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  1. zonebattler sagt:

    Um die möglichen Konsequenzen eines gezielten Regelbruches besser abschätzen und -wägen zu können?

  2. baumgarf sagt:

    Oder vielleicht auch um sehen zu können, in wie weit die Regeln allgemein eingehalten bzw. beachtet werden, ob nicht doch ein Teil dieser Regel allgemein nicht beachtet oder eingehalten wird, aus welchen Gründen auch immer.

  3. Etosha sagt:

    zonebattler, zur Info: Es geht um stilistische Regeln, nicht um solche mit rechtlichen Konsequenzen irgendeiner Art. Gibt es trotzdem Konsequenzen, über die man bescheidwissen müsste?

    baumgarf, was hätte man davon? Inwieweit wäre man damit gegenüber jenen, die die Regel nicht kennen und daher deren Einhaltung nicht überprüfen können, im Vorteil?

  4. baumgarf sagt:

    Ich dachte dabei nicht an einen Vorteil, ich dachte eher allgemein. Es gibt durchaus Regeln (oder Teile von Regeln), die im gemeinsamen Konsens als überflüssig angesehen werden und demzufolge nicht beachtet werden (mir fällt grade kein Beispiel ein, frag mich später nochmal).
    Da es dir aber um Stilfragen geht, was ich noch nicht wusste, kann es erst recht nicht um einen Vorteil gehen. Eine Regel, die ich persönlich jedoch brechen würde, ist jene, dass mit der neuen Rechtschreibung die informelle Anrede Du/Dich/Euch etc. in Briefen nun nicht mehr groß geschrieben wird.
    Oder habe ich dich abermals missverstanden und es geht dir um gesellschaftlichen Stil, also Verhaltensweisen?

  5. Etosha sagt:

    Neinnein, du hast mich schon richtig verstanden.
    Es geht um Stilfragen, zB beim Schreiben, in der Fotografie, beim Malen – also im künstlerischen Bereich, im weitesten Sinne.

    Was ich mich frage, ist:
    Hat die obige Aussage irgendeinen Sinngehalt und Wert für das Ergebnis an sich?
    Ich meine nicht das Kennen von Regeln an sich, ich meine das Brechen von Regeln unter zweierlei Voraussetzung.

    Richtig neue, spektakuläre Dinge erschafft man nicht, indem man sich immer an die Regeln hält – so weit, so einig sind wir uns vermutlich.

    Aber warum sollte ein bewusster Regelbruch mehr wert sein als ein ‘unbewusster’?

    Wie gesagt, rein vom Ergebnis aus betrachtet! Abgesehen von eventuellen Vorteilen gegenüber einer Community oder Branchenlobby, die, ohnehin immer von oben herab, einer Arbeit vielleicht gnädigerweise ein weniglich wohlgesonnener ist, wenn sie weiß, dass du die Regeln gekannt hast, bevor du sie gebrochen hast? Hier würde ein gleichwertiges Werk eines ‘Bauchmenschen’ vermutlich schlechter beurteilt – die Kenntnis von dessen Regel-Unwissenheit seitens der Lobby vorausgesetzt. Das mag ein Vorteil sein, ist aber kein ergebnisbezogener, sondern ein gesellschaftlicher und vielleicht finanzieller Vorteil.

    Läuft es nur darauf hinaus, dass der erzielte Effekt gefälligst aus dem Kopf und nicht aus dem Bauch zu kommen hat?
    Geht es um mehr als nur eine Spielwiese der Eitelkeiten, um die geistige Selbstbefriedigung jener, die die Regeln aufgestellt haben oder auf deren Einhaltung pochen? Ist es gar ein zynischer Ausgleich für die Spontaneität, die sie selbst im Zuge ihrer Regelkonformität eingebüßt haben?

  6. zonebattler sagt:

    Wenn Du den Taschenrechner benutzt, nachdem Du die vier Grundrechenarten eingetrichtert bekommen hast, tust Du Dich leichter, denn Du weißt, was Du da treibst. Mit der Kenntnis bestimmter künstlerischer Prinzipien (z.B. den “goldenen Schnitt”) im Rücken resp. im Hinterkopf fallen “regelwidrige” Bildkompositionen vielleicht noch bewußter, gekonnter, unkonventioneller aus. Ist freilich schwerlich zu trennen, was einen beim kreativen Tun so alles beeinflußt: Vieles geht da ja über unterbewußte Ebenen. Was hat man wo schonmal gesehen, was inspiriert einen im Augenblick?

