Der patriarchale Bullshit ist stark in uns. Und das bedeutet: Aggressive Gefühle sind erlaubt, Zynismus und Gefühlskälte sind cool. Aber gute Gefühle sind streng verboten. Auch und gerade in der Politik. Und nicht nur Männern – aber vor allem denen!
Ich hab da was geschrieben auf diesen Sozialen Medien, das ich hier (besser sortiert) festhalten will. Hier in zusammengestellter Form meine Antworten und Ergänzungen aus allerlei Folge-Threads. Ausflüge in andere Themenbereiche in ausklappbaren Texten “Exkurs”; Links zu den Bluesky-Postings hinter den @-Zeichen.
Die Frage war, warum auf Andi Babler dermaßen losgegangen wird – von den Medien, von der Politik, sogar von Teilen der eigenen Partei.
Freilich ist meine Eindruck nicht als fatalistische Erklärung gemeint, sondern eine vom Typ Nicht-nur-aber-auch.
Es liegt imho daran, dass er positive Emotionen ins Spiel bringt. Es ist dieselbe patriarchale Herablassung, die dir auch als Frau entgegenschlägt, wenn du zarte Gefühle ausdrückst.
Und er weckt Hoffnung – und wer hofft, wird auch aktiv. Wer zynisch ist, tut nichts. Deshalb wird Hoffnung als naiv geshamed. @ Damit die Leut auf ihren Hintern sitzenbleiben, sich nicht engagieren oder für bessere Bedingungen eintreten, sondern sagen: “Die sind doch eh alle gleich. Was will der schon anders machen oder ändern? Träumer!”
Imho wird dieser bornierte Zynismus forciert, damit alle, die noch hoffen, sich sogleich für ihre “naive” Hoffnung schämen und sich wieder zurückziehen. @
Das dürfte ein ähnlicher Gruppendruck sein wie das Bashing, das manchen Popmusikern widerfährt, die von einer nicht näher definierten Influencer-Ebene aus als peinlich, cheesy und ~weibisch hingestellt werden, und für die sich dann im Nu niemand mehr als Fan outen traut. Das passiert vorzugsweise männlichen Musikern, die viele weibliche Fans haben. Und liegt daran, dass die wenigsten mutig genug sind, öffentlich zu einem zarten, positiven Gefühl zu stehen.
Und warum? Weil wir uns einreden lassen, Gefühle zu zeigen wäre eine Schwäche. Dabei kann etwas, wofür man mutig und beherzt sein muss, gar keine Schwäche sein. Die ganze Story von der überlegenen ~männlichen Ratio und den unterlegenen ~weiblichen Gefühlen ist kompletter Bullshit. @
Wir sind Menschen und haben menschliche Gefühle. Egal welches Geschlecht. Punkt.
Schwach ist es, den Gefühlsausdruck anderer Menschen zu verhöhnen, nur weil einem selbst dazu der Mut fehlt.
Mit dem Abwehren schwieriger Gefühle gehen übrigens auch die guten Gefühle dahin.
Übrig bleiben Zynismus und der gefühlskalte Egotrip. @
Oh, und Babler bietet Zugehörigkeit auf Basis gemeinsamer Werte an, statt nur die poröse Verbindung über gemeinsame Feindbilder. Wer selbst gar keine offenen Arme zu bieten hat, weil die Zugewandtheit zu anderen fehlt, und man daher nur auf sich selber schaut – na klar geht so jemand dann auf Babler los. Aus Neid und aus Angst. Und Scham.
Exkurs: Vermögensteuer
Diesen hab ich aus praktischen Gründen dann doch in einen separaten Artikel ausgelagert.
Glaub, viele sind zu zynisch geworden, um noch an ein gutes Leben für alle zu glauben. Oder sie wollen ein gutes Leben nur für Ausgewählte, und die Erlaubnis von oben, alle anderen zu hassen. Positive Zukunftsvisionen positiv darzustellen ist schambesetzt bei uns, man fürchtet, als naiv zu gelten. @
So beinhart geworden, einfach nur mehr cool, unberührt, abgeklärt. Wenn man noch was spürt, ist man für viele ein Einhorn heutzutage. Idealistisch – und viiiel zu naiv natürlich.
Das ändert sich freilich schlagartig, wenn sie selbst plötzlich was spüren oder ihnen etwas fehlt. Dann ist der Jammer groß: sooo unfair! @
Warum wir nicht öfter demonstrieren? Weil wir unser Entsetzen anderweitig abreagieren. zB aneinander (auf Social Media, in Diskussionen) und über #JöZynismus. Und plötzlich haben nur noch wenige die Eier, ganz unironisch für eine bessere Zukunft einzutreten. Soo abgebrüht! 😎 Bloß nicht naiv wirken! @
Alles andere (global) ist egal. Denn es droht (persönlich): Scham!
