überaus hilfreich und sorgt selbst dann noch für einen gewissen Fluss in der Unterhaltung, wenn du überhaupt keine Ahnung hast, was zum Geier du mit deinem Gegenüber eigentlich reden sollst.
Aber zur Auseinandersetzung mit deinem Schweinehund brauchst du nur dich selbst. Du brauchst keinen Dritten, keinen Arzt und keinen Exorzisten. Der wichtigste Schritt zur Ausschaltung der Schweinehund-Meute ist, ihre Existenz und ihr Wirken zu erkennen – und die Verantwortung zu übernehmen.
Das klingt paradox? Verantwortlich ist doch der Schweinehund, weil er in dir wirkt? Irrtum – du bist verantwortlich, weil du ihn wirken lässt! Aber auch in den äußeren Bedingungen deines Lebens sind doch immer alle anderen schuld? Du bist stets das Opfer der Umstände? Lass es mich vorsichtig formulieren: Steig runter vom Kreuz – da braucht jemand das Holz.
Aber zur Versöhnung: Ob du nun deinen Schweinehunden todesmutig entgegentrittst oder sie einfach wirken lässt, ist eigentlich völlig nebensächlich. Wichtig ist, dass du deine Wahl triffst und dich mit den Konsequenzen daraus, wie immer sie ausfallen werden, einverstanden erklärst.
Akzeptanz, Abgrenzung, Aushungern
Du nährst also den Schweinehund (noch) mit deiner Aufmerksamkeit und der Energie, die du ihm entgegenbringst. Aber er ist kein Mensch – geliebt zu werden ist also nicht sein Ziel. Er möchte, dass du ihm glaubst! Er will die gehorsame Erfüllung seiner destruktiven Anweisungen oder wenigstens aufgescheuchte Energien. Du magst keinerlei Einfluss auf sein Wirken haben, aber du hast Einfluss auf deine Reaktion darauf.
Das ist wertvolles Wissen, wenn du dem Schweinehund entgegentreten willst. Dann nämlich lautet dein Ziel, ihn gnadenlos auszuhungern. Zorn, Verzweiflung, erbitterter Kampf, das alles wäre Kraftfutter für deinen Schweinehund. Manche Ratgeber empfehlen dir ja, angesichts des unvermittelten Auftretens innerer Kläger, die eisern über dich richten, “Einspruch, Euer Ehren” zu rufen und deinen eigenen Verteidiger zu spielen, also aus voller Kraft für dich zu argumentieren. Das ist sicher ein unterhaltsamer Zeitvertreib für verregnete Abende, aber ebendiese Kraft, die du in die Argumentation steckst, kommt dabei zu hundert Prozent dem Schweinehund zugute. Und letztlich ist es gar keine intellektuelle Auseinandersetzung, sondern eine auf der Gefühlsebene. Du kommst also mit einem Messer zu einer Schießerei.
Ich empfehle vielmehr: Lass dich auf keine Diskussion mit ihm ein, denn das Schwein argumentiert polemisch, es war schließlich in deiner Kindheit auch dabei. (“Weil ich es gesagt habe, deswegen.”)
Eines der Killerargumente, die ich bisher entwickelt habe, funktioniert allerdings erstaunlich gut: Dem Schweinehund kurz und gleichmütig zu erklären, dass er sich a) feige da drin versteckt, anstatt ein eigenes Leben zu führen, dass er 7. noch nie etwas eigenes zuwege gebracht und daher gar keine Ahnung hat von der Welt da draußen und h) infolgedessen jetzt gefälligst die Fresse hält.
Akzeptanz allerdings ist keine aufgescheuchte Energie; wenn der Schweinehund sich regt, und du ihn bemerkt hast, kannst du also gefahrlos akzeptieren, dass er da ist. (“Aha, hier plappert ein Schweinehund – in Ordnung.”) Du kannst ihn sogar mit offenen Armen empfangen! Freu dich, dass du ihn ertappt hast! Danach kannst du dich klar von ihm abgrenzen. (“Es ist nicht meine Überzeugung, sondern seine, die ich da vernehme. Meine eigene lautet: …”) Ein paar positive Inhalte (Affirmationen) finden sich dafür hoffentlich auch nach langer Zeit des Schweinehundbefalls noch in deinem eigenen Fundus.
Nach dieser Abgrenzung atmest du tief durch, lauschst kurz auf dich selbst – und tust dann frohgemut das, was du selbst für das Richtige hältst.
Ich weiß, das sagt sich leicht, tatsächlich ist hier die Unterscheidung und das Treffen einer Wahl oft gar nicht so einfach. Aber vergiss nicht, dass du bislang wenig Übung darin hattest, zu tun, was dir gefällt! Das Ruder selbst zu übernehmen wird mit jedem Mal leichter.
