Türkei 1

Meine Fotogalerie funktioniert leider im Moment nicht so, wie sie soll, drum kann ich derzeit mit Türkei-Fotos leider nicht dienen, ebensowenig wie mit Teil 3 des Segelberichtes. Ein paar hübsche Türkeibilder sind aber in einem Facebook-Album gelandet, wer schauen möchte, ist herzlich eingeladen, mich zu “adden”, wie das so schaurigschön neudeutsch heißt.

Nja, dann erzähl ich euch halt so ein bissl was. Schräge Erlebnisse gabs ja genug, mal sehen, wieviel davon ich noch hervorzaubern kann.

Wir haben natürlich wieder einiges gelernt, weil wir ja stets lernwillig und -fähig sind. Ich war in einem Hotel in Mahmutlar in der Nähe von Alanya, mit meinem Vater, seiner Frau und einer Freundin der beiden, hier L. genannt, alle drei sind in den 60ern. Trotzdem war ich oft früher im Bett als sie, auch aufgrund der Verkühlung, die mich an den ersten Urlaubstagen geplagt hat.

Die Kleinstadt Mahmutlar gab es vor sechs Jahren in der heutigen Form noch gar nicht. Es wurden dort innerhalb kürzester Zeit unzählige Appartmenthäuser aus dem Boden gestampft, in der Hoffnung auf den großen Boom durch den geplanten Ausbau des Flughafens Gazipaşa in der Nähe von Alanya für internationale Flüge – der nun doch nicht realisiert wird – und auf Immobilienkäufer aus Russland und Europa. Sehr oft sieht man die Worte kiralık, satılık – zu vermieten, zu verkaufen. Viele Wohnhäuser stehen leer.

Panorama Mahmutlar bei Tag

Gebaut wird auf eine andere Art als hier; vierzig oder sechzig Balkone an einem Wohnhaus werden nacheinander verputzt, indem ein oder zwei Arbeiter auf einer einzelnen, wenige Meter breiten Plattform arbeiten, die von Balkon zu Balkon weitergezogen wird. Ganze Gebäude in Gerüsten sieht man nicht. Die Wohnhäuser sind vielleicht nicht gerade für die Ewigkeit gemacht, aber sie sind hübsch anzusehen, außen sehr liebevoll dekoriert, jedes ein bisschen anders. Gelegentlich findet sich zwischen den Häusern noch ein übriggebliebenes Bananenfeld oder eine Wiese mit einer einsamen Kuh.

Mahmutlar

Die Innengärten der Appartmentanlagen für Touristen sind wunderschön, gepflegt und mit üppigen tropischen Pflanzen bewachsen, die Straßen und Gehwege breit und großräumig gepflastert, die Mittelstreifen begrünt, alles sieht sauber und ästhetisch aus.

Mahmutlar

Den gelegentlichen Löchern, wo das Pflaster langsam im sich absenkenden Untergrund verschwindet, lernt man auszuweichen. Am Ende der Saison und nachts prägen streunende Hunde das Straßenbild.

Mahmutlar

Als erstes hab ich gelernt, dass man bei der Verifizierung der kolportierten Existenz einer Straßenunterführung vom Hotelgarten zum Strand diese nach tatsächlichem Auffinden nicht nachts und nach heftigen Regenfällen frohgemut betreten sollte, wenn man nicht bis zu den Knien in einer Kombination aus Regenwasser, Matsch und Müll stehen will, die man hierzulande auch “Slört” zu nennen pflegt. (Nur bei trockener Witterung und guter Sicht betreten!)

Mahmutlar

Weiters achte man in fremden Ländern darauf, dass es am Bankautomaten mitunter eine Kartenrückgabefunktion gibt. Will heißen, die Karte kommt
a) eventuell wie bei uns üblich vor der Geldausgabe wieder raus
b) eventuell erst nach der Geldausgabe wieder raus
c) eventuell aber auch gar nicht wieder raus, wenn man nicht den entsprechenden Knopf drückt.
Hirngerecht ist ausschließlich die Variante a). Du kommst ja wegen Geld zum Bankautomaten. Hast du dieses Geld erstmal in Händen, dann ist die Aufgabe geistig erfüllt, du bist schnell die Fliege und bemerkst unter Umständen erst Tage später den dir leerschwarz entgegengähnenden Kartensektor in deiner Geldbörse.
Der Vorgang am Bankautomaten sei also stets und bis ganz zum Schluss von lückenloser Geistesgegenwärtigkeit erfüllt – ansonsten man sich, mit viel Glück, am übernächsten Tag in der Bank belustigt angrinsen lässt und seine Karte nach Vorweis eines Passes zurückbekommt. Das Vertrauen in die Welt ist wiederhergestellt.

