Schulmediziner ärgern sich gerne über Homöopathen, über alternative Heiler und erst recht über sogenannte Wunderheiler, über alles, was nicht über jeden Zweifel erhaben ist, wissenschaftlich fundiert und von zig Studien untermauert. Ich denke, tatsächlich ärgern sie sich über den Erfolg dieser Methoden, denn wären sie nicht erfolgreich, dann wären sie auch gar nicht in das entsprechende Blickfeld gerückt. Manche ärgern sich gewiss auch über sich selbst, und dass sie nicht mehr in der Lage sind, das nötige Mitgefühl aufzubringen – weil so viele kommen, und die meisten davon sich einfach reparieren lassen wollen. Viele Patienten sind in der Tat nicht bereit, die volle Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Manche schicken gar ihre Sekretärin für sich zum Arzt und lassen sie dort die Symptome schildern.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass es das schulmedizinische System selbst war, das über Jahrhunderte den Weg für dieses Nichtverantwortlichsein des Patienten gepflastert hat; lange Zeit selber im Duktus eines ammenmärchenartigen Halbwissens, das hinter Selbstsicherheit verschanzt und von oben herab als Wahrheit verkauft wurde – in einer Zeit, als die Menschen davon noch zu beeindrucken und einzuschüchtern waren. Ich Arzt, du kusch. Du liegst, ich stehe. Du sitzt vor dem Wall meines Schreibtisches, ich bin dahinter verschanzt. – Und heute: Du hast da was gelesen? Na, das ist ja sehr niedlich.
Es ist fast müßig zu erwähnen, ich tu’s aber trotzdem: Ich meine hier nicht alle Ärzte, und ich meine nicht alle Patienten. Wenn man sich nicht wiedererkennt, gibt es auch keinen Grund, sich zu ärgern. Bitte in diesem Fall einfach weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen.
Ich schrieb drüben bei Frau serotonic, dass verantwortungslose medizinische Mitarbeiter einem verachtende Sätze ins perplexe Gedächtnis brennen, und ich meinte es so. Manche davon vergisst man nie, wie sehr man sich auch bemüht, sie im geistigen Scheißhaus runterzuspülen, sie bleiben in genauem Wortlaut mitsamt dem süffisanten, sarkastischen oder ehrlich bösartigen Tonfall erhalten.
“Wenn Sie eine Diagnose wollen, dann sind Sie hier falsch.” – “Das Brustbein kann einem nicht wehtun.” – “Ich bin hier der Arzt, ich weiß das ein bissl besser.” – “Was Sie das Gefühl haben, is wurscht!” – “Na, ich glaub ja nicht, dass wir da mit Ihnen was zsammbringen.”
Und sowas hält sich für einen Heiler? Ernsthaft? Diese Vorstellung erzeugt heute in mir einen gewissen Lachreiz.
Die Kassenmedizin ist im Großen und Ganzen eine kaltschnäuzige Abfertigungsmaschinerie. Der Patient erzählt dem Arzt bestenfalls die Hälfte, weil für die zweite Hälfte keine Zeit bleibt und nicht die nötige Vertrauensbasis vorhanden ist – oft lügt er sich aber auch selbst in die Tasche, das muss man einräumen. Vertraue niemandem, nichtmal dir selbst!
Daheim tun der Patient dann erst wieder, was er will, er raucht weiterhin, gönnt sich nicht die nötige Ruhe und nimmt seine Antibiotika nicht bis zum Ende ein. Weil er doof ist? Nun, das ist natürlich eine mögliche Erklärung, eine weitere aber ist, dass er kein Vertrauen hat und keine Lust, dem Arzt einen Gefallen zu tun(!), dass er keinerlei Selbstverantwortung hat, dass er selbst machtlos ist, seine Aufgabe auf dem Heilungsweg gar nicht kennt und sich insgesamt wie ein Nebenschauplatz vorkommt, fernab von der Elite in diesem System.
