Geträumte Metaphern

Mit dem Start in dein Leben, der Auswahl des Umfeldes und der beruflichen und persönlichen Voraussetzungen, ist es wie mit einer Autofahrt zu einem Konzert: Nimmst du den erstbesten Parkplatz, der sich dir bei der Anfahrt bietet, dann musst du den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen, und zwar ohne Kenntnis des Untergrundes, auf dem du dann laufen musst, aber nicht nur das: auch ohne noch zu wissen, ob du überhaupt Beine hast!

Wenn du spät dran bist, vertrödelst du kostbare Zeit und Energien auf dem Weg zum eigentlichen Startpunkt, du irrst nach dem Startschuss immer noch untätig weit hinter der Startlinie umher. Womöglich vergisst du sogar, wo du eigentlich hinwolltest. Dabei hast du im Bauch immer einen kleinen Rest Erwartung, eine Stimme, die dir sagt, wie sich das, was du tust, eigentlich anfühlen müsste. Nicht diese Müsste-Stimme, die aus deiner Erziehung übrig geblieben ist, oder aus dem religiösen Unterricht; die Stimme deines tiefsten Wesens. Mit diesem winzigen Navigator suchst du es hier und da, aber diese gewisse Unzufriedenheit bleibt, und das Gefühl des Getriebenseins, der Rastlosigkeit – bis dir durch einen Zufall oder die gezielte Suche wieder einfällt, was der ursprüngliche Plan war.

Das wäre halb so schlimm, wenn du beim Konzert nur Zuhörer wärst. Aber du sollst mitwirken, bist gar Solokünstler – nicht nur du selbst fühlst dich dann hohl, auch die Bühne wird ohne dich recht leer wirken.

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  1. stephan sagt:

    Liebe Solokünstlerin,
    das Wesen, dein ureigenstes ich, welches in dir glimmt und als Navigator wirkt hat einen Namen:

    Leider ist der Name so oft geschmäht und als Lächerlich bezeichnet worden von Leuten die noch hinter der Startlinie sind. Dieses Gefühl mit etwas aus dem Kosmos verbunden zu sein nenne ich Jesus Christus.

    :-)

  2. G. Schwätz sagt:

    Ich würde dem Gefühl keinen Namen geben, obwohl ich es auch kenne. Ich glaube, dass auch das, was wir als Intuition bezeichnen uns einfach bloß zeigt, dass wir ja doch nur ein Teil des gesamten Kosmos sind. Jesus Christus brauche ich dafür jedenfalls nicht. Aber ich bin auch ein ungläubiger Heinrich ;).

  3. T.M. sagt:

    Sobald man die Augen vom Fernsehbildschirm nimmt, stellt man fest, dass man zwei Hände hat (und vermutlich schon immer hatte), weiter unten auch zwei Beine und – jetzt kommt’s – oben, zwischen den Schultern ein merkwürdig rundes Ding …

    (Ich bin so froh, dass es dem Hasi gutgeht …)

  4. stephan sagt:

    hm,
    Glaube und Intelligenz schließen sich nciht aus. Ebenso kenne ich keinen einzigen Satz aus der Bibel der einem das Denken verbietet. :-)

    Und arbeiten musst allaweil a wens glabst.

  5. Etosha sagt:

    Eine Glaubensdiskussion wollte ich hier eigentlich nicht heraufbeschwören, und ich bin froh, dass jeder dieses Gefühl so nennen darf, wie er selbst will, ob er es jetzt von seinem Denken abhängig oder unabhängig betrachten will.

    Was ich allerdings nicht möchte, ist, dass andere meinem Gefühl einen Namen geben und meinen Empfindungen und meinem tiefsten Wesen damit eine Richtung, eine Art, eine Kategorie aufzwängen.
    Ich erkläre anderen auch nicht, dass ihr Gefühl in Wirklichkeit so oder anders heißt. Sorry, Stephan – ich weiß, du hast es nett gemeint. Aber es muss jeder seinen Weg selber finden – er muss ihn ja schließlich am Ende auch selber gehen. Auch wo nicht Jesus Christus drübersteht, kann sich ein guter, glücklicher Weg auftun.