Gar nicht soo eine gute Grundlage, wie sich zeigt – in der Türkei ist nämlich alles “echt”. Die Mode von Versace und D&G, die Handtaschen von Prada und Gucci, “genuine fake watches” von Rolex, der Aldi-Markt… :))

Mahmutlar

– natürlich auch die spontan entbrennende, tiefe Liebe des einzigen Tourismusangestellten, der kein “Beznesser” ist – und Red Bull. Es ist eine österreichische Adresse auf der Dose abgedruckt, der Inhalt schmeckt jedoch so widerlich, dass ich für den restlichen Urlaub darauf verzichte. Wer mich kennt, weiß, welch immense Entbehrung das für mich bedeutet.

Auch “all inclusive” ist total echt, wenn man es gutmütig als “few included” interpretiert. Schlüssel für Zimmersafe für zwei Wochen: 20 Euronen. Die Liegen und Schirme am Strand: inkludiert. Die Auflagen für diese Liegen, damit man sich nicht unter stundenlanger Gravitationseinwirkung seine Hämmorhoiden in die Halsschlagader drückt: 1 Euromaus am Tag. Nur alkoholfreie Getränke an der Beach-Bar – gut, denkt man, dann erreicht wenigstens keiner das delirium tremens unter knallender Sonne am Strand. Alkoholische Getränke gibt es allerdings dort schon – gegen Bares, genau wie die Imbisse.
Getränke an der Poolbar: inkludiert. Aber nur “nationale Getränke”, wie im gesamten Hotel. Keine Cocktails oder ähnlicher Luxus. Wodka, Raki, Bier, Wein, Limonaden, Soda, Kaffee aus dem Automaten – und Konzentratsäfte aus ImKreisPumpSpendern, die zusammengerechnet in einer Saison ganze Lichtjahre zurücklegen dürften. Getränke an der Poolbar nach 23h: gerne, gegen Bezahlung. Natürlich muss man immer dagegenhalten, was man für den Urlaub bezahlt hat, und in unserem Fall war das echt nicht viel Geld, insoferne war es also im Grunde angemessen. Ich stoße mich nur an der Bezeichnung “all inclusive”.

Inkludiert hingegen ist die ausdauernde Beschallung mit nervtötender Rapmusik aus mäßig funktionsfähigen Boxen an der Poolbar (laut, aber schlechter Sound), die auch im Zimmer bis in die Nacht hinein gut hör- und spürbar bleibt, durchsetzt vom wummernden Blabla des Animateurs, der ins Mikrophon plärrt; Straßenlärm von vier Spuren; und inkludiert ist auch das nächtliche Dauergebell von Maya, der nur einige Monate alten Rottweiler-Dame, die, nebenbei bemerkt, als Folge ihres Kettendaseins als Hotelhund bereits deutliche Fehlentwicklungen in ihrer Muskulatur zeigt.

Es gibt natürlich auch viele positive Aspekte, Sonne, Sand und Meer natürlich…

Mahmutlar

Das Personal ist freundlich und hilfsbereit, alle Anfragen werden bestens erledigt, eine Decke und ein zusätzliches Kopfkissen bekomme ich im Laufe eines Tages – nur beziehen muss ich mir das Kissen selbst. Der Cremekuchen am Buffet ist eine Wucht, daran kommen wir nie vorbei. Manchmal gibt esauch undefinierbares Essen, aber es schmeckt eigentlich immer.

Wenn man in einem fremden Land ist und fremden Menschen begegnet, dann braucht man als Gedächtnisstütze irgendwelche Anhaltspunkte an Bekanntem, um fremden Gesichtern etwas Vertrautes zu schenken – und um über Menschen sprechen zu können, sodass jeder in der eigenen Gruppe weiß, von wem die Rede ist. Manche Namen von Hotelangestellten erfahren wir gar nicht, andere können wir uns nur schwer merken; trotz Lernwilligkeit hat man im Urlaub ja selten Papier und Stift dabei. Einer der Portiere sieht aber einem Bekannten aus dem Ort meines Vaters ähnlich, daher tauft L. ihn kurzerhand “NeudeggerBertl”. Einmal sitzen wir mit deutschen Gästen an einem Tisch, die den herannahenden Oberkellner als “Hoffmann” titulieren – denn: “Der sieht aus wie unser Nachbar!”.

Einer der Kellner im Restaurant, einer mit (laut L.) “faszinierendem Hintern”, hat bei Gottes Verteilung der Stimmbruchgefälle-Intensität offenbar sehr weit hinten gesessen, ihn nennt mein Vater intern “Nuchi”.
L. (64) flirtet oft augenzwinkernd mit Nuchi, und er ruft ihr sein “Ei lav juh” zu. Sprachlos und mit offenem Mund erlebe ich L. nur einmal: Als er ihr seinen Ausweis überreicht, in dem sein Geburtsdatum anzeigt, dass er erst 19 ist. Und es steht nicht Nuchi in seinem Ausweis, sondern Huseyin.

