Das Weib will Propheten?

Ich bin ein großer Prophet meiner Zeit. Obwohl, Kunststück war das keines, nur eine Frage, nun, der Zeit eben. Wie im Jahr 2007 von Swamitosha vorhergesehen, ist man nun also bei der neuen Natürlichkeit angelangt.

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Zumindest mit dem Vehikel des Mutes. Ob das körperliche Erdenvehikel nachzieht? Keine Hungerhaken mehr? Gesundgewichtige Models? Man wird sehen. Für viele ist es zum Glück ohnehin nur ein Bild in ihrem Kopf, das es auszuhungern gilt, und kein körperlicher Mangelzustand, der zu beseitigen wäre.

Mut oder Natürlichkeit, beide sind mitnichten neu. Sie waren immer da. Neu ist für viele aber bestimmt, wenn die Seele erstmals vernehmen lässt: Du bist in Ordnung so, wie du bist. Ich bin in Ordnung. Man hungert sich ohnehin nicht von Größe 42 nach 34, zumindest nicht auf Dauer. Und wenn man schon so ist, wie man ist, dann kann man sich auch gleich so mögen. Das kostet weniger Kraft als das neidvolle Schielen auf Models in Zeitschriften und auf Plakatwänden. Schielen ist nicht natürlich.

Es ist auch nicht natürlich, den Menschen zu sagen, sie wären nicht normal, ihnen zu sagen, welche körperlichen Merkmale in der Gesellschaft vertretbar sind oder “gern” gesehen werden und welche nicht. Wer würde seinem Kind Kleidung kaufen, die ihm zu klein ist, damit es “reinwächst”? Grausam wäre das? Es würde im Kind zwangsläufig ein ständiges Gefühl des Versagens und der Minderwertigkeit entstehen lassen? Warum haben wir dann aber keine Scheu, das mit uns selbst zu tun? Nur weil Gedrucktes immer recht hat?

Neu ist, wenn man etwas noch nicht kennt, wenn es strahlt und glänzt. Natürlichkeit jedoch ist dann natürlich, wenn sie sich nicht aufspielen und hervortun muss, wenn sie nicht mit dem Prädikat “neu” bepinselt werden muss, um für die Massen interessant zu sein, sondern einfach da ist, ganz natürlich eben. Daher hat sie es freilich etwas schwerer, sich durchzusetzen in dieser Welt des grellen Scheins und der lauten Glitzerdinge.

Natürlichkeit ist kein Ideal, keine Mode, sie lässt sich nicht in ein Von-Bis einsperren, jenseits dessen keine Natürlichkeit mehr herrschen würde. Maßlosigkeit ist sicher nicht gesund, doch den Menschen wurde die Vernunft jetzt ohnehin über Jahrzehnte eingeimpft, das sollte reichen. Wenn man aufhört, ihnen vorzuführen, wie sie sein sollten, kommen sie vielleicht auch mal in den Genuss, zu sein, wie sie sind, und sich mit dieser Freiheit glücklich zu fühlen – um letztlich zu spüren, wie sie sein möchten.

Neu ist das höchstens für ein paar schwule Designer, die mit weiblichen Kurven nichts anfangen können und wollen, aber nicht die Eier haben, ihre sogenannte Damenmode gleich von knorrigen Knaben vorführen zu lassen.

Es ist natürlich, das Vorhandene mit anderen zu teilen, dann hätten auf ganz natürliche Weise die einen keinen Bauch vom Wohlstand und die anderen keinen vom Hunger.

13 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. T.M. sagt:

    Also was jetzt? Ham Sie 42 oder nicht?

  2. Etosha sagt:

    Ist das relevant für den Wert meiner Einstellung?

  3. Ceh sagt:

    Auch Swamiclemi predigt das schon seit Jahren.

    Komischerweise realisieren selbst meine engsten Freunde selten bis nie, dass magersüchtige Frauen NICHT SCHÖN SIND. Es ist erstaunlich, was man anderen und sich selbst alles einreden kann. Denn auch wenn über Geschmack nicht zu streiten ist: Ich glaub immer noch, dass objektiv Natürlichkeit jeglicher Künstlichkeit vorzuziehen ist. Und normalerweise tatsächlich auch viel attraktiver.

