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Weit weg von Cindy

Meine Augen sind heute sehr verquollen. Ich meine sehr, sehr, mit Tränensäcken und allem. Dabei sind da gar keine Tränen mehr drin. Alles gestern ausgeweint. Mein Hund! Meine Mama schickt mir am Freitagmorgen dieses E-Mail, in dem steht, dass es Cindy in den letzten Tagen nicht mehr so gut ging. Ging! Sie schreibt “ging”, und ich glaube, jetzt ist alles vorbei, sie haben sie einschläfern lassen, und sie schreibt mir das Geschehene erst in der letzten Palau-Woche, auf Raten, damit ich nicht die ganze Zeit über traurig sein muss. Oder Cindy lebt noch, aber es geht sich nimmer aus, ich seh meinen Hund nicht mehr, wenn ich heimkomme. Wegen einer einzigen Woche! Ein paar beschissenen Tagen!

Das Geschwür, das Cindy am Bauch hat, ist viel größer geworden und schließlich durch die Haut gebrochen. Es blutet. Die Tierärztin, meine Tierärztin, die Cindy und mich seit Ewigkeiten kennt, die ich sehr mag und schätze, gibt nur Silberspray und Käspappeltee. Meine Mama bindet eine Windel um Cindys Bauch. Cindy will nicht aufstehen, nicht trinken. Und ich sitze hier und kann absolut nichts tun als eben das: hier sitzen.

Daheim könnte ich vielleicht auch nicht mehr tun. Doch mein Hund hat meine Anwesenheit seit Monaten nicht gespürt. Sie muss glauben, ich wollte sie nicht mehr und hab sie verlassen. Sie muss glauben, ich liebe sie nicht mehr. Sie muss glauben, wenn selbst jetzt, wo es ihr so schlecht geht, keiner von uns beiden kommt, dann wird nie wieder jemand kommen. Was für ein Alptraum. Ich liege heulend in meinem Bett und ziehe die Decke an mich, stelle mir vor, sie läge bei mir, ich könnte sie festhalten und meine Nase in dem weichen Fell an ihrem Kopf vergraben.

Als es mir schlecht ging, vor Jahren, als ich über Monate, Jahre, solche Schmerzen hatte, ohne Diagnose und ohne Hoffnung auf diese besondere Heilungsfähigkeit des Menschen, wo man einfach schlafen geht, und am nächsten Morgen ist alles wieder gut – da war sie da. Sie war meine Therapie. Ich wachte eines Morgens auf und wusste, ich will einen Hund. Martin hielt das für verrückt, ich konnte kaum aufstehen oder rausgehen, war depressiv und insgesamt einfach “nicht in der Verfassung”. Trotzdem wollte ich es, ich wusste, das tut mir gut, wir hatten immer Hunde, als ich ein Kind war.

Ich sah mir einige Welpen an, bevor ich sie fand. Sie raste auf mich zu in der kleinen Korneuburger Wohnung, in der ich sie zum ersten Mal sah, ein schwarzes Energiebündel, das mir sein rotes Quietschtier vor die Füße warf und gleich in die andere Richtung losstartete, noch bevor ich es aufheben und werfen konnte. Ich wusste es sofort.

Wir hatten es nicht leicht mit dem Sauberwerden in der kleinen Wohnung im dritten Altbaustockwerk, es ist dort schwieriger, einem Hund beizubringen, wo er darf – vor der Wohnungstür? Auf den Stufen? Aber sie checkte es so schnell. Und dann nahm ich sie mit nach Mauerbach, zum Hundeverein, wir machten den Welpenkurs und Begleithunde I, bei Regen und Sonnenschein und Schnee stapften wir durch den Wald zu der kleinen Lichtung, von der das Gebell kam. Es half mir. Ich ging wieder raus, unter Leute, und ich hatte Gesellschaft, wenn Martin arbeiten ging. Ich war nicht mehr allein.

Sie ist jetzt natürlich nicht allein. Aber ich bin nicht bei ihr. Jetzt, wo sie mich braucht, bin ich am anderen Ende der Welt, mit einem Flugticket für nächsten Freitag, das nicht umbuchbar ist.

Ich heule andauernd, ich will mit Mama telefonieren, ich will meinen Flug umbuchen, aber daheim ist jetzt Nacht. Wir sollen Roni und Naor und Yeong Shyan zum Mittagessen im “Taj” treffen, als kleine Abschiedsfeier für uns. Martin findet, ich sollte mitgehen, mich ablenken. Ich will nicht, aber ich gehe, mit Sonnenbrille, obwohl es regnet. Als wir weggehen, sitzt draußen vor unserem Apartment an der Wand ein grimmiges, riesiges Insekt, schwarz, mit langen Fühlern.

Sie trösten mich und umarmen mich. Wir bekommen zwei Foto-Postkarten von Yeong Shyan, eine für jeden von uns, süße selbstgemachte Karten mit einem wunderschönen Dankeschöntext hinten drauf, der von Freundschaft spricht, von Dankbarkeit für Ermutigung und fürs Zuhören. Und später sagt sie, wenn es dir so viel bedeutet, dann buch doch einen früheren Flug. “There are some things money can’t buy.”

Daheim ist jetzt früher Morgen, hier ist es Nachmittag. Das Kreditkartentelefon im Eingang des Instituts funktioniert nicht, und bis das Internet für Skype halbwegs brauchbar ist, sind es noch zwei lange Stunden. Ich wandere im PICRC hin und her, rede mit ein paar Leuten, warte, warte, warte. Ich schicke meiner Mama eine Nachricht auf WhatsApp, aber keine Antwort. Sie schläft sicher noch. Martin erreicht seine Mutter auf Skype und bittet sie, meine Mutter anzurufen und zu bitten, ihr Skype einzuschalten.

Endlich können wir mit Mama reden, sie erzählt nochmal alles und wirkt recht hoffnungslos. Dann weinen wir beide. Martin ermutigt sie, noch einen anderen Tierarzt nach Einschätzung und Möglichkeiten zu befragen, Mama sagt, ich dachte, du vertraust deiner Tierärztin, drum vertraute ich ihr auch. Dann fahren wir einkaufen, ich frage Martin nach einem neuen Flugticket, er sagt, dazu müssten wir jetzt nochmal zurück zu PICRCs Internet. Es ist spät. Er fährt in die andere Richtung, zu unserer Wohnung.

Ich will ein neues Flugticket. Martin sagt, diese Tausender stecken wir doch lieber in die Behandlungskosten, wenn wir wieder zurück sind. Ich sage, was ist, wenn sie tot ist, wenn wir zurück sind? Wieviel wäre so ein Flugticket dann wert gewesen? Wieviel würdest du dann bezahlen, um sie nochmal zu sehen? Selbst wenn du dann zehn Tausender auf den Tisch blätterst, das macht sie nicht mehr lebendig. Das ganze Geld ist dann einen Dreck wert.

Die Sache mit der Tierärztin meines Vertrauens bringt mich aber zum Nachdenken. Sie weiß genau, dass ich im Ausland bin und meinen Hund lebend vorfinden will, wenn ich zurückkomme. Und es stimmt, ich vertraue ihr. Also ist sie entweder total verrückt geworden mit dem Silberspray und ihrem Scheiß Käspappeltee – oder es ist nicht ganz so schlimm wie wir befürchten. Ich will ein Mail an meine Tierärztin schicken, sie fragen, wie es steht, irgendwie war keine richtige Prognose dabei bei dem, was Mama erzählt hat.

Aber das sowieso schon karge Internet über den Hotspot in der Nähe unserer Wohnung funktioniert jetzt gar nicht, “Unidentifiziertes Netzwerk”, die Login-Seite des Hotspotbetreibers lässt sich nicht laden, es regnet immer noch, das ist keine gute Voraussetzung für die Hotspots hier. Das macht mich noch verzweifelter, ich würde am liebsten meinen Computer mit einem Urschrei über den Zaun werfen und mich gleich hinterher – und dann hole ich tief Luft, will nicht mehr das Opfer all dieser beschissenen Umstände sein.

Wir fahren nochmal zurück zu PICRCs Internet, ich schicke das Mail an die Tierärztin und bitte um schnelle Antwort. Dann bitte ich Martin nochmal, sich beim Reisebüro nach Flug-Umbuchungen mit Aufzahlung zu erkundigen. Es gibt tatsächlich einen früheren Flug, am Montag, und umbuchen kann man gegen 75$ Gebühr und den jeweiligen Aufpreis auf das Ticket. Die Kommunikation mit dem Reisebüro ist zäh, sie schreiben immer nur “vorbehaltlich Verfügbarkeit zum Buchungszeitpunkt”, aber wie ebendiese Verfügbarkeit aussieht, das sagen sie nicht. Nur dass sie in wenigen Stunden fürs Wochenende schließen, wir aber am Wochenende über die Hotline in Amsterdam umbuchen könnten. Gut zu wissen, aber blöd, so ohne funktionierendes Telefon. Es ist halb zehn abends.

Wir wissen nichts und wollen schon heimfahren, meine verheulten Augen wollen Schlaf, aber schließlich kommt doch noch Antwort von der Tierärztin. Sie schreibt, ich solle mich beruhigen, der Tumor sei durch die Haut gebrochen, aber davon stirbt Cindy nicht. Das Silberspray soll eine Infektion verhindern, aber diese eine Woche sei für Cindy gar kein Problem.

Wir fahren nach Hause. Dort wo das grimmige Insekt saß, sitzt jetzt ein Schmetterling. Ein dunkler Falter, dem vom linken Flügel ein Stück fehlt. Ich fliege also nicht am Montag allein nach Hause. Ich warte auf den Heimflug am Freitag wie geplant. “Leg dich unter eine Palme und genieß den Sonnenschein”, schrieb mir eine Freundin auf Facebook. Die Sonne scheint nicht, aber ich versuche jetzt, mich zu entspannen. Meine Augen sind heute sehr verquollen. Ich meine sehr, sehr.

