Hey Leute, wir sind aus Peleliu zurück und arbeiten schon wieder den zweiten Tag ganz fleißig. Unser Ausflug war toll, wir hatten drei wunderbare und interessante Tage. Aber dazu später mehr. Hier kommt erstmal der letzte Teil der Überwasser-Aufholjagd, bevor wir dann etwas verspätet auch in dieser Pfanne ins Neue Jahr starten. Ich hoffe, ihr freut euch über die Geschichten und Fotos.
Wenn man nach Babeldaob will, die große Insel im Norden, dann überquert man die KB-Bridge. KB heißt schlicht: von Koror nach Babeldaob. Die frühere Brücke an dieser Stelle war berühmt für ihre Länge, und doch ereilte sie dasselbe Schicksal wie die Wiener Reichsbrücke in den 70ern. Sie allerdings war 1977 erst erbaut worden und sollte 20 Jahre halten. Anfang der 90er stellte man ein erstes Absacken der Mitte fest, worauf 1995 die Reparaturarbeiten begannen. Am 26. September 1996 um fünf Uhr morgens stürzte sie ein. Es gab einige Tote und Verletzte, und jeder Palauaner weiß, was mit “Black September” gemeint ist. Die neue Brücke nennen sie auch “Brücke der japanischen Freundschaft”. Die Japaner, auf die man hier seit dem 2. Weltkrieg nicht überall gut zu sprechen war, halfen, die neue Brücke zu bauen.
Hat man diese kurze Geschichtslektion hinter sich und die Aussicht genossen, die man von der Brücke aus hat, dann fährt man auf Babeldaob angekommen Richtung Osten und kommt nach etwa 6 Meilen zu einem kleinen Schild Mesekelat Waterfalls. Auf einem weiteren Schild steht, was dort alles verboten ist (eh alles). Der Fußmarsch von der Straße aus bis zum Wasserfall ist nicht so ganz kurz, wobei man bei Hitze die zurückgelegten Meter gerne ums Dreifache überschätzt. Zuerst geht es natürlich ordentlich bergauf, damit wir auch merken, dass es wirklich heiß ist. Auf der Hügelkuppe angekommen, finden wir allerlei blühende Büsche und einen Rastplatz samt Griller, der sich bestimmt auch für abendliche Grillereien mit anschließendem Sternebewundern wunderbar eignet (Note to self: Für eines der verbleibenden Wochenenden einplanen!).
Danach folgen wir dem Pfad – es gibt eh nur einen – und schlendern durch den Dschungel. An einer Stelle flattert im Unterholz ein Myzomela, ein sehr roter Vogel, er dürfte sich verletzt haben. Wir können ihm leider nicht helfen. Ein paar Lichtungen später kommen wir schließlich beim Flussufer an. Die Wasserfälle sind nicht groß, eher viele – ein Fällchen, dann fließt das Wasser wieder flach dahin, dann ein weiteres Fällchen, bis zum Schluss das Wasser an mehreren Stellen über ein paar Meter in ein Becken am Fuß des Hügels plätschert, wo sich das Wasser in mehrere kleine Flüsse teilt.
Wir sind dort völlig allein. Der Fluss führt nicht besonders viel Wasser, und trotzdem oder gerade deshalb ist es dort ganz wunderbar. Das Wasser ist seicht, wir wandern auf dem pechschwarzen Stein im Fluss umher, gucken mal hier runter und mal da, knipsen und bewundern die Süßwassermuscheln. Cindy würde es hier gut gefallen.
Zum letzten Wasserfall muss man allerdings eine kleine Kletterpartie an der durchaus rutschigen und steilen rechten Uferseite hinlegen, ein paar Lianenschwingungen und Baumstammfestkrallungen später ist die aber bewältigt. Martin bleibt lieber oben stehen. Ich werde für meine zusätzlichen Mühen belohnt, und zwar mit einem überwucherten Rad irgendeines alten Gefährts, einer kühlen Dusche unter dem letzten Wasserfall und einem Bad in dem kleinen Becken ganz unten, und ich genieße das Gefühl, wieder mal in Süßwasser zu dümpeln.
