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Reisebericht, einmal anders

Jeder weiß, dass alleinreisende Frauen in orientalischen Ländern keine ruhige Urlaubsminute haben. Egal ob im Hotelrestaurant, im Laden um die Ecke oder auf dem Wochenmarkt, überall wird der westlichen Frau großes männliches Interesse entgegengebracht. Schmeichelhaft, möchte man meinen. Aber nur, solange man nicht ahnt, welche Schleimsuppe der Machenschaften da tatsächlich unter dem Deckmäntelchen der Gastfreundlichkeit brodelt.

Natürlich, diese Art der Anmache gibts überall, wo Urlaub gemacht wird, ob auf der Skihütte oder am Strand. Natürlich, man darf sowas gar nicht ernst nehmen. Dem Skilehrer, dem Animateur, dem Barkeeper geht’s doch nur um eine schnelle Eroberung, ein anderes Häschen im Kistchen, eine weitere Trophäe auf dem Regalbrett seiner testosteronen Eitelkeiten. Wenn so etwas in beiderseitigem Einvernehmen und in der Variante Safer-Sex stattfindet, ist dagegen auch nichts einzuwenden – wir leben schließlich im 21. Jahrhundert. Und: wir leben innerhalb der EU. In Spanien, in Italien oder in den österreichischen Alpen knüpft man von männlicher Seite maximal eine sexuelle Hoffnung an solche Begegnungen.

Undurchsichtiger und weitaus perfider wird es, wenn nicht nur sexuelle Absichten hinter der Anmache stehen, sondern langfristigere Ziele. Dann reichen Komplimente und sexuelle Avancen nicht aus, denn auch Frauen wissen, dass die körperliche Komponente einer Beziehung mit ihrer Dauer an Aufregung zu verlieren pflegt. Dann müssen tiefe Gefühle ins Spiel, um eine Frau für längere Zeit an sich zu binden – und an dieser Stelle beginnt der Übergriff auf die Seele. Der winkende Gewinn: Geld, Geschenke und ein Visum für Europa.

Ist frau vor dem Urlaub nicht vorgewarnt, schluckt sie so manchen Köder, ohne das überhaupt zu bemerken. Fragen nach ihrer Arbeit im Heimatland, nach ihrer Wohnsituation, nach Verwandtschaft oder dem Ehemann werden als Smalltalk oder Interesse wahrgenommen und höflich beantwortet. Seine elendslangen Geschichten über seine eigene Situation (Wohnen, Familie, Geld) nimmt sie zwar wahr, ordnet sie jedoch mangels Information nicht der richtigen Schublade im Gehirn zu.

So entstehen immer mehr lose Enden, an denen Mitgefühl und eine gewisse Zuneigung und später vielleicht auch Vertrautheit baumeln, Enden, die nicht richtig eingeordnet wurden, sie ergeben ein wirres Durcheinander, das im Nachhinein nur schwer aufzulösen und zu erhellen ist. Dazu kommen wohlplatzierte Komplimente, Schmeicheleien und die ersten leidenschaftlichen Gefühlsausbrüche seitens des orientalischen Mannes, immer schön gepaart mit dem tiefen, ehrlichen Blick aus seinen großen, verliebten Augen. Der mehr oder weniger große Altersunterschied scheint ihm überhaupt nichts auszumachen – die Liebe fällt eben dahin, wo das Visum winkt.

Irgendwann wird der Frau die Telefonnummer rausgekitzelt, und schon beginnen die ersten SMS einzutrudeln – und der Kontakt wird freilich auch nach dem Urlaub fortgesetzt, über Telefon, E-Mail, MSN. So verzweifelt verliebte Nachrichten gehen da ein, dass einem Hören und Sehen vergehen.

Ein junger Mann im orientalischen Tourismus ist durchaus gewillt, einige Jahre seines Lebens zu opfern, während derer er Geld, Einladungen und schließlich eine Heiratsurkunde aus “seiner” Westfrau quetscht, um dafür hinterher unter wehenden EU-Flaggen eine Staatsbürgerschaftsurkunde in Händen zu halten; um dann seine schon lange zuvor geheiratete Ehefrau aus seiner eigenen Kultur und die eventuell vorhandenen Kinder in das Land der Träume nachzuholen – oft auch schon während seiner Ehe mit der Westfrau, getarnt als Cousine oder Schwester. Oder sich hinterher eine Frau zu suchen, die tatsächlich seinen religiösen und moralischen Vorstellungen entspricht, die er respektieren oder dominieren kann.

