Wo ist mein Gewinn?

Aus aktuellem Anlass wieder mal ein kleiner Ausflug in die Welt der Saldenlisten und der manchmal ahnungslosen Unternehmer. Wer kennt das nicht (haha): Du siehst dir deine Saldenliste oder Erfolgsrechnung an, blätterst auf die spannendste Seite – die letzte – und siehst dich einer titanischen Zahl gegenüber, die mit dem Wort “Jahresgewinn” tituliert ist. Vor dem geistigen Auge flattern schon die entsetzlichsten Einkommensteuerbescheide ins Haus, und du fragst dich: Wo zum Geier soll diese Kohle sein? Ich hab sie bestimmt nicht. Bankkonto leer, Brieftasche enthält nur Spritbelege mit Eselsohren und Kinderfotos aus pubertätszickenfreien Zeiten, aber keinerlei nennenswerte Barbestände.

Dein Jahresgewinn ist die Grundlage für die Einkommensteuerberechnung. Er errechnet sich aber anders als der Banksaldo – das liegt auf der Hand, sonst könnte man ja gleich seinen Banksaldo dem Finanzamt melden und die Buchhaltung ersatzlos abschaffen. Das wäre recht bequem, zumindest in vielen Fällen, ist aber steuerrechtlich leider keine zulässige Art der Gewinnermittlung.

(Im Folgenden beziehe ich mich hier auf Einzelunternehmer in Österreich, Gewinnermittlungsart “Einnahmen/Ausgaben-Rechnung”. Für GmbHs, “Bilanzierer”, etc. gelten eventuell andere Richtlinien.)

Über weite Strecken ist die Einnahmen/Ausgaben-Rechnung (EAR) eine ganz ordinäre Gegenüberstellung von Erlösen und Aufwendungen, wie sie auch das Milchmädchen rechnen würde:

GEWINN und BANKSALDO: 10000 Einnahmen – 2000 Materialkosten = 8000

Der Banksaldo wäre hier noch gleich hoch wie der Gewinn. Wo aber ergeben sich Differenzen?

Kreditraten

Kreditraten bestehen bekanntlich aus einem Tilgungsanteil und Zinsen. Der Tilgungsanteil muss zwar brav mitbezahlt werden, ist aber buchhalterisch leider kein Aufwand. Warum? Weil auch die Zuteilung des Kredites, also der Eingang auf dem Girokonto, keine Einnahme dargestellt hat. Sonst würden sämtliche Unternehmer mit betrieblichem Kredit schon nach ihrem ersten Jahr am nächstbesten Baum baumeln, ihren ersten Einkommensteuerbescheid noch in Händen. Die mit der Wunschtraum-Gewinnermittlungsart “Banksaldo” würden übrigens unter Umständen gleich daneben hängen.

Als Aufwand absetzbar sind nur die Zinsen für betriebliche Kredite, die meist quartalsweise von der Bank abgerechnet werden:

BANKSALDO:
8000 (w.o.) – 2500 Kreditraten = 5500
GEWINN:
8000 (w.o.) – 500 Zinsen = 7500

Es muss aber gar kein Firmenkredit sein, auch die Rückzahlung eines Überziehungsrahmens ist ein Faktor: Vergleiche deinen Girokonto-Saldo am 1.1. mit dem am 31.12. Hast du am Jahresende weniger Minus als am Jahresbeginn, dann ist auch dort dein Geld hingeflossen!

Anschaffung sauteurer Anlagen

Sauteuer bedeutet in Österreich: über 400 Euro. Güter, die so viel oder mehr kosten und für die Nutzung im Betrieb gekauft werden (“Anlagen”), müssen “über die Nutzungsdauer abgeschrieben” werden. Solche Güter findet man auch am Jahresende im sog. “Anlagenverzeichnis” wieder. Bei 4 Jahren Nutzung für einen PC wird daher der Kaufpreis zu je 25% als Ausgabe auf das laufende Jahr und die nachfolgenden drei Jahre aufgeteilt. Man hat also ausgabenseitig zwar weniger davon, dafür aber länger. Damit soll erreicht werden, dass der Kauf von Firmenwagen, EDV, Maschinen uä. nicht im Jahr der Anschaffung zu einem epochalen Jahresverlust führen.

Man nennt den entsprechenden Aufwandsposten “AfA – Absetzung für Abnutzung”, das ist der solcherart verteilte Kaufpreis. Geht eines der Dinger kaputt, wird es gestohlen oder auch verkauft, sollte man diesen Sachverhalt dem nicht hellsichtig begabten Steuerberater melden – dann wird der aktuelle restliche Wert von ihm als Aufwand behandelt, der heißt im Fachjargon “Restbuchwert”.

Ein eventueller Verkaufserlös ist dann natürlich ein steuerpflichtiger Umsatz, der den Gewinn erhöht.

Es wird also insgesamt gesehen stets der gesamte Anschaffungspreis als Aufwand in der Buchhaltung landen – als Summe der AfA und eines eventuellen Restbuchwertes – nur eben nicht auf einmal und in nur einem Jahr.

