Vergangene Woche waren wir einen ganzen Tag mit den Rangers unterwegs. Das sind hierzulande die Fritzen, die zu Wasser unterwegs sind, nicht um neue Welten zu erforschen, sondern um die bekannten Welten vor Unbill zu schützen. Sie fischen Unrat aus dem Wasser, sehen nach dem Rechten und kontrollieren die allgegenwärtigen Bewilligungen, die “Permits”. Man kann als Tourist hier ein Monat lang bleiben – verlängerbar auf maximal drei Monate – aber vier Monate gibts für Touris nicht, außer sie sind aus den USA. Anderenfalls braucht man ein Employment-Permit, also einen Aufenthaltstitel aus Arbeitsgründen. Mit diesem Permit kann man auch diverse Vergünstigungen in Anspruch nehmen, die “Locals”, also die Hiesigen Nicht-Touristen, genießen Vor- und Nachteile. Locals zahlen weniger für Tauchtouren, dafür werden sie unter Umständen im letzten Moment von der Liste genommen, wenn sich genügend Vollzahler-Touris finden. So erzählt man sich zumindest.
Für bestimmte Tauch- und Schnorchelplätze braucht man eine eigene/zusätzliche Bewilligung, zB für den Jellyfish-Lake, den See, in dem sich tausende ungefährliche Quallen tummeln, ein beliebtes Schnorchler-Ausflugsziel. Außerdem gibt es eigene Permits für gewisse Tauchplätze. Und das ist alles nur in Koror State, auf den anderen, südlicheren Inseln gibts eventuell eigene Regelungen, von denen ich noch nichts weiß.
Darüber hinaus gibt es natürlich Fischereivorschriften, die einzuhalten sind. Bestimmte Gebiete stehen unter Naturschutz und dürfen weder befahren noch betaucht oder gar befischt werden. Dazu gehören die Seventy Islands, das ist jene Inselgruppe, die man im Zusammenhang mit einer Google-Bildersuche “Palau” am häufigsten sieht. Das Gebiet steht bereits seit den 50er Jahren unter Naturschutz. Dann gibt es Kanäle zwischen Inseln, die man zwar befahren darf, aber nicht darin anhalten, schnorcheln oder angeln. Es gibt bestimmte Tierarten, die unter Naturschutz stehen, unter anderem die Hawksbill Turtle, eine Schildkrötenart, sämtliche Eier aller Schildkröten, Groupers, Napoleon Wrasse, etc. Dann gibt es welche, die je nach Jahreszeit geschützt sind, ein paar Monate im Jahr während der Fortpflanzungsphase. Außerdem gibt es Tierarten, deren Weibchen geschützt sind. Dann solche, die man nur fangen darf, wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben. Zu Vollmond darf man keine Sardinen fangen. Andere Tierarten wiederum darf man zwar fangen und verkaufen, aber nicht exportieren.
Man erkennt an dieser überaus knappen Einleitung: der Bürokratie und den Vorschriften sind keine Grenzen gesetzt, und da braucht’s natürlich jemanden, der das alles kontrolliert.
Meine Mentorin und “Chefin” Geraldine hat mir diesen Ausflug ermöglicht, um die Ranger bei ihrer Arbeit zu knipsen. Ich sollte aber nicht alleine fahren, sondern Martin mitnehmen. Ein Anruf durch sie, und wir waren dabei. Was genau sie davon erwartete, weiß ich nicht, vielleicht wollte sie uns auch nur eine Freude machen, weil wir die ersten Wochen so fleißig gearbeitet haben.
Jedenfalls werden wir des Morgens von zwei finster dreinblickenden Männern abgeholt, die sich bei Martin vorstellen, mich aber keines Blickes würdigen – es hat aber offenbar niemand was dagegen, dass ich auch einsteige. Dann werden wir von ihnen in einem Viersitzerboot mit 2x200PS aus der PICRC-Bucht gekarrt, dass es nur so scheppert. Ich muss an meinen aus meiner Kindheit kolportierten Ausspruch denken: “Das sind ja gar keine Wellen, das sind ja Holperln!” Das hier sind keine Holperln mehr, das sind ausgewachsene Holpen! Man weiß nicht, ob man zuerst den Vorfall einer Bandscheibe oder das Entweichen des Gehirns aus seiner Schale befürchten soll. Wenn das so den ganzen Tag weitergeht, brauche ich morgen einen Ersatzkörper, und die Fotos werden alle eine sehr ungewohnte Perspektive des Horizonts zeigen.