Dass solche Beziehungen zwischen der Westfrau und dem Mann mit dem tiefen Blick nicht sehr lange auf dem Barometerstand ‘frischverliebt’ schweben, ergibt sich zwangsläufig – wo keine Liebe ist, kann auch keine liebevolle Beziehung entstehen. Er ist also auch gewillt, die Westfrau seiner Träume immer schlechter zu behandeln, sie zu betrügen, sie zu beschränken und zu kontrollieren, bis die Beziehung schließlich beendet wird – oft in mehreren Anläufen seitens der Frau, denn wenn das Ziel des Mannes noch nicht ganz erreicht ist, kann er im Notfall sehr überzeugend weinen und flehen – bis die Westfrau am Ende auf der Strecke bleibt, oft geschlagen, gebrochen, ohne Geld und ohne Vertrauen in die Menschheit. Das einzige Gefühl, das hier von seiner Seite von Beginn an tatsächlich im Spiel ist, ist die Hoffnung auf ein besseres Leben. Der Rest ist eiskalte Berechnung, bemäntelt von einer schauspielerischen Leistung, die so manchen Strasberg-Absolventen vor Neid erblassen ließe.

Für diese Machenschaften der orientalischen Männer gibt es einen Fachbegriff – er lautet Bezness.

Wer nun glaubt, all die Geschichten, die diese Männer erzählen, beschränkten sich auf billiges und fadenscheiniges Mitleidheischen, der irrt gewaltig. Sie werden geschickt und raffiniert aufgebaut und über die Zeit eingestreut, sodass frau tatsächlich erst hinterher das Ausmaß des gesponnenen Netzes begreift – wenn überhaupt. Die kalte Heimatluft jedenfalls ist gut für das weibliche Gehirn, und das Informieren im Internet auch.

Mein Urlaub war also auch eine Forschungsreise, ein Trip an Abgründe, die ich vorher so tatsächlich noch nicht kannte. Obwohl ich verheiratet bin und alle Männer dort darüber bescheidwussten, hat man(n) vor mir nicht haltgemacht, und ich habe gemerkt, dass es wirkt, ohne zu bemerken, wie es wirkt. Es ist ein orientalisch verschleierter Frontalangriff auf weibliche Wünsche, auf Träume, es ist eine emotionale Erpressung unserer stetigen Höflichkeit und unseres Mitgefühls mit voller Wucht, und schließlich ein Angriff auf den Selbstwert, von dem ich immer noch nicht weiß, wo genau er sein Ziel findet, aber er findet es. Ich bin froh, mich auf nichts eingelassen zu haben, bemerkt zu haben, dass diverse Statements einfach nicht zusammenpassten, dass da eine gewisse Verschlagenheit im tiefen Blick mitschwang – aber den Sog habe ich sehr wohl gespürt, und nicht zu knapp.

Wer mich kennt, ahnt vielleicht, wie stark ein solcher Sog dafür sein muss. Man muss permanent höllisch aufpassen, um nicht in etwas hineingequatscht zu werden, das man gar nicht will. Im Nachhinein schäme ich mich trotzdem, allein für mein freundliches Lächeln, für meine westliche Unbefangenheit, für meine Bereitschaft zuzuhören und für die Eitelkeit, so viele dieser Komplimente und Statements für wahr zu halten. Ich möchte also gar nicht wissen, wie eine Frau sich nach einer richtigen Affäre fühlt, die sie bis über das Ende ihres Urlaubs hinaus für echt gehalten hat. Aber man muss das wohl erlebt haben, um das Ausmaß dieser Pein und Zerrissenheit zu begreifen oder zumindest zu erahnen. Zu einem vertrauensvollen Umgang mit Mitmenschen in der Zukunft trägt eine solche Erfahrung jedenfalls sicher nicht bei.

Eine mitreisende Bekannte meines Vaters, die über 60 ist und von einem maximal 30jährigen Kellner zwei Wochen lang systematisch eingewickelt wurde, hörte ich ihrem Angebeteten am letzten Tag kurz vor der Abfahrt den Satz “Ich hol dich nach Österreich!” zurufen. Ich hörte sie aber zum Glück später im Flugzeug auch sagen, “Dass man so deppert sein kann!”. Ich hoffe, sie hat alles schon vergessen und schickt keine SMS in die Türkei.