BANKSALDO:
5500 (w.o.) – 2000 PC-Kauf = 3500
GEWINN:
7500 (w.o.) – 500 AfA = 7000

(Und schon ist der Gewinn doppelt so hoch wie der aktuelle Banksaldo.)

In den Jahren nach der Anschaffung hat man dafür einen Absetzposten, ohne eine weitere Ausgabe getätigt zu haben. Auch das ergibt eine Differenz zwischen Banksaldo und Gewinn, aber zur Abwechslung mal in die andere Richtung. Die Gerechtigkeit siegt, hurra!

Gar kein Aufwand ist die Anschaffung von Wertpapieren. Diese werden natürlich nicht über die Nutzungsdauer abgeschrieben, weil sie sich ja erfahrungsgemäß nur wenig abnutzen.
Mitunter gibt es allerdings steuerliche Freibeträge für die Anschaffung von Wertpapieren – und auch für die Anschaffung anderer Anlagen – diese Freibeträge senken dann den steuerpflichtigen Gewinn, ohne dass man eine weitere Ausgabe tätigen muss. Genaueres weiß der Steuerberater, das kann von Jahr zu Jahr verschieden sein, je nach rechtlicher Lage. Vor dem Jahresende informieren!
(Stichworte “Freibetrag für investierte Gewinne”, “vorzeitige AfA”; “Gewinnfreibetrag”)

Durchlaufposten wie Kautionen, Leasingdepots oä.

Eine Mietkaution oder ein stehendes Leasingdepot ist steuerlich kein Aufwand. Die Rückzahlung, die man irgendwann später erhält, wird dafür auch kein steuerpflichtiger Erlös sein. Bezahlen muss man sie aber natürlich trotzdem.

BANKSALDO:
3500 (w.o.) – 600 Kaution = 2900
GEWINN: 7000 (w.o.) bleibt gleich: 7000

Privates

Alles, was in der Einnahmen/Ausgaben-Rechnung nicht als Aufwand gilt, fällt unter Privatvergnügen. Das können, müssen aber nicht immer tatsächlich private Ausgaben sein.
Prinzipiell gilt: Ausgaben werden nur dann als solche erfasst, wenn du dir
1) eine Rechnung geben lässt,
2) diese Rechnung es auch bis in den Buchhaltungsordner schafft und
3) der Buchhalter den betrieblichen Charakter einer Ausgabe auch dann erahnen kann, wenn er nicht über kreative Neigungen verfügt (was häufig der Fall ist).
Ein handschriftlicher Vermerk auf einem Beleg wirkt da oft Wunder (“Werkstatt-Zubehör”, “Kundengeschenk Kunde X Hr. Y”, “Betriebsausflug”).

Die Belege, die du seit Monaten in deiner Brieftasche herumträgst, senken deinen Gewinn ebenfalls nicht.

Alles schwarz bezahlte bleibt auch schwarz und senkt den Gewinn nicht, seien es nun Dienstleistungen ohne Rechnung oder nicht angemeldete Dienstnehmer.

Hast du einen Beleg verschmissen, kannst du einen Eigenbeleg schreiben: Datum, Ort, Betrag, und was du gekauft hast. Zum Vorsteuerabzug berechtigt ein solcher Beleg natürlich nicht, aber er gilt als Aufwand, wenn die Maßnahme in Maßen eingesetzt wird – die Buchhaltung sollte freilich nicht ausschließlich aus Eigenbelegen bestehen.

Außerdem sind (in AT) Arbeitsessen nur zu 50% als Aufwand absetzbar. Die anderen 50%, sagt der Fiskus, hast du selbst verfressen und deinem privaten Speckröllchen zugeführt. Lieber also mit drei Kunden separat essen gehen als mit allen gemeinsam. Auch gut: Mit Dienstnehmern essen gehen, das ist “freiwilliger Sozialaufwand”, und zwar zu 100% – vorausgesetzt, du hast Dienstnehmer, die auch als solche angemeldet sind. Auch hier gilt natürlich das Wunder des handschriftlichen Vermerkes auf der Rechnung.

Vergiss nicht, dass du die Kosten deiner privaten Lebensführung aus deinem Gewinn bestritten hast: Lebensmittel, Kleidung, private Kfz-Kosten (oder private Anteile an Firmenwagen-Kosten), Miete, Strom, Versicherungen, Schulgeld, elektronisches Spielzeug, luxusverwöhnte Ehepartner und ebensolche Kinder – das alles geht ins Geld. Der Gewinn auf deiner Saldenliste war noch nichtmal vor diesen Ausgaben körperlich vorhanden (wie der Vergleich Gewinn/Banksaldo zeigt) – danach ist er es schon gar nicht.

Auch Verluste in Folgejahren fressen natürlich einen allfälligen Gewinn. Nicht nur auf dem Papier.

Privatentnahmen sind in der Buchhaltung kein Aufwand und bilden auch keinerlei Grundlage für irgendeine Steuerberechnung. Das ist eine urbane Legende. Die Einkommensteuer wird vom Gewinn berechnet. Mehr dazu schrieb ich in meiner Abhandlung über urbane Steuer-Legenden.