Und derjenige, der in einer geistigen Abwehrhaltung stets ängstlich und mit oberster Priorität darauf konzentriert ist, seine elitäre Stellung zu behalten, hat für das Wesentliche ebenfalls keinen Blick. Es gibt einen Unterschied zwischen Zusammenarbeit und Diktat, einer davon ist die Menge an offener Kommunikation. Der klassisch elitäre Arzt beraubt sich selbst der Hinweise, die ihm die richtige Diagnose und Behandlung vereinfachen oder, im Extremfall, überhaupt erst ermöglichen würden. Es ist ein Kampf innerhalb eigener Beschränkungen, für den man eigentlich nichtmal einen Kontrahenten braucht.
Der Patient jedoch hat dem Arzt eines voraus: Er steckt in diesem Körper drin, der aus dem Gleichgewicht geraten ist. Er hat Empfindungen und Erkenntnisse, die für Diagnose und Heilung relevant sind. Er hat den Willen zur Genesung, oder er hat ihn nicht. Und er hat eine Seele da drin, die auf ihre Umwelt reagiert. Heilung ist ein sehr persönlicher Vorgang, alle Kanäle sollten dafür weit offen sein, und da sind Erwartungen, Hoffnungen und Ängste, auf die in der Regel keine Rücksicht genommen wird. Also ist der Patient gekränkt, seiner Hoffnung beraubt, und zieht seine Seelenfühler mit der Zeit ein; das körperliche Problem wird dann, wenn es an einer Stelle methodisch zurückgedrängt wurde, an anderer Stelle zuverlässig wieder auftauchen.
Faktoren wie Mitgefühl, Aufmerksamkeit, Zuversicht und Humor beeinflussen eine Heilung wesentlich, ob das den Methodengläubigen nun passt oder nicht. Diese Faktoren sind es, die für den Erfolg der alternativen Heiler sorgen; und das Gefühl, dass sich jemand wahrhaft für dich, den Kranken, interessiert, dir neue Wege aufzeigt, aber auch mitunter unbequeme Fragen, die du dir stellen solltest, und nicht nur körperbezogene Fragen – dass jemand dich also anleitet und begleitet, während er dich den Weg aber selbst gehen lässt.
Ein Umdenken und Umfühlen ist auf beiden Seiten des Schreibtisches dringend nötig. Die Schulmedizin hat zweifellos viel erreicht, aber auch viel kaputtgemacht. Wer gewisse Qualitäten nicht mitbringt, sollte Platz machen für eine neue Medizin. Es ist Zeit dafür.
Ein Allgemeinmediziner, der mir nicht zuhört, muß das auch bald nicht mehr tun. Weil ich mir einen anderen suche. Zum Glück habe ich jetzt eine Allgemeinmedizinerin gefunden, die sich die Zeit nimmt und mich nicht nur mit Laborwerten (“innerhalb der Norm, also geht’s Ihnen gut”) abspeist.
Bei Fachärzten ist das schon schwieriger.
Für einen nicht nur fachlich, sondern auch sozial kompetenten Hautarzt würde ich mittlerweile auch 200km trampen, ich habe aber noch keinen gefunden.
Meine Endokrinologin (“eine bessere finden Sie in der ganzen Gegend nicht!” sagt ja eher etwas über Abdeckung denn über Qualität) hat mich 10 Wochen nach der Total-OP und mit zwei Laborwerten als komplett eingestellt entlassen (Zitat s.o.). Ohne die Allgemeinärztin, ein/zwei Webforen und etwas Eigeninitaitive würde ich wohl für den Rest meines Lebens dahindümpeln. Statt dessen lernte ich, Verantwortung für mein eigenes Befinden selbst zu übernehmen. Ärzte – die nicht in meinem Körper stecken – können mich dabei bestenfalls unterstützen: durch ein Rezept für das richtige Präparat und gelegentlich eine Laborkontrolle, damit das Emp-finden des Be-findens immer mal nachgeeicht wird.
