Türkei 2

Wir lernen auch ein bisschen türkisch, aber sehr viel weniger als erwartet. Einer der Animateure spricht mir einen flapsigen Satz vor, fürs Bestellen beim Barkeeper: “Moruk, bir vodka ver!” Er übersetzt “moruk” ins englische mit “dude”, und ich übersetze es meinen Leuten ins Österreichische weiter: “Oida”. (“Alter, einen Vodka gib!”). Mein Hirn ist aber kein große Leuchte beim Merken von nichtromanischen Sprachfetzen, Minuten später hab ich daher das türkische Oida-Wort bereits vergessen und äußere meine vage Vermutung: “marul”? Der Animateur ist begeistert und lacht, “Das geht auch – das heißt dann Krautsalat.”

In der Kommunikation mit anwesenden Gästen und Angestellten werfen wir mit allem um uns, was wir in unserem Hirn auch nur irgendwie gespeichert haben, mit internationalen Wörtern, mit Händen und Füßen, vor allem aber mit Englisch. Wir übersetzen über drei Stationen, man wendet sich englisch an mich, ich übersetze auf deutsch für meinen Vater und L., er übersetzt es seiner Frau ins Tschechische. Ob da noch viel echte Information ankommt, darf getrost bezweifelt werden, es ist oft wie beim Stille-Post-Spielen. Trotzdem schaffen es ein paar Witze bis zum Endkunden. Und im Notfall spricht ein freundlich-ratloses Gesicht auch für sich. Nach dem Heimkommen bleibe ich verbal allerdings für einige Zeit leicht verwirrt.

Auf dem Markt werden wir in unterschiedlichen Sprachen angesprochen – L. wird für eine Russin gehalten, was sie sichtlich ärgert. Ein türkischer Ladenbesitzer spricht mich in tiefstem ur-steirisch an und erklärt, sein Vater sei Türke, seine Mutter aus der Steiermark, und das Wetter in Österreich sei scheiße. Er bellt so, dass ich ihn schlechter verstehe als so manch anderen Türken. Einer der Verkäufer spricht mich auf schwäbisch an. Einer hat rotes Haar und sieht immens irisch aus, ist aber Türke. Ein anderer wieder spricht das schönste Deutsch, das man sich vorstellen kann – er hat in Deutschland Literatur studiert und verkauft jetzt Schmuck in Alanya.

Mahmutlar

Sobald sich aber herausstellt, das wir aus Österreich sind, kommt überall auf dem Markt, wie das Amen im Gebet, ein “Servus!” – und wenn man deutsch spricht, wird man gefragt, “Darf ich dir etwas andrehen?” Die wirklichkeitsgetreu-paradoxe Komik darin ist den Marktschreiern aber möglicherweise unbekannt – sie bringen sich diese Phrasen untereinander bei, sie werden zum bedeutungslosen Selbstläufer. Trotzdem falle ich beim ersten Hören des Andrehen-Spruches vor Lachen fast aus den Schuhen.

Es handelt sich dabei, apropos, um ein ungleiches Paar Crocs, Batik-Style, einer rosa-weiß, einer lila-weiß, und diese Kombination zieht überall Aufmerksamkeit auf sich. (Schon beim Segelstop auf Rab lockte ich damit Straßenverkäufer aus der Reserve, sogar ein altes Mütterchen mit Kräutern am Straßenrand sprach mich lachend darauf an.)
Und auch auf den Märkten in Mahmutlar und Alanya grinsen mich alle an, ungezählte Menschen deuten auf meine Schuhe, zeigen mir Daumen-hoch oder fragen mich, warum meine Schuhe ungleich sind. Ich frage zurück, warum ihre denn gleich seien, darauf wissen sie nur selten Antwort.
Sollten also nächstes Jahr in Alanya zwei verschiedene Crocs an den Füßen der letzte Schrei sein – dann war ich wohl der Trendsetter.