Denn wenn die weibliche Psyche die Wahl hat, zieht sie es offenbar vor, sich der Hoffnung hinzugeben, den einzigen Ausnahmefall kennengelernt zu haben, anstatt der eigenen Naivität und Eitelkeit ins Gesicht zu sehen; die Injektion der emotionalen Erpressung wirkt nach und lässt eine Angst davor entstehen, dem betreffenden Mann unrecht zu tun und nun selbst einem anderen Menschen seelischen Schmerz zuzufügen, indem sie den Kontakt einfach abbricht. Schwere seelische Verletzungen und Traumata sind für viele Frauen die Folge solcher Begegnungen. Und natürlich mitunter auch große finanzielle Verluste.

Unsere westliche Kultur, die Freiheiten, die wir Frauen hier für selbstverständlich halten und auch beanspruchen und genießen, tragen wir natürlich auch in den Urlaub mit. Diese Werte werden in orientalischen Ländern aufgrund der andersartigen religiösen und gesellschaftlichen Werte, die den Menschen von klein auf eingeimpft werden, aber nicht verstanden und schon gar nicht respektiert. Wir sind dort nur Frischfleisch mit ein paar Pölsterchen (auch finanzieller Natur) und erstaunlich wenig Oberbekleidung.

Auch wir haben Werte – Höflichkeit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit zu geben und vorauszusetzen gehören dazu; auch ein wenig Würde glauben wir zu besitzen; diese Werte werden von den Beznessern schamlos ausgenutzt. Dass wir das ganze Jahr lang hart arbeiten, um dann einmal im Jahr einen drauf zu machen und uns ein bisschen gehen zu lassen, wird nicht wahrgenommen – wie auch? Freizügig, relativ leicht zu haben und verlockend reich, dafür werden wir dort gehalten. Und für lächerlich gutgläubig, armselig und dämlich, nicht viel mehr wert als eine Hündin auf der Straße.

Die schwülstigsten SMS von Frauen werden unter den Beznessern herumgezeigt, mehrere Frauen gleichzeitig auf MSN bequatscht, sie sitzen im Internetcafé nebeneinander, schreiben voneinander ab und geben sich gegenseitig Tipps, und sie lachen sich den Arsch ab über die Westfrauen und ihre Dämlichkeit.

Ich würde diese Abhandlung in all den Flugzeugen verteilen lassen, die täglich tonnenweise nichtsahnendes Westfrauenhirn in orientalische Urlaubsgebiete karren, wo laue Brisen und heiße Liebesschwüre sie bereits sehnsüchtig erwarten. Ich würde ein paar Zahlscheine für diesen Verein anheften, der europäischen Frauen hilft, nach gescheiterter orientalischer Beziehung ihr Geld oder ihre Kinder zurückzubekommen oder in ihr Heimatland zurückzukehren. Und ich würde ein paar der Erlebnisberichte anheften, die auf der Website 1001geschichte.de gesammelt sind. All diese Geschichten sind wahr, und keine einzige hat ein Happy End.

Falls ihr also eine Frau kennt, die im nächsten Urlaub in ein orientalisches Land wie Ägypten, Türkei oder Tunesien fahren möchte – schickt ihr bitte ein paar Links, und zwar vorher. Diese Information ist ein unschätzbarer Dienst an ihrer seelischen Gesundheit.

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Diensthabender Aspekt: Narr

Den lieben langen Tag bin ich hier allein, spreche maximal mit meiner Hündin, deren passiver Wortschatz zwar erstaunlich groß ist, aber eben auch endenwollend, oder, seltener, mal mit der Nachbarin, auf deren Wortschatz ich hier nicht näher eingehe. Den Großteil der Wochentagszeit aber bin ich allein, ich frühstücke, arbeite, schreibe, fotografiere, surfe, mache ein Schläfchen oder hol mir im Garten schwarze Fingernägel – alles allein.

Abgesehen von den gelegentlich heranknospenden Tagen, an denen ich schon mit einem Mordsgrant aufstehe, der sich dann meist den ganzen Tag über nicht richtig legt oder bei Bedarf sogar noch ausbaufähig ist, bin ich in meinem Inneren stets ich, so scheint es mir – immer gleich, immer das gute alte Tosherl. Ja, ich sehne mich nach diesem oder fühle mich nach jenem, nicht alles ist stets in greifbarer Nähe, die Laune steigt und sinkt, und ich würde mein Inneres nicht unbedingt mit dem Wort gleichförmig beschreiben, aber da ist eine gewisse Zuverlässigkeit in meinem inneren Sein.