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Aufholjagd: Dezember

Hey Leute, wir sind aus Peleliu zurück und arbeiten schon wieder den zweiten Tag ganz fleißig. Unser Ausflug war toll, wir hatten drei wunderbare und interessante Tage. Aber dazu später mehr. Hier kommt erstmal der letzte Teil der Überwasser-Aufholjagd, bevor wir dann etwas verspätet auch in dieser Pfanne ins Neue Jahr starten. Ich hoffe, ihr freut euch über die Geschichten und Fotos.

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FAQ, Q&A oder F&A – Fragen halt! Und Antworten!

Es haben mich im Lauf der Zeit eine Menge Fragen erreicht, die ich jetzt ausführlichst beantwortet habe. Ich stelle sie hier alle in einem Eintrag online. Es ist recht viel, aber teilt es euch ruhig ein. Ich könnte es auch anders machen und jede Frage in einen eigenen Eintrag stellen, aber dann begänne jemand, der hier reinstolpert und von oben zu lesen beginnt, mit der letzten Frage – was meinen ganzen schönen Bogen an wahnsinnig lustigen Running Gags zunichte machen würde.

Dein Hund geht mit auf große Fahrt, oder?

Nein, Cindy musste leider daheimbleiben und wird von meiner Mama gehütet. Nichtmal in ihren jüngeren Jahren hab ich ihr Flugreisen zugemutet, meist aber auch deshalb, weil diese Reisen relativ kurz waren, womit sich dieser Stress für sie und für uns nicht gelohnt hätte.

Im vergangenen Jahr ging es ihr auch nicht so gut, so im März gings los. Sie trinkt und frisst viel zu viel, ist aufgebläht, hechelt wie wild, ist matt, bettelt wie irr, und sie sabbert sogar dabei, was früher nie der Fall war. An manchen Tagen konnte sie gar nicht aufstehen, an anderen kehrte sie nach 50 Metern Spaziergang um und kroch in Zeitlupe und im Passgang nach Hause zurück. Einmal wollte sie sogar nichtmal mit mir im Auto mitfahren, sondern lieber daheim bleiben – mein Unterwegs-Hund! Total ungewöhnlich. Morbus Cushing war der Verdacht, wurde dann aber irgendwie auch wieder ausgeschlossen, ohne wesentliche Verbesserung außer der tagesabhängigen (und natürlich ohne Kostenschonung für die Tests).

Sie ist jetzt am 3. Dezember 13 Jahre alt geworden, natürlich findet da jeder, “Tja, die wird eben alt, isso”. Sicher, aber es ist ein kleiner Hund, da hätte ich mir einfach ein paar Jährchen mehr erhofft, und das Tempo der Veränderung war mir nicht geheuer, genausowenig wie die merkwürdige Art und Weise. Zusätzlich entwickelte sie dann noch ein großes Geschwür an der Milchleiste, direkt neben einem Lymphknoten, und dieser ist ebenfalls geschwollen. Viel Hoffnung macht man sich da nicht mehr, und es wird auch in diesem Alter keine Behandlung oder OP mehr empfohlen – gleichzeitig erscheint es mir so absurd, dabei zuzusehen und einfach nichts zu unternehmen.

Fazit: Meine wunderbar kluge und so zuckersüße Frau Hund ist zu alt und in zu schlechtem Zustand, um auf große Fahrt zu gehen, und es wäre ihr hier auch viel zu heiß. Dann noch all die streunenden Hunde hier und die unvorhersehbaren Tagesaktivitäten – ich wüsste gar nicht, wie das wäre, entspannt jedenfalls sicher nicht. Aber sie fehlt mir. Sehr, sehr. Nicht, dass ich meine Freunde, meine Familie nicht vermissen würde. Aber mein Hund ist sonst immer und überall mit, und wer mich kennt, der weiß – da wedelt immer dieses schwarze, lockige Pelzding an meiner Seite, ohne Hund gibt es mich gar nicht. Sie ist körperlich und seelisch meine Erweiterung, mein Anhängsel, gefühlsmäßig (seltsamerweise) an meiner rechten Körperseite. Entsprechend schwer fällt es mir, mich an das kalte, leere Gefühl dort zu gewöhnen. Oder mich von der Befürchtung zu befreien, dass sie Anfang März, wenn wir zurückkommen, schon nicht mehr da sein könnte.

Wie war die palauische Buenanoche?

Unser Weihnachtstag war in religiöser Hinsicht so unspektakulär, wie es die daheim immer sind. Martin und ich sind ja nicht sonderlich religionsaffin, und die einzige Tradition, die sich für den Weihnachtstag selbst je ergeben hat, ist dass ich was echt Gutes koche, während ich gelegentlich darüber meckere, dass er sich irgendwo verkriecht, statt mir beim Kochen Gesellschaft zu leisten. Die nächsten Tage verbringen wir dann bei der Family.

Am 24.12. untertags waren wir im Norden von Babeldaob unterwegs und sahen uns die dortigen Monolithen und die prächtige Aussicht an, unterbrochen von heftigen Regenschauern, die das ganze Meer wiederholt im Wolkenmeer verschwinden ließen.

Von dort stammte auch dieses Weihnachtsfoto, das ich per Mail und auf den angeblichsozialen Medien verbreitete, und das bei euch offenbar ebenfalls einige Fragen aufwarf, die ich im weiteren auch brav beantworten werde.

Anschließend waren wir an einem eigenwilligen Strand mit breiter Sandbank vor dem Außenriff, sahen dort das Wochenendhaus des Präsidenten, außerdem fünfzig Zentimeter tiefes Wasser, in dem man kaum gegen die Strömung anschwimmen konnte, und eine Qualle mit blauen Tentakeln, die angeblich bös weh tut, wenn man ihr zu nahe kommt.

Abends gab es Hühnerschnitzel. Die Brösel für die Panier rieb ich per Hand auf der Küchenreibe aus getoastetem Weißbrot, weil man Brot hier bei der Luftfeuchtigkeit nicht einfach trocknen kann – man kann es an der Luft nur schimmeln lassen. Zum Schnitzel gab es Petersilkartoffeln, junge Erbsenschoten und Salat, außerdem stand der Adventskalender meiner Freundin N mit 24 geöffneten Türchen auf dem Tisch, sowie eine Kerze in korrekt entzündetem Zustand. Wir fanden, damit war der Ankunft unseres Herrn Genüge getan. Es war chillig und hätte Ihm sicher auch gefallen.

Im Institut fand einige Tage zuvor eine Weihnachtsfeier statt. Da wurde zu sehr lauter palauanischer Schlagermusik und sehr großem Moskitoaufkommen sehr viel getanzt (ja, auch ich musste einmal – frau wird geholt, zu Kollege Arius sagt man nicht nein). Palauanische Schlagermusik ist wie deutsche oder österreichische. Sie besteht im Wesentlichen aus zwei oder drei Akkorden, zu denen mit höchst entschlossener Stimme der Akkordvielfalt entsprechend abwechslungsreiche Melodien gesungen werden, und das klingt in etwa so exotisch wie Radio Burgenland. Es gab ein Buffet, jedoch keinen Nachtisch und keine Kekse. Aber genügend Merlot.

Ach, und der Bericht über diese Betelnuß war auch sehr aufschlußreich. Nun noch bitte paar Testergebnisse, wie schmeckt sone Nuß eigentlich? Dreht das in der Birne? Kriegt man davon Hunger? Ein Teil 2 ist eigentlich unvermeidlich.

Wie ich bereits schrieb – mein Probierdrang dahingehend hält sich in engen Grenzen. Man erzählt sich wie gesagt, es sei ein wenig anregend, wie Kaffee und Zigarette. Vielleicht überlege ich es mir ja aber noch anders, wer weiß? Noch ist nicht aller Palautage Abend. Um “nie” zu sagen, bin ich schon zu alt und weise.

Du beschreibst das so entspannt. Wie is das Gefühl, wie wirkt Palau auf euch?

Entschleunigt. Die Geduldsmuskulatur wird trotzdem trainiert. Es ist wunderschön, und es nervt mich maßlos – immer abwechselnd.

Die Leute sind sehr sozial und offen und gesprächig, das kommt mir sehr entgegen und hat mich sicher noch offener werden lassen. Man spricht Menschen doch lieber an, wenn man im Vorhinein weiß, dass die Reaktion aller Wahrscheinlichkeit nach sehr positiv ausfallen wird. Ich rede ja sowieso jeden an, auch daheim, ich pfeif mir für gewöhnlich nix, und hier kommt das gut an, wogegen ich daheim oft seltsame Reaktion ernte – oder gar keine.

Martin ist generell der etwas weniger Soziale von uns beiden, wenn man so will. Auch daheim in unserem Lande bin ich diejenige, die mit der Kassierin plaudert oder jemand Fremden anblödelt. (Aber natürlich hab auch ich Tage, an denen ich mit keinem reden möchte, ja, nichtmal irgendwo anrufen will.) Einen Fremden nach dem Weg zu fragen, das möchte Martin lieber nicht, dabei ist das hier wirklich super-easy, und alle helfen gern und liefern häufig auch noch zusätzliche Informationen. Sprachbarriere gibts auch keine, weil wirklich alle Englisch sprechen. Oft ist es nichtmal nötig, die Menschen anzusprechen, weil sie sich von allein heranpirschen und fragen, ob man was Bestimmtes sucht, ob sie helfen können, ob man ein Bier möchte, und von sich aus gerne erzählen, was es mit der aktuellen Gegend so auf sich hat.

Und man wird sehr oft eingeladen, generell schon, wenn man zufällig irgendwo auftaucht, und zu Weihnachten doppelt. Die für jedermann offenen Rest-Areas sind ein guter Treffpunkt, öffentliche Orte, frei und für jeden zugänglich. Mein Single-Ausflug am 25. Dezember war geprägt von Räucherfisch und -hühnchen und -maiskolben, freundlichen Gesichtern, jeder Menge Kuchen, zusätzlichem Essen in Mitnehm-Gefäßen, das noch für den ganzen nächsten Tag für zwei Leute reichte, und wieder mit nach Hause gebrachtem eigenem Proviant. Früchte und Schokolade, die ich mithatte, teilte ich natürlich, aber mein eigenes Essen von vorvorgestern ließ ich lieber in der Kühlbox.

