In letzter Zeit scheint es recht beliebt zu sein, dem Endverbraucher mehrwertsteuerfreie Einkäufe zu versprechen. Große Baumärkte kündigen Aktionen an – “Sparen Sie 20% MWSt!” – und auch kleinere Geschäfte lassen sich den Nepp mit den 20% nicht entgehen, wie es so mancher Schaufensteraufschrift zu entnehmen ist. Aber wieso den Nepp? Ist doch keiner, oder? Richtig, genau genommen sind es gleich zwei.
Dann flötet Ottilie Normalverbraucher ihrem Gatten zu, “Ottilein, mein Schlumperli, dieses Wochenende sind MWSt-frei-Tage bei Unti! Da können wir zwei Hübschen dem Finanzminister ein Schnippchen schlagen und bekommen noch 20% Rabatt dazu!“, und das ist dann gleich doppelt unzutreffend.
Erstmal: Würden große Firmen an gewissen Tagen einfach keine Umsatzsteuer (=Mehrwertsteuer) verrechnen und diese Tatsache dann auch noch auf ihre gewohnt plakative Weise der Welt kundtun, würde der Finanzminister aber Augen bzw. Ohren machen! Schließlich ist die Umsatzsteuer eine seiner größten Einnahmequellen, und sie ist daher nicht ganz grundlos für alle entgeltlichen Lieferungen und Leistungen durch Unternehmer im Inland zu entrichten. Der § 1 UStG bleibt dabei von irgendwelchen fadenscheinigen Werbeaktionen völlig unbeeindruckt, und der Fiskus verlangt ungerührt die Umsatzsteuer vom Unternehmer. Diese Umsatzsteuer ist daher freilich auch im Zeitraum dieser Aktionen in den – vorgeblich umsatzsteuerfreien – Rechnungsbeträgen immer noch enthalten. Das lässt sich ganz leicht anhand des Kassenzettels überprüfen.
Ganz ohne Umsatzsteuer im Inland einkaufen, das geht einfach nicht, schon gar nicht für den Endverbraucher. Außer – wie soll ich sagen – er bekommt gar keinen Kassenzettel ausgestellt, und das sehr bewusst und einvernehmlich. Solche Vereinbarungen wirken sich für gewöhnlich auch dezimierend auf die Preisgestaltung aus.
Was ist es also, das in solchen Aktionen nachgelassen wird? Nicht die Mehrwertsteuer, soviel ist klar. Vielmehr handelt es sich um einen ganz ordinären, sofort gewährten Rabatt.
Zwotens sind die 20% natürlich nicht wirklich wahr, sondern nur scheinbar. Bekäme Ottilie auf einen Betrag von 120 Alpendollars den (vermeintlich ganz klar versprochenen) Nachlass von 20%, so betrüge dieser Rabatt 24 A$, und sie bezahlte 96. Erlässt man ihr hingegen großzügig die enthaltenen “20% MWSt”, so sind das nur 20 A$, und somit 16,67% vom ursprünglichen Normalpreis 120. Sie bezahlt 100, also 4 mehr als beim 20%-Rabatt. Und freut sich.
Warum diese Aktionen so beliebt sind, ist demnach leicht erklärt: Mit diesem einfachen Rechentrick kann der Unternehmer sich ganze 20% auf die Fähnchen schreiben und Ottilie samt ihrem Göttergatten damit lockend vor der Nase rumwedeln, muss aber letztlich nur 16,67% Rabatt gewähren – und darf auch noch behaupten, die beiden hätten keine Mehrwertsteuer bezahlt. Alle freuen sich – und das klingt doch schließlich ganz wunderbar, nicht? Auch wenn nichts davon wahr ist.
Zulässige Werbestrategie oder arglistige Täuschung? Die Frage dabei ist, von welchem Wissensstand man für die Familie Normalverbraucher ausgehen darf. Für mich ist ja die beschriebene Sachlage völlig klar, ich weiß also, was mich erwartet: 16,67% Rabatt und ein Kassenzettel mit der üblichen MWSt.
Aber wie viele Kunden durchschauen das? Wenn ich davon ausgehe, wie gut die Menschen über ihre Arbeitnehmerveranlagungen und Steuererklärungen bescheidwissen – nicht viele.
Rechnen sie später nach und wundern sich, warum sie nun eigentlich doch nicht ganze 20% weniger bezahlt haben? Wenn sie auf ihrem Paragon einen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag finden, beschweren sie sich dann?
Und wie wird diese Beschwerde vom Unternehmer gehandhabt und das Unbegreifliche begreiflich gemacht? “Na, Sie sind aber naiv!” vielleicht oder “Das ist doch nur ein Werbegag!“?
