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Ein böhmisches Dorf

Die Verwandtschaft kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen – könnte man das jedoch, würde sich wohl so mancher von euch jene entzückende Verwandtschaft erwählen, die ich in Tschechien habe. Insbesondere mein tschechischer, hm, nennen wir ihn der Einfachheit halber Cousin, weil er in meinem Alter ist bzw. so alt wie mein Bruder, auch wenn Cousin eigentlich so nicht stimmt – die Verwandtschaftsverhältnisse sind aufgrund verschobener Generationen etwas komplizierter.

Zu den Zeiten, als der eiserne Vorhang noch zwischen uns und unseren tschechischen Verwandten stand, empfanden wir es alle als reichlich ungerecht und tragisch, dass wir nur alle vier oder fünf Jahre die Gelegenheit hatten, einander zu sehen – noch dazu durfte nicht die ganze Familie aus der CSSR ausreisen, sondern es musste immer jemand zurückbleiben. Mein Bruder und ich genossen die knappe Zeit mit unserem Cousin immer sehr, wir haben ihm stets eine Menge österreichischer Schimpfworte beigebracht und andere immens wichtige Vokabeln.

Seitdem die Grenzen geöffnet sind, ist zwar die Tragik verschwunden, die gegenseitigen Besuche sind aber auch nicht häufiger geworden, zumindest nicht was mich betrifft. Man hat einander seither zwar zum Geburtstag und zu Weihnachten oder Neujahr angerufen, aber nur sehr selten gesehen. Die Tochter meines Cousins ist schon vier, und ich hatte sie noch nicht mal kennengelernt. Früher waren eben meine Eltern und die Eltern des Cousins stets dafür zuständig, Besuche und Treffen zu vereinbaren. Offenbar habe ich viel zu spät gecheckt, dass ich mit nunmehr fast 35 Jahren schön langsam selbst für Kontakt sorgen muss.

Also tat ich das und setzte endlich in die Tat um, was wir schon seit fünf Geburtstagstelefonaten immer wieder am Telefon besprechen – wir fuhren übers Wochenende nach Zlín.
Die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit meiner Familie ist wirklich unschlagbar. Obwohl ich vorab lautstark verkündet habe, dass wir uns für die zwei Nächte ein Hotelzimmer nehmen wollen, um niemandem Umstände zu bereiten und auch in Ruhe ausschlafen zu können, erfahre ich im Laufe der Hinfahrt über sieben Ecken, dass mein Cousin gedenkt, uns seine komplette Wohnung zur Verfügung zu stellen und für das Wochenende samt Frau und 4jähriger Tochter woanders zu wohnen, damit wir unsere Ruhe hätten.

Sogleich bemächtigt sich da eine beträchtliche Verlegenheitsröte meiner Visage, wie man sich unschwer vorstellen kann. Aber kurze Zeit später, nach dem Abklingen meiner Wehklagen (‚Nein, das ist ja furchtbar unangenehm, ich stäärbää!‘), ist mein Cousin am Telefon nicht von seinen Plänen abzubringen, hätte er doch, wenn er mit seiner Familie bei meiner Mutter oder meinem Vater zu Besuch war, auch noch nie ein Hotelzimmer nehmen müssen. „Is absolut kaine Problem, Susy, jo?“ Stimmt soweit – für Übernachtungsmöglichkeiten war für ihn und seine Familie auch bei uns immer gesorgt. Aber eine eigene Wohnung hatten sie bei uns nie zur Verfügung. Schon gar nicht eine so aufgeräumte.

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Auf der Fahrt: Faszinierender Industriecharme in Břeclav

Ein ziemlicher Jammer ist, dass wir Kinder der österreichischen Familie nie Tschechisch gelernt haben, obwohl sogar mehrere Familienmitglieder es sprachen und uns Kindern hätten beibringen können. Aus diversen Gründen kam es leider nie dazu. Ich verstehe ein paar Worte und kann artig Danke sagen, aber das war’s auch schon. Auch mein Vater, der jetzt in zweiter Ehe mit einer Tschechin (aus ebendieser Stadt) verheiratet ist, musste die Sprache eigens erlernen, weil sein Vater sie ihm nie beigebracht hatte. Der Krieg war daran schuld und viele persönliche Umstände.