Diese friedliche Gehorsamsverweigerung wird den Schweinehund fuchtig machen – denn er büßt seine Nahrung ein. Am Ende dieser Dauerdiät wird er nur noch ein schwindsüchtiger Abglanz seiner selbst sein und sich so umgehend wie geschwind trollen, um nährstoffreichere Gefilde zu suchen.
Was von unseren eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Überzeugungen übrig bleibt, wenn man die Schweinehunde wegrechnet, ist tatsächlich sehr wenig und einfach, sehr natürlich und wahrhaftig. Die Suche nach dem Schweinehund ist also zugleich die Suche nach dem wahren Kern deines Selbst.
Affirmationen
Nicht vergessen, gute Affirmationen sind immer in der Gegenwart und positiv formuliert! “Ich werde mich bestimmt nicht unterordnen” ist keine. “Ich triumphiere” aber schon.
Viele Leute haben ja was gegen Affirmationen. Sie finden sie lächerlich, während sie im gleichen Atemzug anderen die dringende Notwendigkeit attestieren, ihre verzagte Einstellung abzuschütteln. Und sie glauben, dass mit Affirmationen die tatsächlichen geistigen Inhalte nur übertüncht werden. Fürwahr ein überaus pfiffiger Gedanke, aber dann muss man sich konsequenterweise auch mal klar machen, wie viele negative Affirmationen wir uns tagtäglich so einverleiben! (“Du schaffst das bestimmt wieder nicht, du bist dafür zu doof, zu hässlich und zu ungeschickt, das weißt du doch, du alter Tölpel, erinnerst du dich, vorgestern vor allen Leuten im Supermarkt? Außerdem ist das Schicksal, diese Sau, sowieso immer gegen dich, am besten legst du dich, anstatt es zu versuchen, überhaupt gleich zum Sterben hin.”)
Es ist ganz erstaunlich, was manche von uns an Aussagen über sich selbst einfach hinnehmen und oft sogar für wahr halten! Auf einen Fremden, der sowas Hundsgemeines über unseren besten Freund sagt, würden wir dagegen sofort losknüppeln – weil wir wissen, dass es nicht wahr ist.
Vielleicht übertünchen diese negativen Inhalte ja auch etwas – unsere grundsätzlich positive Einstellung womöglich? Sie sind nichts weiter als eine schlechte Angewohnheit. Wenn wir also schon die Fähigkeit haben, Gedankengut zu erlernen und uns unsere Gedanken buchstäblich auszusuchen – warum sollten wir sie dann nicht nutzen?
Für jene, die völlig vergessen haben oder sogar nie gesagt bekamen, wie wunderbar, liebenswert und einzigartig sie sind, hier ein paar Anregungen zum Vervollständigen:
♥ “Ich bin es wert, …”
♥ “Ich bin so einzigartig …”
♥ “Ich habe es verdient, …”
♥ “Das ganze Leben dreht sich nur um mich!”
♥ “Niemand kann so gut ich selbst sein wie ich!”
Das klingt ungewohnt? Ein Grund mehr, sich ein paar davon zurechtzulegen – nur für alle Fälle. Understatement und Bescheidenheit sind so von gestern.
Klassifizierung, Vielfalt, individuelle Eigenschaften
Caniporcus internus wird in zwei Klassen eingeteilt. Diesen Klassen und den ihnen untergeordneten Kategorien wollen wir uns in den nächsten Folgen nacheinander widmen:
C.i. inhibens
Der große Vermeider. Er legt vermeidendes oder zumindest verzögerndes Wirken nahe, wo auch noch die hirnrissigste prompte Handlung naheliegender, klüger und zielführender wäre.
C.i. compellans
Der große Anstifter. Er regt zu Tun, Treiben und dreisten Äußerungen an, wo Still- und Klappehalten oder sogar Totstellen weitaus angebrachter wäre.
Der früher für compellans übliche Terminus Einen tief in die Scheiße reitender Schweinehund wird heute nicht mehr gebraucht, da er auf beide Klassen so sehr zutrifft, dass sich diese Tatsache für die eindeutige Zuordnung als irritierend erwies.
Wenngleich uns beide Klassen gleichermaßen antreiben oder abhalten können, so sind sie doch schwerpunktmäßig auf einem Gebiet tätig, und daher auch in jener Klasse zu finden, in der ihr zentrales Wirkungsgebiet liegt.
Jene Fälle, in denen wir tatsächlich etwas tun, wenn Handeln gefragt ist, und die Fresse halten, wenn’s gerade richtig gut passt, sind übrigens nicht auf einen zufällig wohlwollenden Einsatz der Schweinehunde zurückzuführen, sondern auf einen Etappensieg von Instinkt und gesundem Menschenverstand.