Für die Seelengesundheit gibt es den Austausch mit anderen, richtigen Menschen. Die zwar keine Medizin studiert haben, deren Heilwirkung aber den Weißkitteln in nichts nachsteht. Mit solchen Menschen habe ich eine wundervolle Urlaubswoche in einer perfekten Umgebung verbracht. Das leistet keine Krankenversicherung!
Und jetzt gehe ich ins Forum und mache anderen Mut.
Weia, da hab ich ja einen Nerv getroffen, von dem ich gar nichts wusste! Internetforen, den Dorn im Auge so manchen Arztes, gäbe es ja gar nicht, wenn sich jeder Patient gut betreut und informiert fühlen würde, und wenn da nicht ein Wunsch nach Eigenverantwortung wäre.
(Einen guten Hautarzt kenn ich, aber Wien is dann doch etwas weit, nicht?)
Ich freu mich, wieder mal was von dir zu hören, lieber Steffen, und wünsch dir von Herzen, dass es weiter aufwärts geht!
Man sollte es auch tunlichst unterlassen, dem Arzt sein Wissen oder gar, woher man es hat, auf die Nase zu binden. Fällt einem wie mir immer wieder schwer, aber es lohnt sich :)
Danke für die Wünsche, alles wird gut, es dauert nur etwas länger ;-)
Das stimmt zwar, man geht dann aber oft leider auch ohne die Zusatzinformationen nach Hause, die man gern gehabt hätte. Wie man’s macht, macht man’s falsch.
Kommt natürlich auch drauf an, wie selten oder eben nicht die Erkrankung ist, die man hat. Wenn man einem Arzt sagen muss, dass er sich erstmal informieren soll, dann isses echt bled. ;) Im Zweifelsfall geht man einfach zu keinem mehr und besticht stattdessen den Apotheker. ;D
Genau. Alles wird gut! Ruhig Blut!
Mir gehen hier ein paar Sachen durcheinander und wird zu sehr pauschalisiert, die empathieunfähige Schulmedizin auf der einen Seite und die einfühlenden Heiler auf der anderen Seite. Ich bin gerade zu müde, das konzis aufzudröseln, nur zwei Anmerkungen – die kalte und desorganisierte “Kassenmedizin” ist systemisch, gesundheitspolitisch bedingt und gewollt und nicht Audruck dafür, dass eine ganze wissenschaftliche Disziplin nichts taugt. Und deine Eingangsprämisse, dass sich Schulmediziner über den Erfolg alternativer Methoden ärgern, ist ein Widerspruch in sich, denn den grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Fronten, wenn man sie denn aufbauen will, macht ja gerade die Tatsache aus, dass der Erfolg der meisten alternativen Methoden nicht belegt ist. Ob das daran liegt, dass sich keiner die Mühe macht, Daten zu erheben, oder dass man wissenschaftliches Arbeiten in senem Wochenendheilpraktikerkurs nicht gelernt hat, oder dass Therapieerfolge in Wirklichkeit eher wenig reproduzierbare Einzelfälle sind, sei dahingestellt.
Auch die Annahme, dass Schulmediziner grundsätzlich nicht zuhören, Heilpraktiker aber schon, mag ich so nicht stehen lassen, in jeder Branche gibt es gute Leute und unfähige oder einfach Gauner. Wenn mir mein Arzt nicht zuhört, suche ich mir einen anderen.
Aus welcher Ecke meine Therapie kommt, ist mir egal, solange die Erfolgsaussichten wissenschaftlich belegt sind. Bevor ich ein Auto kaufe, lese ich auch erst alle verfügbare Testberichte, und gehe nicht danach, wie charmant der Verkäufer ist. Aromatherapie, Basale Stimulation in der Pflege, Osteopathie – gern. Globuli und Bachblüten etc. – Hokuspokus.
