[Aus der Aufholjagd-Serie • Geschriebenes, bisher nicht Verbloggtes]
Wie ich hier schonmal kurz erwähnte, waren wir am Samstag von unserer Kollegin Shirley zur traditionell palauanischen Ngasech ihrer Schwester eingeladen. Das ist eine First Childbirth Ceremony, also eine Erstmutterschafts-Feierlichkeit. Hochzeiten sind hier nicht wirklich üblich, aber diese Feier ist eine wichtige Sache im Leben einer jungen Frau und ihrer neuen Familie.
Nach überstandener Geburt wird die junge Mutter tagelang mit heißem Wasser, Ölen, Blättern und Kräutern behandelt. Auch eine Schwitzhütte dürfte im Spiel sein. Charlene vom Front Desk erzählte mir außerdem, dass man als dunkelhäutige Frau nach der Geburt dunkle Flecken in der Haut entwickeln kann, und dass die Behandlungen dagegen tatsächlich sehr gut helfen, wie sie auch insgesamt der strapazierten und überdehnten Haut guttun.
Als Abschluss dieser Behandlungstage wird dann eine Feier veranstaltet, zu der vor allem die weiblichen Anteile der Familie eingeladen werden. Ursprünglich war die Ngasech wohl überhaupt reine Frauensache, mittlerweile ist man dabei offenbar in stärkerem Ausmaß bekleidet als früher, und die Männer dürfen auch beiwohnen, sollen sich aber im Hintergrund halten.
Wir Ausländer freuen uns natürlich über diese Gelegenheit, die hiesigen Gepflogenheiten aus nächster Nähe zu beobachten. Man empfahl uns Frauen zuvor allerdings, uns zu diesem Anlass “unrevealing” zu kleiden, also die Reize verhüllend – was aber in diesem Fall weniger mit dem Ausschnitt zu tun hat als mit den Knien. Dazu erzähle ich später mal mehr. Jedenfalls hätte mich an diesem unglaublich heißen Tag mit blauem Himmel und Sonnenschein kaum etwas dazu gebracht, in der Mittagshitze, die hier ja schon frühmorgens beginnt, eine Hose in Dreiviertellänge und eine beärmelte Bluse zu tragen – außer dem Respekt vor Traditionen. Meine Aufgabe besteht hier vertrackterweise nicht nur darin, im Schatten zu sitzen und mir Luft zuzufächeln, denn Shirley hat uns gebeten, so viele Fotos wie möglich zu machen.
Zu Beginn der Feier ist die frischgebackene Mama noch nicht in Sicht, die Familie trudelt nach und nach im Garten ein, um das Haus herum sind Zelte aufgebaut, Stühle verteilt, alles wird hübsch mit Blumen und Palmwedeln dekoriert.
Wir ausländischen Gäste haben unsere eigene Ecke, unter einem Zelt, das zu Beginn noch etwas Schatten spendet. Die Band spielt bereits palauanische Weisen, die Musik und die Stimme der Sängerin erfährt eine Verstärkung, die für ein Stadtfest am Hauptplatz einer mittelgroßen Metropole durchaus reichen würde. Meine Aufgabe wird mir nicht nur durch die Anwesenheit dieser ohrenbetäubenden Musik erschwert, sondern auch durch die Abwesenheit von Oropax, die wir nach einiger Zeit durch zweckentfremdete Zigarettenfilter notdürftig zu ersetzen suchen.
Die weiblichen Gäste tanzen immer wieder um die Sängerin herum, wedeln mit Geldscheinen und stecken diese in den Ausschnitt der Sängerin, wenn der Song zu Ende ist.
Ich knipse, aber kollapsfreies Tanzen könnte ich mir bei der Hitze nicht vorstellen. Es wäre aber auch an dieser Stelle noch gar nicht angebracht – wir Ausländer sollen uns zurückhalten bis zum Ende der Zeremonie. Es ist so heiß, dass Adam, der Mann unserer Kollegin Danika, sich ein Plastiksackerl mit Eiswürfeln unter seinen Hut steckt. Und der sitzt nur, während ich die Deko und die Gäste fotografiere.
Als die Musik eine Pause macht, versammeln sich im Haus die Clan-Ältesten zum Rate. Dann bekommen wir eine Bentobox mit einem reichlichen Mahl. Es geht recht ausgelassen zu, doch unser Trüppchen begegnet der Feierlichkeit mit dem nötigen Ernst.
Auch an anderen Stellen wogt die Stimmung ihrem Höhepunkt zu.
Schließlich kommt der Moment, auf den alle warten: Die frischgebackene Mama erscheint in der Tür und tritt gesalbt, geölt und das Haar mit Blumen geschmückt aus dem Haus. Zum Beweis ihrer Behandlungen hält sie ein Blatt eines öligen Baumes mit der rechten Hand hoch, die linke Hand berührt den rechten Ellbogen. In dieser Position wandelt sie langsam auf Matten dahin, die ihr vor die Füße gelegt werden, bis in die Mitte des Gartens, wo sie traditionell der Familie des Kindsvaters präsentiert wird.
An dieser Stelle verharrt sie in exakt dieser Körperhaltung. Das Meckern über die Hitze vergeht uns, denn diese Stelle ist in der prallen Sonne, und die Frau darf sich noch nichtmal an der Backe kratzen, während über die nächsten eineinhalb Stunden die anderen Frauen zur Musik um sie herumtanzen, ihre Beine mit den bereitgestellten Ölen und Wässerchen und Palmwedeln benetzen, ihr Geld zustecken, johlen, lachen, singen und sich fotografieren lassen – alles mit vollem Körpereinsatz.
Eine schier endlose Anzahl an Songs folgt, die von verschiedenen Sängern vorgetragen werden, immer wieder erscheinen andere Frauen zum Tanz, es werden nicht mehr nur Geldscheine geschwungen, sondern auch diverse reife Früchte von den Geschenktischen – eine Fülle an selbigen übrigens, der ich in Palau so noch nicht begegnet bin.
Nach all diesen Tänzen erscheint endlich der Vater mit dem Baby, das genauso frischgebacken ist wie die Mutter selbst, und dann geht’s an die Gruppenfotos, die nochmal eine halbe Ewigkeit verschlingen, während mein Mitgefühl ganz der Frau gilt, die da in der Sonne brutzelt. Am Ende darf sie sich endlich setzen, dann geht sie schließlich auf ihren Matten ins Haus zurück.
Wie man auf den Fotos sehen kann, halten sich selbst die einheimischen Frauen nicht allesamt an das Kleidungsgebot, ich bin aber trotzdem froh, nicht respektlos gewesen zu sein. Was für ein Erlebnis, so einer Feier beiwohnen zu dürfen! Falls noch eine Frau während unserer Zeit hier zufällig ihr erstes Kind gebären sollte, hoffe ich allerdings auf einen Tag ohne akute Hitzschlaggefahr.