Im beruflichen Umfeld scheint die Kommunikationsfreude aber nicht so groß zu sein, zumindest erscheint es uns oft so, dass es eher unkoordiniert und unabgesprochen zugeht, dass die Linke nicht weiß, was die Rechte tut; oder dass es einfach aus anderen Gründen lange dauert, bis etwas entschieden wird. Flotte Umsetzung ist also eher im Reich der Phantasie angesiedelt, und das hemmt die Motivation.

Gewisse Kollegen sind aber auch betont desinteressiert und reden gar nicht mit uns; und wenn, dann kommt immer ein bisschen… Ichweißnichtwas mit rüber. Ob das an unserer Herkunft liegt, an unserer Tätigkeit, Art der Bekleidung oder einer bestimmten Gelegenheit, zu der wir uns unwissentlich besonders danebenbenommen haben, weiß ich nicht.

Ansonsten ist unser Leben hier eine Abwechslung daraus, einen gewissen Standard herzustellen, neue Strategien zu entwickeln und sich auf örtliche Gepflogenheiten umzustellen. Das mit dem Standard, das ist so ein Urdrang, vermutlich eher weiblich, zum dekorativen Nestbau und auch zu praktischen Hilfen, Jagen und Sammeln. Wir haben mittlerweile wasserdichte Boxen für unser Badezeug und meine Fotoausrüstung. Die Boxen sind fürs Auto (in dessen Kofferraum es reintropft, wenn es regnet), fürs Boot, aber auch für den Strand, weil es hier jederzeit und ohne Vorankündigung regnen kann, und man danach trotzdem gern ein trockenes Handtuch hätte, trockene Shorts, Geld oder Zigaretten. Wir haben eine Kühlbox für Proviant und Getränke, ohne ginge es zwar auch, wäre aber sehr unbefriedigend.

Ich habe keinen Haartrockner, und ich brauche auch keinen. Frisur ist für mich sowieso eher eine Nebensächlichkeit (“Des san ja nur Hoa!”). Ich werde nie Flipflops tragen, auch wenn man es mir hier zu Beginn gegen die geschwollenen Füße noch so sehr empfahl (“Rule number one: In Asia, always wear Flip Flops!”). Ich hasse das Gefühl eines Fremdkörpers zwischen meinen Zehen – und übrigens auch das einer gewissen Art von Unterwäsche zwischen meinen Hinterbacken – der Zusammenhang ist eindeutig.

Ich habe mir ein ärmelloses Schwimmshirt gekauft und trage das inzwischen lieber als irgendein Bikinioberteil. Es ist hinterher stundenlang schön kühl mit einem feuchten Shirt. Oben ohne geht hier gar nicht (dazu erzähle ich ein andermal mehr), und stundenlange Einschnürung führt zu Problemen. Mein Brustbein, das unter Rheuma leidet, wie ihr vielleicht wisst, goutiert eingeschnürte Empfindungen auf Brusthöhe nicht, schon gar nicht über längere Zeit.

Wir kommen mittlerweile in unserem Apartment fast durchgehend ohne Klimaanlage aus. Fenster auf, und wir haben Deckenventilatoren, eine super Sache übrigens, die auch für heiße Sommer in unserem Schlafzimmer daheim in LDorf fix geplant ist.
Daheim werd ich mir ein Auto mit Automatik kaufen müssen, wenn ich mein Getriebe nicht ruinieren will, denn der Kuppelimpuls ist mir in unserem Automatik-Uralt-Nissan mittlerweile völlig abhanden gekommen.

Erfahrung macht Weisheit. Ich hab mich sicher verändert, viele Ängste abgebaut oder ganz verloren oder habe zumindest den Mut zur Überwindung leichter zur Hand. Es gefällt mir, schlicht zu sagen “I’m a photographer” und nicht herumzueiern, dass das ja eigentlich nur ein Hobby ist, und ich ja in Wirklichkeit nur blabla.

Die unzureichende Verbindung zum Internet ist hingegen eine Geduldsprobe. Die ganze Sache mit Prepaid-Karten und Anmeldung beim Provider lässt einen mürbe werden. Nicht nur muss man Karten im Voraus bezahlen (7h 10$), die erkaufte Zeit läuft auch noch nach einer gewissen Zeit (meistens drei Wochen, manchmal auch nur drei Tage) einfach ab und ist dann futsch, auch wenn man sie nicht verbraucht hat. Am Notebook geht das noch halbwegs, am Handy ist es aber eine echte Qual. Und ich spreche nicht von Massenuploads von Je-2MB-Fotos, sondern von Kleinigkeiten: Schnell mal einen Geburtstagsgruß über WhatsApp oder Mail zu verschicken ist mitunter einfach nicht drin.

Im Institut dürfen wir das Internet benutzen, was vor allem für Handy-Apps eine Erleichterung ist – aber sinnvoll nutzen kann man es nur abends oder nachts, in der übrigen Zeit ist einfach zu viel traffic. Man gewöhnt sich dran, es wird (innerlich) besser, und wenn’s gerade nicht geht, dann eben ein andermal. Manches beginnt man auch genauer zu planen, damit es einfacher wird, aber nicht immer gehen diese Pläne auch auf. Ich entschuldige mich daher hiermit auch bei den vielen Freunden, die um Weihnachten Geburtstag haben/hatten, und denen ich nicht (oder nicht taggenau) gratulieren konnte – allen alles Gute!

Mittlerweile ist es mir öfter egal als nicht egal, aber manchmal gerate ich immer noch auf die geistige “Das MUSS doch gehen”-Schiene, und dann versuche ich, der Verbindung mithilfe von hartnäckigem Starren, Fingerklopfen und motivierenden Flüchen eine höhere Geschwindigkeit abzutrotzen. Zur Erfolgsquote brauche ich bestimmt kein Wort zu verlieren. Es dauert eben vieles länger als gewohnt. Sehr viel länger.

Es hat aber auch unbestreitbar positive Seiten: Schön ist zetbeh, dass man den Menschen hier noch ins Gesicht sehen kann. Auch den Jugendlichen. Man sieht nicht nur Ohren und Haarschopf hinter der Rückseite eines elektronischen Geräts. Und warum? Weil es am Handy kein vernünftiges Internet gibt. Die jungen Leute treffen sich doch glatt am Strand und spielen Ball! Lachen, haben Spaß, angeln! Einfach so. Entspannt und zufrieden. Ganz ohne Handy oder anderes Ei-Gerät. Menschen pur. Nun mag man einwerfen, das sei natürlich einfach, mit einem Strand und dem geeigneten Wetter. Aber wie oft habt ihr im Sommer bei uns die Ohren eurer Bekannten und Verwandten ohne angewachsene Elektronikrückseiten gesehen? Zu selten. Sicher zu selten.

Wer mich kennt, der weiß, ich bin für klare Elektronik-Gesellschaftsregeln, und das nicht erst seit Palau. Wir sind immerhin noch ohne “Kommunikationshilfen” aufgewachsen und erinnern uns daran, wie das war.

Abgesehen also von meinen Anfällen von Verbohrtheit, bei denen ich versuche, das Internet zur Mitarbeit zu bewegen, wobei man mir sicher auch mangelnden Realitätssinn vorwerfen könnte, sind wir schon sehr entschleunigt. Normales Gehen haben wir bereits verlernt, wir schlendern nur noch, und zwar nicht nur ziellos durch die Gegend, sondern auch einem erklärten Ziel entgegen. Kein Grund zur Hast. Was sich auch an der Wampenquote ablesen lässt.

Ist der dicke D!ldo unter Deines Holden Shirt etwa der geknebelte, gebundene, aber letztlich unzureichend versteckte El Reisehase? Warum darf der nicht auch in die Kamera grinsen? Oder hast Du ihn verspeist und hältst Dir deshalb den Bauch? Was hat der arme Kerl nur angestellt?

El Reisehase ist auch schon faul geworden. Ich sag eh immer, komm doch mit, aber er bleibt dann doch lieber im Auto sitzen. Wird eben auch schon alt.

Was mein mir rechtmäßig Zugemuteter da unterm Shirt hat, kann ich beim besten Willen nicht sagen, stimme aber damit überein, dass es überaus seltsam aussieht. Es könnte sich um seine flexible Plastiksack-Wasserflasche handeln, aber auch um eine Winderscheinung. Eine externe Winderscheinung wohlgemerkt.

Oder vielleicht ist es irgendein Plastikschutz, der ist nämlich auch in Abwesenheit der Foto-Plastikbox, also etwa bei Fotoausflügen per schlendries, ein absolutes Muss.

Die Frage, warum ich mir den Bauch halte, kam schon 1999 bei Betrachtung unserer Hochzeitsfotos auf, gleichzeitig mit einem gewissen anderen Gerücht. Wahr ist in beiden Fällen vielmehr, dass es mich zu kühlen scheint, mir den nackigen Bauch zu halten und zu tätscheln. Bei unserer Hochzeit war es sehr heiß, und hier genauso. Nur dass bei der Hochzeit mein Bauch nicht nackig war – dies nur, damit hier keine falschen Vorstellungen aufkommen.

Man kann daran aber auch gut erkennen, was ich mir hier schon alles einverleibt habe – der Mangel an frischem Obst und Gemüse sowie an Kochlust und an hitzebedingter Appetitlosigkeit, die ich durch den Einwurf von Burgern und gezuckertem Brot kompensieren muss, und die Abwesenheit von ordentlichem Mineralwasser mit korrekten Blubberblasen. Ich liebe Blubberblasen! Es gibt Club Soda in Dosen, die man sofort austrinken muss, weil nach etwa vier Minuten keine Blubberblasen mehr vorhanden sind, und manchmal gibt es sogar Club Soda in Flaschen. Das war auch schon die Auswahl an kalorienfreien Blubbergetränken, wenn man kein Saccharin oder Aspartam zu sich nehmen möchte.