Dein Autovergleich spiegelt genau die Denkart wider, gegen die ich hier eintrete. “Stellen Sie Ihren Körper mal auf die Hebebühne und gehen Sie nach Hause, wir rufen Sie dann an, wenn er fertig ist”. Läuft das so?
Mein Auto reagiert nicht auf meine Zuversicht oder Angst – mein Körper aber schon. Hier geht es um sehr viel mehr als nur um den Charme des Verkäufers einer Methode; Patienten sind doch keine hirnweichen Idioten, die nur etwas mehr Charme brauchen, und dann ist alles in Ordnung. Wir spüren sehr genau, ob uns der Respekt oder die Herablassung eines Arztes nutzt oder schadet. Allein die Tatsache, dass einzelne Sätze sich dermaßen festfressen können, zeigt die Wucht und den Einfluss, den Worte und zwischenmenschliche Begegnungen auf das Gehirn und die Seele haben.
Natürlich hab ich pauschalisiert und polemisiert. Erfolg kann natürlich nicht nur therapeutisch sein, sondern auch gesellschaftlich und finanziell.
Meine Erfahrungen als Patient waren im Grunde auch sehr pauschal. Na klar, wenn mein Zustand nicht akut beschissen ist, such ich mir einen neuen Arzt, wenn meiner mir nicht zuhört. Und noch einen. Und noch einen. Ich hab ja Zeit. Und die Robustheit und den Nerv, noch eine Enttäuschung einzustecken. Und noch eine. Schließlich such ich mir einen privaten Arzt und entlohne den bei jedem Besuch fürstlich.
Ich muss auch immer lachen, wenn wieder irgendein Politiker sagt, es darf nicht zu einer Zweiklassenmedizin kommen.
Freilich wird ‘der Heiler’ in aller Regel auch fürstlich bezahlt. Dafür kann er schon ein bisschen freundlich sein. Bei vielen alternativen Methoden gehört das allerdings zur Methode, weil man um den Effekt der Menschlichkeit weiß – und es sich zeitmäßig(=finanziell) leisten kann, ihn auch anzuwenden.
Natürlich hätte ich mehr Rücksicht nehmen können, auf gesundheitspolitische Fragen und Probleme, ich hätte alles Für und Wider der staatlichen Gesundheitssysteme und der streng wissenschaftlichen Arbeit beleuchten können, den Unterschied zwischen Schulmedizin und Kassenmedizin herausarbeiten, um zu dem Schluss zu kommen, dass sämtliche Reaktionen aller Beteiligten absolut verständlich sind und keiner was dafürkann. Darüber hätte ich ein ganzes Buch schreiben können, das dann keiner liest – weil nicht drinsteht, wie beschissen es oft ist, ein Patient zu sein. Ich bin nicht alle, ich bin nur einer. Ich habe mich daher entschlossen, mehr Menschlichkeit anhand eines plakativen Beispiels zu fordern. Ich sagte bereits, es gibt keinen Grund, sich zu ärgern, wenn man sich nicht wiederfindet.
Und natürlich hätte ich auf das liebe Geld eingehen müssen, denn darum dreht sich ja auch hier alles. Auch wissenschaftliches Arbeiten braucht eine finanzielle Grundlage. Hokuspokus verfügt nicht über die gleiche wie ein Pharmakonzern, mit Mühemachen, Wollen und Können hat das imho eher wenig zu tun. Wenn es schließlich tatsächlich hier oder dort belegte Erfolgsaussichten gibt, wie lange dauert es, bis sich das in der Schulmedizin herumspricht und v.a. akzeptiert oder gar angewendet wird? In 100 Jahren rufen die Ärzte noch “Alles nur Hokuspokus!”. Doppelt und dreifach geprüft ist gut, aber kämpfen Forscher nicht zuletzt am härtesten gegen die Fronten der eigenen Disziplin, gegen frühere Hypothesen und Prämissen? Was nützt der belegte Erfolg, wenn niemand davon profitiert, weil so viele sich dagegenstemmen?