Andere Hotelmitarbeiter haben – ich sags nur ungern, aber man weiß ja, wie Urlaubsschmäh manchmal funktioniert – bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Tieren, manche nicht nur optisch, sodass der Barkeeper an der Beach-Bar zum “Kroot” wird (neumittelniederösterreichisch für “Kröte”). Er selbst stellt sich als Helmut vor, weil Süleyman sich offenbar erfahrungsgemäß auch niemand merken kann. (Dabei kennt man doch als TV-Addict zumindest Süleyman und Süleyhund. (Ich finde dazu aber kaum Web-Referenzen. War das bei Erkan und Stefan? Bei Kaya Yanar?))

Nicht nur fremde Menschen, auch fremdartige Dinge brauchen Namen, damit man weiß, wovon man spricht. Die in Honig getunkten kleinen Kuchen, die regelmäßig am Nachspeisenbuffet auftauchen, macht mein Vater daher zu “Trenzwuchteln” (Sorry, ihr Bundesdeutschen, Übersetzung schwer möglich).

Der oben erwähnte Hoffmann, der graumelierte Oberkellner, ist bei mir intern aber “das Puffmütterchen”, weil er dauernd kuppelt und stichelt, was das Zeug hält. L. wird schließlich von H., einem der Kellner, zu einem Motorradausflug eingeladen, und ich erfahre über die interne Hotelküche der Gerüchte sogar früher als sie, dass der eigentliche Grund für den Ausflug der ist, dass L. in der Kleinstadt, in der das Hotel steht, ein Appartment kaufen will. Offiziell dient das natürlich nur als Ausrede, um mit ihr Zeit verbringen zu können, dann kann man behaupten, man wolle ihr ja nur helfen – man dürfe doch mit Gästen nichts anfangen! Verboten! Dieser Behauptung zum Trotz wird sie dann aber tatsächlich zu einem Maklerbüro gebracht und erlebt dort und in einer zu besichtigenden Wohnung diverse grüne und blaue Wunder. Ihre Rachephantasien in Bezug auf eine Revanche an Herrn H. in der Variante “Altfranzösisch” (L. hat nur noch einen echten Zahn) führe ich hier aus Pietätsgründen nicht näher aus. Aber wir haben sehr gelacht.

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. rudolfottokar sagt:

    ich lese…
    (mit vergnügen)

  2. Etosha sagt:

    Oh, danke, bin beruhigt.

  3. Ceh sagt:

    Schön, dich hier wieder so aktiv zu sehen ]:).

    Aber bei aller gewohnten Begeisterung für deine Berichte: Ich möchte in aller Deutlichkeit anmerken, dass ich die hierzulande übliche Rückgabemodalität von Bankomatkarten VOR der eigentlichen Geldausgabe nicht nur immer schon als recht konterintuitiv empfunden habe, sie beugt auch KEINESWEGS den von dir illustrierten Fehlleistungen vor. Nicht bloß einmal habe ich die Karte entnommen und damit geistig den vollständigen Bogen “Von-Karte-rein-bis-Karte-raus-und-dann-gemma” abgeschlossen (sprich: das Geld vergessen).

    Andererseits sind wir beide (ich und meine Gedächtnisleistung) ja auch nicht ganz typisch ]:/.

  4. Etosha sagt:

    Am besten wär doch, das blöde Ding drückt einem beides gleichzeitig in die Hand und kontrolliert gleich, ob man auch alles einsteckt. Da schicken sie Sonden zum Juppi, aber Geld abheben ist ein Problem.

  5. hubbie sagt:

    bei uns dahoam ist es ja noch Gold! Die depperten Franzosen sind nicht einmal imstande, landesweit maestrofähige ATMs zu installieren, am meisten habe ich mich geärgert, dass ich in Tahiti (Dep. outre mer) weder mit Euro zahlen noch mit Maestrokarte abheben konnte, musste dort bare Dollars in CFP tauschen!
    Auch bei den Spaniern gibt es so manches “red”, das gleich € 12 Spesen verlangt, wenn du einen Hunderter abheben willst.

    Wir lernen: im Ausland kriegt man kein (oder teures) Geld, dafür bleibt einem die Bankomatkarte :-(

  6. Etosha sagt:

    Bei uns werdens jetzt auch bald die Gebühren für die Bankomatbehebungen einführen. Ist schon im Gespräch, imho nur noch eine Frage der Zeit. :(

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