Von Snobs und kurzen Hosen

Der Mut zu kurzen Hosen mag MC Winkel vergangen sein wie mir der zum Tragen von Röcken, seit die Bürschlein in der ersten Gymnasiumsklasse es vergnüglich fanden, den Mädchen überraschend die Röcke hochzuziehen, um zu sehen, was wohl darunter sei. Bei mir waren es schiefe Knie. Das Trauma hat jahrelang angehalten.

MC fand vermutlich die wenigsten Kommentare zu seinen Beinen rasend witzig, so wie Herr Waschsalon für Bemerkungen über sein altes Auto wahrscheinlich höchstens müde Grinser übrig hat, oder ich zu Kommentaren über meine Knie, oder über meine geringe Körpergröße. Frei nach Cyrano de Bergerac macht man die besten Witze darüber noch selbst. Immer lustig!

Nicht nur ist der Charakter platitüdisch ohnehin wichtiger als die Form der Unterschenkel oder sonstiger Körperteile. Auch der Umkehrschluss ist zulässig, wie ich glaube: Unter derlei Widrigkeiten formt sich Charakter zuverlässiger als ohne sie.
Als Kind kann man derlei Mankos natürlich nicht als die Chance begreifen, die sie darstellen. Im Nachhinein betrachtet sage ich aber, sie führen zu höherer Toleranz, mehr Mitgefühl und größerer Sensibilität. Denn wie können wir besser die Aufmerksamkeit über unsere Mankos hinweg auf unserer Person behalten, als über die Entwicklung anderer Qualitäten charakterlicher, künstlerischer oder sportlicher Natur? Wer ohnehin seiner ansprechenden Erscheinung wegen alle Sympathie auf seiner Seite hat, der bringt dafür jedenfalls weniger Motivation auf.

Im Waschsalon wird Alain de Botton zitiert:

… erkennen wir, dass Statussymbole und Angeberei viele Gesichter haben und hinter der materiellen Gier oft eine Leidensgeschichte seelischer Verletzungen steckt.

Ja, habt Mitleid, auch Besitzer neuer Autos sind seelisch Schiffbrüchige. Über welche Schritte und welche Taktik gegenüber seinen Mitmenschen jemand zu seinem neuen Auto gekommen ist, dürfte aber nicht so leicht nachvollziehbar sein. Ja, vermutlich hat er hart gearbeitet. Vielleicht hat er dabei aber auch seine Ellbogen über Gebühr eingesetzt, und andere sind auf der Strecke geblieben. Vielleicht hat er seine Mutter unter Druck gesetzt, damit sie ihm Geld gibt. Oder eine Bank überfallen. Das geht aus der Tatsache ‘schickes Auto’ nicht hervor. Daher sind Blender etwas für Menschen, die sich gerne blenden lassen.

Warum es weniger snobby ist, wegen seines Charakters gemocht werden zu wollen, wo doch das Heischen um Aufmerksamkeit und Zuneigung auf allen Ebenen betrieben wird? Weil du für deine charakterlichen Qualitäten an dir selbst arbeiten musstest, und du weißt, dass das wirklich harte Arbeit ist. Dieser Status wird nicht alt und rostig, technisch obsolet oder bei einem Unfall zu Schrott.
Du stehst nie plötzlich mit leeren Händen da, und dein Inneres ist immer behaglich eingerichtet, viel schöner als mit Empiremöbeln.

Andere Kinder zu verspotten, die zu dünne Beine haben, wäre MC sicher nicht eingefallen. Wahrscheinlich aber ließ er auch immer öfter Gelegenheiten aus, jemanden aufgrund anderer Abweichungen von der wohlproportionierten Norm auszulachen.

Ja, wir möchten, dass die anderen uns lieben. Uns zurückrufen. Sich an unsere Namen erinnern. An unsere Blogs. Das ist gut, denn es bringt uns dazu, unsere besten Seiten hervorzukehren.
Aber es ist auch gut, wenn das nicht der einzige Quell unseres Wohlbefindens ist.

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Dein peinlichster Moment war für andere
nur ein unterhaltsamer Augenblick.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. waschsalon sagt:

    es ist sogar besser, wenn das nicht der einzige quell unseres wohlbefindens ist. das macht uns freier und fähiger selbst zuerst zu lieben.

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