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Alles muss raus!

Ein knackfrisches Werk aus der Etosha-Werkstatt steht zur Vergabe:

200906-sonne
Acryl, Airbrush-Alabaster-Relief und Spiegelmosaik auf runder Malplatte, ∅ 40cm
ஐ ஐ ஐ

Wem gefällt’s? Wer will’s haben? Wer bietet mehr? Eure Angebote müssen nicht zwingend finanzieller Natur sein, ich bin auch für andere originelle Vorschläge offen. Ich suche mir dann einfach das schönste Angebot aus. Das Ganze muss nicht öffentlich hier in den Kommentaren geschehen – meine Mailadresse steht im Menü rechts.

Ich habe mich darüber hinaus entschlossen, verschiedene Babys aus meiner Werkstatt liebevollen Pflegeeltern zu überlassen, zum Beispiel dieses:

200805 - DiscMan
Acryl, Airbrush-Alabaster-Relief und CD auf Malplatte, 20x20cm
ஐ ஐ ஐ

Alle Arbeiten sind mit viel Liebe und Zeitaufwand handgemacht. Was es alles gibt, steht auf dieser voll geheimen Seite, mit Foto, Beschreibung und Verfügbarkeit (GalleryWorkInProgress). Weitere Details zu bestimmten Arbeiten (Größe, etc) verrate ich gerne per Mail.

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Zweifelhafte Methoden

Vor einigen Wochen erhalte ich untertags einen Anruf, mitten in einer Arbeit, die Konzentration erfordert. Ein männlicher Mensch ist am Telefon und will mit mir eine Umfrage machen. Dass ich den Anruf überhaupt annehme, ist dem Umstand zu verdanken, dass er nicht mit unterdrückter Nummernkennung anruft. Unbekannte Anrufer bleiben bei mir unbekannt, die dürfen mir maximal die Mobilbox vollsäuseln. Ich sage ihm, ich hätte für sowas im Moment keine Zeit. Später aber fällt mir wieder ein, dass ich eine Nummer von diesem Menschen habe, und rufe ihn zurück.

Ich frage ihn, wie er heißt, woher er meine Telefonnummer hat, und von welcher Firma sein Anruf beauftragt wurde. Zu letzterer Frage nuschelt er irgendeine Dreibuchstabenkombination. Ich notiere sie, hake nach und frage ihn nach dem genauen Firmenwortlaut, und nach der Rechtsform. Rechtsform? Na, ob das eine GesmbH sei oder eine AG oder wie. Er ist ein bisschen hilflos und gibt schließlich widerwillig zu, dass er das nicht wisse, es sei aber ‘eine große Firma’, und gibt mir die Telefonnummer der Geschäftsführerin, die er kenne. Sie hieße Andrea.

Außerdem meint er, er mache viele solche Anrufe, und diese Fragen habe ihm bislang aber echt noch niemand gestellt, und dass er ja gar nichts dafürkönne und das alles ein bisschen unfair finde. Ich sage, dass ich es unfair finde, in meiner Arbeitszeit von Umfragern gestört zu werden, und komme mir ein bisschen wie im Kindergarten vor. “Solche Fragen können aber offensichtlich vorkommen, also sollten Sie darauf besser vorbereitet sein. Nichtmal Ihren Auftraggeber mit vollem Firmenwortlaut zu kennen, das macht nicht gerade einen seriösen Eindruck”, sage ich. Er verspricht, sich das zu merken. Irgendwie tut er mir ein bisschen leid.

Quid pro quo – dafür beantworte ich dann auch seine Fragen. Es geht um die Zufriedenheit in Sachen Versicherungen und Versicherungsbetreuung. Nach fünf Fragen ist alles erledigt, und er fragt, “Und, war das jetzt so schlimm?”

Ich rufe die Geschäftsführerin aber aus Zeitgründen nicht an, und nach einer kurzen, erfolglosen Internetrecherche bezüglich der Dreibuchstabenkombination und ein paar Tagen werfe ich den Zettel weg.

Ein paar Wochen später erhalte ich schon wieder einen Anruf während einer konzentrierten Arbeit. Ich bin offenbar stets hochkonzentriert. Eine Dame erklärt mir, ich hätte da ja vor einigen Wochen bei einer Umfrage mitgemacht, und die Ergebnisse diesr Umfrage seien so bedenklich für die Versicherungsgesellschaften, dass diese sich zu einer konzertierten Aktion entschlossen hätten, im Rahmen derer sie den Versicherungskunden auf Antrag gewisse Verwaltungsgebühren auf die Prämien erlassen würden. Zu diesem Behufe seien im Rahmen von Outsourcing einige Mitarbeiter unterwegs, um diese Verträge zu besehen und den Gebührennachlass zu beantragen.