    Klar erfährt man als “Regelbrecher” in “Fachkreisen” umso eher Anerkennung, desto mehr man vorher unter Beweis gestellt hat, daß man auch die gängigen Rezepte und Methoden beherrscht. Andererseits hat auch schon manch(e) “junge(r) Wilde(r)” die Szene gegen den Strich gebürstet und aufgemischt… Zwangsläufigen Erfolg gibt es sowenig wie elementare Gerechtigkeit.

    Andererseits: Ist das wichtig? Ist es nicht vielmehr müßig, darüber nachzuhirnen? Lese gute Bücher über Bildgestaltung, klapp’ die dann wieder zu und mach’ Dein Ding. Viel Erfolg weiterhin!

  7. G. Schwätz sagt:

    Ich glaube, besonders in künstlerischer Hinsicht ist es oft wichtig, die Regeln zu kennen. Sonst kann es durchaus passieren, dass man denkt, man habe etwas Revolutionäres im Sinne von Non-Konformes geschaffen, obwohl dies schon lange überholt ist, da die Vorgehensweise so üblich ist, dass sie bereits zum Kanon – und damit den aktuellen Regeln – gehört.
    Beispiel Literatur: Bezeichnet man sich als Schriftsteller, tut man gut daran, viel zu lesen, um sich ein Bild dessen zu machen, was aktuell als “die Regel” angesehen wird. Beschränkt man sich hier – und liest beispielsweise nur die alten Klassiker – hält man sich vielleicht für den größten Regelbrecher, weil man auf die Idee kommt, alles klein zu schreiben. Nicht wissend, dass dies Andere bereits vor Jahrzehnten gemacht haben und dass es mittlerweile in der avancierten Literatur schon fast als Regelbruch angesehen wird, NICHT auf die Großschreibung zu verzichten ;).
    Ich glaube, es ist prinzipiell zu empfehlen, seinen “Feind zu kennen”, damit man dann weiß, wogegen man anzukämpfen versucht.
    Will man hingegen bloß etwas schaffen, was einem selbst gefällt bzw. befriedigt, dann ist es absolut nicht nötig, irgendetwas über Regeln zu wissen.
    Für mich bedingt Kunstschaffen allerdings das Schaffen von Neuem. Und um zu wissen, was überhaupt neu ist, muss man wissen, was es schon gibt. Und das sind bis zu einem gewissen Grad Regeln :). Aber eine Definition von Kunst zu er-diskutieren ist natürlich ein mit höchstem Konfliktpotenzial geladenes Thema.

  8. martin sagt:

    wer nur zufällig großartiges schafft ist nicht viel besser als der affe an der schreibmaschine der durch zufälliges herumdrücken ein wort oder gar einen satz zuwege bringt.

    es geht bei großartiger (zB künstlerischer) leistung gerade heute ja oft weniger um das greifbare ergebnis des einzelenen werks ansich (das dann schon eher zufallscharakter hat, man denke an schüttbilder…) denn eher um das als genial empfundene konzept dahinter. neues wird erst im geiste erschaffen und dann physisch manifestiert. zufallskreationen fehlt der akt der geistigen erschaffung zumindest teilweise.

    regeln wissentlich zu brechen würde ich daher als eine art “nachweis” eines vorausgegangenen geistigen schöpfungsakts sehen. regeln unwissentlich brechen kann auch der affe an der schreibmaschine, das adelt nicht…

  9. martin sagt:

    nachtrag:

    dass der geistige akt mehr wiegt als das greifbare resultat ist zb ganz klar damit belegbar, dass selbst die technisch beste kopie eines meisterwerks nie den (handels-)wert des originals haben wird.

