Weihnachtsschnorcheln in Ägypten (2)

Ich sah nachts die Sterne der südlicheren Gefilde, den Phoenix mit seinem Hauptstern Ankaa, und wie der Nachthimmel ohne Ursa major, die große Bärin, aussieht, die ja bei uns immer zu sehen ist, stattdessen mit einem kompletten großen Hund bestückt, der bei uns im Winter tief im Süden nur zum Teil auftaucht. Ich sah die Milchstraße so hell und schön wie schon lange nicht mehr. Und ich sah an zwei Abenden noch vor Einbruch der Dunkelheit Sternschnuppen über den blassblauen Himmel zischen.

Einen großen Raubvogel sah ich, einen, der am Meer lebt und jagt, weiß mit schwarzen Flügeln, großen Klauen und elegantem Flug. Einmal schaute ich ihm zu, als er lautlos über den Strand segelte. Ein andermal sah ich ihn ganz aus der Nähe, und er fühlte sich von mir zu Recht überhaupt nicht bedroht, wie er da auf einem ausgedienten Laternenmast saß und mit hellen, stechenden Augen den Strand und das Riff überblickte. Zu zweit nisten sie in einer dieser künstlichen Palmen, die, vom pfeifenden Wind über den Hotelmauern völlig ungebeugt, mit roten Lichtern von ihren Spitzen eine Warnung vor ihrer eigenen Höhe in die Gegend blinken.

Beim Rückflug sah ich, wie die Sichel des zunehmenden Mondes Venus den Rücken zukehrte, in einem Meer aus rotem Licht, das der verschwundenen Sonne nacheilte, so prächtig und leuchtend, wie nur echte Augen es wahrnehmen können. In der Dunkelheit sah ich Kairo und Alexandria friedfertig zu mir heraufleuchten. Ich sah viele kleine, kompakte Spinnweben aus Licht, die einzelne kleine Lichter über einen ihrer Stränge in ihre Eingeweide saugen und sie an anderen Ausläufern wieder in die Zwischenräume aus Nacht hinausspucken.

Ich sah vorm Wegfahren ein aufgeräumtes Haus. Viel Wäsche war noch gewaschen worden. Das Geschirr war gespült und weggeräumt. Der Kühlschrank war ausgemistet, damit da nichts wächst, wo nichts wachsen soll, und der Müll wurde selbstverständlich noch rausgebracht.
Angesichts des Obstmangels beim Urlaubsfrühstück wollte ich mir heute früh zum ersten Frühstück nach der Heimkehr ein Stück kühlschrankkalte Mango in der Mikrowelle ein bisschen anwärmen, zehn Sekunden, damit mir nicht die Zähne ausfallen. Hinter der Tür des Gerätes traf ich ein Schüsselchen mit einem Deckelchen an, das genauso überrascht war wie ich. Ich guckte hinein und sah wundersame Schimmelgewächse. Es handelte sich um ein Restchen vormaliger Baked Beans, das ich am Abreisetag zum Frühstück essen wollte, damit auch wirklich nichts übrig bleibt.
Das unbestimmte Gefühl, irgendwas Wichtiges vergessen zu haben, hatte ich beim Wegfahren übrigens nicht.

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