(Bei den Fotos müsst ihr von hinten beginnen, damit die Chronologie stimmt. In welcher Reihenfolge ich sie auch hochlade, sie kommen immer umgekehrt daher.)
Es kommt der Weihnachtstag, und nachdem man hier nicht mit Schnee rechnen muss, planen wir einen Ausflug auf die nördliche Spitze Babeldaobs. Aber es regnet in Koror, es regnet auf den ganzen 24 Meilen bis zur Abzweigung auf die nördliche Spitze, es regnet auf dem Causeway in Ngebuked, rechts nasse Mangroven, links nasser Ozean – und dann ist es plötzlich sonnig, blauer Himmel und weiße Wölkchen über uns. Endlich stakst mal ein weißer Reiher vorbei, nahe genug für ein ordentliches Foto.
Wir sehen uns die Monolithen an, die – unbekannter Herkunft – auf einem grünen Abhang zum Meer der Zeit trotzen, genießen die grandiose Aussicht, machen unser Weihnachtsfoto und erleben, wie das Außenriff in einer Wolkenwand verschwindet, wie der Regen näherkommt und man ihn schon von weiter unten her hört, bevor er tatsächlich beginnt. Unter einem Pandanusbaum finden wir Schutz, den Hang zurück zur Eingangshütte erklimmen wir erst nach dem Regen. Von oben sieht man schon die nächste Wolkenfront heranrücken und das Riff verschlucken. Der Wächter und Eintrittskassier erzählt uns von einem alten japanischen Leuchtturm, dessen Überreste ein paar Meilen nördlich von hier auf einem Hügel stehen, und er sagt, die Einschusslöcher darin und der Winkel ebendieser sage einiges über die Flugkünste der amerikanischen Luftwaffepiloten aus.
Wir fahren immer zu einem der Docks, wenn wir die Gegend erkunden. Im Dock gibts immer was zu sehen. Das Rasthaus im Ollei Port bietet nicht nur Schutz, sondern auch eine Telefonleitung, was uns recht schräg vorkommt. Außerdem gibts im Ollei Port ein paar Ölfässer, einen alten Steg, ein kleines Inselchen und ein Boot, das da schon länger auf der Seite liegen dürfte. Und es gibt ein relativ uninteressantes, aber auch ziemlich schiaches Kriegskanu (nicht im Bild). Im Rasthaus empfängt man uns zwar nicht gar so überschwenglich, wie wir es gewöhnt sind – ein paar grantige Männer sitzen herum, knurren Hi und kauen weiter auf ihrer Nuss – jeder auf seiner eigenen, versteht sich, so groß sind die ja auch wieder nicht. Wir bleiben aber trotzdem dort und essen unseren Proviant. Wir können auch stur sein. Über die Essensreste freut sich ein Hund. Betteln geht hier so, wenn man ein Hund ist: Man bleibt in einigen Metern Entfernung sitzen und wartet. Hunde Europas, nehmt euch ein Beispiel!
Die Straße zum Leuchtturm, oder was davon noch übrig ist, erweist sich als schwer auffindbar, man kann hier nicht sehr gut unterscheiden zwischen reinen Hauszufahrten und Straßen, die tatsächlich irgendwo hinführen, aber ein Halbwüchsiger aus dem Ort zeigt uns schließlich den Weg, indem er den Hügel ein Stück hinaufläuft und uns die richtige Einfahrt weist. Später am Rückweg belohne ich ihn mit einem 5-Dollar-Schein. Ist schließlich Weihnachten.
Sowohl Leuchtturm als auch Aussicht von dort oben sind nämlich grandios (was man von der “Straße” dorthin allerdings nicht behaupten kann). Von hier oben zeigt sich Palau in seiner vollen Pracht: Zwei vorgelagerte Inselchen baden ihre Strände im türkisen Wasser, dahinter sieht man das Außenriff und seine Dünung, in der Ferne weitere kleine Riffe. Direkt am Abhang Blumen und ein schönes, neues Rasthaus aus Holz – und, nicht zu vergessen, zwei wunderbar verfallene Gebäude auf der letzten Anhöhe, die wohl mal ein Leuchtturm waren.