Das Ergebnis all dessen wird hier gnadenlos sichtbar. Nachwuchs ist in diesem Bauch auch diesmal keiner, und El Reisehase erfreut sich bester Gesundheit.

Du schaust aber nicht wirklich glücklich aus!

Das bin ich auf diesem Foto auch nicht, denn ich musste kurzfristig das Schlendertempo nach oben kurbeln, um innerhalb der 10 Sekunden Selbstauslöserzeit der Firma Sony die Stufen zu meinem Mann hinunterzuwetzen und mich fürs Foto bauchtechnisch vorteilhaft hinzustellen. Theoretisch hätte ich auch den IR-Fernauslöser benutzen können, der jedoch praktisch aufgrund meines erhöhten cerebralen Entspannungsgrades im Auto verblieb, und für ein Zurückschlendern regnete es zu oft.

Na das ist ja ein schönes Abenteuer?! Oder gibt’s auch in Palau so etwas wie Normalität? Wie schnell kehrt „Alltag“ ein und was ist das überhaupt?

Alltag ist, wenn man arbeiten muss und sich vieles daran orientiert. Wie etwa die Zeit, zu der man schlafengeht, direkt davon abhängt, wann man morgens aufgestanden ist, und wann man am nächsten Tag aufstehen muss. Ja, wir arbeiten hier freiwillig, und das ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass wir sonst kein Visum für vier Monate bekommen hätten. Wir haben uns auch von einem Arbeitsumfeld mehr Kontakte, mehr Einblick, mehr Integration und mehr geistige Abwechslung versprochen als von vier Monaten reinem Seelebaumeln. Und das zu Recht. (Und ich erinnere mit Schrecken an mein massives geistiges Absacken nach nur drei Wochen Kur im niederösterreichischen Hinterland.)

Alltag ist auch, wenn die Dinge sich einpendeln. Man muss einkaufen, damit der Kühlschrank was hergibt. Man muss abgekochtes Wasser in Flaschen füllen. Man muss das Geschirr spülen und im Haus stets für Krümelfreiheit sorgen, weil es hier eine Menge Ameisen und Küchenschaben gibt. Man muss seine Wäsche waschen, wofür es optimale und weniger optimale Tage gibt. Man muss sein Zeug in Schuss halten und dabeihaben, was schwieriger geworden ist, seit wir nicht mehr direkt neben dem Büro wohnen (Foto, Notebook, Badezeug, Wasserflasche, Akkus laden, geladene Akkus dann auch mitnehmen, etc pp). Man muss in seinem Büro am Schreibtisch sitzen und Projekte voranbringen, wofür es ebenfalls optimale und weniger optimale Tage gibt, so wie daheim auch. All das kostet Zeit, die man demzufolge nicht mit abenteuerlichem Paradiesgenuss verbringt.

Abenteuer passiert oft, wenn man über seinen Schatten springt und für Abenteuer sorgt. Oder wenn man ja sagt, wenn sich spontan etwas ergibt. Selbst wenn es unter “Arbeit” am Wochenende fällt – wenn man vom Aquaristen-Kollegen aufs Meer gekarrt wird, um tauchend neue Korallen für die Aquarien zu sammeln und Fische zu fangen; ganz allein zu schnorcheln, während die anderen irgendwo tauchen, dabei ganz allein einem Hai zu begegnen und einem Humphead Parrotfish, der doppelt so groß ist wie der Hai, danach ganz allein auf dem Boot zu sitzen, zur Beruhigung eine Zigarette zu rauchen und den Wellen am Außenriff zuzusehen. Dafür opfert man gerne mal einen ansonsten freien Samstag – so wie wir gestern. Ich begegne meiner Angst, jeden einzelnen Tag, und das ist gut so.

Abenteuer ist, wenn man nicht zu müde vom Tag ist, um die Augen offenzuhalten – nach Interessantem, Neuem, Einzigartigem, nach etwas, das einen wirklich berühren kann. Es hat für mich durchaus einiges mit der körperlichen Verfassung zu tun, aber natürlich auch mit geistig-seelischer Offenheit und dem Angebot von außen, das sich wiederum mit steigender Offenheit erhöht. Das brauche ich aber gerade der Freundin, die diese Frage gestellt hat, bestimmt nicht zu erklären.

Abenteuer ist, wenn man auch genug Zeit zum Hinschauen hat. Die paar freien Tage in der letzten Woche haben zum Abenteuergefühl einiges beigetragen. Arbeiten bis Sonnenuntergang, einkaufen und nach Hause fahren, ein bisschen lesen, dann schlafen, aufs Wochenende warten, das ist Alltag, und davon hatten wir in den letzten Wochen tatsächlich allzu reichlich.

Find ich übrigens ziemlich unverschämt, dass ihr Weihnachten im Paradies verbringt und dann noch verkündet, ihr werdet „vielleicht ein bißl wegfahren“ :-P

Da ist zwar kein Fragezeichen dran, aber egal. Die Unverschämtheit relativiert sich vielleicht angesichts meiner Alltagsausführungen ein wenig. Viel Arbeit, wenig Zeit – das ist auch hier so gewesen in den vergangenen Wochen. Die Tage sind hier nicht annähernd so lang wie unsere Sommertage – um 17:30 ist es dunkel. Und wenn man mal wegfährt, ist man nicht so sehr versucht, alles einfach aus Gewohnheit fortzusetzen in diesem seltsamen Halbschlaf, in dem wir alle uns mitunter zu befinden scheinen.

Es ist pervers, aber tun wir nicht sehr oft genau das? Endlich ein bisschen Freizeit, und dann sitzen wir erst recht wieder vorm Bildschirm, gähnen ein bisschen und finden, das Leben könnte aufregender sein, während wir auf die stets unverändert undurchdringliche Oberfläche von Facebook & Co glotzen? Manche tun das ja sogar, während andere Menschen sich höchstpersönlich in ihre Gegenwart bemüht haben.

Wie geht’s dir?

Halbzeit. Es geht mir gut. Manchmal denke ich, zwei Monate hätten auch gereicht. Manchmal freue ich mich auf alles, was da noch kommen mag in der nochmal-soviel-Zeit. Manchmal hab ich einen schlechten Tag mit Frust. Manchmal Heimweh, Mamaweh, Papaweh, Freundeweh, Cindyweh oder Bändweh, das ich mitten in meinem Herz ganz heftig spüre, dann gibts ein paar Tränen. Das ist auch okay. Manchmal triezen mich meine Gelenke, das ist nicht so nett, und ich denke, mein Körper weiß trotz allem, dass es eigentlich Winter ist.

Manchmal ist es hier so schön, dass ich jauchze. Die Farbe des Meeres. Fliegende Fische. Über die Wellen holpern, oder über Feldwege ins Unbekannte. Giant Clams mit absurd genialen Mustern. Schildkröten, die im Riff schwimmen. Ruhe. Ein bunter Vogel. Aufgeschlossene, unkomplizierte Menschen. Weiße Rur-Blüten mit ihrem umwerfendem Duft, der tagelang anhält. Das umwerfende Lächeln der Jugendlichen, die am Strand unter der Brücke Ball spielen.

Ja, es geht mir gut. Danke der Nachfrage!

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Es war einmal ein Vormittag

Was ich heute vormittag eigentlich wollte: Sonne für Gartenarbeit nutzen, Wäsche aus dem Trockner holen, äußeren Eingangsbereich mittels Staubsauger von Laub und Ahornsamen befreien, mein Auto, vulgo “Dosenfriedhof”, innen staubsaugen. Daher war ich schon früh auf.

Während ich noch beim Frühstück bin, klingelt es. Der Hund bellt so unbremsbar, dass ich an der Gegensprechanlage kaum was verstehe, also öffne ich dem Herrn mal das obere Tor. Als ich runterkomme vor meine Eingangstür, beginnt der Mensch gerade, mit Mutter L zu sprechen, die alte Frau mit dem Wohnrecht in unserem Haus, von der ich gerne behaupte, dass wir sie mit dem Haus mitgekauft haben. Er sucht den Wasserzähler. Ich nicke ihr zu, dass sie wieder reingehen kann. Gemeinsam finden der Wassermann und ich den Schacht oben, jenseits der Abfahrt, am Eingangstor, und er bewirft mich mit Zählernummern und -ständen. Beim Hinunterschauen lese ich “kobeeR” auf meinem Schlafshirt. Er hat seines richtigrum an, es steht “EVN” drauf.

Als wir wieder vom Zählerschacht hinunterkommen zu meinem Eingangsbereich, schwimmen hier gelbliche Flüssigkeiten auf den Fliesen rum, die da gerade eben noch nicht rumschwammen. Fragende Blicke tauschen den Besitzer, dann ist der Wassermann auch schon weg. Hat etwa Mutter L hier vorhin etwas verloren?

Egal, der Schlauch muss her. Ich befreie den Schlauchwagen von Blättern, ziehe den Schlauch aus und schlauche alles fort Richtung Abfluss; dabei achte ich darauf, dass das Laub und die Ahornsamen nicht feucht werden, sonst muss ich später kehren statt staubsaugen. Und nasses Laub von Fliesen kehren gehört bei mir nicht zu den Siegesanwärtern für die perfekte Beschäftigung im Leben.

Jetzt muss ich meine Socken wechseln. Crocs und Gartenschläuche sind zwar aus demselben Material, aber davon abgesehen haben sie nicht viel Kompatibilität. Zumindest dann nicht, wenn man Socken anhat.

Die Betreuerin der Frau L guckt aus der Tür und fragt nach Kohle. Äh, die Heizung geht doch, oder? Nein, Kohletabletten will sie, die Frau L hat nämlich Durchfall.
Ich versuche, mir nicht zu überlegen, was ich da gerade von den Fliesen geschlaucht habe, und lenke mich ab mit dem Suchen, Finden und Runterbringen von Carbo Medicinalis. Hernach muss ich die Betreuerin wortreich davon überzeugen, dass sie mir nicht für einen Streifen Kohle eine ganze Packung zurückkaufen muss.