Auch seltene Erkrankungen sind eine finanzielle Frage, Studien dazu zahlen sich nicht aus, wenn man keine neuen Medikamente verkaufen kann. Dann als Patient einen Fachmann zu finden, ist besonders schwer. Interessiert doch keinen so wirklich.
Und dann natürlich die vorderste Front des Systems: Schlechte Bezahlung, lange Dienste, zu viel Stress – und dann soll man noch freundlich sein?
Aber ist das System nicht menschgemacht? Und muss man es so lassen, obwohl alle unzufrieden sind?
Und noch ein Wort zur Wissenschaft: Auch dazu gehört ein ganz fester Glaube: Dass man alles messen kann. Wer will messen, welchen Schaden herablassende Ärzte in meinem Körper bis dato angerichtet haben? Ich stelle ihn auf der Hebebühne zur Verfügung!
Der therapeutische Erfolg des Glaubens an die wissenschaftliche Belegbarkeit ist sicher auch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Ich hänge ihm aber nicht an. Aus welcher Ecke meine Therapie kommt, ist auch mir egal, solange der Erfolg nicht auf sich warten lässt! Von Erfolgsaussichten, wie belegt auch immer sie sein mögen, kann ich mir gar nichts kaufen. Ein nicht reproduzierbarer Einzelfall wäre ich aber sehr gerne.
Wie sagte Paracelsus so schön, wer heilt hat recht,und ob das nun ein Allgemeinmediziner, Heilpraktiker oder Schamane angestoßen hat, ist gleichgültig.
Vielen Patienten ist es zu mühsam, Verantwortung für sich selber zu tragen, ich habe da 2 wunderbare Beispiele in der Familie, meine Eltern. Tausend Arzttermine in der Woche, aber da eine Eigenverantwortung nicht in Frage kommt, lebt man und frau weiter ungesund, tut nichts für die innere Heilung, der Arzt hat ja keine Ahnung und jammert jedermann die Ohren voll.
Natürlich gibt es auch desinteressierte Ärzte, aber bei solchen Patienten kann man auch den anfänglichen Idealismus verlieren.
Ich habe mich selber für die naturheilkundliche Variante entschieden, bin aber auch bereit, die Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Ach ein Thema über das ich stundenlang schreiben könnte. Vielen Dank für den Denkanstoß.
LG
Anka
Wie lange dauert es, bis neue Evidenz in die Praxis umgesetzt wird – das geht schnell. Gute Studien fliessen in Leitlinien der jeweiligen Fachgesellschaften ein, die werden publiziert und nach meiner Erfahrung, die allerdings nur klinisch ist, innerhalb kurzer Zeit implementiert. In Medizin, Pflege, Physiotherapie und verwandten Disziplinen ist immer alles im Wandel. Von einem starren System kann nicht die Rede sein, im Krankenhaus zumindest, manche Niedergelassenen auf dem platten Land mögen hinterherhängen.
Mir kommen diese beiden Fronten – Schulmedizin vs. alternative Praktiken, die du da gegeneinander aufstellst, auch deshalb künstlich vor, weil ich in der Praxis eine immer weitere Öffnung der klinischen Medizin für alternative Methoden sehe. Thure von Uexkuell. Mehmet Oz. Sofern sie auf einer guten Datenbasis stehen oder einfach nur dem Wunsch des Patienten entsprechen und zu seinem Wohlbefinden beitragen.
Schon zutreffender ist der Gegensatz zwischen Kassenmedizin = Minimalmedizin = schlecht; und selbst bezahlter, selbst gewaehlter Behandlung = besser. Wenn du selbst zahlst, bekommst du nicht nur einen “Heiler”, der dir das Gefühl gibt, er hört dir zu, sondern kannst dir auch einen ganzheitlich gepolten Arzt suchen, der sich Zeit nimmt. Ich hätte auch lieber, dass die Kassen jedem gute Medizin bezahlen, ich schimpfe gern mit dir auf die Zweiklassenmedizin. Bloß eine ganze Wissenschaft kann man mit diesem strukturellen Problem nicht in die Tonne treten.
