Ja, ich weiß, dass täglich schlimme Dinge passieren auf dieser Welt, in dieser Stadt. Und ich weiß auch: schlimmer geht immer.
Manche davon treffen aber mitten ins Herz – gewisse Nachrichten lassen mich lange nicht los, sind mir beim Einschlafen genauso präsent wie beim Aufwachen, und entlocken mir die eine oder andere Träne. Jeder hat eben seine besonders weiche Stelle im Bauchfell. Hier ist ein Treffer:
Heute vor einer Woche hat ein Unbekannter in der Wiener U6-Station Jägerstraße grundlos einen Hund totgetreten. Der Hund hieß Bubi. Sein Frauchen war dabei. Der Hund des Täters ebenso. Und eine Begleiterin.
Mit ihrem geliebten “Bubi” wartete Frau Beck am 19. November in der U6-Station Jägerstraße auf die U-Bahn. Plötzlich näherte sich ein großgebauter Mann mit dunklen Haaren, der ebenfalls einen Hund dabei hatte.
“Auf einmal hat er begonnen, auf meinen Bubi einzutreten, zwei oder drei mal hat er ihn am Körper und auf den Rippen getroffen”, schildert die geschockte Hundebesitzerin “Heute.at” das Erlebnis.
“Es ist halt nur ein Hund”
“‘Bitte haltet den Mann fest, bitte rufts die Polizei’ hab ich geschrien, aber glauben Sie, irgendwer hat geholfen. Es ist halt leider doch nur ein Hund”, prangert Beck die fehlende Zivilcourage an.Der Angreifer suchte anschließend mit seiner Begleiterin – einer schlanken Frau – das Weite, “Bubi” blieb blutüberströmt am Bahnsteig liegen. “Ich hab ihn dann heimgetragen und bin sofort zur Tierärztin”.
Das schrieb “Heute” in seinem ersten Artikel über den Vorfall. In weiteren Artikeln liest man, dass der arme Hund seinen Verletzungen erlag, dass Tierschutzvereine eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt haben, diese mehrfach erhöht wurden und dass für diesen Freitag eine Mahnwache geplant ist. Auch die Krone berichtete:
Der Täter ist auffallend groß und kräftig, hat dunkles kurzes Haar und einen braun-weißen Pit-Bull-Terrier.
Im Kurier oder Standard finde ich indes keinerlei Erwähnung des Vorfalls.
Die Betroffenheit in den sozialen Medien war groß (Posting des Tierschutzvereins Tierfreude auf Facebook), das Mitgefühl für Bubis Besitzerin, aber auch die Gewaltbereitschaft war bemerkenswert – eine Lynchstimmung wie beim Hofa. Ich habe selbst (oft zu) viel Verständnis für Menschen und ihre mannigfaltigen Beweggründe und Vergangenheiten, aber hier spüre auch ich ganz deutlich, wie mir, auf gut Wienerisch, das Messer in der Hosentasche aufspringt.
Immens war außerdem die Empörung über die Tatsache, dass es von den Wiener Linien entgegen ersten Gerüchten keine Videoaufzeichnungen des Vorfalls gibt. Die Diskussion zum Thema Überwachung kann man ja geradezu schon als abgedroschen bezeichnen: Wenn jemand den Schutz seiner Privatsphäre zu bedenken gibt angesichts einer öffentlichen Videoüberwachung, die immer flächendeckender wird, dann gibt man ihm heute ja gerne “Ist ja nur zu deiner Sicherheit” zur Antwort (und gerne auch “Oder hast du etwas zu verbergen?”). Gehts dann aber tatsächlich um die Sicherheit, stellen wir leider fest: Es gibt gar keine Aufzeichnung.
Soll man sich darüber jetzt ärgern oder freuen? Natürlich könnte nun der Überwacher nun spotten: “Sieh an, da wehren sie sich so gegen die Videoüberwachung, und gibts dann mal kein Video, isses den Herrschaften auch nicht recht.” Das Perfide für uns aber ist: Als Bürger müssen wir die Möglichkeit einer digitalen Überwachung zwar in jeder Minute akzeptieren, weil wir schlicht nicht wissen, wo und wann überwacht wird – doch wir können uns auf die Früchte, die sich aus dieser Überwachung einstellen sollten, nicht in jeder Minute verlassen.
Im konkreten Fall bei den Wiener Linien ist es so, dass die(se) Kamera(s) nur dann aufzeichnen, wenn jemand “die Notrufeinrichtungen verwendet”. Da fragt man sich zu Recht, woher man in einer brenzligen Situation die Zeit dafür nehmen soll! Oder gibt es in den Stationen auch Zeitreiseeinrichtungen, die man hinterher verwenden kann?