Aber jetzt wechsle ich meine So-… Das Telefon klingelt. Es liegt noch oben im Wohnzimmer, bei meinem verlassenen Frühstück. Ich hechte hinauf, komme aber die berühmte Sekunde zu spät. Also Rückruf, falscher Abheber – der richtige telefoniert vermutlich gerade mit meiner Mobilbox – und Warteschleife, damit die Firma WWLA mich schließlich wissen lässt, dass die bestellten Thermostatköpfe da sind. Danke. Wiederhören.

Ich wechsle endlich meine Socken. Der Rest vom Frühstück ist mittlerweile nur noch kalt zu genießen. Es ist gerade noch Zeit, den Teller in den Geschirrspüler zu lassen und den Hund in den Garten zu räumen, und ich will mein T-Shirt umdrehen, da klingelt es schon wieder. Über die eher hoch angebrachte Kamera an der Gegensprechanlage hält mir eine eher kleine Frau ihre Nasenlöcher entgegen. “Wir besuchen Menschen, um über die Bibel zu sprechen und was sie uns geben kann!” Gut, dass der Hund diesmal schon draußen im Garten bellt und nicht mehr neben mir, sodass ich vernehmbar antworten kann: “Wir können über Zeit sprechen und wer sie uns geben kann. Wenn ich mal Zeit hab.”

Ich will das alles sofort bloggen. Aber mein Browser reagiert auf keinerlei Adresseingabe. Überhaupt ist mein Windows insofern recht geistesabwesend, als es mich nichtmal einen Task-Manager starten lässt. Auch der Neustart zieht sich dahin wie heißer Klebepistolenkleber.

Mittlerweile ist es 11:20. Ich habe alle Jalousien geschlossen und die Gegensprechanlage ausgeschaltet. Als nächstes versuche ich jetzt, den Wäschetrockner auszuräumen.

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Der Hunde-Flap

Kinder, so ein Haus ist was Schönes, macht aber viel Arbeit. Abgesehen von der großen Fläche, die es sauberzuhalten gilt, ist man ständig kreativ gefordert, wenn es darum geht, die idealste Lösung für Klein- und Kleinstbaustellen zu finden und Probleme zeit-, kosten- und nervenschonend zu lösen.

Ein solches Problemkind ist unser Wintergarten (ihr ahntet es schon). Er ist nicht wirklich Outdoorbereich, aber für einen Indoorbereich ist er zu sehr Schmutzmagnet, zu warm oder zu kalt, irgendwas ist immer. Gleichzeitig liebe ich diesen Wintergarten und halte mich hier am allerliebsten auf. Es ist freundlich und man sieht was von der Welt – Vögel, einen Ahornbaum, den Garten, meine Blumen direkt vor der Fensterreihe. Außerdem rauchen wir nur hier und im übrigen Haus nicht. Ich arbeite daheim, und bilanzieren ohne dabei zu rauchen ist mir bisher nicht gelungen.

Nun ist es aber auch so, dass für Insekten das Konzept “Innenraum” keine rechte Bedeutung hat. Sie orientieren sich an Gott-weiß-was, vielleicht am Sonnenstand, und sobald die Terrassentür offensteht – und das tut sie im Sommer natürlich ständig – kommen sie hereingeschwirrt, machen hier drin je nach Art entweder einen Wahnsinnskrach, wenn sie immer wieder gegen die Jalousien an der Decke prallen auf der Suche nach dem Ausgang – und der muss ja oben sein, wo die Sonne ist, nicht wahr? – , oder sie tun mir leid, weil sie zB zufällig gerade ein schöner Schmetterling sind.

Eines ist aber allen gemeinsam: Die Türöffnung, durch die sie hereingekommen sind, finden sie nie mehr wieder. Dann kann man die Etosha beobachten, wie sie mit einem Schmetterlingsnetz bewaffnet durch den Wintergarten hopst, auf Stühle klettert, die Treppe rauf und runter hechtet, streck!, hepp!, schwupp!, wachl!, alles nur, um das doofe/arme/schöne Insekt einzufangen und wieder hinauszubefördern. Das gelingt manchmal. Mit der Übung wird man besser. Viel häufiger ist es jedoch, dass das Insekt versucht, noch ein wenig weiter Richtung Sonne zu kommen, indem es in den schmalen Spalt zwischen Holzträger und Jalousien klettert – und dann ist es zu spät für jedes Insekt, egal ob doof, arm oder schön, denn von dort gibt es kaum ein Entrinnen und keine Rettung, dort verenden sie dann.

Nun ist das unangenehm für das Insekt, aber – und das sage ich nur ungern, weils so herzlos klingt – auch für die schnöde optische Harmonie. Denn die Jalousien sind weiß, und dahinter lagern haufen- oder besser gesagt häufchenweise schwarze Etwasse in ungaußscher Unnormalverteilung, mit oder ohne Riesenflügel – verendete Schicksalspünktchen in einer weißen Jalousienlandschaft. Das wiederum wirft das nächste Problem auf: Diese Jalousien sind sehr weit oben. Man kann sie nicht einfach aushängen, um dahinter staubzusaugen. Man kann sie prinzipiell schon aushängen, aber dann segeln tausende Insektenleichen zu Boden/Tisch/Schrank/Stuhl. Dasselbe geschieht übrigens, wenn auch in geringerem Ausmaß, wenn alle Fenster offen sind und der Wind beschließt, eine spontane Böe hereinzupusten.

Der langen Einleitung kurzer Sinn: Eine Fliegengittertür musste her. Das wiederum ist, und ich mach’s diesmal kurz, versprochen, ein Problem, weil unsere Terrassentür nach außen aufgeht, und zwar deshalb, weil nach innen nicht genug Platz ist für eine normale, in Angeln hängende und hereinschwingende Tür – also auch nicht für eine Insektenschutztür. Daher gebar ich die Idee, eine Insektenschutzrollo anzuschaffen, sowas gibts nämlich auch für Türen. Wir begannen bei der Erwägung der Variante mit einer ungemein dreisten Preisgestaltung, landeten dann jedoch aufgrund eines wie vom Himmel geschickten Angebots bei der billigsten Variante, der von Hofer.

Die Montage war schon ziemlich viel Aufwand (oder “a Tschooch”, wie man hierzulande sagt), mussten doch erst rundherum die Holzleisten angepasst werden, die unseren Türrahmen bilden, sodass der Rahmen der Rollotür überhaupt vernünftig angeschraubt werden konnte. Mein Mann nahm sich dieser Anpassungen liebevoll an und stellte einen ganz neuen Türrahmen her, damit der Insektenschutz auch ordentlich im Rahmen bleibt.

Was ich aber nicht bedacht hatte und sich uns in unfreiwillig komischer Manier ziemlich schnell nach Montage der Rollo demonstrierte, ist folgendes: Frau Hund ist es gewöhnt, ein- und ausgehen zu können, wenn ihr frische Luft um die Schnauze weht, die Terrassentür also offensteht. Die Fliegengitterrollo ist relativ unauffällig, aus dem richtigen Winkel betrachtet sogar geradezu unsichtbar. Was dann kam, könnt ihr euch jetzt sicher denken und mit eurer Phantasiebegabung bestimmt auch bildlich ausmalen. Eine recht verstörte Frau Hund war das Resultat. Sie traute sich danach eine gewisse Zeit lang selbst durch die unvernetzte Türöffnung nicht mehr nach draußen oder drinnen.

Auch unsere Gäste mussten sich erst an die Rollo gewöhnen, Kollisionen blieben bei ihnen ebenfalls nicht aus, und ich selbst bin auch schon zweidreimal unsanft daran erinnert worden, dass sich hier jetzt ein unsichtbares Hindernis befindet, das da vorher nicht war.

Die nächste kreative Idee war also dringend nötig. Wir brauchten einen “Hunde-Flap” – also eine Stelle in der Rollo, an der der Hund ein- und ausgehen kann. Nein, es wäre keine Option gewesen, dem Hund bei Bedarf die Rollo zu öffnen. Erstens ist die Bedienung nicht ganz so intuitiv und leichtgängig, wie man sich das wünschen möchte (siehe oben unter Preisgestaltung), und zwotens ist das bei einem Hund, dem man Frolic in der Wiese verstreuen muss, damit er seinen Spaß am Fressen hat, und der hernach jedes dieser Ringerl einzeln aus dem Garten hereinholt, um es ebenso einzeln drinnen zu verspeisen, nicht wirklich eine Option. Ich sitze ja auch mal ganz gern länger als 25 Sekunden am Stück.

Weil ich bei der Konstruktion viel Versuch und Irrtum hinter mir lassen musste, um zu einem praktikablen Ergebnis zu kommen, blogge ich die Lösung hier. Denn ich habe natürlich vorher gegoogelt, nach “Hundedurchgang in Fliegengitterrollo / Insektenschutzgitterrollo”, nach “Hundetür Insektenschutz”, nach “Katzentür”, nach allem möglichen, was mir einfiel, aber leider gab es nur die ordinären Tiertüren für Insektenschutztüren. Was mich zu diesem Eintrag treibt, ist also der schiere Servicegedanke! Ich bitte das wohlwollend zu berücksichtigen, während ihr beobachtet, wie ich durch diesen Eintrag stolpere.

Mutmaßlich funktioniert der Flap nur für kleinere Hunde. Mein Hund hat eine Schulterhöhe von 40 cm, der Flap ist 42x35cm (HxB). Für größere Hunde müsste man wohl eine allzu große Öffnung in die Rollo machen, wodurch die Spannung sicherlich wesentlich stärker leiden würde.

Sowas ist nicht leicht zu beschreiben, daher stelle ich einige Fotos ein und hänge meinen Versuch einer Beschreibung untendran.

Hundeflap geschlossen

Hundeflap offen

Hundeflap - Es funktioniert!

Das geht so:

Am besten funktioniert es, wenn man die Rollo aushängt und die Federspannung aufhebt – Vorsicht, dabei kann man sich sehr wehtun, wenn die Feder plötzlich nachgibt und einem die dazu nötige Kurbel um die Ohren bzw. Finger fliegt. Ein freundlicher Hinweis von meinem blauen Zeigefinger.