Das Shaming für Naivität kommt aus der Gefühlsabwehr-Welt des idealmännlichen Rollenbildes. Selten war das so deutlich wie beim Runtermachen von Andi Babler. Inzwischen sogar mit vertauschten Rollen: Frau Bures versucht mittels Brief (offenbar einem von der offenen Sorte), Herrn Babler zurück ins ~Ernsthafte zu shamen. i.e. ins Un-Idealistische, Un-Träumerische, Hoffnungslose. @
(Und sie ärgert sich offenbar nur, dass sie nicht um ihre Absegnung gebeten wurde, sonst hätte sie das Wahlprogramm nicht als ~Entwurf bezeichnet.)
Exkurs: Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Partei #wasFehlt
Es hätte imho gut getan, wenn Babler sein Konzept der Kommunikation offen erklärt hätte, innerhalb der Partei.
Es ist zwar klar sichtbar für die, die sich mit Kommunikation aktiv befassen und sein “Heben der Truppenmoral” durch gleichmäßiges und verlässliches Unterfüttern mit guten Emotionen daher bewusst wahrnehmen. @
Aber für alle anderen ist es nur spürbar. Sie bemerken deutlich: Da bewegt und berührt mich plötzlich etwas! Das baut mich auf! Es lässt mich hoffen! Da ist Resonanz!
Aber sie können nicht orten, woran das liegt. Viele haben sich leider nur wohlig am Leitfeuer gewärmt, ohne es übernehmen zu können und es aus eigener Kraft zuerst zu sich selbst und dann zu ihrer Ortsgruppe weiterzutragen.
Viele sind so geübt im Gefühle-Wegdrücken, dass sie stattdessen weiter in ihren zynischen Denk- und Redegewohnheiten steckenbleiben. Und so kann es auch nicht großflächig zur glühenden Partei-Philosophie werden. Es erzeugt vielmehr eine Abhängigkeit vom Leitfeuer, und statt unzähliger weiterer Lichter nur ein paar vereinzelte.
Als 2023 fälschlich Dosko als Chef verlautbart wurde, hab ich live beobachtet, wie der “Füllstand” des Babler-Feuers jäh aus den Genossen rausgesackt ist. Übrig blieben Aschehäufchen. Es war zuviel erwartet, dass sie die Flamme erkennen und sie “automatisch” übernehmen und weitertragen würden, ohne dass man ihnen gezeigt hätte, wie man sie am Brennen hält.
Vielleicht fürchtete Babler auch, wenn er das Konzept offenlegt, dann könnte es ja jede/r, und dass man ihm dann leicht den Rang ablaufen könnte? Dabei wärs gut, wenn andere diese Haltung nicht nur diffus-emotional (worin die meisten ja nicht geübt sind!) erfassen könnten, sondern auch mit dem Verstand erleben könnten und “anprobieren” würden. Denn Herzensgüte, Zugewandtheit, positive Verstärkung, all das kann man gar nicht nur strategisch antäuschen. Man muss es leben, um glaubwürdig zu sein.
Und da steigen viele aus: Mit dem Übernehmen und Weitertragen würde man sich ja genauso exponieren und seine eigene Verletzlichkeit der Kritik preisgeben, wie Babler selbst das tut. Es aufzusaugen, aber selbst nicht zu wagen, ist vorauseilender Gehorsam vor der beschämenden Rache der patriarchalen Gefühlspolizei. Vor der man sicherer ist, wenn man erstmal abwartet, wie seine Resonanz ausfallen wird – und sich inzwischen weiter versteckt.
Es ist ein uraltes, eigentlich spirituelles Dilemma: Die Leute heben lieber die Sandale in die Luft und folgen dem “Gebenden”, statt seine Botschaft anzunehmen, sie in ihrem Lebensumfeld umzusetzen, ihr eigener Quell zu werden.
(Oder sie kritisieren aus den billigen Reihen.)
Manchmal brauchen Menschen eben auch Anleitung und Aufforderung – und die hätte er aussenden sollen. Denn viele wissen wohl gar nicht, dass sie das auch selber können.
