Gestern war für mich Geburtstag und Weihnachten an einem Tag – es war an der Zeit, zwei Gutscheine einzulösen.
Am Vormittag war ich mit meiner Freundin N. auf einem Altwaren- und Flohmarkt im nördlichen Wien, wo wir uns in- und outdoor den optisch erschlagenden Mengen an Unrat hochqualitativen Gebrauchtwaren hingaben und außerdem, N.s liebenswerter Affinität zu bunten Plexiglasplatten folgend, auch noch die entlegensten Winkel des Marktes erreichten, die vermutlich kaum jemand zuvor betreten hat. Ziel und Folge des freudigen Stöberns war der käufliche Erwerb mehrerer unentbehrlicher Dinge, deren genauere Natur im vorhinein natürlich nicht bekannt, aber jedenfalls dem Geburtstagsgutschein folgend durch die liebe N. zu finanzieren war.
Beim beiläufigen Besehen eines kreativen Hutes in einer versteckten Ecke eines der zimmerartigen Verkaufsareale bekam ich fahrlässig einen Gesprächsfetzen um die Ohren geknallt. Ein weiblicher Beinahe-Teenager sagte zu seiner gleichaltrigen Begleiterin, die wohl eben ein Kleidungsstück unter Zuhilfenahme ihrer Hände begutachet hatte, aufs äußerste angewidert und mit verachtendem Tonfall: ‘Bäh, du greifst das an??? Das is alles von Tschuschen!’
Angreifen ist (ost)österreichischer Standard für ‘anfassen’. Das hiesige ‘Tschusch’ ist ein entwürdigendes Wort für Migranten, eines, das Geringschätzigkeit und Fremdenhass transportiert. Es bezeichnete – wahrscheinlich sogar auf Basis eines slawischen Wortes oder Nachnamens – ursprünglich vor allem süd- und südosteuropäische Zuwanderer, die in der Nachkriegszeit wesentlich zum Wiederaufbau des Landes beigetragen hatten.
Ob es im deutschen Raum ein adäquates Wort gibt, weiß ich nicht, und daher auch nicht, ob der abfällige Hochmut und die dummstolze Selbstgerechtigkeit dieses Satzes in deutschen Ohren überhaupt hörbar wird. Mir jedenfalls drehte sich augenblicklich der Magen um, und meine Zunge verformte sich in Richtung spitz zulaufend.
Abgesehen von diesem ebenso unerfreulichen wie unerwarteten Appetitzügler war es jedoch ein durchaus gelungener Vormittag. Meine pragmatische Seite ließ mich zu ein paar Büro-Ablagekörben und leeren Ordnern greifen, aber auch ein ein funktionierender Sony-Minidiskplayer um sensationelle 5 Euro war dabei, eine Pink-Floyd-CD und ein Kroatisch-Wörterbuch. Außerdem eine Ledertasche, die N. und mich gleichermaßen entzückte – kein Wunder: Wir teilen uns die Vorliebe, Dinge zu erwerben, die den äußerlichen Eindruck erwecken, als hätten wir sie aus einem früheren Leben mitgebracht. Die erwähnte Tasche sieht demzufolge aus, als hätte sie schon das eine oder andere Jahrhundertzehnt auf dem Buckel; lieblose Zeitgenossen würden sie speckig nennen.
Nach Befriedigung unseres Konsumdrangs und vor unserem Abschied für diesen Tag frönten wir noch dem unvermeidlichen Après-Shopping, also Kaffeetrinken begleitet vom in seinem Niveau selbstverständlich über jeden Zweifel erhabenen Gespräch unter Freundinnen.
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Mit meinem Mann ging es dann weiter zum Einlösen des anderen Gutscheins, den er mir zu Weihnachten geschenkt hatte: Für ein neues Fahrrad. Mein altes nämlich war wie ein übergewichtiger, an angeborener Lahmheit leidender Gaul.
Die Auswahl und Bestellung hatte ich bereits am Freitag erledigt, das Rad war nur noch abzuholen. Meine Wahl fiel auf ein Scott Mountainbike, allerdings hat meine Sportlichkeit Grenzen, die ganz äußerste befindet sich, wo mir bei nassem Wetter am Feldweg der Matsch auf den Rücken spritzt, also habe ich entsprechende Kotflügel dazubestellt, einen anderen Sattel und batteriebetriebene Aufsteckleuchten, damit ich auch in Neumondnächten nur minimal gefährdet bin.
Nachdem ich dem um kompetente Wirkung ringenden Lehrling darauf hingewiesen hatte, dass ich gerne nicht nur im vorderen Aufstecklicht Batterien hätte, sondern auch im hinteren, und ihm gezeigt hatte, wie man einen Fahrradständer montiert, kam mein Mann vom Stöbern im hinteren Teil des Geschäftes heran und fragte scherzhaft, ob ich denn jetzt die neue Mitarbeiterin in diesem Laden wäre, worauf der Kompetenzringende sich erdreistete zu erwidern: ‘Ja, eingeschult ist sie jetzt.’
Doch dann konnte ich den neuen Schatz endlich mit nach Hause nehmen. Die erste Ausfahrt gestern verlief zufriedenstellend, nur ein paar kleinere Anpassungen waren noch vorzunehmen. Und ich hätte gerne einen noch weicheren Sattel, vielleicht einen der Marke ‘Thronfolgerin auf Hülsenfrucht’.