    Die Beine, TM, waren natürlich metaphorisch gemeint. ;P

  6. G.Schwätz sagt:

    Wow. Tosherl, du hast es mal wieder geschafft, meine eigene Meinung besser zu formulieren als ich selbst – reife Leistung, euer Gnaden :).

  7. Stephan sagt:

    Na nichts dagegen! Ich sagte ja auch ausdrücklich: Ich nenne dieses Gefühl so.

    Es gibt genügend Menschen die ich als die besseren Christen bezeichnen würde wie die Christen selbst.

    Außerdem finde ich das Bild des Solokünstlers genial. Schließlich hat wohl jeder schon Zeiten erlebt in denen er meint in seinem Leben nur zuzuhören.

  8. Etosha sagt:

    G., war mir ein Vergnügen.

    Stephan, deine Zustimmung sehe ich mit versöhnlichem Gefühl. Trotzdem dazu noch ein paar Sätze:

    Jesus Christus ist deshalb für meinen Begriff kein ‘Name’ für ein Gefühl, weil ich nicht weiß, was für den anderen, für dich, tatsächlich unter dieser Überschrift stehen mag. Und du wüsstest nicht, was ich damit meinen würde.
    Wenn ich sage, ich lasse mein eigenes göttliches Wesen wirken, oder ich versuche es in mein Leben zu holen, dann haben wir vielleicht einen etwas konkreteren Ausgangspunkt.
    Gut möglich, dass wir dann sogar das gleiche meinen! Vielleicht aber wäre meine Lebenseinstellung für deinen Geschmack weit zu egoistisch, um als christlich im herkömmlichen Sinne durchzugehen.

    ‘Jesus Christus’ als Begriff allein stehend mag auch gut geeignet sein, um sich dahinter zu verstecken, sich als unantastbar hinzustellen und trotzdem eigentlich nichts gesagt zu haben – zumindest nichts, das für andere eindeutig zuordenbar wäre. Von dieser vermeintlich erhöhten, aber überaus wackeligen Position aus im gleichen Atemzug alle Menschen als hinter der Startlinie stehend einzuordnen, die seinen Namen ‘schmähen’ (und das tue zB ich hier in gewisser Hinsicht durchaus!), finde ich schon reichlich selbstgefällig.
    Um das hier mal deutlich zu sagen: Sein Name auf deinem Fähnchen berechtigt dich nicht zu einem solchen Gerichtsspruch. Es erinnert einfach zu sehr an die hochmütige und wenig vorbildliche Haltung der Kirche zu vielerlei Themen in Vergangenheit und Gegenwart, als dass es mir nicht störend auffallen würde.
    (Danke auch an S. für das diesbezügliche Mail.)

    Vielleicht hast du dich auch einfach in der Formulierung vergriffen, Stephan, das kann gut sein. Dein Glauben in allen Ehren – aber jener der anderen bitte auch. Eine neutrale Position gehört imho auch zur christlichen Auffassung.

    Als Begriff ist Jesus abstrakt, uneindeutig und vielfach besetzt – nicht vergessen: für viele oft auch negativ! Ein ganzer Rattenschwanz namens Kirche hängt da dran (s.o.). Eine Generalberechtigung zur Inquisition.
    Er ist besetzt als Über-Wesen. Als unerreichbares, aber trotzdem anzustrebendes Ideal. In den meisten Fällen jedenfalls wird der Name gemeint und aufgefasst als externe Figur.
    Das alles ist es eindeutig nicht, wovon ich hier spreche.