Hinter dem Haus findet sich sogar ein stationäres Fernglas, so eines, an dem man als gelernter Europäer automatisch den Münzeinwurf sucht, nur dass es keinen gibt. Wir dürfen gratis Richtung Außenriff schauen, das nördliche Atoll Kayangel können wir trotzdem nur irgendwo dort draußen in der Ferne vermuten.
Das Ende des Tages verbringen wir auf einem Strand einer Bungalowanlage, das erste Mal, dass wir für Strandbenützung bezahlen müssen. Zähe Verhandlungen, 10$ pro Nase ärmer, gehen wir schließlich schnorcheln und erleben, wie es ist, in 40 cm tiefem Wasser trotz Flossen nicht gegen die Strömung anschwimmen zu können. Man könnte einfach aufstehen und zu Fuß gehen, aber dagegenschwimmen – keine Chance. Irgendwann lasse ich mich einfach zum Strand zurücktreiben, eine Wolkenfront schiebt sich daher, dann schüttet es wieder, ich verliere Martin aus den Augen, der noch irgendwo da draußen rumschnorchelt.
Bei der Stranderkundung finde ich seltsame Gebilde im Sand, eine blaufüßige Qualle und Frank. Frank hat sein Haus gleich neben der Bungalowanlage. Er weiß, dass die Quallen saumäßig wehtun, wenn man ihnen zu nahe kommt, er weiß, dass der riesige Baum am Strand Btaches heißt (sprich: Btassö) (Calophyllum inophyllum), und dass man daraus Öl macht, das gut für die Haut sein soll. Und Frank weiß, dass zwischen seinem Haus und dem Bezahlstrand mit den Bungalows das Wochenendhaus des Präsidenten steht, auf das er ein Auge hat, wenn gerade nicht Wochenende ist. Die Hand dieses Präsidenten, er heißt Tommy Remengesau jr., schütteln wir dann übrigens beim Anniversary Dinner letzten Samstag.
Wie bei allem, was man sortiert, gibt es das eine oder andere Überbleibsel, das nirgends so richtig hinpasst und sich am liebsten mit anderen Überbleibseln vergesellschaftet. Schacheln, Ordner und Kisten mit diesem Zeug werden gern mit Diverses beschriftet.
Hier gibt es also noch: Diverse Nachtaufnahmen, diverse Wolken, Sonnenuntergänge und Blaue Stunden mit und ohne Mond, den Vogel mit den gelbsten Augen der Welt, und den Nachbarhund, der Wasser von den Mauern schleckt, und wenn er überhaupt mal näher kommt und bettelt, lieber eine echte, eigene Schüssel voll Wasser möchte als ein Stück Wurst.
Dann wünschte ich mir Anfang Dezember einen Polfilter für mein Weitwinkel-Objektiv und habe gleichzeitig keinen Tau, warum ich den nicht mitgeordert hab, als ich vor der Abfahrt zusätzliche Filter im weiten Netz bestellte. Mein Bruder war daher so nett, mir einen zu bestellen und per Post hierherzuschicken. Er war fast ein Monat lang unterwegs und kam hier kurz nach Weihnachten heil an (der Polfilter, nicht der Bruder, was eigentlich schade ist).
Es hat sich tatsächlich gelohnt, darauf zu warten, zumal ich nach Erhalt noch zwei weitere Monate hier bin. Damit kann ich Aufnahmen vom Outdoorbereich des Aquariums machen, die ohne diesen Filter viel zu viele Spiegelungen enthalten. Und natürlich Bilder von den Rock Islands und dem wahnwitzig türkisen Wasser. Mit Filter werden die Fotos wunderbar! Danke nochmal!
Außerdem ein Foto der topographischen Nachbildung der Inseln, die im Aquarium unter einem Plexiglasdisplay steht. Ein kreativer Basketballkorb. Francis, unser Nachtwächter. Ein kleines Inselchen samt eigener Palme, für all jene, die dafür reif sind. Und dann ist plötzlich Silvester, und die Aufholjagd findet ein jähes…
Zumindest jene über Wasser.