  10. G. Schwätz sagt:

    einige dieser gedanken gefallen mir ziemlich gut – nur den handelswert als maß für die künstlerische qualität würde ich anzweifeln. im gegenteil: ein besonders niedriger handelswert (zumindest zu lebzeiten) hat ja die meisten genialen künstler ausgezeichnet (man denke nur an den armen van-gogh zenzerl).

    allerdings stimme ich auch mit vollem herzen dem zu, dass es nur allzu oft gerade die regeln einer gewissen lobby sind, die kunst zu bloßem handwerk degradieren (nicht despektierlich gegenüber echtem handwerk gemeint). meiner meinung nach braucht kunst einen aspekt der freiheit – alleine schon, weil sie ein weg sein sollte, neues zu erforschen, etwas auf neue weise zu betrachten. und innerhalb von regeln ist es schwierig, das zu tun. gerade deshalb ist es ja wichtig, sich darüber auf dem laufenden zu halten, was andere menschen schon getan haben (bzw. welche regeln auf welche art schon aufgestellt und gebrochen wurden). damit man weiß, was schon getan wurde und sich (oder das tun anderer) nicht wiederholt.
    doch wie gesagt: erlaubt, schön und wertvoll ist alles, was spaß macht. ob man dann allerdings den anspruch erheben kann, “kunst” gemacht zu haben, muss wohl von fall zu fall diskutiert werden. und zu einem eindeutigen ergebnis kann man hier wohl auch nicht kommen, da ich denke, dass auch der “künstlerische wert” zu einem großen teil im auge des betrachters liegt.

  11. Etosha sagt:

    Martin, wer sagt denn, dass jemand, der ohne Regeln im Kopf schafft, automatisch Zufallsergebnisse erzielt, dass dahinter kein geistiges Konzept und Erschaffen steht? Nur weil dieses Konzept anders aussieht, als die Fachkreise sich das vorstellen können? Das ist mir viiiiel zu schwarz-weiß!
    Genausogut könnte man ja behaupten, die Regeln sorgten für konformistisches Schaffen und damit für einen Affenkäfig voller Regelkenner, die, sehr stolz auf ihr Wissen, alle das gleiche tun. ;P

    Werke mit einem Konzept, das aus dem Bauch kommt, sind genauso Absicht und erzielen ihre Wirkung; sie sind nicht Zufall, nur weil sie evtl. ohne gewisse Regeln und das bewusste Brechen derselben auskommen.
    Wo ist denn das wissentliche Brechen von Regeln ein Nachweis eines geistigen Schöpfungsaktes? Wie ermittelst du das ‘wissentlich’? Wenn einer sehr viel Gefühl für die Sache hat und saugute Bilder malt, degradierst du ihn dann zum Affen, wenn du viel später erst erfährst, dass er die Regeln gar nicht kennt, die er gebrochen hat? Und sollte diese Kenntnisse dann im Einzelfall nicht auch gefälligst jemand kontrollieren? Was ist der nächste Schritt? Malverbot für Goldener-Schnitt-Nichtkenner? ;)

    Das war genau die Unterscheidung, die ich zu treffen versucht habe: Nicht um die Bewertung des Kennens der Regeln an sich ging es mir, sondern um das Brechen von Regeln unter zweierlei Voraussetzung.

    zonebattler, ich sinne deshalb darüber nach, weil mir der Satz gestern bei einem Gespräch über die Fotografie irgendwie sinnlos vorkam; nicht, weil ich generell dauernd über solche Dinge nachdächte.

    G., natürlich will ich hier nicht diskutieren, was Kunst ist und was nicht. (Obwohl mir persönlich jemand, der aus tiefstem Herzen ein Schaffensbedürfnis auslebt, wesentlich künstlerischer vorkommt als jemand, der für den Effekt lebt und schafft.)
    Ich versuche hier zu ermitteln, inwieweit die Aussage eine selbstbeschränkende, gehaltlose Binsenweisheit ist.
    Das eigene Schaffen für neu und sensationell zu halten, ist ja schon wieder ein nächster Schritt. Dafür sollte man natürlich wissen, was überhaupt neu ist und was alt – da geb ich dir völlig recht.

    Wenn mich an Bildern etwas stört, dann merke ich das sowieso. Was mich daran stört, finde ich halb so wichtig.
    Wichtig finde ich, dass mir Bilder, die so richtig nach meinem Geschmack sind, auch noch drei Regelwerkstudien später gefallen, sprich: möglichst unbeeinflusst von eingelernten Verstandes-Einflüsterungen. Denn, ehrlich, wer kann denn später noch zwischen Geschmack und erlernter Regel unterscheiden?
    Will sagen: Es täte mir leid um meinen persönlichen Geschmack, wenn ich ihn gegen penetrantes Einfordern von Normen um der Normen willen eintauschen müsste.

    Vielleicht kommts bei diesem Thema einfach sehr darauf an, wie stark der Wunsch nach kommerziellem Erfolg im Vordergrund des Schaffens steht?