Dann kann man die Rollo ohne Gegenzug herausziehen, am besten auf einem großen Tisch, und halbwegs gut damit hantieren. (Und sogar in eine Nähmaschine einlegen, siehe weiter unten.)

Ich hab es so gemacht, dass ich den Hundeflap ganz außen an der Rollo hergestellt habe, also an dem Ende, an dem man sie herauszieht und dann gegenüber der Rollokassette in die Verankerung hängt – am “losen Ende” quasi. Unten in der Horizontalen läuft das Netz normalerweise in einer Führungsschiene, wo es zwar nicht fix befestigt ist, aber sich doch tunlichst aufhalten sollte. Ich habe also ein L in dieses Ende der Rollo geschnitten – drei Zentimeter vom linken Rahmen und(!) drei vom unteren entfernt. Es bleibt also von unten weg auf einer geringen Höhe des Netzes (Höhe der Führungsschiene plus zwei Zentimeter) die gesamte Breite des Netzes samt Spannung erhalten, wenn ihr versteht.

Höhe 42 cm, Breite 35 cm. Natürlich muss man den Hund ausmessen, so gut es geht, denn diese beiden Schnitte bleiben die einzigen. Es ergibt sich daraus ein dreieckiger Flap, und der Hund checkt recht schnell, dass er dort mit dem Kopf anstupsen kann und seinen Körper hinterherschieben. Selbst ein zuvor verstörter Hund checkt das, wenn man dem Lernwillen mit einem Stück Wurst auf die Sprünge hilft.

Der untere, horizontale Teil, der jetzt auf einer Breite von 35 cm nur noch drei Zentimeter hoch ist, muss vor dem Ausfransen geschützt werden, wenn der Hund bald ständig seine Krallen drüberzieht, daher habe ich ihn mit einem Stück Velours verstärkt – einfach ein Stück möglichst dünnen Stoff ausschneiden und mit Holzleim ankleben. (Nähen funktioniert auch, siehe weiter unten.) Innen und außen zu verstärken ist aber eventuell schon zu dick – man bedenke, dass sich an dieser untersten Kante dann all der waagrechte Verstärkungsstoff addiert und mit in die Kassette eingezogen werden muss!

Genauso habe ich den vertikalen Schlitz verstärkt, nur mit einem etwas schmäleren Stück Velours, das ich dafür vorher in der Mitte gebügelt und dann über die Schnittkante gestülpt habe (ebenfalls geklebt. Die Dicke spielt hier nicht so viel Rolle, weil hier nicht der ganze Stoff auf einer Höhe liegt und eingezogen werden muss.) Das obere Ende des Schlitzes hab ich zusätzlich mit zwei dreieckigen Stoffstücken innen und außen verstärkt.

Weil der Schlitz sich dann beim Herausziehen der Rollo so aufspreizte und ich dabei kein gutes Gefühl hatte, hab ich nach wiederum einigem trial and error (Versuche mit Spangen, Klammern, Ösen, Häkchen zur temporären Verschließung des Flaps vor dem Schließen und Öffnen der Rollo) kurzerhand einen Reißverschluss eingenäht. Oben und unten ließ ich ein Stück vom Reißverschluss unvernäht, sodass die Enden “abstehen”, wie am Reißverschluss eines Zelteingangs, damit man ihn von innen auch anfassen und beim Öffnen und Schließen den jeweiligen Gegenzug ausüben kann.
Meine vorher nur angeklebten Stoffverstärkungen nähte ich bei der Gelegenheit auch gleich fest.

Ganz zu Beginn, bei meinem ersten Versuch, hatte ich den Flap zu weit in der Mitte des Gitters angebracht, etwa auf zwei Dritteln der ausgezogenen Breite. Das brachte Zugprobleme mit sich, aber vor allem war das Problem, dass die vertikalen verstärkten Teile nicht mehr in die Rollokassette eingezogen wurden – es war da drin schlicht zu wenig Platz, die Stoffstücke leisteten zu viel Widerstand. Also war die Rollo zu zwei Dritteln eingezogen, doch der Rest hing draußen so rum. Selbst wenn dann kein Zug mehr auf diesem Rest des Netzes ist, man kann es nicht einfach zur Seite schieben, weil es sich aus den Führungsschienen verabschiedet und verheddert.
Dann entdeckte ich aber: Wenn ich aber die Rollo so weit ausziehe, wie es bei uns nötig ist, damit ich sie auf der anderen Seite einhängen kann, ist in der Kassette noch unnötiges Netzmaterial übrig. Diesen Überschuss ermittelte ich durch Ausmessen vor und nach dem Aushängen der Rollo und entfernte diese Breite des Netzes auf der “losen” Seite. Dazu muss man natürlich in das Innerste der Rollo eindringen, also die Leistenkonstruktion, in der das Netz festgeklemmt ist, aus der Führungsschiene holen, sie öffnen, und sie an der neuen Stelle wieder anbringen. Ist zu schaffen, aber zu empfehlen ist, den Flap gleich fast ganz außen an der “losen” Seite anzubringen. Wenn diese fünf Zentimeter nicht eingezogen werden, die der Reißverschluss dann Platz braucht, ist das echt kein Drama.

Eine U-förmige Öffnung kam übrigens nicht in Frage, weil ein solcher Netz-Rest sich einfach von unten oder von der Seite her einrollt, wenn man es durch zwei senkrechte Schnitte von seiner Umgebung trennt – und ich wollte natürlich, dass der Insektenschutz weitgehend erhalten bleibt. Die Spalten im Insektenschutzgitter bei meiner Variante sind sehr schmal.

Falls jemand sowas wirklich nachmachen möchte – ich weiß, dass es schwer ist, sich das aufgrund einer Beschreibung vorzustellen. Ihr könnt euch aber bei Unklarheiten gern bei mir melden.

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Kur – Schlussbericht

Nun ist also der letzte Kurtag angebrochen. Meine letzte Therapie war das, was wir liebevoll Unterwasserhampeln nennen, und ging um 8:20 zu Ende. Mein Therapieplan, der mir zu Beginn gelinde gesagt doch etwas überfüllt schien, ist komplett abgearbeitet, unterschrieben und abgegeben. Die Dame an der Therapierezeption sagte mir bei der Gelegenheit augenzwinkernd, ich sei sehr brav gewesen und dürfe jederzeit wiederkommen. Jetzt sitze ich im Hallenbad und schaue in die verschneite Landschaft, die zum Abschied leise Sonnenschein sagt.

Von Kurerfolg kann ich eigentlich noch nicht sprechen, meine Gelenke und Muskeln “arbeiten” noch. 60 Anwendungen in 21 Tagen, das ist ganz schön viel. Meine rechte Flanke hat beim Turnen muskulär den Geist aufgegeben, daran laborier ich immer noch. Zu Beginn war der Schmerz so heftig, dass ich eine Nierenkolik herannahen glaubte. Erst beim nächsten Termin zur Stählung des Beckenbodens spürte ich den Zusammenhang.

Meine Schultern sind weitaus entspannter, und was ich daher schon in der ersten Woche bemerkte, ist die extreme Verkrampfung, die einsetzt, sobald ich mich vor den Rechner setze. Ich hatte das Notebook mitgeschleppt und mir vorgenommen, jeden Tag ein paar Ordner mit Fotos zu kategorisieren, gemacht habe ich das genau ein Mal und danach nie wieder. Die Maus, das Tippen, das Sitzen – alles falsch. Die Muskeln rund ums linke Schulterblatt schlafen sofort ein. Hier muss unbedingt Veränderung her.

Der durchschnittliche hundlose Kurgast ist an diesem letzten Kurtag garantiert ausgeschlafener und ausgeruhter als ich. Trotzdem war es eine gute Entscheidung, Cindy mitzunehmen. Von Seiten des Hotels war man diesbezüglich angenehm unkompliziert. Die Hausdame trug viel dazu bei, dass wir uns willkommen fühlten: einfach bescheidsagen, wenn ihr spazierengeht, dann mach ich in der Zeit bei euch sauber. Cindy durfte ins Café und in die Lobbys mit, niemand hat sich je bei mir beschwert oder auch nur schief geguckt. Im Gegenteil, das Hunzi zauberte ein Lächeln auf so manches Gesicht. Cindy war aber auch wirklich richtig brav. Nur an Menschen mit Pelzkappen und -stiefeln wird sie sich wohl nie gewöhnen. Wilde Tiere verbellt sie eben so lange, bis sie sich trollen.

Apropos Hausdame, diese hat mir am zweiten Tag eine weichere Matratze beschafft. Werde ich ihr nie vergessen! Die vorherige fühlte sich in puncto Weichheit an wie eine Pressspanplatte (die Matratze, nicht die Hausdame).

Man ist schon ein wenig im Stress, aber zwischen den Terminen, dem Essen und dem Hundespaziergang hat man im Grunde nichts zu tun. Nichts Wichtiges zumindest. Nichts, was nicht auch morgen noch Zeit hätte. An diese Art von Nichtstun und auch an den eingeschränkten geistigen Gehalt gewöhnt man sich erstaunlich schnell. Sollten meine Gespräche nach meiner Rückkehr also etwas einfältiger ausfallen als gewohnt, so bitte ich recht herzlich um Nachsicht.

So schwer mir die Eingewöhnung fiel, insbesondere das Leben nach der Uhr, so schwer fällt mir jetzt das Abschiednehmen. Ich würd’s noch eine Woche hier aushalten, mit ein paar entspannenden Therapien. Ich könnte aber auch drei Wochen Urlaub vertragen, am besten am Meer. Ich bin eben nicht allzu gut, nicht allzu schnell mit Veränderungen, und mit dem Abschiednehmen hab ichs auch nicht so. Ein paar sehr liebe Menschen habe ich hier kennengelernt und mit ihnen Spaß und Langeweile geteilt, gute Gespräche und Geplapper (“Najo.” – “So is die Sache!”) Es gab Running Gags und Superwuchteln, und gestern abend sogar eine kleine Session mit Gitarre, Gsang und Gsturl. Andrea, Margit, Wolfgang, Gerald, Baskin, Stefan, Robert, Max – ihr Lieben, es war mir Vergnügen und Ehre, meine Zeit mit euch zu teilen.