Ich höre mir das alles an und frage sie, warum die Versicherungsgesellschaften, wenn sie mir einen Rabatt gewähren wollen, dies nicht einfach tun und mir stattdessen irgendeinen aus der Outsource schicken, einen Ausgequollenen quasi. Mit verschwörerischem Unterton erklärt sie in etwa, dass die sich’s natürlich auch einfacher und billiger machen wollen, indem sie diese Nachlässe nur jenen Kunden gewähren, die an der Umfrage teilgenommen haben und sich von Beratern diese Rabatte hereinholen lassen. Die Information, dass ich in der Umfrage meine volle Zufriedenheit mit meinen Betreuern zum Ausdruck gebracht habe, und dass meine Polizzen bereits vom Vermögensberater optimiert sind, lässt sie an sich abperlen. Wann ich denn für einen solchen Termin Zeit hätte. Vielleicht lasse sich ja trotzdem noch ‘etwas machen’.

Sonderbare Art, zu Maklerterminen zu kommen, denke ich, aber ich habe Feuer gefangen, und dieses Spiel will ich jetzt zu Ende spielen. Ich notiere ihre Telefonnummer und jene des Betreuers, der mich zu einem vereinbarten Termin besuchen kommen soll. Und dieser Termin war heute vormittag.

Zuvor erkundige ich mich natürlich, ob ich denn mit der Vermutung richtig liege, dass dieser Versicherungen-Verwaltungsgebühren-Blabla dem Land der Märchen entspringt. Unser Versicherungsbetreuer weiß davon nichts, und der Vermögensberater ist der Ansicht, da wollte einfach jemand über die Beauftragung eines Callcenters zu Neukunden-Terminen kommen. Kalte Akquise sei verboten, man dürfe nicht einfach irgendeine Privatperson zum Zwecke der Terminvereinbarung anrufen; eine Umfrage sei aber als Erstkontakt legitim und ein späterer Anruf in diesem Zusammenhang dann erlaubt.
Unser Vermögensberater hatte Termine bei uns. Er kennt mich schon und weiß, dass Unbequemsein mir Spaß bereitet. Daher äußert er schon im Vorhinein sein Mitgefühl mit dem Makler, freut sich aber auch mit mir auf meinen unterhaltsamen Vormittagstermin, und auf meinen späteren Bericht.

Der Versicherungsmakler, der hier aufkreuzt, ahnt nichts Böses. Er sagt, “Worum es geht, wissen Sie.” Ich sage, “Erklären Sie mal!” Er sagt seinen Standardsatz auf, der natürlich nichts mit Nachlässen von Verwaltungsgebühren zu tun hat, sondern ein ganz normaler Versicherungsagenten-Einstiegssatz ist. “Unverbindliches, kostenloses Polizzenservice, ich schaue alles durch, mache Ihnen Vorschläge, und Sie entscheiden dann, was Sie tun.”

Ich erzähle ihm daraufhin, wie dieser Termin zustandegekommen ist, vom Fritze ohne Firmenwortlaut-Ahnung und der Tante mit den konspirativen Verwaltungsgebühren. Ich tue in klaren Worten meinen Unmut darüber kund und meinen Unwillen, mich derart verscheißern zu lassen. Der Makler notiert sich alles und will mit dem nachgehen. Dass dies nicht dem vereinbarten Gesprächsleitfaden für das Callcenter entspreche, sei selbstverständlich. Ich lasse ihn wissen, dass er mir persönlich sympathisch ist, dass ich aber nur jemandem Einsicht in meine vertraulichen Versicherungsunterlagen gewähre, zu dem eine Vertrauensgrundlage besteht, welche ich nach einer solchen Anbahnungsmethode nicht sehe. Ebensowenig sehe ich auch eine Grundlage, auf der ich darauf vertrauen könnte, dass diese Anbahnung nicht dem ursprünglichen Auftrag an das Callcenter entsprochen haben soll. Und dass er daher bei mir “en Aufdraht’n” habe, also zu deutsch: keine Chance.