  12. G. Schwätz sagt:

    Na, Toscherl, da kann ich dir nur Recht geben :). Wenn man ein Schaffensbedürfnis in sich spürt, dann ist es wichtig, richtig und großartig, dem nachzugehen – auf genau die Weise, die einem gut erscheint.
    Ich hatte da nur einen guten Freund von mir im Hinterkopf, der sich selbst als Künstler sieht (er malt und spielt Schlagzeug), aber das Lernen und Üben prinzipiell als regelkonform vollkommen ablehnt. Leider merkt man selbst als Laie z.B. seiner Musik an, dass er es nun mal absolut nicht kann. Er ist völlig außer Takt und es klingt einfach nicht gut. Sein Argument, wenn man vorschlägt, er solle doch mal Stunden nehmen oder etwas üben, ist, dass er sich dann den kreativen, künstlerischen Zugang verbaut und dass er sich diesen Regeln nicht unterordnen will. Und obwohl es nicht von der Hand zu weisen ist, dass man durch Kennenlernen gewisser Techniken ein gewisses Risiko eingeht, nur mehr in Schienen zu denken, ist bei ihm doch sehr offensichtlich, dass er solche Argumente nur als Ausrede nimmt, weil er – mit Verlaub – zu faul zum Lernen ist ;). Aber ich denke, von solchen Situationen reden wir hier ohnehin nicht.

  13. mkh sagt:

    Ein gewisses Grundhandwerkszeug sollte man selbstredend beherrschen: ein Schlagzeuger muss den Takt treffen können und ein Maler die Leinwand – und noch ein bisschen mehr. Und auf dieser technischen Grundlage werden dann Talent, Übung, Inspiration usw. dennoch immer unterschiedlich ausgeprägt sein.

    Darüber hinaus gibt es halt einen “Kunstbetrieb”, welcher Objekte oder Ideen nicht zuletzt auch deshalb erschafft, um einen künstlerischen, manchmal geradezu philosophischen und oft auch gesellschaftlichen Diskurs darüber führen zu können. Hier hat die Kunst viel mit einer “community” zu tun, die ihr Reglement großteils selbst stiftet und legitimiert und hierbei auch die Mglichkeiten des innovative Übertretens der Regeln thematisiert.

    Und es gibt eben auch die andere Form jenes Schaffenden, welcher an diesem Diskurs nicht oder nur wenig teilnimmt, sondern vor allem etwas ausdrücken möchte, was er in sich selbst spürt. Ihm geht es nicht um Reglements und deren Überschreitungen oder um Kunstbetriebe, sondern ihm geht es darum, dass das Erzeugnis im größtmöglichen Einklang mit seinem individuellen Schaffensdrang, mit seiner eigenen Vision ist.

    Der bessere “Verkäufer” wird wohl in den meisten Fällen derjenige sein, der mit seiner Kunst auch öffentlich kommunizieren kann, und das heißt eben mal: Diskurse über Kunst, Kunstgeschichte, Reglements und nonkonforme Transgressionen zu führen.

    Ich vermute aber, dass derjenige, der seine Kunst wirklich – sozusagen – aus den Tiefen seiner Seele schöpfen kann, ein ungeheures Potential an Innovation hat, welches einem allzusehr an öffentlichen Kunstdiskussionen Verhafteten womöglich verschlossen bleibt.

    Naja, und jetzt wurde ja schon so vieles dazu gesagt, und man könnte Bände füllen – zu diesem Thema…

  14. …aber ein Aspekt wurde noch nicht genannt, dass nämlich in unterschiedlichen Kreisen, sei es sozial, kulturell, künstlerisch, was immer, ganz unterschiedliche Regeln gelten. Und dass gerade die Unkenntnis derselben Regelbrüche erlaubt.
    Ich breche als Frau auf dem Balkan ständig gesellschaftliche Regeln, indem ich mich konform zu den Regeln meiner Herkunft verhalte. Man laesst es mir nachsichtig durchgehen, weil man davon ausgeht, dass ich nicht wissen kann, was sich hier gehört, also die Regeln nicht kenne.
    Eine Einheimische, die die Regeln kennt, und die wie ich leben wollte, d.h. allein wohnen, reisen, sagen, was sie denkt, Konflikte austragen, hätte mit schweren Sanktionen zu rechnen. Ihr Regelbruch wäre anders als bei mir eine aktive Leistung gegen bekannte Widerstände und natürlich höher zu bewerten.