Noch was zum Punkt – Studien kosten Geld: Grosse multizentrische pharmakologische Studien verschlingen Unsummen, das stimmt, aber darüber reden wir doch hier gar nicht. Streitpunkt war doch die Belegbarkeit der Wirkung alternativer Heilmethoden? Die zu belegen erfordert nichts weiter als ein wissenschaftlich sauberes Studienprotokoll, und dann die eigene Arbeit mit der Erhebung von Daten zu begleiten, und wenn das Patientenkollektiv groß genug und die Ergebnisse signifikant sind, reicht man das Ganze zur Publikation in einer Fachzeitschrift ein, fertig ist die Laube. Kost’ nix außer Zeit.
Wir tun das in unserer Klinik und folgen damit ein bisschen Mehmet Oz. Unsere Psychologen unersuchen z.B. den Einfluss von Entspannungstechniken auf Stresshormone bei unseren Herzpatienten, ich betreue u.a. eine Studie, die hoffentlich belegt, dass der postoperative Schmerzmittelbedarf durch das Einatmen bestimmter Aromen gesenkt werden kann usw.
Und weil ich weiß, dass sich solche Studien mit zwei, drei engagierten Mitarbeitern und ohne großen Aufwand realisieren lassen, und, wenn sie wissenschaftlich sauber sind, durchaus Beachtung finden, wundere ich mich, dass man sich in der Heilerzunft die Mühe so selten macht. Was ist schlecht daran, seinem Patienten schwarz auf weiß belegen zu können, dass man gute Gründe hat, bestimmte Therapien zu propagieren, und wieso befreien Anhänger alternativer Heilmethoden als vermeintlich mündige Patienten ihre Therapeuten eigentlich immer von dieser Pflicht?
Anka, danke für dein Feedback. Es gibt genug Patienten, die nichts mit einem Heiler anfangen können, der ihnen Wahlmöglichkeiten lässt, sie einbezieht und zur Mitarbeit auffordert (ein Heiler welcher Disziplin auch immer). Es wäre müßig, die Henne-Ei-Frage dabei klären zu wollen. Viel wichtiger ist es, den Patienten ihren Teil der Verantwortung zurückzugeben und ggf. aufzubrummen. :)
Frau Nachtschwester, hier wird nichts in die Tonne getreten. Es tut mir leid, dass du dich auf den Schlips getreten fühlst, obwohl gerade du etwas für zB genau dieses “Wissen-wie-der-Patient-sich-fühlt” unter Pflegepersonal tust. Der Tritt ging nicht in deine Richtung.
Nochmal, ich habe diese Fronten gewählt, um diesen bestimmten Unterschied in der Menschlichkeit plakativ herauszustreichen, und habe ausreichend betont, dass ich nicht alle meine.
Die Kassenmedizin gehört jedoch auch zur Schulmedizin, sie daraus auszunehmen, um die Disziplin selbst sauber zu halten, kommt mir wiederum künstlich vor. Und enttäuschte Gesichter gibts nicht nur nach Kassenarzt-Besuchen.
Dass “mancher Niedergelassene am platten Land” hinterherhängt, ist eine Verharmlosung eines ernsten Problems. Auch Niedergelassene mitten in der Stadt gibts, die seit 35 Jahren keine Uni und kein Fachbuch mehr von innen gesehen haben, und die xy, das anderswo anstandslos diagnostiziert und behandelt wird, als “Legende” bezeichnen, dich ein bisschen belächeln und dann unbehandelt heimschicken. (Beispiel: Lagerungsschwindel)
Ein Orthopäde, der behauptet, das Brustbein könne einem nicht wehtun, gehört eigentlich aus dem Verkehr gezogen. Und das sind nur zwei meiner Erfahrungen, mitten in der Stadt, von plattem Land keine Spur.