Man kann dort shoppen, was das Zeug hält – wenn man möchte, allerdings kann ich schon nach kürzester Zeit keine Shirts und Pullis mehr sehen. Ist alles nicht mein Geschmack, ich bin keine wandelnde Werbetafel und mag Markenaufschriften nicht. Ich kaufe auch nur wenig, ein bisschen Schmuck für meine Lieben daheim und als Geburtstagsgeschenk, ein Badetuch, einen neuen Billigtrolley, Zigaretten. Das ewige Feilschen ist mir zu mühsam, es läuft meinem Naturell zuwider und kommt mir immer respektlos vor. Mir ist es generell lieber, wenn Dinge kosten, was sie eben kosten, und jeder ein bisschen was davon hat. Feilscht man dort aber nicht, zahlt man völlig überzogene Preise, manchmal werden diese Situationen auch unangenehm, auf die eine oder andere Weise – Küsschen werden als zusätzliche Bezahlung gefordert, oder der Verkäufer dreht sich einfach mit saurem Gesicht weg und winkt ab. Auch das Zusehen beim Feilschen zählt nicht zu meinen liebsten Urlaubsbeschäftigungen, aber ich begleite L. trotzdem oft, damit sie am Markt nicht ganz alleine ist.

Mahmutlar

Der Urlaub war durchwachsen, die Situationen mit beznessmäßigen Bemühungen waren schräg und verwirrend, man weiß nie so recht, woran man ist; man benimmt sich wohl in den Augen der fremden Kultur auch selbst daneben und merkt es erst hinterher. Manchmal war’s auch sehr nett, einfach nur gesellig oder auch rasend witzig. Vieles prägt sich nur optisch ein – wie L. und der Barkeeper aus der Ferne “miteinander tanzen”, sie am Tisch sitzend, er hinter der Bar stehend, mit Handbewegungen vor dem Gesicht, es ist jedesmal zum Schreien komisch.

Einer der einprägsamsten Anblicke wird für mich aber der untersetzte Animateur aus Kasachstan bleiben, der mit ultracoolem Kopftuch, in Cargohosen und Playboy-T-Shirt zur Kinderdisco-Abendanimation antritt – und dabei mit ihnen Hands-up, Hokey-Pokey und schließlich den Vogeltanz tanzt.

Die Tage in der Sonne taten mir, meinen Knochen und meiner Stimmung gut, die Rückkehr in die graue, kalte Heimatluft allerdings weniger.

Mein Lieblingswitz aus diesem Urlaub: Zwei Zahnstocher gehen einen hohen Berg hinauf und sind davon schon fix und fertig. Da kommt ein Igel vorbei. Sagt der eine Zahnstocher zum anderen, “Siehst du, ich hab dir doch gesagt, es geht noch ein Autobus!”

12 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Etosha sagt:

    Was is, funktioniert meine Kommentarfunktion nimmer?

  2. blogotronic sagt:

    doch doch, die geht noch. ;-)

    das war (inkl. teil 1) ein ganz famoser reisebericht – lakonisch und launig, aber nie herablassend. dafür ein ehrliches dankeschön!

  3. rudolfottokar sagt:

    ich lese weiterhin…
    (mit vergnügen)

  4. Etosha sagt:

    Vasili, wie schön, dich mal wieder zu sehen! Man vernetzt sich ja an allen Ecken und Enden derzeit! ;)
    Danke fürs Feedback, wie du das empfunden hast. Manches musste eben raus, die Frage ist immer nur, wie.

    rudolfottokar, danke! Bin noch immer beruhigt. :)

  5. Ceh sagt:

    *klopf.klopf*

    “test-test-TesT”

    *klopf.klopf*

    *fieeeeeeeeeeööööööp*

    Ja. Kommentar funktioniert => Kommentierende faul.

    ^^

  6. hubbie sagt:

    aqui el vago español: ¡perdon!

    rachas y vientos fortes durante los ultimos dias entullecen mi cerebro…

    Ich glaub ich fahr nach Türkiye zur Erholung.

  7. Etosha sagt:

    No hay bronca.

    Ach, lass dich doch ein bisserl durchpusten! Glaubst hier wärs besser? :) Oder dorten?

  8. hubbie sagt:

    bin ja sonst nicht empfindlich, wenn mich aber kräftige Winde – nein, nicht die – umwehen, setzt es Migränezustände, leider dauert das hier trotz Prachtwetters schon eine Woche an…

  9. Etosha sagt:

    Uje :( Na dann – möge es bald vorbeigehen! Versteh ich, ich mag auch keinen Wind. Wind is doof. Außer beim Segeln. ;)

  10. Martin sagt:

    Toller Bericht (auch Teil 1), vielen Dank! Jetzt wird’s dann auch bei mir bald mal Zeit für einen Türkei Urlaub. :)

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