Was ist Freiheit?

Ist man schon frei, wenn man sich körperlich frei bewegen darf? Oder kann ein Gefängnisinsasse freier sein als ein “freier Mann”? Ein Volksmitglied einer Diktatur freier als eines der Demokratie? Gibt es überhaupt Abstufungen, einen Komparativ des Freiseins? Oder gilt bei Freiheit alles oder nichts?

Ist es überhaupt Freiheit, nach der du suchst? Oder ist es Sicherheit? Wie frei bist du, wenn du dich danach richtest, was andere von dir erwarten, wie andere dich wahrnehmen, ob du “normal” bist oder dich in geeignetem Ausmaß von der Masse abhebst, welche Kleidung, welche Frisur dich cool macht, welche Besitztümer du anhäufen solltest, um etwas zu gelten; wie mitfühlend, zurückhaltend, hilfsbereit, aufmerksam, witzig, auffallend, kurzum: wie “liebenswert” du in den Augen anderer bist? Kannst du durch die Augen anderer überhaupt etwas sehen?
Wie frei bist du, wenn du dich den äußeren Vorgaben beugst, brav in der Marktwirtschaft deine Karriereleiter erklimmst oder in der Diktatur den Mund hältst?

Wie viel Sicherheit bietet dir das alles? Und ist diese Sicherheit echt? Wenn du plötzlich einen Haufen Geld hättest, würden deine inneren Vorgaben sich dann in Luft auflösen? Wenn alle äußeren Vorgaben plötzlich allesamt verschwinden würden, oder wenn der Haufen Geld morgen nichts mehr wert wäre, auf welches Maß würdest/könntest du dann zurückgreifen? Wer bist du? Was willst du? Hättest du Angst?

Wie weit geht deine Konformität? Woran hast du dich angepasst? Wie frei kannst du dich ausdrücken? Wie oft pro Tag tust du etwas, das du wirklich willst? Und etwas, das du nicht willst? Wie viel Überblick hast du darüber, was du willst? Wenn du aus dieser Konformität heraustreten würdest, würde dich dann noch irgendjemand lieben? Hättest du Angst? Wenn dich niemand mehr lieben würde, wüsstest du dann noch, wer du bist?

Wer bist du? Was willst du? Wie viel Bewusstsein ist nötig, um diese Fragen zu beantworten?

Bedeutet Freiheit also vielmehr ein Freisein von sämtlichen äußeren Vorgaben? Wenn die äußere Welt keine Erwartungen an dich hätte, würdest du dich dann auch innerlich freier fühlen? Doch was ist mit deinen inneren Instanzen? Inwieweit sind sie ein Abbild der im Außen erlebten Beschränkungen aus deiner Erziehung, der Religion und Gesetzgebung, also erworbene Vorgaben? Fühlst du dich frei, solange du dir dieser verinnerlichten Konformität nicht bewusst bist? Ist dein Gefühl von Freiheit trügerisch?

Wenn die äußeren Beschränkungen blieben, du dich ihnen aber nicht mehr beugen würdest, wie groß wäre das Risiko, das du dabei eingingst? Würde die Gesellschaft dich ausstoßen? Wie viele Menschen gäbe es noch, die dich mögen? Wie viele gibt es, die dich mögen, wie du jetzt bist? Magst du dich selbst? Bist du du selbst? Wie sicher fühlst du dich?

Wäre es ein großes Risiko, wahrhaft frei zu sein? Wie viele der Sicherheiten in unserem Leben sind echt? Wie viele sind nur Illusion und ein Versuch, die Kontrolle zu behalten?

Ist es auch ausreichend, dir in deinem Leben kleine Inseln der Freiheit zu schaffen, kleine Glücklichmacher, die dir eine größere Freiheit nur vorgaukeln? Eine Zigarette rauchen? Ein Glas Wein trinken? Dich nur mit den Menschen umgeben, die dir angenehm sind? In dein Auto steigen und durch die Gegend fahren?
Und was bedeutet “ausreichend”? Heißt das, du gibst dich mit weniger Freiheit zufrieden, als möglich wäre? Warum? Wie viel Prozent Freiheit ergeben deine Inseln zusammengerechnet?

Kann man zu 33% frei sein?