Bei aller Sympathie, man kennt sich eben nicht gut und nicht lange, und daraus ergibt sich, dass ich hier bei (auch noch so) geselligen Gelegenheiten einfach aufstehe und gehe, wenn ich genug habe. Man nimmt einfach nicht an, dass es einem übel genommen wird, und fühlt sich weit weniger verpflichtet. Obwohl ich nicht ganz neu bin im Anstreben und Ausweiten der persönlichen, seelischen Unabhängigkeit, ist mir hier aufgefallen, wie viel früher ich mich hier mitunter absentiere, als ich das in einer vergleichbaren Freunde-/Verwandtschaftssituation vielleicht getan hätte.

Was mir fehlen wird:
Regelmäßig Essen serviert zu kriegen, ohne es vorher kochen zu müssen. Vom Balkon aus den Elstern zuzuschauen, wie sie schnatternd im Schwarm zum Kirchturm hochfliegen. Schneefall nicht mit Schaufelnmüssen gleichzusetzen. Die Abwesenheit von Lärm. Der Pingpongtisch. Der Kurpark, der Marsch zur Wetterstation, die gluckernden Bächlein und stillen Waldwege. Die freundlichen Gesichter bei der Therapie. Massage dreimal die Woche. Der Geruch und das Gefühl von heißem Fango am Morgen. In der geistigen Poesiekiste nach neuen Komplimenten für Therapeuten-Sonnenscheinchen zu kramen – und die Reaktion darauf. Die Nähe von Solarium und Hallenbad – und diese aufs Grad genau zum Schwimmen ideale Wassertemperatur.

Was mir gar nicht fehlen wird:
Radio NÖ. Der Spinner mit seinen Verschwörungstheorien. Der eingeschränkte Zugang zum Web.

Worauf ich mich freue:
Die Gesellschaft des mir rechtmäßig zugemuteten Mannes und meiner Freunde. Bandprobe. Tür auf, Hund raus, Tür zu. Ein korrektes Spiegelei. Ein Kühlschrank. Weitgehende zeitliche Unabhängigkeit. Meine weiche Matratze. Und den nächsten Kurantrag.

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Kur – Zwischenuntersuchung

Die Hälfte der Kur ist rum, höchste Zeit für eine Statusaufnahme.

Die Spazierwege in der Gegend kenne ich mittlerweile alle. Es ist seltsam, dass Wege einem weiter vorkommen, wenn man sie zum ersten Mal geht. Nicht, dass das eine großartige Erkenntnis wäre, aber so bewusst ist mir das noch nie aufgefallen. Die Welt wird also kleiner, je besser man sie kennt. Und wenn die Welt kleiner wird, liegen auch die Gefahren näher.
Mein Hund hat es sich ja zur Angewohnheit gemacht, läufig zu werden, wenn ich auf Urlaub fahre, und Kur fällt für sie dann offenbar doch irgendwie unter Urlaub. Heute kamen wir an jenem Zaun vorbei, hinter dem ein sehr verliebter Rüde (braun, drahtiges Kurzhaar) täglich eine Art Minnegesang anstimmt, wenn er uns kommen sieht. Naja, um exakt zu sein: Wenn er Cindy kommen sieht. Ich glaube nicht, dass er mich als Frau wahrgenommen hat. Heute war der Rüde nicht in Sing-, sondern vielmehr in Nägel-mit-Köpfen-Stimmung. In Nullkommanix war er – Herrls anwesendem Holzauge zum Trotz – unter dem Zaun durch, nach erstaunlich kurzer Zeit des Beschnupperns war man sich handelseinig. Was danach kam, war ein pas des cinq – ein begeistert aufreitender Hund, eine überaus willige Hündin, ein wild dazwischenfunkendes, nein-schimpfendes Frauerl, ein Rüdenbesitzer Marke Omegamännchen (“Hihi, also Ferry, hihi”) und ein unbeteiligter und das auch bleiben wollender Kurspaziergangsbegleiter. Die Böschung war nass und dreckig. Auch der Hund war das daher auf seiner Unterseite. Zu guter Letzt musste ich meinen schließlich trotzdem hochheben, wegtragen und nach einer weiteren Minute mit einem sehr schweren Hund auf den Armen den Rüdenbesitzer auffordern, sein Viech endlich herrgottnochmal mitzunehmen.
Der Fitnessraum ist dagegen ein echter Spaziergang.

In der übrigen Zeit kam ich bislang beinah ohne Adrenalin aus. Einen kleinen Anflug gab es gestern, als ich in meinem Zimmer an einem Vorhang einen tonartigen Insektenkokon entdeckte. Vier dürften ursprünglich dagewesen sein, nach den Abdrücken zu schließen; einer hängt noch, ist aber oben schon offen. Es handelt sich offenbar um Kokons von Mauerwespen. Bisher war mir nicht nach einer Sektion. Kommt aber vielleicht noch.

Ansonsten braucht man Adrenalin hier nur selten. Es ist ja alles mögliche verboten, sodass man gar nicht in die Verlegenheit kommt. Am meisten ist in der Sauna verboten, zum Beispiel die Verwendung von Flaschengetränken und von Honig. Stünde das dort nicht, es wäre keiner auch nur in die geistige Nähe dieser Idee gekommen. Ich wüsste gar nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hätte. So aber, mit diesem freundlichen Hinweis an der Tür, spielen sich in den Köpfen von 300/365 Kurgästen ausnehmend bizarre Szenen ab – Szenen, in denen heißes orangefarbenes Holz und ein gewisses ähnlich gefärbtes Insektenprodukt eine Rolle spielen. Genaueres will man nicht wissen. Echt nicht.

Es ist auch verboten, seine Badekleidung in der Sauna zu trocknen. Das wiederum ist einzusehen. Wer will schon aus den waffenscheinpflichtig spitzen Körbchen und den türkisfarbenen Blumen am Badeanzug der Frau Woprschalek von oben angetropft werden, während er sich doch aufs Schwitzen konzentrieren muss? Die Öffnungszeiten müssen auf zwei Schildern nebeneinander kundgetan werden, damit sich auch zwei Gäste gleichzeitig darüber informieren können. 15-21 Uhr. 15-21 Uhr. Natürlich soll man keinen Lärm machen, sich vorher, nachher und dazwischen duschen, auch im Schwimmbad bitte, und die Langhaarigen müssen sich eine Badehaube aufsetzen oder (seufz, seufz) “diese” wenigstens zusammenbinden – die Haare, nicht die Haube – das nehme ich zumindest an. Man braucht hier keinen Lesestoff, der Schilderwald an der Tür zum Saunabereich reicht für einen ganzen Nachmittag. Man könnte ihn noch ergänzen: Sie werden gebeten, das Transpirieren geruchlos zu gestalten. Ausrutschen verboten. Bei Glatteis keine Haftung. Gaffer bitte nur mit Badehose. Schließen Sie die Tür ins Freie leise!!

Diese Tür ins Freie liegt genau unter dem Fenster meines Zimmers, das ich immer offen lasse, weil ich das Fensterbrett darunter als Minibar-Ersatz benutze. Die Sauna liegt genau unter meinem Zimmer und meinem Balkon, und das macht Freude, weil man den Nackerten, die aus der Sauna ins Freie zischen, “A Nackerter!” hinterherrufen kann. Aber immer, wenn ich versuchte, mich nachmittags im Zimmer anderweitig zu entspannen oder zu lesen, warf mich ein Drrrrr! aus der Bahn. Ein Drrrrr! von der Art ‘irgendwas scheppert, ich werd deppert!’ Alle zwei, drei Minuten. 15-21 Uhr. Immer gleichzeitig mit der Erschütterung beim Schließen der Tür ins Freie in der Sauna. Ich will mich hier entspannen, Zefix! Also ging ich auf die Suche. Rüttelte an meinem TV-Schrank, an meinem Schreibtisch, an genanntem Fenster, am dazugehörigen Fensterbrett, weil ich dachte, das Türeschließen von unten setze an einem losen Teil bei mir das Drrrrr! in Gang. Also, bei mir im Zimmer. Aber es war kein Drrrrr! reproduzierbar. Dann lauschte ich nochmal direkt vom Balkon aus nach unten – und da war es, das Drrrrr!

Es musste die Tür selbst sein! Also inspizierte ich sie am nächsten Vormittag aus der Nähe. Es zeigte sich, dass diese Glastür innen und außen je eine vertikale Scheibe hat. Überraschenderweise sind diese beiden Scheiben kleiner als die gesamte Tür, und sie befinden sich außerhalb des eigentlichen Glastürglases. Sie dürften als eine Art Schildhalterung dienen – also nicht dienen, da sich keine Schilder darin befinden – was kein Wunder ist, es ist ja schon alles verboten vermittels der Schilder an der inneren Tür zum Saunabereich. Es befindet sich rein gar nichts darin, nichtmal die volle Anzahl Abstandhalter-Schrauben, die sich darin befinden sollte. Daher sind diese zwei Scheiben eher drrrrrend gelagert, wenn ich das mal so geräuschvoll formulieren darf. Das Drrrrr! ist das von Glas an Metall. Mein Liebstes! Testweises Schließen der Tür beweist meine Theorie: Drrrrr! Grrrr.

Zufällig sind die Beete vor der Sauna voll mit Rindenmulch. Ein Stück von passender Dicke ist schnell gefunden, das ich als neuen Abstandhalter für die äußere Zweckfrei-Scheibe dort einklemme und die Tür damit entdrrrrre. Harrrrr! Sicherheitshalber setzte ich innen auch noch ein Stück ein, unter der losen Abstandhalterschraube, damit dort nicht Metall auf Glas zu liegen kommt. Seither hab ich am Nachmittag meine heilige Ruhe. Meine Tischnachbarn fanden das Ganze übermäßig komisch. Schon allein, dass man sich an so einem harmlosen Drrrr! stören kann. Die wohnen aber auch nicht direkt über dem Drrrr. Aber gut, man hat ja sonst nicht viel zu lachen. Jetzt sagen sie MacGyver zu mir. Der strickenden Tischnachbarin, der eine Stopfnadel fehlt, wurde empfohlen: “Sag’s der MacGyver”, Nicken in meine Richtung, “die schnitzt dir eine aus Rindenmulch”.