Aber mein Cousin spricht Deutsch, und zwar auf sehr kreative Weise. Selten gelingt es mir, Dinge so simpel und so verständlich auf deutsch zu formulieren, wie er das kann. Abgesehen von seiner Verwendung universeller Worte wie ‚Quartier‘, ‚ideal‘ oder ‚Risiko‘ hat er auch wunderbare spontane Ideen, wie eine allgemeinverständliche Aussage sich anzuhören hat. Als er nach der Bedeutung des Wortes ‚wahrscheinlich‘ fragt und ich ihm mit Händen deute, wo sich auf einer halbrunden Skala von 180 Grad ‚absolut nicht‘, ‚vielleicht‘, ‚wahrscheinlich‘ und ’sicher‘ ungefähr befänden, ohne für diese Skala einen einfachen Ausdruck parat zu haben, da denkt er kurz nach und sagt dann strahlend: „Joystick von Möglichkeiten!“ Meine Bewunderung dafür ist immer wieder grenzenlos.

Netterweise sorgt mein Cousin vor Ort auch für das richtige Programm: ein Besuch im wunderschönen Zoo von Zlín, ein Stadtbummel, eine Besichtigung der Stadt von oben von der Terrasse des Mrakodrap aus, dem ‚Wolkenpeiniger‘ – dem Wahrzeichen des Tomáš Baťa, der mit seiner Schuhfabrik und seinem späteren Bürgermeisteramt praktisch die ganze Stadt im Bauhausstil entstehen ließ.

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Typische Backsteingebäude aus der Ära Baťa Blick über die Stadt

Mrakodrap stand da schon, als es in Wien noch gar keine ‚Wolkenkratzer‘ gab, was meine Großmutter in früherer Zeit immer sehr zu beeindrucken pflegte. Der Chef Tomáš Baťa war dort früher in seinem Büro in Form eines vergrößerten Aufzuges(!) gesessen, um sämtliches Geschehen stets im Auge zu behalten.

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(Der Aufzugsbereich am Gebäude links… …war früher das Büro des Chefs)

Mein Cousin hat zum touristischen Programm viel Hintergrundinformation parat – und noch viel mehr Essen. Gebratene Ente nach dem Zoo, danach darf ein Besuch bei den Eltern des Cousins im Häuschen am Waldrand in Hvozndá natürlich auch nicht versäumt werden, freilich mit Kaffee und Apfelstrudel und viel Hallo.
Abends – d.h. knappe zwei Stunden später – eine fette Stelze (in Germanien sagt man dazu auch Eisbein, seltsamerweise auch dann, wenns gebraten ist).
Am nächsten Tag mittags ein schönes Hühnchen mit allerlei Beiwerk – man kann sich kaum mehr bewegen. Doch wer würde schon auf die wunderbare böhmische Küche einfach verzichten wollen – oder können?

Bis zum nächsten Treffen wird jedenfalls nicht mehr so viel Zeit vergehen, das ist sicher. Es war ganz wunderbar, alle wiederzusehen und füreinander Zeit zu haben. Mein Vater war mit seiner Frau dabei, auch das war sehr schön. Richtig familiär eben.

Einige weitere Bilder vom Industriecharme und der Terrasse nachfolgend. Die Bilder aus dem Zoo kommen dann separat – immer schön eins nach dem anderen.

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Hurra! Fotopfanne wieder online!

Den Glorienschein zum Jahresausklang bekommt heuer mein Bruder ehrenvoll verliehen – er hat meine Fotopfanne wieder zum Laufen gebracht!

Und natürlich kommen hier sofortigst meine letzten (und mittlerweile auch schon etwas angegrauten) Photoshop-Basteleien, wie vor Äonen angekündigt.

Ein Klick auf das Bild öffnet die jeweilige größere Ansicht in der (externen) Galerie.
Eine Registrierung in der Fotopfanne, und du bekommst die Bilderchens auch in noch größerer Version kredenzt! Echt erschöpfende Infos *g* zur Galerie gibts hier.

Kugel5 Es handelt sich um Spielereien derselben technischen Natur, aber unterschiedlicher Ausgangsmotive.
Hier war das Motiv eine recht typische Häuserzeile im niederösterreichischen Weinviertel.

Nun ist es kein übermäßiges Problem, im Photoshop ein Bild in allen möglichen Varianten zu verzerren, zu wölben, zu kräuseln oder sonstwie in Schwingung zu versetzen – um es jedoch in eine Kugelform zu bringen, muss man ein bisschen tricksen.