Wie kommt es, dass viele Menschen ihre Freiheit nicht nutzen? Dass manche von ihnen ihre Freizeit einem strikten Stundenplan der wiederkehrenden Tätigkeiten unterwerfen, die nicht dem Spaß, sondern nur der Gewohnheit/Sicherheit dienen? Macht es ihnen nichts aus, dass dieser Stundenplan ihren spontanen Spielraum beschränkt, ihre Möglichkeiten, Neues und Schönes zu erleben, drastisch reduziert und sie zu Sklaven ihrer eigenen Kontrolle macht? Ist das auch Freiheit? Und ist es eine bewusste Wahl?

Sind diese wiederkehrenden Tätigkeiten ein Versuch, die Kontrolle zu behalten? Was sind die grundlegenden Ängste und Unabänderlichkeiten im Leben? Können wir sie kontrollieren? Wo suchen wir Sicherheit vor ihnen?

Wenn alle äußeren Bestimmungen und Beschränkungen wegfielen, wer sorgt dann dafür, dass sich die Menschen nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen? Muss man dafür eine gewisse seelische Reife erlangt haben? Ein gewisses Bewusstsein? Wie sicher wärst du vor fremden Übergriffen? Wie sicher wärst du, dass du niemanden verletzt?

Kann Sicherheit wie Freiheit aussehen? Kann Kontrolle Sicherheit bieten? Und kann Freiheit Sicherheit bieten?

11 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Etosha sagt:

    Das wird Thema eines Kunstprojekts. Euer Feedback ist wertvoll und herzlich willkommen. Einzelne Statements würden wir dann auch gerne herausgreifen, dem Konzept hinzufügen oder im Rahmen des Projekts präsentieren.

  2. T.M. sagt:

    Die Schlüsselfrage ist: Wer bist Du? Wer diese Frage richtig beantwortet, macht sich automatisch auch frei. (0</, 1, 2, 3)

  3. Anna Lühse sagt:

    Ich glaube, es kommt darauf an, die individuell als richtig empfundene Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu finden. Man braucht ausreichend Sicherheit, um sich nicht zu fürchten und ausreichend Freiheit, um sich nicht eingeengt zu fühlen.

  4. Armin sagt:

    Es gibt verschiedene Formen von Freiheit, und die körperliche Freiheit ist eine der wichtigsten. Ein eingesperrter freier Geist kann intellektuell weit kommen, aber wie arm ist er, dass er nicht zum nächsten See gehen kann. Freiheit als gewichtete Summe ihrer Komponenten; körperliche Freiheit hat ein hohes Gewicht. Ein kreativer Bewohner einer Diktatur kann freier sein als ein thumber Bürger einer Demokratie. Freiheit ist granular und jedes
    Körnchen zählt.

    Ich fühle mich am Besten, wenn mich nichts einschränkt, also suche ich Freiheit. Mein Bedürfnis nach Sicherheit befriedige ich vorzugsweise durch freigewählte Schranken. Vernunft bildet die Brücke zwischen Freiheit und Sicherheit. Ein Zeichen persönlicher Freiheit ist, sich nicht nach Anderen zu richten; graduelle Freiheit ist, sich an Anderen zu orientieren. Wenn ich meine Basisbedürfnisse gedeckt habe, besteht meine Freiheit darin, für mehr
    Bedürfnisdeckung Freiheit aufzugeben – quasi ein Zertifikatehandel mit Freiheitskörnchen.

    Materielle Sicherheit bedeutet eine Menge, sie ist ein
    Wahrscheinlichkeitsverbesserer, sie verringert Abhängigkeiten und erhöht so den Freiheitsgrad. Die Geschichte zeigt genügend Beispiele, wo auch das wieder zerrinnt; dennoch ist diese Sicherheit echt, wenn auch nicht absolut stabil auf Ewigkeit. Wenn ich einen Haufen Geld hätte, würden sich meine äußeren Vorgaben reduzieren und meine inneren bleiben. Stabile Persönlichkeiten verändern ihre inneren Vorgaben nicht, wenn äußere fallen.
    Wenn der Haufen Geld morgens nichts mehr wert wäre, hätte ich wieder Angst vor den äußeren Vorgaben.

    Meine Konformität ist anerzogen, nimmt aber ab; meine einzigen stabilen Beschränkungen sind die Rücksichtnahmen auf Andere, ansonsten bin ich schon ziemlich frei. Wollen, bezogen auf Lebenssinnfragen, ist nicht beantwortbar. Ich bin recht unabhängig geworden davon, ob “Andere” mich lieben; ich bin mir selbst bewusst wie nie zuvor.

    Mein Bewusstsein hat all diese Fragen ständig präsent.