Allerdings ist die Facette der sozialen Interaktion aus diesem Sein anscheinend völlig ausgeklammert. Ich weiß aller inneren Zuverlässigkeit zum Trotze nie, wer ich heute bin. Erst in der Interaktion mit anderen zeigt sich meine soziale Tagesverfassung – beinah so, als wäre es gar nicht nötig, eine Tagesverfassung zu haben, solange man nur niemandem begegnet.

Im entspannten Miteinander, aus dem sowohl mein Arbeits- als auch mein Privatleben größtenteils besteht, ist es so: Bemerkungen und Antworten entschlüpfen mir mehr, als dass ich sie planen und vorformulieren würde, und erst aus ihnen erfahre ich, manchmal blitzartig, manchmal allmählich, wie ich an diesem Tag ticke. Dann höre ich, was ich sage, und denke mir was dazu, zetbeh “Puh, Antworten ist abe heuter eztrem xäh, die Laute in welche Feihenrolge schnell gehören mochnal?”, oder aber auch “Holla die Waldfee, heut bin ich ja witzig!”. Ja, fürwahr, ich denke mir “Holla die Waldfee!”, zuweilen. Klar mir. Wem sollte ich es auch sonst denken?

Zwischen diesen Extremen gibt es noch so manche Abstufung. Man möchte meinen, das wäre fast so schwierig wie sich selbst zu kitzeln, aber: ich überrasche mich selbst.

An manchen Tagen kommt wirklich je-des-mal, wenn ich den Mund aufmache, etwas Absurd-Treffendes pfeilschnell hervorgeschossen, ohne dass ich meinem Hirn irgendeine Vorarbeit angemerkt hätte. Die Menschen in meiner Umgebung kennen mich so natürlich auch, aber nicht ausschließlich so – und sie schütteln sich vor Lachen, und manchmal auch ihren Kopf.

Beim Schreiben gehts mir ähnlich. Manchmal weiß ich bereits aus der oben beschriebenen Interaktion, dass ich es am aktuellen Tag mit Worten nicht so habe. Da fallen mir schon beim Reden nur die Zweittreffendsten ein, und beim Schreiben wirds nicht gerade besser, was zur Folge hat, dass ich mit mir selber Wortschatzkramen spiele und über sinnlose Assoziationen, die immer weiter vom Thema abführen – abführen, hihi, Wortverstopfung – und mich darauf bringen, dass ich noch mit dem Hund gehen wollte, weil morgen die Müllabfuhr kommt, hä?, meist den Faden völlig verliere.
Dann aber wieder möchte ich nur ein kurzes E-Mail schreiben und kann nicht mehr aufhören, weil der Unsinn, der mir aus den Tippfingern fließt, so charmant und geschmeidig und melodisch daherkommt, dass ich ihn nicht unterbrechen will, um dem Zauber so lange wie möglich sein buntes Glitzern zu entlocken. Und gar nicht so selten erfahre ich auf diese Weise auch, was ich wirklich denke.

Dem aufmerksamen Leser entgeht natürlich nicht ein gewisser Widersinn, der sich daraus ergibt, dass man auch E-Mails meistens dann schreibt, wenn man alleine ist. Ich aber sage euch, Mailen ist soziale Interaktion. Witzigen Menschen kann ich auch witzige Mails schreiben, bei unwitzigen Menschen gelingt mir das nur höchst selten. (Ich fürchte mich schon jetzt vor der mutmaßlichen Perzeption jedes E-Mails, das ich von heute an verschicke. “Bin ich unwitzig, weil sie mir so ein unfassbar fades Mail schickt?” Ok, ist nur ein Leitsatz, das Ganze. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und Angeschriebene sind immer ausgenommen. =)

Es ist jedenfalls ein interessantes und erstaunliches Phänomen, wie zuverlässig ich über mich selbst immer nur die Hälfte weiß, solange ich alleine bin. Es kommt mir vor, als wäre in mir ein Segel aus glänzender Seide gespannt, das jeden Tag eine andere Farbe annimmt, ein Segel mit unterschiedlichen Bereichen der Reflexion, die immer andere Fragmente meiner Umgebung einfangen, tönen und zurückwerfen. Als übernähme täglich ein Aspekt von mir die Führung, den auch ich selbst erst dann wiedererkenne, wenn er den Mund aufmacht. Bis dahin weiß ich nicht, wer heute Dienst hat – ist es der Narr? Der aufbrausende Großkotz? Meister Scheißminix? Der Schöpfer oder der Erschöpfte? Oder ist es gar ein Debütant?