    Ad Solokünstler:
    Unser Leben wieder in die Hand, in Besitz zu nehmen, ganz anwesend zu sein und es mit unserem eigenen göttlichen Wesen auszufüllen könnte sogar die wichtigste Aufgabe sein, der wir uns derzeit widmen können.

  9. G. Schwätz sagt:

    dem kann eigentlich nichts mehr hinzugefügt werden. außer vielleicht, dass draußen schnee liegt. schaut hübsch aus :).

  10. stephan sagt:

    :-((((

    Schade. Eigentlich habe ich mich beim lesen deines Artikels gefreut.

    Weder betrachte ich mich als über irgend jemandem stehen, noch wollte ich irgendjemanden verletzen oder irgendjemand angreifen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Wenn ich deine Antwort lese bemerke ich, das wir uns völlig falsch verstanden haben.

    Schade!

  11. Etosha sagt:

    Deswegen ist uns ja der eine oder andere Tippfinger gewachsen – damit wir Missverständnisse ausräumen können! War vermutlich wirklich nur eine Frage der Formulierung.

  12. mkh sagt:

    Ein toller Text! Ich musste einige Male lesen, um die geträumten Metaphern zu verstehen. Sie haben es in sich.

    Mir hat einmal ein Schuhmacher gesagt – und ich glaube, das sind bodenständige Menschen ;) – es kommt vor allem darauf an, dass man DEN Weg, den man einmal eingeschlagen hat, auch ganz und gar GEHT.

    Natürlich kann man aussteigen und sich neue Wege suchen, und allein unter dem Aspekt, dass der Mensch sich ja angeblich alle sieben Jahre komplett erneuert (Zellen etc.), wird es solcherart Neuorientierungen immer geben. Mal lassen sie sich mehr in das Bestehende einbeziehen, mal weniger, dann sind manchmal vielleicht auch Abschiede unvermeidlich.

    Aber auch das Bestehende ist ja immer in Bewegung. So gesehen können die Würfel für den weiteren Wegverlauf immer wieder neu geworfen werden. Ohne gleich ein ganzes Spiel zu zerhauen.

    Ob ich deine Worte jetzt so verstanden habe, wie du sie gemeint hast, weiß ich ja nicht. Aber das sind so die Gedanken, die mir heute dazu einfielen.

    PS: Gut, dass du in deinen Kommentaren ein paar Ungereimtheiten bzgl. dessen, wie wir jeweils unser “innneres Licht”, unsere “innere Stimme”, unser “inneres Wesen” NENNEN möchten, differenziert und kritisch auf den Punkt gebracht hast. Sonst hätte ich versuchen müssen, genau das zu tun.

  13. Etosha sagt:

    Danke für das Ausformulieren deiner Gedanken dazu! :)
    Mir gefällt, dass Schuhmacher bodenständige Menschen sind. *gg*

    Und ich stimme insoferne mit ihm überein, als wir beide meinen, dass man versuchen sollte, sich nicht zu verzetteln. Wenn man im (N)irgendwo beginnt, ist die Gefahr sehr groß.

    Das direkte Anstreben eines Zieles – oder besser: einer Richtung – mag nicht in jeder Situation die beste Strategie sein – aber es ist zumindest die beste, um die Richtung nicht aus den Augen zu verlieren.

    Ob du mich richtig verstanden hast, kann ich selbst nicht so recht beurteilen – ich versuche immer noch, den Traum zu verstehen. Der Text war nur ein erster Versuch, ihn in etwas allgemeinere Metaphern umzusetzen und von irreführenden Details zu befreien.

  14. mkh sagt:

    Jedenfalls hat dich dieser kleine Filmvorführer, der da in dir drinnen sitzt und am Projektor kurbelt, großes nächtliches Kino sehen lassen! – Dokumentarisch? Sehr naheliegend.

  15. Etosha sagt:

    Womöglich sogar autobiographisch! ;D
    Ich hab darin jedenfalls Straßen befahren, die ich noch nicht kannte.

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