Kugel2 Die simple Anleitung lautet: Das Bild (oder die Arbeitsfläche) um 180° drehen, sodass das Motiv auf dem Kopf steht. Dann den Filter ‚Verzerrungsfilter – Polarkoordinaten‘ anwenden, mit der Einstellung ‚Rechteckig -> Polar‘. Die beinah durchgehende Symmetrie kam hier durch eine Spiegelung des Motivs zustande.
(Grundkenntnisse in PS setze ich voraus; grundsätzliche Aktionen wie ‚Bild als Ebene einsetzen‘ u.ä. führe ich hier also nicht an. Wer dazu Tipps braucht, bitte in Kommentarform nachfragen.)
Hier dient als Motiv ein Panoramabild, das in Valencia entstanden ist, im Kunstpark neben der Ciudad de las artes.

Kugel4 Feintuning: Das Bild erstmal ’seamless‘ machen. Bei den meisten Motiven ist das sinnvoll; manche Übergänge können natürlich auch mit hartem Übergang reizvoll sein. Zum Tunen bietet sich der Filter ‚Verschiebungseffekt‘ an (‚Sonstige Filter‘). Das Motiv auf diese Weise um ein paar hundert Pixel horizontal in sich verschieben (‚durch verschobenen Teil ersetzen‘), dann wird der Übergang schön sichtbar. Diesen kann man dann mit üblichen Tricks (Stempeln, Verwischen u.ä.) ein bisschen ausbügeln.
Natürlich kann man (wie im vorigen Bild) die Anpassungen auch erst nach der Verkugelung vornehmen.

Hier der abendliche Ausblick aus dem Kurhotel in Heviz, in dem meine Mutter jeden November ein paar Wochen zu verbringen pflegt. (Und ich ein paar Tage mit ihr – zum Besuchen, Quatschen, und natürlich zum Verzehr des sensationellen ungarischen Federviehs.)

Kugel1 Ein landschaftlich eher unspektakuläres Panorama mit viel Himmel. Wenn wie hier am Grundmotiv nur sehr wenig ‚Erdfläche‘ zur Verfügung steht, muss man das Bild ev. nach unten mit entsprechender Farbe verlängern, um eine von der Größe her halbwegs brauchbare Kugel zu generieren.

Richtig rund werden die Kugeln natürlich nur bei quadratischen Ausgangsmotiven – es muss also eventuell vor der Polarkoordinaten-Filterung beschnitten, gedehnt oder gestaucht werden. Natürlich kann man auch die Kugel selbst im Nachhinein stauchen, um sie in eine ansehnliche Form zu bringen. Diese Stauchungen sind dann aber natürlich nicht mehr ‚linear‘ im Sinne der ursprünglichen Ausdehnungen, was u.U. störend sein kann.

Kugel6 Nach der Vorbereitung des Motives wie beschrieben (Übergang bügeln, Stauchen oder Erdboden nach unten verlängern) muss man in jedem Fall daran denken, das Bild auf den Kopf zu stellen, bevor man den Filter ‚Polarkoordinaten‘ startet – sonst ist der Boden außen und der Himmel innen am gekugelten Bild!

Die transdanubische Skyline bei Nacht. Transdanubien ist die halb-offizielle Bezeichnung des nördlich der Donau gelegenen Stadtteiles von Wien.

PICT3856efa Hier noch eine etwas andere Spielerei, die ich aus einem hundsordinären Sonnenaufgangsbild in einigen Nachbearbeitungsschritten generiert habe. Hat mit den Kugeln oben im Grunde nichts zu tun, außer dass sie am selben Tag entstanden ist.

Allen PS-Bastelmotivierten wünsch ich viel Erfolg beim Nachbauen! Bei photoshopinduzierten Wutanfällen empfiehlt sich ein Aufenthalt an der frischen Luft nicht unter 20 Minuten. Ein Ball, den man richtig fest treten kann, ist dabei ein echt guter Begleiter.

Feedback ist natürlich nicht nur erlaubt, sondern erwünscht und erbeten.

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Besungen

Ich habe ein Geschenk bekommen, so kurz vor Weihnachten. Es kam nicht in einem Karton mit der Schneckenpost. Es ist überhaupt nichts, was man anfassen könnte. Es ist ein Stück Musik – nein, eigentlich zwei Stück, in einem Album. Ich bekam es per Mail, mit ein paar sehr netten Worten von einem Menschen, der mir bis dato völlig unbekannt war. Er hat hier auch noch nie kommentiert, scheint sich aber öfter hier durchzuklicken.

Wenn auch der nachfolgende Mailverkehr im Grunde mehr verwirrt hat, als er enträtseln konnte, ist es ganz bestimmt das kreativste Geschenk, das ich je bekommen habe – und auch das überraschendste. Sehr persönlich. Und sehr schräg!
Fühle mich gebauchpinselt – danke, lieber Fex!