Wie stellt man also fest, wie man zu einem konkreten Zeitpunkt gelaunt ist? Man treffe jemanden und höre sich selbst zu, was man sagt, und wie man es sagt. Das Phänomen ist auch und gerade deshalb so spannend, weil man nicht die volle Kontrolle darüber hat.

Man höre also nicht nur in sich hinein, sondern manchmal auch aus sich heraus.

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Jedoch

Kaum holt man nach elf Jahren des Zornes mal zum Rundumschlag gegen die Schulmedizin aus, meldet sich auch schon ein Mediziner der alten Schule telefonisch bei mir, um den Gegenbeweis anzutreten. Ich möchte hier nicht über ungelegte Eier gackern, das hab ich im privaten Umfeld für mein Empfinden schon im Übermaß erledigt; deshalb hier vorerst nur soviel: Es gibt für meine gesundheitliche Situation wieder ein Licht am Ende des Tunnels. Und die Chancen stehen ziemlich gut, dass es sich bei jenem Licht diesmal nicht um einen herannahenden Zug handelt.

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Das “System”

Schulmediziner ärgern sich gerne über Homöopathen, über alternative Heiler und erst recht über sogenannte Wunderheiler, über alles, was nicht über jeden Zweifel erhaben ist, wissenschaftlich fundiert und von zig Studien untermauert. Ich denke, tatsächlich ärgern sie sich über den Erfolg dieser Methoden, denn wären sie nicht erfolgreich, dann wären sie auch gar nicht in das entsprechende Blickfeld gerückt. Manche ärgern sich gewiss auch über sich selbst, und dass sie nicht mehr in der Lage sind, das nötige Mitgefühl aufzubringen – weil so viele kommen, und die meisten davon sich einfach reparieren lassen wollen. Viele Patienten sind in der Tat nicht bereit, die volle Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Manche schicken gar ihre Sekretärin für sich zum Arzt und lassen sie dort die Symptome schildern.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass es das schulmedizinische System selbst war, das über Jahrhunderte den Weg für dieses Nichtverantwortlichsein des Patienten gepflastert hat; lange Zeit selber im Duktus eines ammenmärchenartigen Halbwissens, das hinter Selbstsicherheit verschanzt und von oben herab als Wahrheit verkauft wurde – in einer Zeit, als die Menschen davon noch zu beeindrucken und einzuschüchtern waren. Ich Arzt, du kusch. Du liegst, ich stehe. Du sitzt vor dem Wall meines Schreibtisches, ich bin dahinter verschanzt. – Und heute: Du hast da was gelesen? Na, das ist ja sehr niedlich.

Es ist fast müßig zu erwähnen, ich tu’s aber trotzdem: Ich meine hier nicht alle Ärzte, und ich meine nicht alle Patienten. Wenn man sich nicht wiedererkennt, gibt es auch keinen Grund, sich zu ärgern. Bitte in diesem Fall einfach weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen.

Ich schrieb drüben bei Frau serotonic, dass verantwortungslose medizinische Mitarbeiter einem verachtende Sätze ins perplexe Gedächtnis brennen, und ich meinte es so. Manche davon vergisst man nie, wie sehr man sich auch bemüht, sie im geistigen Scheißhaus runterzuspülen, sie bleiben in genauem Wortlaut mitsamt dem süffisanten, sarkastischen oder ehrlich bösartigen Tonfall erhalten.
“Wenn Sie eine Diagnose wollen, dann sind Sie hier falsch.” – “Das Brustbein kann einem nicht wehtun.” – “Ich bin hier der Arzt, ich weiß das ein bissl besser.” – “Was Sie das Gefühl haben, is wurscht!” – “Na, ich glaub ja nicht, dass wir da mit Ihnen was zsammbringen.”
Und sowas hält sich für einen Heiler? Ernsthaft? Diese Vorstellung erzeugt heute in mir einen gewissen Lachreiz.

