Sehr geehrter Herr 88.6 der Musiksender!
Gestern vormittag werde ich von einem eurer Mitarbeiter angerufen (Tom?), der behauptet, ich hätte mir bei euch einen bestimmten Song gewünscht (Mike & The Mechanics – All I need is a miracle). Ich teile ihm wahrheitsgemäß mit, das sei mir neu, und dass ich lediglich vor ein paar Wochen auf eurer Website das Ranking der besten 80er-Songs ausgefüllt habe. Das irritiert den Anrufer nicht im geringsten, stattdessen will er wissen, ob ich was dagegen hätte, wenn ihr ihn mir trotzdem spielt, diesen Song. Der ist nun aber wirklich nicht so selten im Radio zu hören, dass man verzweifelt, eigens und telefonisch jemanden überrumpeln müsste, der sich den dann wünscht. Weswegen ich ihm einen anderen 80er-Song vorschlage, der tatsächlich nie im Radio gespielt wird (Mike Oldfield – Pictures in the Dark).
Doch euer Redaktions-Tom beharrt darauf, dass ich mir den ungewünschten Song wünschen soll, und bittet mich obendrein freilich, für eine Aufzeichnung ein paar Worte über meinen vermeintlichen Wunsch zu sagen, der dann am Samstag erfüllt werde. Der Tom ist nett und jovial, und ich bin erst vor 10 Minuten aufgestanden und etwas wirr im Kopf, was ich ihm nicht verschweige – und was außerdem dazu führt, dass ich tatsächlich wie jeder beliebige Trottel das geforderte Sprücherl aufsage. Und auch noch weitere Fragen zu den 80ern im Allgemeinen und meiner – übrigens eher kargen – Erinnerung daran im Speziellen beantworte. Dass das gar nicht mein Wunsch ist und auch nie war, kommt dabei offenbar nur mir grotesk vor. Wenn ihr keine andere Musik spielen wollt als die, die ihr ohnehin bereits ausgesucht habt, und dann noch jemandem aufschwatzt, dass er sich die jetzt wünschen soll, dann hat sich die Bedeutung des Wortes “Hörerwunsch” seit meinem letzten Hinschauen aber erstaunlich stark verändert.
Den restlichen Tag lang ärgere ich mich darüber, dass ich nicht ausgeschlafen genug war, euch die Meinung zu geigen. Die fehlende Irritation eures Tom lässt die Deutung zu, dass das nicht sein erster Überrumpelungsanruf in dieser Woche war. Die Methode mag euch ja ungemein pfiffig vorkommen, aber es ist nicht sonderlich redlich, die die Auskunftswilligkeit bei Online-Umfragen zu benutzen, um arglosen, unausgeschlafenen Hörern eine Stimmaufnahme für Un-Wünsche aus den Rippen zu leiern, nur um zu ein paar Einspielern zu kommen.
(Die, nebenbei bemerkt, sowieso kein Mensch im Radio hören will. “Ich bin die Nina, und ich höre Dingsbumsradio”? Man will ja auch nicht wissen, was fremde Leute sonst so tun, hören, kaufen. Oder essen. “I bin da Pepi aus Hernois, und ich tunk jedes einzelne Würschtel nur in Original Mautner Markhof Estragon-Senf aus der Silbertube!” Will man das wissen? Nein. Allen Instagram-Essenspostings und TV-Werbespots zum Trotze, man will es eben nicht wissen! Auf einem Radiosender, den man sowieso schon hört, mit Werbung für ebenjenen Radiosender bestrahlt zu werden, kommt der Peinigung gleich, sich beim kika, wo man sich bereits höchstpersönlich und kaufwillig eingefunden hat, aus den Lautsprechern mit kika-Werbung beschallen lassen zu müssen. “Zefix, i bin ja eh scho da”, will man euch da zurufen, “oiso spüts wos Gscheits und lassts mi in Ruah.”)
Allzu scharfsinnig waren meine Statements zu den 80ern ohnehin nicht (siehe unter “noch nicht richtig wach”), da habt ihr bestimmt schon geistreichere eingesammelt – aber um die gehts mir gar nicht. Ich möchte jedoch nicht als methodisch erschlichener Hörerwunsch in eurer Sendung herhalten und widerrufe daher hiermit meine Zustimmung, dieses mein Un-Wunsch-Gsatzl auszustrahlen.
Beste Grüße,
Susanne Gritsch • https://etosha.weblog.co.at