  4. rudolfottokar sagt:

    wir leben leider in einer unsäglichen marketing- und eventgesellschaft. da is nix mit naürlichkeit und so. und wenn da natürlichkeit doch einmal vorkommt, wird sie automatisch wieder unnatürlich – weil zum marketinggag manipuliert.
    (ich frag mich sowieso, warum bzw. wozu sich irgendwer dieses ewige fade catwalkgestelze überhaupt noch ansieht)

  5. Etosha sagt:

    Je mehr der Mensch an festgeschweißte Gesellschaftsstrukturen glaubt, umso festgeschweißter sind sie. Es gibt aber tatsächlich andere Möglichkeiten in fast unbegrenzter Menge. Umbrüche geschehen jeden Tag.

  6. Ceh sagt:

    Die “neue Natürlichkeit” und die “Abkehr vom Schlankheitswahn” wird übrigens schon seit Jahren gepredigt. Nur die Medien/Modewelt weiß offenbar noch nix davon.

  7. Etosha sagt:

    Ja, unter anderem von mir. :D

  8. serotonic sagt:

    Du hast ja so recht, in fett, kursiv, unterstrichen, zentriert, GROSSBUCHSTABEN, Goldrahmen und allem, was Wordart so hergäbe, würde man sowas benutzen ;)

    Mir passiert es ja auch immer wieder, dass ich so ein hungriges klappriges Ding schön finde, ich danke ja immer, die haben etwas gazellenartiges, da bin ich bestens im Medientraining. Wenn man dann aber mal wahrnimmt, wie überproportional groß diese Köpfe allein schon sind, und dann noch drüber nachdenkt, dass Fernsehn dicker macht und dass für Werbung immer NOCH schlanker retuschiert wird, also, dann bin ich froh, meine eigenen 4 Wände zu haben, in denen ich einfach _bin_. Nicht „sein darf“.

    Dieser „Mut zur Natürlichkeit“ ist direkt mehrfach ein falscher Hund. Der suggeriert nämlich 1., dass die Hungerhaken RICHTIG sind, und man, mit dem einem oder anderen Knochenschoner ausgestattet, natürlich TROTZDEM ok ist („Guckmal, sogar DU kannst schön sein“). So wie man früher zu tendenziell übergewichtigen Menschen geradezu gönnerhaft „vollschlank“ gesagt hat. Und 2. sind die meisten Frauen, die da als „völlig natürlich“ präsentiert werden, entweder mit besonders guten Form-Genen ausgestattet (Dove-Werbung, Anna Nicole Smith) oder einfach nur an der unteren bis maximal mittleren Grenze eines gesunden BMIs, anstatt magersüchtig.

  9. Etosha sagt:

    Das erinnert mich daran, dass die “großen Größen” in Versandhauskatalogen auch immer auf schlanken Models abgelichtet wird, was ich total daneben finde. Wie soll dann der rundliche Mensch wissen, wie er wohl wirklich in dem Teil aussehen wird? Das ist, als würde man Kindermoden von kleinwüchsigen Erwachsenen vorführen lassen.

    Ein falscher Hund ist der “Mut zur Natürlichkeit”, ja, auch deshalb, weil er impliziert, dass du tatsächlich über eine Portion Waghalsigkeit verfügst oder verfügen musst, mit deinen Knochenschonern einfach unter Leute zu gehen – i.e.: dass du etwas gar Schlimmes zu befürchten hast. Heutzutage kommt also das ungenierte Bad in der Menge dem gleich, was früher das Befreien der Jungfer aus den Fängen des Drachens war.
    Ob das ein Trost sein soll für die “Über”gewichtigen dieser Welt? (“Sieh mal, sogar DU kannst schön sein – und es ist ja so MUTIG von dir, dich einfach so zu zeigen!”) – oder ist es wortwörtlich zu verstehen (Drachen besiegen)? Ich konstatiere: größtenteils zweiteres, und erinnere mich mit Schaudern an meine Schulzeit und die gnadenlose Ausgrenzung und Ächtung von allem, was außer der Norm war – vor allem unter Mädchen.

    Natürlichkeit ist also mitnichten natürlich, sondern nur zu schaffen, wenn du deinen ganzen Mut zusammennimmst – was sie wiederum unnatürlich macht. Diese Gesellschaft und ihre Gier nach Drama, Herausforderung und Kampf – ein Krampf.

  10. Anna Lühse sagt:

    Danke für diese Worte.

    Auch wenn’s etwas spät kommt – bin erst jetzt auf deinen Blog gestoßen.

  11. Etosha sagt:

    Gern geschah’s. Ist ja ein zeitloser Eintrag! =) Und herzlich willkommen, Anna!

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