Die Kassenmedizin ist im Großen und Ganzen eine kaltschnäuzige Abfertigungsmaschinerie. Der Patient erzählt dem Arzt bestenfalls die Hälfte, weil für die zweite Hälfte keine Zeit bleibt und nicht die nötige Vertrauensbasis vorhanden ist – oft lügt er sich aber auch selbst in die Tasche, das muss man einräumen. Vertraue niemandem, nichtmal dir selbst!
Daheim tun der Patient dann erst wieder, was er will, er raucht weiterhin, gönnt sich nicht die nötige Ruhe und nimmt seine Antibiotika nicht bis zum Ende ein. Weil er doof ist? Nun, das ist natürlich eine mögliche Erklärung, eine weitere aber ist, dass er kein Vertrauen hat und keine Lust, dem Arzt einen Gefallen zu tun(!), dass er keinerlei Selbstverantwortung hat, dass er selbst machtlos ist, seine Aufgabe auf dem Heilungsweg gar nicht kennt und sich insgesamt wie ein Nebenschauplatz vorkommt, fernab von der Elite in diesem System.

Und derjenige, der in einer geistigen Abwehrhaltung stets ängstlich und mit oberster Priorität darauf konzentriert ist, seine elitäre Stellung zu behalten, hat für das Wesentliche ebenfalls keinen Blick. Es gibt einen Unterschied zwischen Zusammenarbeit und Diktat, einer davon ist die Menge an offener Kommunikation. Der klassisch elitäre Arzt beraubt sich selbst der Hinweise, die ihm die richtige Diagnose und Behandlung vereinfachen oder, im Extremfall, überhaupt erst ermöglichen würden. Es ist ein Kampf innerhalb eigener Beschränkungen, für den man eigentlich nichtmal einen Kontrahenten braucht.

Der Patient jedoch hat dem Arzt eines voraus: Er steckt in diesem Körper drin, der aus dem Gleichgewicht geraten ist. Er hat Empfindungen und Erkenntnisse, die für Diagnose und Heilung relevant sind. Er hat den Willen zur Genesung, oder er hat ihn nicht. Und er hat eine Seele da drin, die auf ihre Umwelt reagiert. Heilung ist ein sehr persönlicher Vorgang, alle Kanäle sollten dafür weit offen sein, und da sind Erwartungen, Hoffnungen und Ängste, auf die in der Regel keine Rücksicht genommen wird. Also ist der Patient gekränkt, seiner Hoffnung beraubt, und zieht seine Seelenfühler mit der Zeit ein; das körperliche Problem wird dann, wenn es an einer Stelle methodisch zurückgedrängt wurde, an anderer Stelle zuverlässig wieder auftauchen.

Faktoren wie Mitgefühl, Aufmerksamkeit, Zuversicht und Humor beeinflussen eine Heilung wesentlich, ob das den Methodengläubigen nun passt oder nicht. Diese Faktoren sind es, die für den Erfolg der alternativen Heiler sorgen; und das Gefühl, dass sich jemand wahrhaft für dich, den Kranken, interessiert, dir neue Wege aufzeigt, aber auch mitunter unbequeme Fragen, die du dir stellen solltest, und nicht nur körperbezogene Fragen – dass jemand dich also anleitet und begleitet, während er dich den Weg aber selbst gehen lässt.

Ein Umdenken und Umfühlen ist auf beiden Seiten des Schreibtisches dringend nötig. Die Schulmedizin hat zweifellos viel erreicht, aber auch viel kaputtgemacht. Wer gewisse Qualitäten nicht mitbringt, sollte Platz machen für eine neue Medizin. Es ist Zeit dafür.

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Update

Achtlos:

Verleser heute beim Studieren eines Süßwarenregals im Supermarkt: Feuchtkekse.
Dabei warens mit Frucht. Was so ein Buchstabe ausmacht!

Gedankenlos:

Die Hersteller so mancher Alltagsgegenstände. Heute: Ein Poolthermometer mit Comicfigürchen oben drauf, Temperaturbandbreite: +40° bis -30°. Gradeinteilung aber nur in Zweier-Schritten. Man braucht ja auch nicht mehr.

Anspruchslos:

Bei uns ist der Muttertag immer sehr stressfrei, wie schonmal berichtet. Keine stressigen Mittagessen in überfüllten Restaurants, keine überteuerten Blumenkäufe im letzten Moment. Heuer: Mutter ruft an, berichtet, sich ein Wunsch-Blümchen gekauft zu haben und findet, “Wenns wollz, könnz mir ja was draufgeben.”