  15. susanne sagt:

    Ihr Lieben, ich möcht Euch allen Danke sagen für diese Diskussion, der ich mit seltener Freude und Spannung folge. Leider fehlt mir grundlegendes Wissen, um hier wirklich mitreden zu können („Was halten Sie als Außenstehende von Kreativsein und Bildung?“), aber ich höre Euch mit großen Augen und offenem Herz zu.
    Malerei, Musik und Literatur „konsumiere“ ich, ohne die Regeln zu kennen.
    Ich habe keine Ahnung, warum mich die Bilder von z.B. Rothko, Pollock oder auch Nitsch besonders ansprechen und mich z.B. diese Art Brut-Geschichte so fasziniert.
    Ich möchte Euch über ein besonderes Buch erzählen:„Blumen für Algernon“ von Daniel Keyes. Es läuft unter SiFi-Roman und es geht um einen jungen, „geistig zurückgebliebenen“ Mann, Charlie, der mit einer Operation am Hirn „intelligent“ gemacht wird. Die Versuche mit der Labormaus Algernon waren von überwältigendem Erfolg. Für kurze Zeit. Die Intelligenz ist nicht von Dauer, Algernon stirbt und auch Charlie wird wieder dumm.
    Das für mich Besondere an dem Buch: Der Text zeigt in Rechtschreibung und Stil Charlies Entwicklungsstand. Zu Beginn unbeholfen und vor Fehlern nur so strotzend, während seiner Blüte in geschliffenen Formulierungen (teilweise auch sehr überheblich), und dann, ganz langsam – zuerst weiß man als Leser nicht recht, ob das nicht nur Tippfehler sind – wieder das Hinabgleiten in die Unbeholfenheit.
    Dieses Buch lebt davon, dass der Autor die Regeln kennt.
    Öhm … was wollt ich sagen? … Egal, ich wünsch Euch viel Freude mit diesem Buch.
    Ja, ich denk schon, dass es wichtig ist, die Regeln zu kennen, um mit ihnen spielen zu können.

  16. martin sagt:

    die besten regelkenner sind die marktforscher & consorten. und sie behaupten auch sicher nicht dass nun alle ihre regeln genau auf dich zutreffen, aber in summe liegen sie ziemlich gut. kein ominöses consortium, sondern die statistische relvanz des zutreffens entscheidet in solchen belangen darüber was regel ist und was nicht. nicht vergessen: wir reden von “regeln”, nicht von naturgesetzen! letztere kann man glücklicherweise nicht brechen, egal ob man sie kennt oder nicht :) der schwerkraft können wir uns bis dato leider noch nicht statistisch entziehen. “tut mir leid, aber die erde wirkt auf mich nicht so anziehend wie auf die vergleichsgruppe”.

    im übrigen ist das unabhängige (wieder-)auffinden von bekannten / neuen regeln ja durchaus möglich, selbstverständlich nicht nur als zufallsergebnis. vermutung: auch wenn du sie anders nennen würdest würde sich doch häufig heraustellen dass es doch die gleichen bleiben.

    wie häufig das der fall sein mag ist eine andere sache. wäre das öfters der fall, so hätten wir wohl deutlich mehr van goghs usw. und dann wären in der wissenschaft vielleicht auch viele entdeckungen statt von einer gleich von mehreren personen gemacht worden. und zwar noch bevor es copy& paste gab :) ich vergleiche das mal mit genetischen mutationen die sich evolutionär bewähren. natürlich kann die gleiche mutation auch mehrfach auftreten, sehr wahrscheinlich ist es aber nicht.

    ein letzter vergleichs-hink-versuch warum man die regeln kennen muss: wer sich im steuer-regel-dschungel sehr gut auskennt kann die lücken gezielt ungestraft ausnutzen. einfach falsche angaben zu machen ist hingegen stümperhaft und bleibt – trotz des kurzfristig vielleicht vergleichbaren resultats – nicht ungesühnt. verutlich hat die redensart auch eher in solchen gefilden ihren ursprung – man muss vor einem betrug schon recht genaus wissen was man da eigentlich austrickst um es gut zu machen.

  17. Etosha sagt:

    Eigentlich ist es paradox, wenn man sich überlegt, dass man sich zB beim Malen an den herrschenden Massengeschmack halten sollte, damit der Marktwert stimmt, zu dem man dieses Bild dann genau einem Menschen verkauft.

