Wir – schwierig

Ich weiß gar nicht mehr, wer es war. Irgendjemand sagte – oder schrieb? – Gunkls neues Programm wäre ‘mehr mau’, was man hier so sagt, wenn man meint, dass etwas nicht übermäßig berauschend oder gar ungeheuer erlebenswert ist.

Dank der Gunkl-Karten zu meinem Geburtstag vom Bruderherz konnte ich mir aber heute abend selbst ein Bild machen – und das ist, was man eigentlich immer tun sollte; insbesondere, wenn man die Programme davor durchwegs großartig fand. Andernfalls nämlich endet es immer genau so: Man glaubt, irgendwo gehört zu haben, etwas wäre nicht so toll, selbstverständlich bar jeglicher konkreter Erinnerung an den Urheber jener Kritik; man arrangiert sich jedoch mit dem Irrglauben, nichts verpasst zu haben. Und das geht natürlich erstens gar nicht und ist zweitens bei Kabarett insgesamt eher selten der Fall.

Im konkreten Fall haben wir es mit einem sehr feinen und durchdachten Programm namens ‘Wir – schwierig.’ zu tun. Dass es auch der in wohlformulierter Gestalt daherkommt, ist bei Gunkl sowieso Ehrensache. Von ‘Gehirnakrobatik’, wie man es am Ende der Kritik auf kabarett.at lesen kann in der dortigen – an sich positiven – Betrachtung der Premiere, habe ich nichts bemerkt; Gunkls Äußerungen sind durchwegs in logische Fundamente gebettet. Sie kommen allerdings pfeilschnell daher und werden ebenso zügig von der nächsten abgelöst, was beim Zuschauer eine gewisse geistige Regheit vonnöten macht.

Wer diese mitbringt, erfährt jedoch allerlei; dass der Mensch sich mit dem Wörtchen ‘aber’ eine außergewöhnliche Betrachtungsweise der Welt ermöglicht, und wie die Kirche sich angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse eine neue, immer noch übergeordnete Berechtigung ableitet, das muss man sich einfach in Gunkls ganz spezieller Rhetorik erklären lassen.
Und mit sprachlicher Erbsenzählerei ist bei mir ohnehin leicht zu punkten.

Sehr schöne Betrachtungen über das Musikmachen finden sich gegen Ende des Programmes. Dazwischen liegen viele sehr gescheite Betrachtungen, und Denkanstöße, die ganz ohne erhobenen Zeigefinger auskommen.

Wir erfahren also, warum ‘wir’ schwierig ist: Weil als Voraussetzung für ein solches Wir immer alle Beteiligten mit dem Konstrukt einer gemeinsamen Identität einverstanden sein müssen.
Und so kommt es, dass ich das Programm ganz großartig fand, während irgendjemand, dessen Identität mir nicht einmal erinnerlich ist, wohl nichts damit anfangen konnte. Ein ‘wir’ wird aus diesen gegensätzlichen Gesinnungen sicher nicht.

Aber deswegen muss man sich nicht gleich bekämpfen. Sagt der Gunkl. Denn zwischen Liebhaben und Bekriegen ist noch ein enorm großer Spielraum.

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. baumgarf sagt:

    Ganz ehrlich, ich beneide dich um diese Erfahrung. Leider kommt nämlich der werte Herr Gunkl nur sehr selten bis nie in den südwestdeutschen Raum. Bis dahin muss ich mich eben mit seinen Texten auf seiner Homepage begnügen.

  2. baumgarf sagt:

    O Freude, ich seh’ grade, dass er wohl Ende September ins Ländle kommt. Hoffentlich stimmt der Termin auch, Vaihingen/Enz ist eigentlich gleich ums Eck hier. Jetzt heißt es Geduld zeigen.

  3. Etosha sagt:

    Daran sieht man, dass zwischen Traurigkeit und Freude oft nur eine Viertelstunde liegt. :)

  4. hubbie sagt:

    Gunkls grenzgeniale Gedankenfluesse, gigantischen Genitivketten nicht abgeneigt….. vermisse ich hier unten sehr, auch sein Sax und seine Klampfe “unterm” Dorfer

  5. Etosha sagt:

    Bist ja bald wieder da :) Vielleicht tröstet dich ja sein Tip des Tages samt Archiv?

  6. hubbie sagt:

    seinen Spruch vom 4.4. empfinde ich durchaus troestlich, mit beschlagenen Badezimmerspiegeln und Makaken hab ich’s nicht so, gestehe ihm aber zu damit sein hochstrapaziertes Cerebrum zu regenerieren

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