    Äußere Freiheit ist nur ein Teil der Freiheit. Innere Beschränkungen sind oft Repräsentanten früherer äußerer Auflagen; man muss sich das Bewusstsein bilden, dass auch sie bearbeitbar sind. Das ist wie mit russischen Püppchen
    … Bewusstsein über Bewusstsein schaffen. Das ist schwer, es heißt ja nicht, dass man die Kraft dazu hat. Wer verdrängt, fühlt sich freier – wer seine Gitterstäbe sieht, leidet, betrügt sich aber nicht. Jeder sollte seine
    Nagelfeile suchen.

    Die absolute Freiheit des Eremiten im Wald ist nicht mein Ziel. Demnach suche ich den für mich passenden Gleichgewichtspunkt zwischen erhaltenen und zwecks meiner Soziabilität aufgegebenen Freiheiten.

    Sicherheiten sind nie absolut, aber schon ihre Wahrscheinlichkeiten sind eine Menge wert.

    In der persönlichen Entwicklung gibt es kein 0 oder 1; die graduellen Verbesserungen zählen. Freiheitsinselchen können wachsen und zusammenwachsen.

    Und Ja: Man kann zu 33% frei sein.

    Wenn Menschen ihre Möglichkeiten nicht nutzen, ist es fehlender Antrieb oder Abgestumpftheit. Wenn man Möglichkeiten hat, und sie nur aus Gewohnheit oder
    Bequemlichkeit nicht nutzt, hat es mit der Kategorie Freiheit nichts zu tun.

    Gewohnheiten sind archaisch bedingt und lebenserleichternd; auch hier entscheidet das Maß über gut oder schlecht.

    Es dürfen niemals alle Regeln wegfallen; ethische Grundregeln müssen erhalten bleiben. Nichts funktioniert völlig ohne Regeln (auch das Universum ist nicht frei). Hier bedeutet Freiheit, Regeln anpassen zu können – und wir
    sind wieder bei der Vernunft angelangt.

    Sicherheit und Freiheit können auch voneinader abhängen und sind nicht unbedingt Antipoden. So bietet eine kriminalitätsarme Stadt die Freiheit, angstfrei einen nächtlichen Bummel zu machen. Kontrolle ist für manche
    Sicherheit erforderlich; Kontrolle im Sinne von “Steuerung” auch. Damit folgt, dass Freiheit auch eine Folge von Kontrolle sein kann … es kommt eben immer darauf an. Umgekehrt ist die Kausalkette schwerer zu finden, weniger konkret greifbar: Z.B. sind freiheitliche Demokratien geschützt vor Revolutionen, die aus dem Druck von Unzufriedenheit ausbrechen. Dies ist ein Beispiel für Stabilität und Sicherheit, geboren aus Freiheit.

  5. nömix sagt:

    »Freedom’s just another word for nothing left to lose.«
    (Kris Kristofferson, Me and Bobby McGee)

  6. mkh sagt:

    “Die Freiheit ist ein wundersames Tier
    und manche Menschen haben Angst vor ihr.
    Doch hinter Gitterstäben geht sie ein,
    denn nur in Freiheit kann die Freiheit Freiheit sein.”

    Georg Danzer
    aus: http://www.folk.de/dreyheit/cd/text8.htm

    Klasse Song von dem guten Herrn Danzer – die Erinnerung lässt meine Liedermacherurzeiten wieder lebendig werden. (Herrn Danzer leider nicht.)

    Ansonsten: Vers 3 scheint mir allzu gut zuzutreffen. Wir, viele von uns, wenn nicht die meisten, haben Angst vor der Freiheit. Vermutlich weil sie in uns selber beginnt…

  7. Etosha sagt:

    Danke für eure Gedanken dazu, sehr erhellend.

    Ich möchte noch einen hinzufügen, über den ich heute gestolpert bin, und den ich indirekt mit diesem Thema verbinde:

    “People are ready and hungry to open up and connect, even if their faces tell a different story.” (Lee Harris)

  8. rudolfottokar sagt:

    hmmm…da bin ich mir nicht so sicher….
    freiheit ist etwas sehr zerbrechliches – da darf (soll) man sich schon fürchten, dass etwas kaputt geht.
    die furchtlosen sind mir prinzipiell etwas suspekt…

  9. Martin sagt:

    Eine (“objektive”) definition für freiheit existiert (aus prinzip) ebensowenig wie für schönheit. das liegt alles ausschließlich im auge des betrachters. vordergründig könnte man allenfalls sagen: immer daa, was gerade erstrebenswert erscheint verschafft sie einem dann…

  10. Etosha sagt:

    Ich war nicht auf der Suche nach Objektivität. :)

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