Gegen den übermäßig mitteilsamen Kellnerlehrling (Mittag und Abend) der Marke “ich mische mich jederzeit gern in Tischgespräche und teile auch meine Unzulänglichkeit in Sachen Effizienz anstandslos mit meinen Gästen” hilft allerdings auch kein eingeklemmter Rindenmulch. Wir beschränken uns bisher noch auf betretenes Wegschauen oder vordergründiges Frotzeln, letzteres kommt aber mangels Feinsinn beim Empfänger nicht an. Ich fürchte, jemand wird in den nächsten Tagen ein Machtwort sprechen müssen.

Zuletzt noch ein wenig neues Vokabular, das ich hier wie im Sprachurlaub dank der bunt-bunden (multibundeslandellen) Menschenzusammenwürfelung erlernt habe:

“gfeanzt ummakumman” – irgendwie ungut rüberkommen
“zachig” – ist sowas wie zach (zäh), aber zacher
“Beim Rumsitzen bei dem Vortrag wird dir der Hintern wassrig” – Ich denke, das spricht für sich.

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Seltsame Viecher

Jeder, der ein Haustier hat, wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass jedes seinen eigenen Pecker (Vogel, Klopfer, Boscha, Hieb) hat. Für gewisse Katzen gibt es kein größeres Vergnügen, als aus zwei Metern Höhe auf ein Plastiksackerl zu pinkeln. Manche Papageien beginnen zu fluchen, wenn sie jemanden mit Werkzeug herannahen sehen. Einige Hunde graben alles ein, was sie in die Lefzen kriegen. Und es gibt andere Hunde, die vor Fliegen Reißaus nehmen.

Letzteres wäre dann mein Hund. Mein Hund ist eine Sie. Cindy. Nicht, dass sie sich vor Fliegen fürchtet. Sie ist einfach unvorstellbar genervt, wenn diese Biester auf ihrem Fell rumkrabbeln, weil das offenbar heftig juckt. Dabei kann doch kein Hund in Ruhe seinem Tagewerk nachkommen. Wenn sie daher eine Fliege hört, und sie diese nicht sofort per Blitzbiss zu fassen kriegt, dann flüchtet sie in einen anderen Raum, und zwar im Trab. Manchmal ächzt sie sogar ergrimmt, bevor sie sich in Bewegung setzt.

Manche Hunde haben ja Talente, wie etwa Apportieren oder Hüten und ähnliche hundische Zuchteigenschaften. Die Hündin meiner Mutter kann eigentlich von Natur aus nur graben. Die vergräbt alles, Zigarettenstummel eingeschlossen. Einmal hat sie ihr gar das Handy im Garten eingebuddelt. Ein gedämpftes Klingeln weniger, und meine Mutter hätte es nie wieder gefunden.

Manche Verhaltensweisen sind einfach unbegreiflich, so sehr man sich auch um Durch-, Über- oder Einsicht bemüht. Was Katzen an Plastiksackerln so pinkelnswert finden, weiß wohl niemand so genau. Ich vermute, es hat etwas mit einer Geruchskomponente zu tun, die wir Menschen nicht wahrnehmen. Also setzt die Katze eins obendrauf, das dann sogar wir Riechnieten bemerken müssen.

Andere Gepflogenheiten sind ganz klar eine Folge von Konditionierung. Der erwähnte Papagei gehörte einer Freundin meiner Mutter. Deren Angetrauter war kolportierterweise verbal recht aufbrausend, wenn Reparaturen am Haus nicht gleich so funktionierten, wie er sich das erwartet hätte. Der Vogel durchschaute das Prinzip, und irgendwann begann er schon “So ein Scheiß!” zu krächzen, sobald jemand in seiner Sichtweite auch nur einen Schraubenzieher zückte.

Konditionierung ist eine mächtige Kraft und gar nicht die schlechteste Hilfe bei der Erziehung. Manchmal geht sie auch ein bisschen schief, wie bei meiner Frau Hund. Als wir noch in der Stadtwohnung wohnten, waren oft aus dem Stiegenhaus Geräusche zu hören. Man bewohnt den vierstöckigen Altbau ja seltener ganz alleine. Cindy bellte dann aus dem Wohnzimmer hervor, und ich sah überhaupt nicht ein, dass Frau Wachhund sich nicht bequemt, ihren haarigen Hintern zu erheben, um zur Überprüfung der Sachlage ins Vorzimmer zu schreiten. Daher sagte ich einige Male zu ihr: “Versteck dich gefälligst nicht da drin, geh schaun, was los ist!” Seither bellt sie, wenn ich “Geh schaun” sage.

Es gibt aber auch geglückte Konditionierungen. So läuft sie schnurstracks quer durchs Wohnzimmer auf ihren Platz, sobald mein Mann den Kühlschrank öffnet. Das klappt nicht immer, aber dafür, dass wir das lange nicht geübt haben, passiert es noch sehr oft. Und es ist besser, als Madame bettelnd danebensitzen zu haben.

smallest fish: Fun, Works & Edits &emdash; Orking Cindy

Ihre eigenen Mahlzeiten, wenn sie aus Frolic (vulgo “Ringerl”) besteht, bekommt sie am liebsten fliegend serviert. Nicht der Hund fliegt dabei, sondern die Ringerl, und zwar in die Wiese im Garten, seit wir auf dem Land wohnen. Da ist sie so scharf drauf, dass sie bellend vorausprescht, mit dem Hinterteil zwischen den Vorderbeinen, wenn ich die orangebraunen Dinger aus der Küche hole und sie hinunter Richtung Terrassentür trage. Doch der Verzehr selbst findet tunlichst nicht in der Wiese statt. Es wird jedes Ringerl einzeln hereingetragen und unter dem Tisch im Wintergarten verzehrt. Im Sommer kein Problem, im Winter total doof, denn da bleibt die Terrassentür natürlich nicht so lang offen, bis Frau Hund alle Frolic einzeln hereintransportiert und verspeist hat.

Noch schöner als unter dem Tisch frisst es sich nur oben im Wohnzimmer auf dem Perserteppich. Da ist alles so schön gedämpft. Man kann ein halbes Frolic fallenlassen, ohne gehört zu werden. Man kann auch ganze Ringerl darunter verstecken und sie dann mit viel Geschnauze, Geschiebe und Gepfote wieder ausgraben. Und man kann sich hinterher wunderbar die Schnauze daran abwischen oder sich einfach mal darauf wälzen. Daher lautet der Stammbaumname der hochwohlgeborenen Frau Hund auch “Cinderella Runter vom Teppich”.

Wenn man die Frau Hund ein bisschen hinhält, mit einem Leckerli oder einem Spielzeug in der Hand, lässt sie geistig nochmal alle Tricks Revue passieren, die sie je gelernt hat. Wenn ihr gar nichts anderes mehr einfällt, greift sie zum Äußersten – sie macht die Rolle seitwärts. Der tollste Trick, seit es Hunde gibt. Und er ist absolut zweckfrei. Etwas weniger sinnlos ist “Zeig mir den Bauch”, das kann sie, seit sie eine kleine Operation an einer Milchdrüse hatte und ich sie hinterher ein bisschen pflegte und cremte. Manchmal bellt sie, wenn ich beim Einparken dem Hintermann zu nahe komme. Schließlich sitzt sie hinten und hat den besseren Überblick. Vielleicht findet sie aber auch nur die seltsamen Lichtspiele an der Stoßstange des anderen Autos erschreckend.

Aber das alles ist eigentlich nicht gar so besonders seltsam. Es gibt zumindest noch viel eigenthymlichere Hunde. Meine Freundin A. hat einen Mischling, den sie vor acht Jahren aus dem Tierheim holte. Er war zuvor auf einem Supermarktparkplatz tagelang angebunden gewesen, aber noch ganz jung, als sie ihn zu sich nahm. Der Hund heißt Wookie, und der macht echt schräge Sachen. Er fängt Wasser, wenn man es ihm zuwirft. Also, beim Baden im Teich, wenn man ihn mit der Hand bespritzt, springt er hoch und fängt das Wasser mit der Schnauze, wie andere Hunde das im Winter mit Schneebällen tun.

smallest fish: Fun, Works & Edits &emdash; Wookie fliegt

Mit Wasser hat er’s überhaupt. Dieser Hund hat offenbar einen Biber unter seinen Vorfahren, wie immer das auch gehen mag, vielleicht fliegen die ja herum wie Pollen. Denn er baut Bäche um. Ernsthaft, der nimmt Steine aus dem Bach in die Schnauze, trägt sie woanders hin, schiebt sie mit den Pfoten herum, bis sie richtig liegen, bis der Haufen groß genug ist, bis das Wasser anders fließt – dieser Hund baut ganze Bachläufe um, wenn man nicht aufpasst.

Wenn eine Plastikflasche leer ist, steht er schon da und wartet darauf, dass er sie kriegt. Dann zerlegt er sie soweit er sie zerlegen kann, worauf er sie im Garten vergräbt.

Singen kann das Tier auch, Wahuuuuu!, das hab ich aber leider noch nie live erlebt. Dabei könnte das einen lukrativen Nebenerwerb ergeben, finde ich.
Zuletzt berichtete A. mir, dass Wookie seit neuestem Maulwürfe umsiedelt. Er gräbt einen im Garten aus, nimmt ihn in die Schnauze, drückt sich samt Maulwurf durch sein Loch im Zaun und trägt ihn möglichst weit auf das dahinterliegende Feld hinaus. Dort lässt er ihn dann laufen. Ich finde das allerliebst.

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