Schamlos:

Wenn man mithilfe einer Suchmaschine auf Dateiensuche im Netz ist, hilft der Suchanfrage-Zusatz “intitle:”index of”.

Trostlos:

Bei den teils doch recht hirnweichen Brainstormern auf brainr las ich letztens, es hätten die meisten Leute regelmäßig Michael Jacksons Musik gehört, die “in den trostlosen 80ern aufgewachsen” seien. In mir beganns natürlich sofort zu hüpfen und zu kreischen “Die 80er waren nicht trostlos!” Heute früh ziehe ich ein grau-weißes Batikshirt an und bemerke, das hab ich in den angeblich so trostlosen 80ern in London gekauft. Da konnte man Kleidung kaufen, die 25 Jahre hält. Und wenn man etwas Actionreiches spielen wollte, musste man sich noch von seinem Arsch erheben. So trostlos war das.

Respektlos:

– “Ich hasse Österreicher. … Nein, ich hasse nur alles, was aus Österreich kommt.”
“Echt interessant. Was denn zum Beispiel?”
– “Öööhm, Christina Stürmer. H!tler. Jaa, das wars eigentlich schoon. … Ach, nee, ihr seid ja ok, aber warum müsst ihr so scheiße reden?”
Schaißöö? Isch als Östraicha? Ach neee, komm. Echt jetz? Ach Mennooo. Da kann isch nu würklisch nix mit anfannng.

Ehrlos:

Wer ist dreckiger – der, der nicht duscht, oder der, der’s ausplaudert?

Fraglos:

Mühe ist dafür da, um vermieden zu werden.

(Dank an Ceh, den stets großzügigen Wortspender.)

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ICH WEISS ES WIEDER!

Hurra! Es hat auch nur zehn Tage gedauert! Is doch gar nicht soo schlimm. =} Eigentlich nur neun, denn es fiel mir gestern schon ein. Oder vorgestern gar?

So gut wie jeder Mensch schiebt seine Sonnenbrille ab und zu auf den Kopf. Schiebt man sie auf Kopfhaare, die nur etwas länger sind als das durchschnittliche Nasenhaar, saugen die Nasenhalterlis diese Haare in sich ein und geben sie partout nicht mehr her! Der nächste akute Sonneneinfall führt dann zu akutem Haarausfall – und zu schmerzhaftem noch dazu! Das muss nicht sein! Es nervt und ist auch nicht hilfreich bei der Verhinderung der Geheimratseckenbildung. Und die sind bei mir genetisch bedingt sowieso schon sehr stark ausgeprägt, den kümmerlichen Rest, der dort noch wächst, würd ich gern behalten, wenn’s leicht geht. Ich will also Sonnenbrillen mit Nasenhalterungen, in denen sich die Haare nicht verfangen können!

Gibt’s schon, sagt mein Mann. Nicht auf einer von meinen Sonnenbrillen, sag ich.

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Zweifelhafte Methoden

Vor einigen Wochen erhalte ich untertags einen Anruf, mitten in einer Arbeit, die Konzentration erfordert. Ein männlicher Mensch ist am Telefon und will mit mir eine Umfrage machen. Dass ich den Anruf überhaupt annehme, ist dem Umstand zu verdanken, dass er nicht mit unterdrückter Nummernkennung anruft. Unbekannte Anrufer bleiben bei mir unbekannt, die dürfen mir maximal die Mobilbox vollsäuseln. Ich sage ihm, ich hätte für sowas im Moment keine Zeit. Später aber fällt mir wieder ein, dass ich eine Nummer von diesem Menschen habe, und rufe ihn zurück.

Ich frage ihn, wie er heißt, woher er meine Telefonnummer hat, und von welcher Firma sein Anruf beauftragt wurde. Zu letzterer Frage nuschelt er irgendeine Dreibuchstabenkombination. Ich notiere sie, hake nach und frage ihn nach dem genauen Firmenwortlaut, und nach der Rechtsform. Rechtsform? Na, ob das eine GesmbH sei oder eine AG oder wie. Er ist ein bisschen hilflos und gibt schließlich widerwillig zu, dass er das nicht wisse, es sei aber ‘eine große Firma’, und gibt mir die Telefonnummer der Geschäftsführerin, die er kenne. Sie hieße Andrea.