Das alles gehört mit zur Schulmedizin, oder nicht? Wenn da nicht der Wurm drin ist, dann weiß ich auch nicht. Das kann nicht ausschließlich ein strukturelles Problem sein. Was ist mit Motivierung zur Weiterbildung oder einer Verpflichtung dazu für all jene, die das von sich aus gar nicht wollen, von Seiten der Institute? Was mit Qualitätskontrolle? Oder zumindest mit Abstufungen in der Arztbezeichnung? “Niedergelassener HNO-Arzt, letzte Weiterbildung 10/1969”. Da kann man sich wenigstens was drunter vorstellen! ;) Es gibt schließlich einen disziplinären Ruf zu verteidigen. Die heilige Wissenschaft aus allem Strukturellen raushalten zu wollen ist jedenfalls auch nicht objektiv.
Natürlich gibt es auch positive Beispiele, es gibt vorbildliche Kliniken, die fachlich/personell und methodisch am neuesten Stand sind, Forscher, die sich nicht nur Gedanken über die “Hebebühnetechnik” machen. Aber es gibt auch viele Leute in der Medizin, die da einfach nicht hingehören, soviel ist sicher.
Ich fühle mich überhaupt nicht auf den Schlips getreten, du dich bitte auch nicht, wir diskutieren hier nur :-) …aber ich finde deine Argumentation einfach nicht sauber!
Übertragen wir deinen Schulmedizin-Kassenmedizin-Diskurs mal aufs Autofahren, hatten wir ja oben schon. Aufs BMW-Fahren zum Beispiel. Du sagst, BMW (die Institute) sorgt nicht dafür, dass BMW-Fahrer (Ärzte) ihren Führerschein (Approbation) regelmäßig erneuern müssen. BMW (die medizinische Fakultät) hat aber mit der Führerscheinvergabe nichts zu tun. Das macht die Kommune (die Ärztekammer). Weil die Kommune (Ärztekammer) BMW-Fahrer aber nicht zur regelmäßigen Re-Evaluation der Fahrtauglichkeit verpflichtet, trifft man auf der Straße (den Kliniken und Praxen) eine Anzahl BMW-fahrender Pistensäue an.
Und du sagst, weil das so ist, taugt die Marke BMW nichts.
Hm. Interessanter Beitrag! Da könnte ich auch so einiges dazu schreiben, was mir jetzt aber zu anstrengend ist. Medizinische Massenbetriebe sind auf jeden Fall Gift für Mediziner und Patienten gleichermaßen. Und die überwiegende Symptombehandlung der “Schulmedizin” greift mir auch schon lange zu kurz. Ich hoffe, die Klassische Homöopathie wird zusammen mit anderen “heilerischen” Herangehensweisen langfristig der bessere Weg zur Gesundheit sein – und dass sie hoffentlich wirklich so erfolgreich ist, wie ich glaube, dass sie sein kann. Ich glaube aber auch, dass es mindestens so viele esoterische Quacksalber gibt wie eingefahrene, teils beschränkt gebildete oder sogar hochnäsige Weißkittelmediziner. Ein weites Feld…
Liebe Nachtschwester, ich pflege prinzipiell keinen Schlips zu tragen. Aber ich sehe schon, du willst hier der heiligen Kühe Ställe sauberhalten. Die Medizin wurde jedoch für Menschen entwickelt, und nicht für einen Selbstzweck der Erkenntnis und anschließenden Selbstbeweihräucherung. Wenn nun genau diese Menschen mit ihr auf der einen oder anderen Ebene unzufrieden sind, dann werden sie nicht sagen “Ich bin mit der Ärztekammer unzufrieden”.
Ich weiß, das kommt dir sehr undifferenziert vor, aber in meiner Eigenschaft als Patient ist es mir hochgradig schnurz, wie die Mediziner sich untereinander organisieren, solange sie es so tun, dass eine gewisse Qualität gewährleistet bleibt. Ich hab zu viele schlechte Ärzte kennengelernt, um noch einzuräumen, es könnte sich um einzelne Ausnahmen handeln. Ich sage, es gibt zu viele Mitglieder in diesem Verein, die nichts taugen.
