Urbane Legenden

In jedem Berufsalltag gibt es, so vermute ich, die eine oder andere Legende, deren Unverwüstlichkeit nur von ihrer Unrichtigkeit übertroffen wird.
Zumindest gibt es diese Legenden in meinem Beruf, in den uferlosen Weiten der Steuergesetze und Buchhalterei.

Und bei Euch so?

Warum diese Legenden in meiner Branche nicht totzukriegen sind, ist mir ein Rätsel. Ich vermute, es gibt eine Art geistiges Grundgesetz für manche Selbständige, nämlich stets das zu glauben, was derjenige sagt, der nachweislich die wenigste Ahnung vom Thema hat.

Alle Angaben beziehen sich auf die aktuelle österreichische Steuergesetzgebung.

Ich darf nicht zu viele Privatentnahmen aus meiner Einzelfirma tätigen!
Sonst zahle ich so viel Einkommensteuer!

Wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat oder verbreitet, verdient echt ein paar Watschen.

Die Einkommensteuer wird vom Jahresgewinn berechnet, der sich wiederum aus Einnahmen abzüglich Ausgaben errechnet. Die Privatentnahme ist weder das eine noch das andere, sondern ein gewinnneutraler Vorgang. Bei kleineren Unternehmern, die ihren Gewinn über eine sog. Einnahmen/Ausgaben-Rechnung ermitteln, erfährt das Finanzamt noch nicht mal die Höhe der Privatentnahmen.
(Nicht zu verwechseln mit dem Eigenverbrauch, das ist die private Nutzung oder die Entnahme von Betriebsvermögen! Dieser Eigenverbrauch ist sehr wohl einkommensteuerpflichtig, und, wenn die Anschaffung zuvor vorsteuerabzugsberechtigt war, auch umsatzsteuerpflichtig!)

Gelder jedoch kann man auch nur privat entnehmen, wenn man zuvor ein bisserl Gewinn gemacht hat – sonst wird das Bankkonto nämlich öd und leer aussehen. Auch Einkommensteuer zahlen wird der Unternehmer nur dann, wenn er Gewinn gemacht hat.
Der logische Zusammenhang liegt also auf der Hand – aber mit der Höhe der Einkommensteuer haben die baren Privatentnahmen aus einer Einzelfirma überhaupt nichts zu tun. Never ever!


Alles, was der Unternehmer ‘absetzen’ kann, kriegt er vom Finanzamt zurückgezahlt!
Deswegen sind auch alle Selbständigen automatisch saumäßig reich.
Die leben nämlich vom Finanzamt, die Säcke.

Falsch. Wahr ist vielmehr, dass das Finanzamt und der gesamte Staat von den Steuerzahlern lebt, worauf jeder mit ein bisschen gesundem Menschenverstand auch von alleine kommt.
Wahr ist außerdem, dass diese Absetzposten – vulgo ‘Ausgaben’ – nur die Bemessungsgrundlage für die Steuer, nämlich den Gewinn, senken.

Das einzige, was der Unternehmer tatsächlich und wahrhaftig vom Finanzamt vergütet erhält, sind die Umsatzsteuerbeträge, die in seinen Ausgaben enthalten sind. Er wendet also nur die Nettobeträge für seine betrieblichen(!) Ausgaben auf.
Auch da ist die Abzugsberechtigung nicht endlos; so gibt es beispielsweise für Pkw-Ausgaben keinen Vorsteuerabzug (Ausnahmen bestätigen die Regel: Taxis und Fahrschulen). In anderen Ausgaben ist von vornherein gar keine Umsatzsteuer enthalten (Post, Gebühren, Versicherungen, etc.)

Weil aber auch der Unternehmer von Konsumenten oder Firmenkunden Umsatzsteuer-Beträge kassiert, die er zuvor auf seine Preise aufgeschlagen hat, und weil er diese an das Finanzamt weiterzahlen muss – er ist da quasi nur Mittelsmann – gibt es meistens am Umsatzsteuer-Fälligkeitstag dann doch kein Geld vom Finanzamt. Vielmehr zahlt der Unternehmer hängenden Ohres, aber tapfer die Differenz zwischen erhaltener Umsatzsteuer und mitbezahlter Vorsteuer an das Finanzamt ein. So schauts aus, meine Herrschaften.

Es gibt jedoch die berüchtigten ‘vorsteuerabzugsberechtigten Kleinbusse’, die seit jeher den Neid der arbeitenden Masse auf die Unternehmer erregen, weil ebendiese Masse größtenteils dem besagten Irrtum unterliegt, das Finanzamt ersetze dem Unternehmer die Kosten für diese Fahrzeuge. Das ist Unsinn! Nur die Umsatzsteuer für die Ausgaben wird ersetzt – allerdings auch nur für betriebliche Fahrten. Fährt der Unternehmer privat spazieren, muss er den anteiligen Umsatzsteuerbetrag am Jahresende im Zuge des Eigenverbrauches/Privatanteiles ans Finanzamt zurückzahlen und ist somit in seinen Privatfahrten dem herkömmlichen Autofahrer gleichgestellt.


