Heidnisch

In letzter Zeit bin ich einige Male auf die Frage gestoßen, ob man denn jetzt ‘für’ oder ‘gegen’ Halloween sein soll, ob nicht prinzipiell alles böse wäre, was von den Amis kommt, und wie frevelhaft und unwürdig es doch sei, fremde Traditionen zu übernehmen.
Tatsache ist, dass auch die katholische Kirche sehr gerne alte, heidnische Feiertage übernommen hat. Man zieht ihnen einfach ein neues Mäntelchen an, die Leute störts nicht, sie feiern an den gleichen Tagen weiter. Auch der Göttinnenkult war der katholischen Kirche nicht unrecht, schließlich hatten sie ja eine Maria zum Anbeten anzubieten.

Die Sonnen- und Mondfeste im Jahreslauf sind uralte Traditionen, die zu den Vierteltagen und Kreuzvierteltagen von Kelten wie Germanen gleichermaßen gefeiert wurden, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Alte heidnische Götter und Göttinnen werden da durch das Jahr geboren, vereinigen sich, sterben und werden wiedergeboren.
Die Übergänge zwischen den Jahreszeiten wurden (und werden) als ‘durchlässige’ Phasen betrachtet, in denen die diesseitige mit der jenseitigen Welt in Berührung kommt. Daher waren und sind die Feste und Kulte heute wie damals auch etwas seltsam in ihrer Aufmachung, insbesondere das (vermeintlich amiganische) Halloween und die (bereits christianisierte) Walpurgisnacht am 30. April.

Der Charakter des Fruchtbarkeitsfestes Anfang Mai, an dem der gehörnte Gott sich mit der Göttin vereinigt, kommt an vielen Stellen noch recht unverblümt durch, so auch beim hierzulande üblichen Maitanz, wo unschuldig weiße und blutrote Bänder von jungen Frauen im Tanz um den Baum gewoben werden. An seiner Spitze durchstößt der Maibaum einen mit den gleichen Bändern geschmückten Kranz. Mehr Symbolik brauchts eigentlich auch schon nicht mehr.

Dass ein solcher Feiertag ausgerechnet als ‘Tag der Arbeit’ betitelt wurde, zeigt, wie sehr die ‘aufgeklärte Welt’ auf manche alten Feste hingebogen werden musste – wahrscheinlich hatte man die Menschen an diesem Tag nie zum Arbeiten gebracht. Ob der 1.Mai nun als Tag der Arbeit, der Freizeit oder der Sinnlosigkeit getarnt wird – in sehr vielen Ländern ist dieses alte Fest ein gesetzlicher Feiertag.

Auch der 1.11. (Samhain) ist ein alter heidnischer Festtag, aus dem sowohl Halloween als auch Allerheiligen hervorgegangen sind. Also macht euch keine Sorgen, die ursprünglichen Traditionen sind viel älter als das moderne Amerika. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Feiern!


Jahreskreis

Die angegebenen Daten beziehen sich auf das Jahr 2006.

Englischer Wiki-Artikel mit umfangreicheren Informationen.
Mehr zu den Äquinoktien.

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. T.M. sagt:

    Es geht ja nicht um Samhain. Es geht um einen albernen, amerikanischen Kommerztag, zeitlich mit dem wiederbelebten heidnischen Feiertag identisch.

  2. Etosha sagt:

    ;p Was ist schlecht am albern sein?

  3. Rotfell sagt:

    Ich finde Halloween toll! Und den Kommerz gibt es auch am Valentinstag, Ostern, Weihnachten usw usw. Der Kommerz kommt nicht durch das Fest, sondern das Fest gibt den Menschen, welche es wollen, die Möglichkeit, den Kommerz zu feiern. So und nun steige ich wieder in meine dunkle Gruft zurück. Weckt mich, wenn es dunkel ist.

  4. Etosha sagt:

    Heißt das, du hast dich eigens erhoben, um hier zu kommentieren? *grusel* ;)

  5. T.M. sagt:

    @etosha
    Was heisst schlecht? Ich bin kein Freund von Massenhysterien und verordnetem Frohsinn. Ich weiss nicht, warum man an einem bestimmten Tag albern, fröhlich oder besinnlich sein sollte. Ich brauche ja kein Datum dafür. Im Übrigen finde ich im Minutentakt klingelnde, explizit um Geld (!) bettelnde Kinderhorden eine Zumutung.

    @Rotfell
    Selbstverständlich trifft der Vorwurf teuer-billigen Kommerzes auch auf den sog. Valentinstag, den Muttertag und insbesondere auf Weihnachten zu. Diese Anlässe sind ja inzwischen völlig inflationiert und sinnfrei.

  6. Etosha sagt:

    Na du bist aber heute streng. Man hat an diesen Tagen die Möglichkeit, albern, fröhlich oder besinnlich zu sein, gepaart mit der Chance, andere Leute gleichen Gemütszustandes zu treffen, was die Unterhaltsamkeit mitunter erhöht. Aber es zwingt einen ja keiner.
    Wenn du aber stattdessen an solchen Tagen grummelig bist, hast du dir auch einen Gemütszustand verordnen lassen. Nur eben den gegenteiligen.

    Bei uns betteln die Kinder zum Glück um Süßigkeiten. Und man muss ja nicht aufmachen, wenn man nicht will.

  7. T.M. sagt:

    Nein, ich bin an solchen Tagen nicht grummelig, nur eben nicht anders als sonst.

    Und was den Zwang angeht, so versuche mal zu Weihnachten dem Zwang zu entkommen. Ich erwäge seit Jahren, über die Tage in ein fernes, unchristliches Land zu verreisen.

    (Sorry, zu streng will ich nicht erscheinen. Nicht hier bei Dir.)

  8. Etosha sagt:

    Ich hab das Verkleiden und Ausgehen zu Halloween oder im Fasching immer sehr genossen. Leider gabs viel zu selten richtig schöne Feste.

    Zu Weihnachten wird’s schwierig, stimmt. Man darf mindestens vier Wochen lang nicht einkaufen gehen, muss sich unbeliebt machen, weil man Geschenke kriegt, aber keine hergibt, und im Radio gibts an die zwanzigtausendmal ‘Last Christmas’ von Wham.

    Verreisen ist gut, kann ich sehr empfehlen. Bis auf einen Schwarzen in einem Weihnachtsmannkostüm ist es beispielsweise in der Karibik 1998 sehr unweihnachtlich zugegangen. Allerdings fehlte mir schmerzlich das Feuerwerk zu Neujahr.

    (Kein Problem. Sonst schon?)

  9. T.M. sagt:

    Feuerwerk gibt’s ja übrigens auch in der Schweiz nicht zu Silvester. Ich find das noch ganz interessant. Es geht tatsächlich völlig ohne, ganz still, ohne dabei auf irgendwas verzichten.

    (Das hängt vom Fall ab.)

  10. Etosha sagt:

    Ich hätt auch nicht gedacht, dass Feuerwerk mir zu Silvester so wichtig ist. Erst als es fehlte, merkte ich, dass es mir fehlt.

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