Ich fühle mich ein bisschen an Politiker-Diskussionen erinnert, da gehts auch gern um Zuständigkeiten statt um Inhalte. Wenn innerhalb dieses ganzen Forschungs- und Tätigkeitsfeldes Medizin etwas offensichtlich schiefläuft, dann kann man auch als wissenschaftliche Disziplin (vertreten durch die Nachtschwester ;) nicht die Hände heben und sagen, das geht mich nix an, was meine promovierten Schäfchen da draußen treiben und wie viele davon schwarze Schäfchen sind. Denn auch den schlechten Ruf wird sich die gesamte Disziplin gefallen lassen müssen – und nicht (nur) die Ärztekammer.
mkh, danke für diese ausgewogene Wortmeldung. Ich hoffe vor allem, es kommt jeder zu dem, was er sich unter Medizin vorstellt.
Allgemeines PS mit Ironiewarnung: Vielleicht wäre es besser, in Studien nicht auf den therapeutischen Effekt einer Methode zu schielen, sondern vielmehr nur auszuschließen, dass sie schaden könnte. Dann kämen auch die Studiengläubigen in den Genuss aller vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten. ;P
Ich vertrete nicht die Schulmedizin, sondern schlüssige Gedankenabfolgen. Und an dieser Stelle kommt mir gerade der feine Unterschied zwischen deinem Medizinerbashing und dem Österreicherbashing deiner unseligen Bekannten abhanden. Das ist alles zu grob und pars pro toto draufgehauen.
Ich diskutiere hier sicher nicht drüber, wessen Gedankenabfolgen schlüssiger sind. Du weißt genau, was ich hier kritisiert habe, und verbeißt dich trotzdem in einzelne Formulierungen. Deine Vergleiche und Verallgemeinerungen wirken mitunter auch unsauber, aber es geht eben oft nicht ohne, wenn man ein Prinzip klarmachen will.
Ad Studien und deinen Nach-Kommentar, den ich erst jetzt gelesen habe: Ich vermute, weil der Apparat nicht so groß und vernetzt ist, was für Studien mit signifikanter Patientenzahl eine schlechte Voraussetzung ist, für die Menschlichkeit aber offenbar eher eine gute. Es ist nichts schlecht an Belegen. Mündig heißt aber auch, sich in dem, was man möchte, nach seinem eigenen Empfinden zu richten – wenn der mündige Patient seine Wahl nach vorgegeben Kriterien treffen soll, wo bleibt dann bitte die Mündigkeit? Ein Patient ist nicht vermeintlich mündig, weil er keine Studie einfordert. Wir können ja nichtmal etwas mehr Menschlichkeit fordern.
Viele Anhänger der Alternativmedizin sind keine Studiengläubigen, sondern Erfahrungsgläubige und finden mitunter auch so heraus, was ihnen gut tut. Es liegt auch in der Natur der Sache – die Studiengläubigen kommen nicht und fordern nicht, die, die kommen, sind zufrieden oder kommen nicht mehr, und die Heiler tun weiterhin das, wovon sie überzeugt sind. Kämen die Studiengläubigen, sähen die Heiler sich in der Pflicht, aber sie kommen ja nicht, weils keine….. Katze beißt in Schwanz.
“Immer” hab ich überlesen. “Kost nix außer Zeit” find ich lustig. :D
Im übrigen bin ich dafür, dass der Mensch ab und zu einfach draufhauen darf, wenn er zornig ist – verbal, wohlgemerkt. Wenn alle stets schön differenziert und schlüssig und auf alles bedacht sind in unserer emotionslosen Hirngesellschaft, dann wird gar nicht mehr reagiert, dann kommt der Zornabbau zu kurz – und dann sagen später wieder alle, die bösen Computerspiele müssen weg.