Es tut ihm leid, dem Makler, dass wir nicht ins Geschäft kommen, denn endlich wäre da mal jemand, der ein bisschen einen “Gegenpart” böte, und er wolle auch nur ungern lockerlassen, denn “Sie wären sicherlich ganz interessant zu bearbeiten gewesen”. Wir lachen beide über diese missglückte Formulierung. Quid pro quo: Er lässt mich lesen, was die terminvereinbarende Dame über mich vermerkt hat: “Ist freundlich, aber etwas anstrengend: hinterfragt alles 100x.” Ich lasse der Dame meine besten Grüße ausrichten, und dass ich persönlich es wesentlich anstrengender finde, mich am Telefon schamlos belügen zu lassen, als 100 schwere Fragen zu beantworten.

Etwas ähnlich Unseriöses ist mir seit langem nicht untergekommen. Nicht, dass ich überrascht gewesen wäre, einfach einen ordinären Versicherungsmaklertermin vereinbart zu haben. Ich wollte einfach jemanden persönlich hierhaben, dem ich auseinandersetzen kann, wie es auf Menschen wirken kann, wenn man ihnen am Telefon so unverschämt etwas vorlügt. Wenn ich davon auf die Art schließen darf, wie diese Maklerfirma ihre Geschäfte zu machen pflegt, kann ich auf eine Kooperation gut verzichten. Das schafft nicht den Hauch einer Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Und das wollte ich gesagt haben – persönlich, laut, und ohne, dass jemand einfach auflegt.

Das überaus Sonderbare an dieser Geschichte ist nun nicht die zweifelhafte Art und Weise, wie dieser Termin zustandekam oder die dummdreisten Methoden zum Anlandziehen von Terminen. Vielmehr ist es die Tatsache, die den Aussagen des Umfragemenschen und jenen des Maklers zu entnehmen waren: Dass ich die einzige unter hunderten, vielleicht sogar tausenden angerufenen Menschen bin, die nachfragt, wer spricht, die sich sowohl gemerkt hat, was am Telefon be- bzw. versprochen wurde, als auch den Vergleich zu dem anstellt, was dann beim Termin tatsächlich stattfindet – und die daraus auch noch ihre Schlüsse zieht.

Selbst wenn Kaltakquise erlaubt wäre und der Makler am Telefon ehrlich, würde er keinen Termin bekommen, sagt unser Vermögensberater. Weil die Leute belogen werden wollen? Nein, behaupte ich, weil sie es voraussetzen – vielleicht aufgrund von Erfahrungen, die den meinen ähneln – und daher einfach nein sagen.
Kein Wunder. Sowas kostet Zeit und Nerven. Aber ich bin jetzt um eine Erfahrung reicher – und der Herr Versicherungsmakler bestimmt auch.

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Trübe Aussichten

Mit Restverkühlung an tristen Regentagen langweilige Arbeit erledigen. *gähn-gähn* Ich plädiere für sofortige Einstellung des Regens, schon weil meine Blumen draußen bereits mehr als ausreichend unter Wasser stehen. Und weil ich in den letzten Tagen von drei Hundespaziergängen, gestartet während kurzer Regenfrei-Phasen, dreimal völlig gebadet zurückgekommen bin – vom Hund ganz zu schweigen. Man könnte es in gewisser Weise also durchaus als stabile Wetterphase bezeichnen.
Aber wenigstens haben wir keinen überschwemmten Keller.

Is bei euch irgendwas Erzählenswertes los?

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A-7. C.i. asocialis: Der Eremit

Dieser Artikel ist Teil 10 von 11 in der Serie "Schweinehunde" ...
Nanü, worum gehts denn hier? Bitte zum ersten Eintrag in dieser Serie!

A-7. C.i. asocialis: Der Eremit

‘Stille Wasser sind tief.’

Der Eremit ist, so widersinnig es scheinen mag, ein leidenschaftlicher Teamplayer und arbeitet eng mit anderen Schweinehunden aus der Vermeider-Klasse zusammen. Hier zeigt sich das volle Potential der Schweinehunde, ihre Vernetzung und ihr Teamwork zumindest sind überaus beeindruckend. Tritt der Eremit auf den Plan, geben sich auch andere Schweinehunde die Türklinke in die Hand. Im Nu dirigiert der Eremit ein ganzes Orchester, und es grunzt die Eremiten-Lobeshymne Nummer eins: “Alle Menschen san ma zwida” (Kurt Sowinetz / Beethoven).