Tatsächlich aber fahren wir zu einem Einsatz. Ein Boot ist in Schwierigkeiten, der Motor startet nicht. Die Rangers sind auch dafür zuständig, quasi der palauanische Wasser-ÖAMTC. Ein weiteres Boot der Rangers ist bereits vor Ort. Den beiden betreten dreinblickenden Fischern, denen das liegengebliebene Boot gehört, ist schlicht der Sprit ausgegangen, und sie werden von den Rangers in einer Schlauch-und-Kanister-Aktion betankt. Ein paar gefangene Fische wechseln das Boot, und auch wir steigen um: zu den zwei anderen Rangers, viel weniger finster dreinblickende Männer, die sich diesmal bei uns beiden vorstellen und sich auch sonst als unheimlich nett erweisen.
Floyd und Omngki (die Nachnamen sind umgekehrt kompliziert) lassen uns unsere Drinks und Lunchpakete in ihre Kühlbox räumen, und dann gehts in viel gemächlicherem Tempo Richtung Rock Islands. Eigentlich hätte ich die beiden bei ihrer Arbeit fotografieren sollen, aber dazu ist nicht viel Gelegenheit, denn sie fühlen sich offenbar in der Pflicht und machen mit uns die “Very big tour”. Sie zeigen uns allerlei Buchten, Schluchten, Höhlen und Strände mit unaussprechlichen und/oder unmerkbaren palauanischen Namen, fahren mit uns zum Jellyfish Lake, zu allerlei berühmten Dive Spots und zum Schluss sogar in die Seventy Islands. Dort dürfen nichtmal Einheimische hin, nur Rangers – und natürlich deren gar nicht blinde Passagiere.
Wir kommen bei diesem Bombardement unserer Sinne aus dem Staunen gar nicht heraus. Das Wasser ist manchmal so türkis, dass man es gar nicht glauben kann. Wir sehen ein Wrack unter Wasser, riesige Fischschwärme und einen kleinen Hai, einsame, sandige Buchten wie aus dem Bilderbuch, aber auch zerrüttete Strände, die nach dem Taifun nicht mehr ganz so lauschig wirken, mit Bäumen, die in der Horizontalen um ihre Wurzeln trauern. Natürlich passieren wir auch unzählige der pilzförmigen Inselchen, wie man sie von den Bildern kennt. Bei Ebbe sehen die besonders beeindruckend aus, weil man erkennen kann, wie stark sich ihre Struktur Richtung Wasseroberfläche tatsächlich verjüngt, und die beiden Rangers fahren mit uns sogar durch eine der halbrunden Felsdurchfahrten. Sie zeigen uns “Milky Way”, eine Bucht, in der das Wasser morgens so weiß ist wie der namensgebende Spiralarm ohne Streulicht in einer Neumondnacht.
Wir hätten sogar durchaus unser Schnorchelzeug mitnehmen können, aber wir hielten das Ganze für einen höchst offiziellen Auftrag und wollten nicht wie die Berufstouristen daherkommen. Aber zumindest kennen wir jetzt einige der schönsten Plätze. Und das Wasser ist oft so klar, dass wir gar keine Schnorchelmaske brauchen. Wir bekommen ein paar Stellen gezeigt, an denen am Grund des glasklaren Wassers Riesenmuscheln leben, so groß wie ein halber Mensch, nur wuchtiger.
Es ist so wunderschön, dass uns beiden sehr oft einfach nur der Mund offenbleibt, wenn der nicht gerade damit beschäftigt ist, zum Dauergrinser verzogen zu sein. Ich klettere im Boot hin und her, knipse und fühle mich wie ein Kind, das zum ersten Mal das Meer sieht. Für meine Family: Es ist wie das Bootfahren zwischen den Inselchen in Jugoslawien, nur hoch 50, und mit mehr Türkis. Und mit höheren Tiden – mit bis zu 2,20m Unterschied muss man hier immerhin rechnen, ein Hub, der vor allem zwischen den Inseln und in den Buchten von heftigen Strömungen begleitet wird.
Wir legen zu einer Pipipause in einer Bucht an, in der wunderschöne, große Bäume stehen, ihre Stämme überwachsen mit wieder anderen Bäumen. Dahinter ragt ein grüner WC-Pfahlbau auf, davor wohin man schaut weißer Sand, von türkisem Wasser umsäumt. Eine kurze Überfahrt später erklimmen wir den Hügel zwischen örtlicher Rangerstation und Jellyfish-Lake und sehen uns die japanischen Schnorchler aus der Nähe an, die dort die Anzahl der Quallen zu übertreffen suchen. Ein paar Quallen sehen wir auch vom Ufer aus. Zurück über den Hügel bei der Rangerstation gibt es ein kleines Lunch, das wir mit den ansässigen Hühnern teilen; danach schüttet es mal kurz wie aus Schaffeln.