Man weiß es nicht. Möchte jemand Feldforschung betreiben?
Also bei solcherart Aktionen bleibt bei mir nur “ah, da gib’s was billicha” hängen. Um wie viel genau hätte ich nie im Leben angefangen zum Nachrechnen; genauso wenig wie zu glauben dass es tatsächlich etwas mit der Mehrwertsteuer zu tun haben könnte … dafür ist von “Kaufmännisch Rechnen” wohl doch noch genug hängen geblieben :)
hast du einen beleg von so einer “keine MWSt” aktion? wie wird das praktisch abgerechnet? weil es ginge ja theoretisch auch so: der rechungsbetrag inkl. MWSt bleibt unverändert stehen, du bezahlst an der kassa aber nur den ausgewiesenen nettobetrag. die MWSt führt der Unti für dich ab. alle (inkl finanzminister) sind glücklich.
wenn es so gehandhabt wird (würde), so gewährt der Unti sogar wirklich 20% die er drauflegt, wenngleich dein “gefühlter” rabatt nur die 16,67 beträgt. ist folglich die ungünstigste variante für das verhältnis kundennutzen zu händleraufwand. wer das macht statt den nettopreis zu senken ist, nunja, zumindest rechnerisch minderbegabt.
den nettopreis so weit zu senken bis der bruttopreis dem alten nettopreis entspricht ist also für den kunden unterm strich der gleiche effekt aber für den händler deutlich besser (um 3,33%). unschön daran: die versprochene nicht-MWSt kann man sich nur denken/errechnen aber nicht direkt “fühlen” beim betrachten der rechnung. ebenfalls unschön daran: für vorsteuerabzugsberechtigte kunden kommt dabei ein geringerer rabatt heraus als bei der ersten variante.
eine vorsätzliche täuschung / lockangebot kann man den firmen so oder so sicher nicht unterstellen, es heisst ja IMHO nirgends “20% rabatt” sondern “20% MWSt gespart”. du hast “nicht 20% mehr bezahlt”. nicht: du hast “20% weniger bezahlt”.
auch wenn man gegenteiliger meinung sein mag – es gilt die geistige unschuldsvermutung, der bürger ist solange als intelligent zu betrachten bis er das gegenteil bewiesen hat. er kann folglich nachvollziehen was das angebot an preisnachlass bietet.
letztendlich zählt sowieso nur was ich cash aus meinem börserl entnommen habe. auch ehrliche 20% nachlass auf einen sauteuren preis sind immer noch schlechter als getürkte 16,67% auf einen von vornherein niedrigen. nennen können die das dann wie sie wollen.
In Deutschland sind solche Aktionen ja auch sehr beliebt. Lustig finde ich es besonders, dass in den werbewirksameren Fällen bestimmter Elektronikmärkte schon mal nur sehr beschränkte Mengen erhältlich waren oder es auch vorab durchaus deutliche Preiserhöhungen gab.
In Deutschland wurde im letzteren Fall ein sehr großer Elektronikmarkt erfolgreich wegen irreführender Werbung im Jahr 2006 verklagt – das Gericht meinte die damals beworbenen 16% seien durch die Preiserhöhung nicht erreicht worden (netto waren es dann am Ende nämlich nur noch 8% Rabatt).
Janoc, willst du mir damit sagen, das Volk will das ohnehin nicht wissen? ;)
Martin, die erstere Variante ist nicht nur ungünstig, sondern sicher auch praktisch nicht durchführbar. Ich glaub nicht, dass irgendein Kassensystem es innerhalb eines vernünftigen Zeitaufwandes schafft, als Zahlbetrag den Nettowert auszuspucken.
Warum käme nur für vst-abzugsberechtigte Kunden ein geringerer Rabatt raus? Dem kann ich nicht ganz folgen. Weil im echten Leben der Rabattbetrag nie “die MWSt” sein kann, kann man ihn genauso auf netto und MWSt aufteilen wie den Rest der Rechnung.
Natürlich heißt es nirgends “20% Rabatt”; das ist ja genau der Punkt – aber die 20% klingen im Gehörgang des Kunden nach. Und das wissen die Händler ganz gut.
Mil, das gibt dem ganzen natürlich noch eine neue Dimension. Hauptsache, man kann sich irgendwie hervortun und vollmundig Preissenkungen ankündigen. Schon ein ziemlich frecher Beschiss.
warum für vst-abzugsberechtigte (un)günstiger:
angenommen ein produkt kostet regulär netto 150, brutto also 180. wenn der nachlass gewährt wird indem der kunde an der kassa nur die 150 bezahlt aber die rechung 150 30 ausweist, kann der abzugsberechtigte damit nach hause gehen und sich 30 zurückholen, hat also tatsächlich 120 bezahlt. für ihn tatsächliche 20% rabatt.
wird der bruttopreis auf 150 festgesetzt entspricht das einem nettopreis von 125 25 steuer, das produkt hat ihn also 125 gekostet. damit sind wir wieder bei den 16,67%.
für den nicht abzugsberechtigten bleiben so oder so immer die 150 zu 180 stehen, also 16,67%.