BANKSALDO:
2900 (w.o.) – 2900 Privatvergnügen = Null.
GEWINN:
7000 (w.o.) bleibt gleich: 7000

Und so kommt es, dass am Bankauszug nicht die gleiche Zahl steht wie auf der letzten Seite der Saldenliste.

Wie kann ich meinen Gewinn trotzdem noch senken?

Wenngleich die folgenden Maßnahmen nur Peanuts sein mögen, ist es doch glaubwürdiger und daher sinnvoller, sie in jedem Jahr anzusetzen und nicht nur in Jahren mit hohen Gewinnen.

Generell gilt: Maßnahmen “linke Hosentasche an rechte Hosentasche” (♠) bringen am meisten, weil sie den Gewinn senken, ohne den Banksaldo weiter zu dezimieren (“kostet nix, bringt aber was”).

Vor dem Jahresende (gilt nur für “Einnahmen/Ausgaben-Rechner”):
* Überziehungsrahmen nutzen und möglichst viele Lieferantenrechnungen noch vor dem 31.12. zahlen
* Vorauszahlung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft leisten, das senkt den Gewinn und wird auf künftige SV-Vorschreibungen angerechnet. (Nicht gewinnsenkend hingegen wirken Zahlungen an das FA wie Umsatzsteuer oder Einkommensteuer)
* Offene Gehälter und Lohnabgaben bezahlen

Nach dem Jahresende oder für das nächste Jahr:
♠ Sind alle betrieblichen Kosten wirklich erfasst? Mobiltelefone, Pkws, zumindest anteilig? Rechnungen für Internet-Bestellungen ausgedruckt? Kreditkartenabrechnungen durchgeschaut? Brieftasche ausgeräumt? Private Belege nach Brauchbarem durchforstet?
* Anlagenverzeichnis anschauen bzw. zeigen lassen – sind eventuell versehentlich Wareneinkäufe dort erfasst?
♠ Reisekostenabrechnung schreiben (Tagesdiäten, Nächtigungsdiäten des Unternehmers, und Kilometergelder privater Kfz sind absetzbarer Aufwand!)
* Dienstnehmer Reisekostenabrechnungen schreiben lassen (Diäten, Kilometergeld), auch im laufenden Jahr
♠ Zusätzliche Personalkosten (Mitarbeit von Ehepartnern sollte auch honoriert werden!)
* Fremdleistungen bezahlt? (Mitarbeit von Menschen in zufällig niedrigerer Steuerklasse bezogen?)
* Sog. “Sonderausgaben” dem Steuerberater bekanntgeben (Kirchenbeitrag, Private Personenversicherungen, Wohnraumschaffung oder -sanierung)
♠ Auch um mögliche Freibeträge und Absetzbeträge weiß der Steuerberater (Alleinverdiener, Kinder, Kinderbetreuungskosten, Sonderausgabenerhöhung, etc)
* Eventuell die Gewinnermittlungsart auf Bilanzierung wechseln, wenn Außenstände zu einem viel niedrigeren oder realistischeren Ergebnis führen. Steuerberater fragen! (Achtung: Lagerbestände am Jahresende erhöhen dann den Gewinn! Mehrkosten beim Steuerberater fallen an. Eventuelle Bindungsfristen an die neue Gewinnermittlungsart beachten!)

Danach musst du in Betracht ziehen, dich mit dem Ergebnis abzufinden. Steuerberater mit sog. “Quotenvereinbarung” können die Einreichung der Erklärung recht lange hinauszögern. Nach dem Eintrudeln des Bescheides gewährt das Finanzamt auf Antrag und gegen Zinsen eine Ratenzahlung für die Einkommensteuerschuld.

9 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. rudolfottokar sagt:

    boah…
    (I’m still confused, but on a higher level…)

  2. Etosha sagt:

    So soll’s sein. :D

  3. Ceh sagt:

    Nun ja. Nun fühle ich mich wenigstens ZURECHT dumm und bin froh, dass ich mich mit solcherlei Dingen nicht beschäftigen muss ^^.

  4. Etosha sagt:

    Versteh ich. Steuergesetze sind ja auch viel komplizierter als, sagen wir mal, Astronomie.

  5. Ceh sagt:

    Na endlich jemand, der das zugibt! ]=)

  6. hubbie sagt:

    wie dir bekannt habe ich eine dra.rer.soc.oec an meiner Seite, die sich die Zeit ihres Berufslebens mit Controlling vertrieben hat, als Korrekturleser ihrer sochschartntrockenen Berichte bin ich durchaus mit den Termini vertraut

  7. Etosha sagt:

    Heißt das nu,
    a) dass mein Text trocken ist
    b) dass du das eh schon alles wusstest oder
    c) dass du einen Fehler gefunden hast? :)

  8. hubbie sagt:

    ad a) na, hechstens des Metier
    ad b) na, grod I…
    ad c) hob kan gsuacht, soit I an findn?

  9. Etosha sagt:

    Wennst an finzt, kannst dan gern ghoidn.

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