Wir fahren durch den German Channel, eine menschengemachte Durchfahrt durch das seichte Riff aus der Zeit der deutschen Kolonialzeit. Der Kanal ist etwa 10 Meter breit, links und rechts davon erheben sich bei Ebbe schon erste Strukturen über die Wasseroberfläche; die Durchfahrt wird von allen Booten benutzt, um zu den Tauchgründen Blue Hole und Blue Corner zu gelangen, und zum äußeren Barrier Reef. In einem sehr großen Bereich rundherum ist es einfach zu seicht für Boote.
Beeindruckend, wie die Rangers und die Fischer hier ihren Weg finden, denn in den Inseln sieht es in jeder Richtung exakt gleich aus, nur dass irgendwo gerade die Sonne steht und in anderen Ecken gerade nicht. Als Hintergrundbild am Horizont ragen stets Wolkentürme auf wie Atompilze. In jeder Richtung erheben sich andere Inselchen, und besonders wenn man das zum ersten Mal zu sehen kriegt, ist es sehr verwirrend. Man hofft einfach, dass man nicht in die Situation gerät, alleine zurückfinden zu müssen zu einer Insel mit richtigen Bewohnern und Häusern und Anlegestellen. Als ich schon am nächsten Tag mit PICRC-Mitarbeitern wieder auf dem Boot bin, wird der Überblick schon ein bisschen besser, ich erkenne da immerhin ein paar Strukturen wieder.
Zwischendurch fischen wir den einen oder anderen Müll aus dem Wasser – Plastikflaschen, Styroporwürfel und die allgegenwärtigen Plastiksackerln – und werfen das Zeug in die Compartment-Boxen zur späteren Entsorgung. Martin filmt mit der GoPro, ich mache (wirklich!) tausende Fotos, der dynamische Bereich der Kamera kommt sehr oft mit dem des Auges einfach nicht mit. Zu groß sind die Kontraste.
Am Blue Corner kontrollieren die Rangers dann endlich ein paar Permits. Ein japanisches Taucherboot hat leider abgelaufene Bewilligungen – aber hier spielt keiner den wilden Mann, das hier sind die guten Cops, die Paradiespolizei. Floyd ist sehr freundlich, macht sich Notizen, spricht dem Japaner eine Verwarnung aus und sagt in etwa “Wenn’s nochmal ist, darf’s nimmer sein”. Der Japaner bedankt sich unter vielen Verbeugungen, wir fahren weiter.
Nicht nur der Ceh, auch wir haben das Talent zur Herausforderung von Klein- und Großkatastrophen in unserem Umfeld, wenn wir reisen. Der Taifun war natürlich ein beinah unschlagbarer Start, aber an dem Tag gibt es auch ein paar kleinere Zwischenfälle. In den Seventy Islands etwa, die wir uns exklusiv ansehen dürfen, fahren wir zwischen Inseln entlang, über denen Wasservögel ihre Runden ziehen und lautstark die Störung beklagen. Als wir beinah schon am Ende unserer Rundfahrt sind, fahren wir in einen zu seichten Bereich ein – und bleiben prompt mit dem Bug im Sand stecken. Mit den Rangers. Im Naturschutzgebiet. Ich schlage vor, die Rangers anzurufen. Sie finden das nicht so richtig lustig. Aber wir stecken nicht besonders fest, und das Boot lässt sich problemlos im Rückwärtsgang freisetzen.
Solange man die Umgebung erkennen kann, ist hier alles gut. Verschwindet die Umgebung außerhalb von 150 Metern Entfernung, dann wirds gleich ungemütlich. Ganz am Ende unseres Ranger-Tages, vor der Überfahrt von den Seventy Islands zurück nach Koror, stehen wir vor einer solchen Wolkenwand. Das Boot hat zwar ein Faltdach, aber Martin und ich haben die Sitze vor der Steuerkonsole, und wenn der Regen bei der Fahrt von vorne kommt, nützt das Dach haargenau gar nix. Die Rangers halten kurz an, und wir verstauen alles in den Compartments, und dann heißt es: “Are you ready for a little rain?” Tatsächlich kommt “a little rain”, wie sich zeigt, nicht nur von vorne, sondern auch von der Seite, von oben, von überall.