Weil Geld die Welt regiert und mir persönlich keine andere Möglichkeit einfiel, etwas beizutragen, habe ich der Organisation WAHRO vorgeschlagen, die Ergreifungsprämie zu erhöhen, und eine Spende abgeschickt. Man hat die Spende angenommen und mir zugesagt, die Prämie zu erhöhen, sobald die Eingänge bestätigt sind – und dann gab man die Erhöhung auf 1000 Euro bekannt.
Ich wollte auch anderen den Vorschlag machen, dasselbe zu tun, und habe die Infos auf Facebook und Twitter gepostet. Aber eventuell hat man sich auf Twitter schon von der nächsten Empörungswelle mitreißen lassen und ist auf der Suche nach dem nächsten Schuldigen. Meine Tweets blieben jedenfalls (bis auf eine Ausnahme) ungemocht und ungeteilt.
Die #Bubi-Sache macht mich krank. Angefragt, ob ich Prämie erhöhen darf. Seiz dabei? http://t.co/5atbxUFcuF http://t.co/6X7cQBUhmc
— Et࿂sha (@et0sha) 25. November 2014
#Bubi-Prämie erhöhen! http://t.co/oCkizJmOaM Bei "Mitteilung a.d.Händler" den Hinweis "davon ..€ Bubi-Prämie" vermerken! #paypal
— Et࿂sha (@et0sha) 25. November 2014
Geld regiert die Welt! #lasttweet Ich hoffe, jemand wird bei höherer Prämie motiviert, den Arsch endlich zu melden. #Bubi
— Et࿂sha (@et0sha) 25. November 2014
Eine Facebook-Benutzerin hat als Antwort auf meine Postings mit den Spendenkonten den Vorschlag gemacht, Bubis Frauchen mithilfe der neuen Spenden auch mit den Tierarztkosten zu helfen. Ich habe die Idee an WAHRO weitergeleitet; die schrieben zurück, sie kümmern sich drum.
Es sind so viele fürchterliche Aspekte an dieser Sache, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich werde darauf aber auch gar nicht ausführlich eingehen. Wer Mitgefühl in seinem Herzen hat, der hat das alles ohnehin schon hundert Mal gefühlt und gedacht.
Nur kurz: Das Frauchen musste hilflos zusehen, wie ihr Hund zu Tode getreten wurde. Der Stärkere gewinnt, nur weil der Schwächere sich gegen sinnlose Gewalt nicht wehren kann. Bubi hatte Schmerzen, und er tut mir leid, aber er hat es wenigstens hinter sich. Das Frauchen muss mit dieser entsetzlichen Szene in ihrem Kopf und Herzen für immer leben; mit den Überlegungen, was sie alles hätte tun können und ob es geholfen hätte – und ohne ihren Hund. Selbst der Hund des Täters musste zusehen, wie sein Herrl grundlos einen anderen Hund quält.
Wer kam auf die hirnrissige Idee, den vollen Namen der Hundebesitzerin online zu veröffentlichen? Noch ist der Täter auf freiem Fuß, und die Hauptzeugin ist ihm namentlich bekannt? Wie schwachsinnig ist das denn?
Aber vor allem ist mir völlig unbegreiflich, wie man gegenüber wehrlosen Lebewesen so gewalttätig sein kann. Wie gefährlich ist so ein Mensch mit seiner Gewaltbereitschaft für die Allgemeinheit, wenn er schon gegenüber den Schwächsten seine Aggression nicht im Zaum halten kann? Und weiß die Begleiterin des Täters davon ein Lied zu singen?
Hier nochmal die Spendenkonten:
WAHRO via Paypal
WAHRO Bankverbindung:
IBAN: AT573439000000103119 (AT57 3439 0000 0010 3119)
SWIFT-BIC: RZOOAT2L390
Wie ist denn die Sache weitergegangen? Hat man den Typen gefunden? Im Netz ist nicht wirklich etwas Neues darüber zu finden (außer, dass der Typ auf einem Video erkannt wurde).
Bezüglich Tierquälerei und Gewalttaten an Menschen gibt es übrigens in der Kriminologie einen direkten Zusammenhang:
http://klages.blog.de/2010/11/13/samstag-13-november-2010-entwicklung-tierquaeler-serienmoerder-letzten-jahren-setzte-9969358/
Danke für den Link! Ich konnte leider auch nicht mehr herausfinden, aber ich glaube nicht, dass man das Arschgesicht ausfindig machen konnte.