Seine ganz großen Zeiten hat der Eremit in den frühen Morgenstunden oder eben nach dem Aufstehen, außerdem in Stresssituationen und in den Phasen nach persönlichem Scheitern. Bei Frauen lässt er sich am liebsten in der prämenstruellen Phase blicken. Dabei wird das Sprechen dir stark erschwert; obwohl manchmal sogar ganze Sätze vorgeformt in deinem Kopf bereitliegen, bringst du einfach den Mund nicht auf. In anderen Fällen schlägt der Eremit dir ausschließlich Worte vor, die immer ein, zwei Spürchen neben dem tatsächlich Empfundenen liegen, und am Ende stellst du entsetzt fest, dass das, was dabei rauskam, vom ursprünglichen Gedanken himmelweit entfernt war.

Der Eremit sorgt dafür, dass sich auf jegliche Form eines Klingelns dein Seelchen empört zurückzieht wie der angetippte Fühler einer Schnecke. Ein Anruf, eine Kurzmitteilung oder eine andere Form vorsichtiger Kontaktaufnahme, und sogleich zuckt ein fuchtiges “Was wollt ihr jetzt schon wieder von mir?” durch dein Gehirn.

Menschen, die etwas von dir wollen, sind in der akuten Infektionsphase generell ein großes Problem. Manche von ihnen glauben gar, ein Gespür dafür zu haben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sein könnte, dir ihre konstruktive Kritik zu unterbreiten. Du könntest lachen, wenn es nicht so zum Weinen wäre – und wenn du den Mund aufbrächtest.

Denn alles in dir sträubt sich gegen soziale Kontakte. Also gehst du nicht ans Telefon, öffnest nicht die Tür, du schickst keine Kurzmitteilungen, und schon gar nicht rufst du von selbst irgendjemanden an, wo doch schon einen Termin beim Zahnarzt zu vereinbaren eine unüberwindliche Hürde darstellt – denn du möchtest mit niemandem reden. Du beantwortest auch deine E-Mails nicht, und irgendwann werden die Versuche von außen weniger. Dann kann der Eremit dir endlich das Gefühl geben, dass niemand dich mag und niemand sich um dich kümmert.

Mithin die größte Qual während des akuten Eremitenbefalls sind jedoch soziale Anlässe von so verpflichtendem und offiziellem Charakter, dass der Eremit bei aller Anstrengung dein Fernbleiben nicht erwirken konnte, weil dich die Wichtigkeit des Anlasses über alle Schweinerei hinweg zu einem Erscheinen zwingt. Hier wird dir jedes Wort, das du hervorwürgen musst, Schmerzen verursachen; der innere Widerstand und deine Fratze, die ein gekünsteltes Lächeln darstellen hätte sollen, führen nach kürzester Zeit zu einer Starre in der Kieferregion und einem verkrampften Gefühl in der Kehle. Deine Gehirnzellen veranstalten eine Demo und tragen Schilder mit der Aufschrift “Ich will heim. Bitte.”

Wenn dich in diesem labilen Zustand auch noch ein Anstifter aus der compellans-Klasse reitet und dich bei diesem offiziellen Anlass zu Aussagen verleitet, die einen Tick zu direkt ausfallen (“Ich hab dich ja immer schon für einen aufgeblasenen Affen gehalten, aber heute übertriffst du alle meine Erwartungen.”), dann könnte das Asocialis’ wildeste Träume erfüllen und deine beruflichen und privaten Beziehungen lahmlegen, bis die Hölle einfriert.

Wenn du ihn aber lässt, hindert der Eremit dich völlig am Erscheinen bei Terminen und Einladungen, und vielleicht sogar daran, bei der Arbeit aufzutauchen. Wenn ein Freund in einer deiner Eremitenphasen Geburtstag haben muss, ist das eben sein Pech. Du gehst ganz bestimmt nicht auf das Fest. Hmpf!

Teamwork

Aber natürlich gibt es einen verborgenen Anteil in dir, der liebend gerne auf dieses Fest gehen würde, weil er eine Spontanheilung verspricht. Andere Schweinehunde mischen hier sehr gerne mit und liefern massenhaft Gründe und Ausreden. Der Verbieter sagt, dass du vor dem Weggehen erstmal aufräumen solltest, duschen, den Hund füttern und den Müll rausbringen. Absichtliche Überforderung in einer Phase, in der schon das Hochheben eines Telefonhörers eine unüberwindliche Hürde darstellt.