    Würde ausschließlich die statistische Relevanz entscheiden, zB über Rechtschreibung und Aussprache, dann hieße es hierzulande schon längst desinfiSzieren und Röngtn. ;)

    Die Gesellschaft ist eine zähe Masse, die sich trotz aller Neuerungen nur sehr langsam geistig weiterentwickelt. Liegt vielleicht auch daran, dass Etabliertes immer als Nonplusultra angesehen wird, je jünger das Jahrhundert, umso mehr, wie mir scheint. Die Illusion des letzten Schlusses der Weisheit wird immer verlockender.

    Von der Nachtschwester wird erwartet, dass sie sich zukünftig an die Regeln hält, sobald sie diese kennt. Vielleicht wird ihr ihre Andersartigkeit bald ausgetrieben werden – zumindest vor Ort am Balkan. Vielleicht aber wird sich noch jemand ermutigt sehen, sich gegen unnütze oder unfaire Regeln aufzulehnen, und noch jemand.

    So selten sind die von Martin erwähnten Mutationen vielleicht gar nicht, aber wir wissen nicht, wie viele davon im Keim erstickt werden – im sozialen, aber ganz besonders auch im wirtschaftlichen Bereich (apropos ominöse Consortien).
    Aber es geht hier nicht mehr ums nackte Überleben wie bei Darwin, sodass man behaupten könnte, die Mutation hätte ohnehin nicht überlebt – hier gehts um Geschmacks- und Anschauungsfragen. Ein bisschen weniger Kleingeistigkeit würd ich mir da schon wünschen.

    Der Vergleich mit der Evolution und mit Soziobiologie ist insoferne gut, weil sich jeder, der sich nicht an die Regeln hält, in Gefahr begibt; die größte ist für uns soziale Tiere natürlich der Ausschluss aus der Gemeinschaft.
    Jene, die auf die Einhaltung der Regeln achten, nehmen diese Angst vorweg und verbreiten sie weiter.
    Gerade bei harmlosen Dingen sehe ich das kritisch. Etwas mehr Toleranz würde dafür sorgen, dass Neues sich weitgehend widerstandsfrei verbreiten kann. So hätten wir alle eine größere Auswahl aus einem breiteren Spektrum als dem der statistischen Relevanz. Und mehr Chancen – sozial und auch wirtschaftlich.

    Ich freue mich, dass ich mit meinem Weblog hier nicht ‘die Masse’ anspreche, sondern Euch, ihr besonderen Menschen, und dass ihr in überlegten und treffenden Kommentaren verschiedenste Aspekte auf den Punkt bringt. Ich finde das sehr inspirierend!

  18. martin sagt:

    dass jeder gerne anders (individuell) ist, ist verständlich. und da ist der verweis darauf, dass wir in manchen belangen vielleicht gleicher ticken als uns lieb ist schon eine gewisse kränkung des ego. macht nix, trotz zu 99,9% gleicher rahmenbedingungen reicht das letzte 0,1% immer noch für ganz schön viel spielraum :) wäre es mehr wäre es wahrscheinlich nicht mehr zu ertragen. wäre auch mal interessant eine vergleichende detailanalyse von musikantenstadel mit neujahrskonzert anzustellen. vermutlich gibt es mehr (stilistische) parallelen als man das auf den ersten blick annehmen würde.

    mutationen & überleben: nicht das überleben des menschen, das überleben der idee, das meinte ich! und für ideen geht es nach wie vor, ach was sage ich: jetzt erst recht jeden tag ums nackte überleben. vielleicht sollten wir eine spendenaktion “ideen in not” starten?