Definitiv nein. Die Variante mit der Zahlung des Nettobetrages geht einfach nicht. Aber theoretisch:
Wenn der Kunde nur 150 bezahlt hat, dann stellt der Differenzbetrag eine sofortige Änderung der Bemessungsgrundlage dar, aufgrund derer der Vorsteuerabzug zu berichtigen ist; als Vorsteuer dürften nur die 20% AUS dem bezahlten Betrag abgezogen werden. Der Unternehmer aber würde den gesamten ausgewiesenen USt-Betrag kraft Rechnungslegung schulden (*); damit hätte der Finanzminister den größten Gewinn: USt-Abfuhr 30,-, VSt-Abzug 25,-. Gewinn für den Fiskus: 5 Alpendollars.
(*) Oder aber der USt-Betrag wird auf der Rechnung um die im Rabatt enthaltene USt erleichtert, damit sinkt aber die ausgewiesene UST wiederum auf 25,- und wir sind erfolgreich wieder bei Variante 2 angelangt.
Praktisch hat diese Variante keinerlei Lebenschance.
Uiuiui … als jemand, der üblicherweise aus reiner Faulheit und Vergesslichkeit nicht mal simpelste Preisvergleiche zwischen verschiedenen Geschäften anstellt, fühle ich mich jetzt als ausgesprochen unprofessioneller Einkäufer.
Aber vielleicht ein ganz nettes Beispiel: Will ich ein Red Bull und es kostet 2 Euro, ist das schweineteuer, und ich lass es. Kostet es in einem anderen Geschäft 1,10 Euro, dann ist das ziemlich günstig, und ich werde es dort kaufen. Und dabei ist es mir vollkommen blunzen, auf welche Weise der eine oder der andere Preis zustande gekommen ist – ob mit oder ohne Rabatt, oder von vornherein günstig oder nicht. Da erspare ich mir dann auch eine Menge Prozentrechnung :).
verstehe nicht ganz warum die variante nicht gehen sollte. wenn eine rechung herauskommt, auf der 150 netto 30 MWST ausgewisen sind und der kunde bezahlt nur die 150 dann “fehlen” am ende in der kassa einfach die 30. die muss eben der unternehmer aus eigenem berappen und abführen da sie ja lt rechnung fällig sind. und der rechungsempfänger kann sie lt rchungsausweis zurückholen. aus welchem börsel die UST resultiert kann der fiskus so nicht mal nachvollziehen und kann ihm doch vollkommen egal sein, oder?
Schon alleine die Tatsache, dass er es unter Umständen nicht nachvollziehen kann, ist ihm nicht egal. :)
G., wenn du aber keinen Alltagsgegenstand kaufst, sondern etwas, worüber du dir zuvor in weiser Voraussicht keine Preisübersicht verschafft hast *gg*, ist es ziemlich schwer festzustellen, ob ein Trumm jetzt günstig ist oder nicht.
Naja klar – das wär ja dann auch eine ent oder weder Situation :).
einfacher (IMHO) formuliert:
Nimm einen Preis, zieh davon 50% ab. Auf den neuen Preis leg 50% drauf.
Bist du wieder beim Originalpreis?
Wenn ja, hast in der Mittelschule wohl nicht aufgepasst….
Nicht jeder gefangene Bauer war auf einer Mittelschule.
und selbst dort – im BG und BRG Eisenstadt – hat man ihn das Rechnen nur unzulänglich gelehrt: als wir in der Fünften einen Frischg´fangtn von der Uni bekamen, der zu 90% sein Lieblingsgebiet Vektoren und Beweise dozierte, stellte ein gewisser h. die Arbeit ein. Fazit: Zipf und schöne Nachhilfeferien mit Muttern, der Frau VS-Lehrerin
Sie tun es schon wieder!
“Minus zwanzig Prozent auf alles” tönt der Sprecher in der Fernsehwerbung. Wenn man grad nicht auf den Bildschirm schaut, is man echt angeschmiert.
Das sowas durchgeht, wundert mich!
Es dürfte aber zumindest Vorschriften dafür geben, wie diese 20% auf Plakaten zu konkretisieren sind – ich hab eines gesehen, und darauf steht sehr explizit “16,67 effektiver Rabatt”.