Die Hysterikerfraktion kreischt, du hättest nichts anzuziehen und außerdem Angst vor den vielen Menschen auf dem Fest. Womöglich sind sogar welche dabei, die du gar nicht kennst! Oder du musst ganz alleine in eine Bar hineingehen, huh!

Der Verächter lässt verlauten, auf diesem Fest wolle dich vermutlich ohnehin niemand haben, schon gar nicht in dieser Stimmung, und dass du es echt nicht wert wärst, dass sich jemand um dich kümmert. Das wiederum kann in einer solchen Situation eine wahre Kaskade an Selbstmitleidsgefühlen auslösen.
Schließlich ruft der Eremit den Zweifler herbei, um gegen den Anteil in dir zu kämpfen, der auf das Fest gehen möchte. Mal gewinnt der eine die Oberhand, mal der andere, und so geschieht es, dass du dich zwölfzigmal hin und her entscheidest, an-, um- und ausziehst, zwischendurch auf Stühle niedersinkst und ins Leere starrst, bis es schließlich zum Weggehen zu spät ist oder du in Tränen ausbrichst und brennende, verquollene Schweinsaugen den Ausschlag fürs Daheimbleiben geben. Der verborgene Anteil in dir liegt nach dem Kampf wimmernd und ramponiert in einer dunklen Ecke des Schweinehundestalls, den Mund mit Schweinespeck gestopft.
Der Verbieter schließlich wird später sagen, “Hatte leider keine Zeit, zu viele andere Pflichten!”.

Umso schlechter, wenn bei all diesen vermiedenen Kontakten etwas Lebenswichtiges dabei war, denn der Faulpelz fängt sofort Feuer, wenn er davon Wind bekommt und wirft sich mit voller Wucht in die Waagschale mit der Aufschrift “Nein!”. Und langsam erkennst du, dass ein Landstrich voller Treibsand dagegen ein Spaziergang ist.

Manchmal würdest du vielleicht sogar gerne jemandem dein Herz ausschütten, dich schluchzend gegen eines Mitmenschen Schulter werfen; du spürst, dass das Aussprechen dich erleichtern würde – aber du bleibst stumm und deine Augen trocken. Solltest du dabei gar eine gewisse perverse Befriedigung verspüren – sei versichert, dass es sich dabei nicht um deine eigene Empfindung handelt.

Bei einem solchen kettenreaktionsartigen Befall ist es das Beste, erstmal einen Schritt zurückzutreten und das Treiben, so gut es eben in dieser Lage geht, aus einer gewissen Entfernung zu betrachten. Es kann auch helfen, dir selbst zu bestätigen, dass du in der Tat ein überaus armer Mensch bist, der langsam zum Schwein mutiert. Selbstmitleid ist besser als sein Ruf, denn es ist oft das einzige Mitleid, das gerade zu kriegen ist. Es ist nur keine Dauerlösung.

Daher kommt danach ein Schritt der größten Überwindung: Ruf den besten Freund an, den du hast. Das mag anstrengend sein und eine Zeitspanne erfordern, während der du Löcher in dein Telefon starrst. Das macht aber nichts, du hast im Moment ohnehin nichts Besseres zu tun. Dann erzähl deinem Freund offen und ehrlich von deinem Befall. Dieser Schritt ist immens wichtig, denn er ist der erste Impuls, der dem Treiben letztlich ein Ende setzen wird.

Zukünftige Attacken abzuwehren ist schon schwieriger. Es erfordert größte Aufmerksamkeit, die erste Phase des Eremitenbefalls überhaupt zu bemerken. Manchmal ist es gut, allein zu sein, solange man darüber nicht verzweifelt. Man lasse den Eremit einfach eine gewisse Zeit lang bewusst für sich arbeiten, und genieße die Ruhe. Wenn aber etwas in dir “Genug!” ruft, sich eine seltsam perverse Befriedigung einstellt, wird es ungesund, und es ist an der Zeit zu handeln. Verwunschenerweise scheint jedoch gerade dann niemand Zeit zu haben – keine Sorge, das liegt in der Natur der Sache. Dies ist nicht der Moment für falschen Stolz. Die Zauberformel zur Manifestation von Zeithaben bei deinen Freunden lautet, “Ich brauche dich, mir gehts nicht gut”.

Interessanterweise kann man sich der Situation am effektivsten dann entziehen, wenn gerade alle Schweinehunde beschäftigt und in voller Aktion sind. Dann kannst du dich in dem Durcheinander zurückziehen, deine sehr wenigen echten Anteile zusammenpacken und unbemerkt verschwinden.