  19. G. Schwätz sagt:

    ohne die vielen wertvollen ideen und kommentare ignorieren zu wollen, hier nur eine kleine beobachtung, die ich laufend mache: die gesellschaft kennt zwei arten von normen: einerseits jene, die – wenn durchbrochen – tatsächlich unangenehme konsequenzen nach sich ziehen; drastisches beispiel: ich bringe jemanden vor den augen anderer um – dann kann ich damit rechnen, dass dies konsequenzen für mich hat. andererseits jene, die wir uns selbst in vorauseilendem gehorsam auferlegen. und jene zweite gruppe nimmt in unserer heutigen zeit überhand. ich glaube, wir leben in einer art neuem biedermeier, in dem jeder versucht, sich stärker anzupassen, als es gewisse (notwendige) soziale regeln überhaupt verlangen. ich merke das tagtäglich. schon an sehr kleinen dingen. beispielsweise hat in meiner firma – als ich dazugestoßen bin – jeder anzug und krawatte getragen (zumindest die männer ;). ich dachte, das wird wohl vorschrift sein, hatte aber hin und wieder keine lust dazu – und habe es dann einfach mal nicht mehr gemacht. was war die konsequenz? zunächst ein paar schiefe blicke, dann ein paar schüchterne fragen, ob ich deshalb keine probleme kriege … und nach meiner verneinung plötzlich zunehmend mehr liebe mitarbeiter, die auch so gekleidet kamen, wie sie sich am wohlsten fühlen. es stellte sich heraus, dass es diesbezüglich nie irgendwelche regelungen gab – es ging jeder nur davon aus, es müsse diese geben, weil alle anderen sich ja auch dran halten und weil es “nunmal so ist”. das einzige, was man riskiert, wenn man aus der menge raussticht, ist, dass man auffällt. und wenn man nicht besonders gut ist in dem, was man tut, will man das vielleicht vermeiden. sonst wird es plötzlich zum vorteil und bekommt den titel “markenzeichen”.
    ich frage mich, an wieviele regeln wir uns im alltag so halten, die es eigentlich gar nicht gibt … ich kann mich über das ausmaß an konformität in unserer gesellschaft, die rein aus feigheit oder bequemlichkeit entsteht,nur wundern. und ich rede hier über wesentlich wichtigere dinge als sakkos oder krawatten ;).

  20. martin sagt:

    g.:

    es gibt verschiedene arten von “regeln” die denke ich bei der betrachtung nicht ohne weiteres vermischt werden sollten. ein paar beispiele die mir dazu einfallen:

    soziale ungeschriebene regeln (meist eher gesellschaftsdruck) – “alle im büro tragen krawatte”

    soziale geschriebene regeln – “ich darf niemanden umbringen”

    offensichtliche physiologische (intrinsiche) regeln – “ich darf im winter nicht zu lange nackt draussen stehen sonst erfriere ich”

    wahrnehmungsphysiologische regeln: “wenn ich lange auf ein schwarzweissmuster starre und danach auf die wand, sehe ich das negativbild”

    wahrnehmungspsychologische regeln: “eine gegenüberstellung von rot und grün in einem bild wird als kontrast empfunden” oder: “eine verminderte septim wird als disharmonant empfunden”

    jede dieser regel-katogrien verursacht unterschiedliche konsequenzen beim versuch sie zu brechen. die krawattenregel zu brechen ist einfach und kann als avantgarde empfunden werden. wie lange du frierst ist allein dein problem. den menschen klarzumachen dass die verminderte septim doch nicht disharmonant ist, wird dir kaum gelingen.

    die regeln zu kennen ist nicht erforderlich um sich daran intuitiv zu halten. der mensch passt sich sehr rasch an. die regeln zu kennne und sich daran zu halten vereinfacht das soziale wie auch künstlerische leben innerhalb der konformität, begrenzt aber natürlich den kreativen spielraum. die regeln zu zu brechen erweitert deinen spielraum, tust du es wissentlich wird es leichter dein handeln / dein ergebnis zu argumentieren und damit die regel nicht nur für dich zu brechen sondern evtl sogar abzuändern.

    beispiel: einfach keine krawatte zu tragen könnte von deinem umfeld als bloßer mangel an sozialkompetenz (vermögen, intrinsische regeln zu erkennen) interpretiert werden. deinem umfeld zu erklären “ich weiss dass erwartet wird eine krawatte zu tragen aber ich feinde es bequemer ohne und werde nur bei einem kundentermin eine tragen” beweist deine sozialkompetenz, deine fähigkeit regeln zu verändern / verbessern und wird folglich bessere akzeptanz finden.

    natürlich kannst du die gesamte soziale passung an sich in frage stellen und die konformität verteufeln, ich sehe es pragmatischer: “was habe ich davon?” wenn nonkonformität mir einen (subjektiven) vorteil verschafft der die vorteile der konformität überwiegt – soll sein. nur um des “nich-konform” seins wegen – in meinem alter nicht mehr :)