Das Finanzamt hat mich beschissen, weil es mir nicht meine
gesamten Sonderausgaben zurückgezahlt hat!

Genau wie die beschriebenen Betriebsausgaben des Selbständigen nicht ersetzt werden (siehe oben), werden auch niemandem die Sonderausgaben vom Finanzamt zurückgezahlt. Auch sie senken nur die Grundlage für die Steuerberechnung, und zwar sowohl bei selbständigen Einzelunternehmern als auch bei nichtselbständig Tätigen (vulgo ‘Angestellten’).

Auch werden die Sonderausgaben nicht in der vollen, bezahlten Höhe abgezogen. Derzeit liegt der Höchstbetrag für Sonderausgaben jährlich bei 2.920,- Euro; ein Viertel davon wird vor der Steuerberechnung von den Einkünften abgezogen, also 730 Euro. (Es gibt noch einen Erhöhungsbetrag für kinderreiche Familien.) Höchstbetrag soll heißen: Du darfst zwar gerne mehr Sonderausgaben haben, es interessiert das Finanzamt aber nicht.
Danach wird die Steuer (neu) berechnet. Man kriegt also maximal den Steuerbetrag zurück, der auf diese 730 Euro entfällt (also irgendwas zwischen 34 und allerhöchstens 50% davon), aber niiiemals nicht die ganzen 730 Euro, und schon gar nicht den vollen Betrag der bezahlten Sonderausgaben.

Die gängigsten Sonderausgaben sind übrigens freiwillige Personenversicherungen (Lebens-, Unfall-, Krankenversicherung), Rückzahlungen für Wohnraumschaffung oder -sanierung, und (zusätzlich) der Kirchenbeitrag in einem Ausmaß von derzeit € 100,- jährlich.


Ich kann als Selbständiger der Pflicht zur Abschreibung über die Nutzungsdauer (“Afa”) für Güter über 400 Euro entgehen!
Ich brauche nur den Gesamtbetrag auf mehrere Rechnungen aufteilen zu lassen!

Schon, aber nur so lange, bis der Betriebsprüfer kommt.

Wirtschaftsgüter, die mehr als 400 Euro kosten, müssen nämlich über das sog. Anlagenverzeichnis über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Bei einer Nutzungsdauer von 4 Jahren ist also der Kaufpreis als Ausgabe zu je 25% auf das laufende und die kommenden Jahre aufzuteilen. (Soviel zum Thema ‘Die Unternehmer habens so super.’)

Ja, Wirtschaftsgüter, die unter 400 Euro kosten, sind als ‘geringwertige Wirtschaftsgüter’ im Jahr der Anschaffung komplett als Ausgabe absetzbar. Das heißt aber nicht, dass man eine große Einheit nur auf mehreren Rechnungen in ihre Bestandteile zerlegen muss, um lauter geringwertige Wirtschaftsgüter verbuchen zu können.

Auch ein Betriebsprüfer weiß, dass ein Motherboard, ein Gehäuse, ein Prozessor, eine Harddisk und ein DVD-Laufwerk miteinander eine Einheit bilden, die auch Rechner genannt wird. Wer trotzdem stets aufgeteilte Rechnungen fordert, zieht sich damit maximal den gerechten Zorn seiner Lieferanten bzw. des Fakturierpersonals zu.


Wer mir noch einmal mit einer dieser Legenden kommt, bekommt diese Abhandlung vor den Latz geknallt.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. blogotronic sagt:

    am besten gefällt mir das beispiel mit dem aufteilen der rechnungen, um GWG (kennt man diesen begriff in A?) zu kreieren. hat das echt jemand versucht?

  2. Etosha sagt:

    GWG kreieren? Na, andauernd. Die Leute machen praktisch nix anderes. ;)

  3. ed sagt:

    pretty seltsam – genau das alles ‘lerne’ ich grade im existenzgründerseminar, irgendwie muss ich ja mein eheweib aus diesem schrecklichen gleichgeschlechtlichen tanzlokal wegbekommen in dem ich sehr reich werde, mit absetzten.

  4. Etosha sagt:

    Hihi, vielleicht kannst du MoniqueChantal ja als ‘außergewöhnliche Belastung’ absetzen? Oder du beantragst Königinnen-Zuschuss? Hoffentlich kriegst du nicht sowas. Oder gar sowas.

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