Vor allem für Männer ist es sehr schwer, aus der zynisch-bornierten Ecke wieder rauszukommen und, statt sich passiv mit Zuwendung und positiver Vision nähren zu lassen, aktiv und selbst zum nährenden Element zu werden. Denn das würde das Paradox aufdecken in der alteingesessenen patriarchalen Mär vom “aktiv” Männlichen und “passiv” Weiblichen. Der Mann soll zwar der ~Ernährer für die Familie sein, aber emotional darf er sich nähren lassen.
Daher ist es für Männer mit Hemmnis und Scham verstellt, “nährend und aktiv” aufzutreten, weil das ein weibliches und ein männliches Element enthält. Das führt zu Verunsicherung – was bin ich denn nun? Gefährdet das womöglich meine attestierte Männlichkeit? Was werden die anderen sagen? Werde ich ausgeschlossen?
(Scham – übrigens – ist die Angst, dass man des Dazugehörens und der Liebe nicht (mehr) würdig sein könnte.)
Wut und Zynismus ist im männlichen Rollenbild “erlaubt” und geht leicht für Männer; Hingabe, Freude, Hoffnung aber schwer. Und jeder, der den Anschein macht, dem männlichen Idealbild nicht mehr zu entsprechen, wird mit Scham überzogen, auf dass er sich flugs wieder zurück auf “seine” männliche Rollenbild-Schiene besinne und begebe.
Aber Scham und Beschämung eignen sich gar nicht, um Menschen schädigungslos auf den “rechten” Weg (zurück) zu führen. Jedenfalls viel weniger, als unser althergebrachter(!) Sprachgebrauch das nahelegen würde. (“Du solltest dich was…”)
Schuld wäre ein konstruktives Gefühl – sie veranlasst uns zu Entschuldigungen, Wiedergutmachung und Veränderung.
Scham hingegen ist ein destruktives Gefühl, das eng mit Rückzug, Schweigen, Mauern, Selbstwertschwund und Depression verknüpft ist (und auch mit Narzissmus btw). Alternativ führt Scham zu aggressivem Zurückschlagen – vorzugsweise durch die Beschämung und Beschuldigung anderer!
Es wird hier also von den strengpatriarchalen Schergen nicht nur versucht, uns von einem Leben und politischem Idealismus aus vollem Herzen abzubringen und fernzuhalten, sondern das obendrein auch noch mit dem denkbar destruktivsten Werkzeug.
Und Hoffnung – Hoffnung ist eigentlich gar kein Gefühl! Sie ist eine kognitive Leistung, die sich bildet aus dem Erkennen von Zielen, von möglichen Wegen und aus festen Absichten. Sie ist eine Haltung.
Selbst als Mann darf man sich also Hoffnung durchaus trauen! Und muss sich dafür nichtmal zum Gefühlsdusel umdeuten lassen, sofern man das vermeiden möchte.
Also Obacht, wenn euch jemand mit sehr abgeklärter Mine vorschreiben will, dass ihr gute Gefühle als peinlich zu empfinden hättet. Wenn ihr Idealismus zeigt und Hoffnung habt. Das Zeigen von Gefühlen und Haltung erfordert viel Beherztheit, und genau die fehlt den Kritikern. Weil sie wissen, dass sie sich damit angreifbar machen würden, ironischerweise aber nur in der Tradition ihrer eigenen, emotional eingeschränkten Welt.
Das passiert, wenn man den Anschluss an seine Gefühlswelt dermaßen zugemauert hat, dass man nicht einmal mehr merkt, wie sehr man allen anderen dieselbe Einschränkung verordnen will. Die Angst vor dieser Scham wird dann als scheinbar sachliche Kritik verkleidet.
Sollte euch hingegen selbst der Impuls überfallen, eine hoffnungsvolle, idealistische Idee kleinzureden – hört doch davor mal in euch hinein: Findet ihr wirklich die Idee schlecht? Oder habt ihr Angst, dabei ertappt zu werden, wie ihr etwas empfindet, das das Patriarchat verboten hat?
Es ist erlaubt, für eine bessere Zukunft einzutreten – für sich und für andere, die nicht “eh alles erreichen können”. Auch dann, wenn diese Überzeugung einem verbotenen Gefühl folgt, etwa dem, damit für sich und andere das Richtige zu tun.
Daran ist nichts, wofür man sich schämen müsste.
Bitte traut euch! Erzählt von guten Zukunftsaussichten mit menschenfreundlichen Politikern wie Andi Babler. Und lasst euch dafür nicht ins Scham-Winkerl stellen! Mit angemessenen Forderungen zum Wohle aller und mit Respekt für Menschen kann man einen Staat mit zufriedenen Leuten schaffen.
Mit Hass und Hetze nicht.
Und mit gefühlskaltem Zynismus auch nicht.