Nicht dass Regen hier eine Katastrophe wäre, noch nichtmal eine kleine. Man bereitet sich eben vor, packt alles in wasserdichte Kisten, wenn man zum Schnorcheln seinen Platz am Strand verlässt, wickelt sein Handtuch in Plastik ein und fertig. Aber hier kanns ja schütten, sowas hast du noch nicht gesehen. Wenn’s in unseren Breiten ordentlich gießt, würde das hierzulande wohl als leichter Schauer eingestuft. Und es regnet hier nicht nur nass, sondern auch laut und dunkel. Wenn’s losgeht, meint man oft, die Welt geht gleich unter. Es regnet kurz oder lang, wobei es keinen Hinweis auf die zu erwartende Dauer gibt – mal ist es gleich wieder vorbei, mal geht es stundenlang weiter. Und es regnet schmerzhaft, besonders, wenn einem der Regen bei halber Fahrt auf einem Boot von vorne ungebremst in die Augen schießt. Einer der Ranger kommt daher zu uns nach vorne und hebt die dicke, lange Gummi-Bodenmatte vom Bootsboden auf, schiebt sie uns unter die Füße und biegt sie uns oben entgegen, damit wir uns schützen können. Wir ergreifen Matte und Gelegenheit natürlich dankbar.
Trotz dieses Schutzes sind wir innerhalb einer Minute nass bis auf die Knochen, und Martin will uns nicht fotografieren in unserer schwarzen Schutzhöhle aus Gummi, obwohl er die GoPro in der Hand hat. Die haftsicheren Sandkörner auf der Oberfläche der Matte scheuern uns die Knie wund, während Martin der linke und mir der rechte Arm langsam taub wird vom Festhalten der Matte. An den tauben Armen läuft das Wasser entlang.
Die Überfahrt zieht sich endlos dahin, bis der Ranger schließlich anhält und schimpft, dass er absolut nichts sehen kann. Er wartet, bis der Regen etwas nachlässt, dann erkennen wir, dass die Seventy Islands immer noch sehr nahe aussehen, obwohl wir seit einer gefühlten Ewigkeit im Regen unterwegs sind. Also haben wir uns auch noch verfahren.
Wir erreichen schließlich die andere Seite, aber jetzt sitzen wir gar nicht mehr grinsend, sondern durchnässt und mit einer beeindruckenden Gänsehaut auf unseren Plätzen. Trotzdem bekommen wir noch ein paar hübsche Stellen gezeigt, wo man zum Tauchen hinfährt, und sehen an einer Stelle rostige, japanische Kanonen in den Inselwänden stehen, als Mahnmale aus dem zweiten Weltkrieg, als manche Höhlen als Schießnischen benutzt wurden. Wir erholen uns langsam wieder, und nach ein paar weiteren kurzen Regenschauern werden wir schließlich von unseren Paradise Cops vor dem Aquarium abgesetzt. Und haben erstmal einiges zu verarbeiten.
Das sind wirklich Hammerbilder. Aber aufgrund eigener Erfahrung mit dem Knipsen befürchte ich tatsächlich, dass sie nicht annähernd die Realität wiedergeben. Hach.
Hihi :) Doch, annähernd schon. Aber das Auge ist einfach besser als die Linse. Immer. Nach einer Zeit kommen einem die Inselchen auf den Fotos auch schon langweilig vor, immer dasselbe – schwer, eine Auswahl zu treffen!
traumhaft schön, da wird man gern ein bisschen nass….um die Augen ;-)
Nicht schluchzen, ich bin sicher, ihr habt es – für österreichische Verhältnisse – auch grad nicht ganz unangenehm!
Und auch noch richtige Abenteuer, toll! Man kann sich angesichts der sonnigen Bilder gar nicht vorstellen, dass man nach einem Regen frieren könnte.
Hier kann man sich das auch nicht vorstellen. Aber bei ordentlichem Fahrtwind mit nasser Kleidung… das geht schon!
Das ist ja ein Super-Bericht! Interessant zu lesen, weils ganz toll geschildert ist, ich bin begeistert! Auch wenn’s nur zwei sind, die Fotos sind die reinste Augenfreude! Das mit den “Holperln” versteht wohl nur die Familie, aber wir können’s uns dafür umso besser vorstellen. ;-)
Gracias! *verneig*
Du kannst dir immer alle Fotos direkt auf Flickr anschauen und herzeigen: http://www.flickr.com/photos/etoshaspfanne
Nur die Einbindung ins Blog funzt halt nicht, die Bilder sind aber dort vorhanden.