  21. G. Schwätz sagt:

    im prinzip hast du hier das, was ich in meinem beispielhaften posting nur angedeutet habe, explizit ausgeführt. genau das wollte ich damit sagen: dass wir hier zunächst eine saubere definition des regelbegriffs brauchen, da es unterschiedlichste regeln gibt.
    weiters: mein beispiel der krawattenpflicht war offensichtlich ein schlechtes, da man so sehr schnell in das fahrwasser “ich-bin-nicht-konform-um-des-nicht-konform-seins-willen” kommt, was natürlich nicht beabsichtigt war. tatsache ist (und was ich sagen wollte): man fügt sich in viele dinge – ohne es zu merken. und man beschränkt sich dadurch – auch ohne es zu merken, oder weil man einfach zu bequem ist, einen größeren schritt zu tun, der zwar vorerst unannehmlichkeiten bereiten würde – auf lange sicht aber vorteilhaft wäre. ich gehe sogar soweit, zu bemerken, dass es sich manchmal sogar auszahlt, über seine eigenen grenzen hinweg zu schauen und nachteile für sich selbst in kauf zu nehmen, um gutes für andere menschen zu bewirken.
    im prinzip gebe ich dir also recht. nur an einem stoße ich mich: “in meinem alter nicht mehr”. solche sätze lasse ich nur im zusammenhang mit körperlicher oder geistiger leistungsfähigkeit gelten, die mit zunehmendem alter (wenn auch wohl noch nicht in deinem ;) tatsächlich abnehmen. gegen das sogenannte “erwachsenwerden”, das nichts anderes ist als ein wie von mir beschriebenes über-annehmen dessen, was du als “soziale ungeschrieben regeln” bezeichnest, habe ich mich allerdings bis jetzt recht erfolgreich gewehrt und bin ziemlich gut kind geblieben (wenn auch nicht ganz so stark, wie ich möchte, leider). denn wenn ich heute mit 32 jahren quietschend vor vergnügen auf einer hutsche schaukle oder mit begeisterung eine sandburg baue – oder auch, weils mir grad taugt, mir einen hässlichen schnurrbart stehen lasse und geschmacklose nietengürtel trage – dann macht das einfach spaß. eigentlich. wenn man ihn sich nicht verderben lässt von den missbilligenden blicken anderer und gar nicht merkt, dass die sache selbst spaß machen würde, hätte man dabei nicht andauernd im hinterkopf, was andere leute wohl über einen denken mögen.
    am rande bemerkt: ich habe nie gesagt, dass ich keine krawatte tragen möchte, sondern es einfach getan – zeige somit laut deiner definition mangelnde sozialkompetenz. ich habe aber nicht das gefühl, dass das jemals von anderen so wahrgenommen wurde. und ich glaube, das liegt daran, dass es schlicht und einfach nicht so wichtig ist, wie man glaubt, sondern dass die menschen nach einer “schrecksekunde” sehr wohl imstande sind, das zu bemerken und zu würdigen, was wirklich zählt: was man leistet und – noch viel wichtiger – was man ist.

  22. t sagt:

    Erst wenn man die Regeln beherrscht, kann man ihren gezielten Bruch als Stilmittel einsetzen.

    Oft versuchen Amateure beliebiger Kunstrichtungen ihre ungewollten Stilbrüche damit zu rechtfertigen, dass Regeln dazu da sein, gebrochen zu werden. Aber wenn man die Regeln ungewollt bricht (weil man sie kennt), fällt das sofort auf.

    Nur das bewusste Brechen kann als Stilmittel eingesetzt werden und zum bewussten Brechen braucht man die Kenntnisse.

  23. t sagt:

    sorry… noch einmal ohne ungewollte Stilbrüche :-)

    Erst wenn man die Regeln beherrscht, kann man ihren gezielten Bruch als Stilmittel einsetzen.

    Oft versuchen Amateure beliebiger Kunstrichtungen ihre ungewollten Stilbrüche damit zu rechtfertigen, dass Regeln dazu da seien, gebrochen zu werden. Aber wenn man die Regeln ungewollt bricht (weil man sie nicht kennt), fällt das sofort auf.

    Nur das bewusste Brechen kann als Stilmittel eingesetzt werden und zum bewussten Brechen braucht man die Kenntnisse.

  24. Etosha sagt:

    Mir ist das zu schwarz-weiß. Ich denke, manchmal braucht es die gewisse Unbekümmertheit, um den Staub der Jahrhunderte wegzupusten, weil so viele, die die Regeln gelernt haben, sich danach niemals wieder von ihnen befreien.

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