Schon bevor ich auch nur annähernd erwachsen war, waren die Jungs hinter mir her. Ging ich mal ein Weilchen mit einem von ihnen, verschwanden die anderen zwar, tauchten aber zuverlässig wieder auf, wenn das Gerücht meiner neuerlichen Singleness sich verbreitet hatte, sodass ebendiese nie lange währte. Zur Freude meines Mannes hat sich das Phänomen, seit wir verheiratet sind, gelegt, aber über einen Mangel an Verehrern konnte ich mich davor nie beklagen.
Ich habe nämlich eine sehr starke Ausstrahlung. Das kann ich beweisen. Selbst elektronische Geräte in meiner Umgebung neigen zu spontanen oder chronischen Fehlfunktionen. Nichts Dramatisches, es sind zumeist eher kleine Dinge, solche, die man vielleicht als unkritischer Benutzer gar nicht recht merken würde.
Nun bin ich aber der Ansicht, dass Funktionen dazu da sind, genutzt zu werden, und tendiere dazu, mir meinen Aufenthalt an Notebook, PC & Co. so bequem wie möglich zu gestalten. Bei diesem Bestreben fallen natürlich kleinere Ungereimtheiten stärker auf.
Größere natürlich sowieso. Unzählbar sind die Videoaufnahmen, die mein Rekorder fünf Minuten vor Ende des Films gestoppt hat. Auch mein früherer PC im Büro hat die Zusammenarbeit mit mir gern verweigert. Er schaltete, um solches kundzutun, einfach auf stur und den Bildschirm auf schwarz. Manchmal war es auch ein kokettes Nadelstreifmuster. In jedem Fall war an Teamwork nicht mehr zu denken. Freundlicherweise gingen dabei wenigstens keine Daten verloren.
Der Rechner musste zur Strafe ins Ersatzteillager, und ich bekam vom Chef einen neuen. Dieser wiederum empfindet meine Ausstrahlung offenbar als very british, er stellt nämlich das Tastaturlayout – aus freien Stücken und mit einer Zuverlässigkeit, wie ich sie sonst denkbar selten erlebe – auf englisch um.
Nun kann man ja das englische Layout in Windows einfach löschen – auch ich kann das, dafür brauche ich keinen Techniker-Rat , danke. Eine Lösung des Problems brachte das aber nicht, der Rechner installierte das englische Tastaturlayout unbeirrt nach jedem Start neu. Nun besteht unsere Firma ja im Wesentlichen aus EDV-Technikern. Mehrere solche gedachten, sich des Problems anzunehmen, aber auch deren selbstsichere Ausstrahlung konnte den Rechner nicht irritieren. Er hatte sich bereits auf mich eingeschwungen.
Die einzige fruchtbringende Maßnahme war, hinter dem hartnäckig eingestellt bleibenden englischen Tastaturlayout ein deutsches zu definieren. Es steht also immer noch ‘EN’ in meiner Taskbar, das irritiert mich aber nicht mehr weiter.
Mein PC und mein Notebook daheim stehen ebenfalls voll unter meiner Ausstrahlungsfuchtel. Software tut in meinem Beisein Dinge, die man sich gar nicht vorstellen kann.
Selbst das Internet benimmt sich zuweilen recht merkwürdig.
Ich sorge wirklich durchwegs für Verwirrung.
Und doch ist etwas daheim anders: Die Geräte haben einen Heidenrespekt vor dem Beistand meines Mannes. Hier meine ich Beistand im wörtlichen Sinn. Wir haben daraus gelernt und nutzen den Demonstrationseffekt zur kreativen Problemlösung.
Immer wieder ärgere ich mich, dass mein Mailwasher sein Fenster nach dem Start genau so dämlich positioniert, dass seine Statusleiste hinter der Windows-Startleiste verschwindet und daher nicht lesbar ist. Es wird dort aber allerlei nützliche Information angezeigt. Und die will ich auch sehen, wenn sie schon da steht. Es entspricht nicht meinem Wesen, Kapazitäten brachliegen zu lassen.
Im Prinzip ist es ganz einfach, unter Windows einen Fensterstatus zu fixieren: Man schließt das Programm einmal unter Bemühung der Shift-Taste. Hernach weiß das Fenster, was es zu tun hat. Monatelang. Beschließt es jedoch von selbst, auf sein vermeintliches Recht auf freien Willen zu pochen, und fürderhin selbst zu entscheiden, wo es sich aufbaut, so ist auch mit der Shift-Taste nichts mehr auszurichten. Glaubt mir, ich habe in den letzten Wochen alles probiert.
Eher zufällig diesmal, Martin steht neben dem Notebook, berichte ich ihm von meinem Problem, und demonstriere es auch gleich:
“Schau, wenn ich das Fenster einstelle… dann Shift drücke und hier schließe, dann sollte beim nächsten Start das verwunschene Programm doch in der richtigen Position sein! Das funktioniert aber…
… jetzt wieder – danke für deinen Beistand.”
ich frag mich ja ob ich mich mit dieser beistandsdienstleistung selbständigmachen könnte. ich stell mich dazu, sag “geht eh” und stelle eine rechnung über 50 EUR plus reisespesen.
Na bin ich froh, dass ichs diesmal noch gratis gekriegt hab! Die Reisespesen wären bei mir aber sowieso entfallen, nen? :)
Wo andere ihre electronic devices aus Fenstern werfen, nachdem sie sie mit Baseballschlägern zertrümmert haben, streichst du dir durchs Haar und sagst – ich habe Ausstrahlung! Sehr schön, meine Liebe! :-)
Aus der Idee von Martin spricht eindeutig der Unternehmensberater ;-)
Allerdings gibts fast nix peinigenderes, als das Phänomen des Beistands, weil diese Gabe dürfte ich auch besitzen. Wenn ich voen einem Kunden einen Hilferuf erhalte, weil was nicht geht und ich hinfahre, ist es auch meistens so: In meinem Beisein funktionieren PCs wie gewollt, aber wehe ich entferne mich weiter als bis zu meinem Auto, schon klingelt das Telefon und der jeweilige Kunde ist mit demselben Problem wieder konfrontiert. Fehlersuche meinerseits ist fast unmöglich, deshalb die weitere Gabe, so ziemlich alle Dialogfelder und Optionen von Windows in korrekter Klickreihenfolge am Telefon ansagen zu können.
@ nachtschwester: Ist eine Frage der Einstellung – oder der Resignation. Die Energien für Zertrümmerungsaktionen hab ich nicht mehr.
@ Ernst: Man müsste den Geräten suggerieren, man wäre gar nicht da. Vielleicht eine Bleischürze, wie beim Röntgen?
Möglicherweise ist es auch eine Frage der Annäherung: Den Kunden nicht von seinem Rechner wegjagen und selbst davorsetzen, sondern nur ganz vorsichtig annähern und schön hinter ihm stehenbleiben, damit die Energien sich nicht vermischen. *grins*