Außerdem meint er, er mache viele solche Anrufe, und diese Fragen habe ihm bislang aber echt noch niemand gestellt, und dass er ja gar nichts dafürkönne und das alles ein bisschen unfair finde. Ich sage, dass ich es unfair finde, in meiner Arbeitszeit von Umfragern gestört zu werden, und komme mir ein bisschen wie im Kindergarten vor. “Solche Fragen können aber offensichtlich vorkommen, also sollten Sie darauf besser vorbereitet sein. Nichtmal Ihren Auftraggeber mit vollem Firmenwortlaut zu kennen, das macht nicht gerade einen seriösen Eindruck”, sage ich. Er verspricht, sich das zu merken. Irgendwie tut er mir ein bisschen leid.

Quid pro quo – dafür beantworte ich dann auch seine Fragen. Es geht um die Zufriedenheit in Sachen Versicherungen und Versicherungsbetreuung. Nach fünf Fragen ist alles erledigt, und er fragt, “Und, war das jetzt so schlimm?”

Ich rufe die Geschäftsführerin aber aus Zeitgründen nicht an, und nach einer kurzen, erfolglosen Internetrecherche bezüglich der Dreibuchstabenkombination und ein paar Tagen werfe ich den Zettel weg.

Ein paar Wochen später erhalte ich schon wieder einen Anruf während einer konzentrierten Arbeit. Ich bin offenbar stets hochkonzentriert. Eine Dame erklärt mir, ich hätte da ja vor einigen Wochen bei einer Umfrage mitgemacht, und die Ergebnisse diesr Umfrage seien so bedenklich für die Versicherungsgesellschaften, dass diese sich zu einer konzertierten Aktion entschlossen hätten, im Rahmen derer sie den Versicherungskunden auf Antrag gewisse Verwaltungsgebühren auf die Prämien erlassen würden. Zu diesem Behufe seien im Rahmen von Outsourcing einige Mitarbeiter unterwegs, um diese Verträge zu besehen und den Gebührennachlass zu beantragen.

Ich höre mir das alles an und frage sie, warum die Versicherungsgesellschaften, wenn sie mir einen Rabatt gewähren wollen, dies nicht einfach tun und mir stattdessen irgendeinen aus der Outsource schicken, einen Ausgequollenen quasi. Mit verschwörerischem Unterton erklärt sie in etwa, dass die sich’s natürlich auch einfacher und billiger machen wollen, indem sie diese Nachlässe nur jenen Kunden gewähren, die an der Umfrage teilgenommen haben und sich von Beratern diese Rabatte hereinholen lassen. Die Information, dass ich in der Umfrage meine volle Zufriedenheit mit meinen Betreuern zum Ausdruck gebracht habe, und dass meine Polizzen bereits vom Vermögensberater optimiert sind, lässt sie an sich abperlen. Wann ich denn für einen solchen Termin Zeit hätte. Vielleicht lasse sich ja trotzdem noch ‘etwas machen’.

Sonderbare Art, zu Maklerterminen zu kommen, denke ich, aber ich habe Feuer gefangen, und dieses Spiel will ich jetzt zu Ende spielen. Ich notiere ihre Telefonnummer und jene des Betreuers, der mich zu einem vereinbarten Termin besuchen kommen soll. Und dieser Termin war heute vormittag.

Zuvor erkundige ich mich natürlich, ob ich denn mit der Vermutung richtig liege, dass dieser Versicherungen-Verwaltungsgebühren-Blabla dem Land der Märchen entspringt. Unser Versicherungsbetreuer weiß davon nichts, und der Vermögensberater ist der Ansicht, da wollte einfach jemand über die Beauftragung eines Callcenters zu Neukunden-Terminen kommen. Kalte Akquise sei verboten, man dürfe nicht einfach irgendeine Privatperson zum Zwecke der Terminvereinbarung anrufen; eine Umfrage sei aber als Erstkontakt legitim und ein späterer Anruf in diesem Zusammenhang dann erlaubt.
Unser Vermögensberater hatte Termine bei uns. Er kennt mich schon und weiß, dass Unbequemsein mir Spaß bereitet. Daher äußert er schon im Vorhinein sein Mitgefühl mit dem Makler, freut sich aber auch mit mir auf meinen unterhaltsamen Vormittagstermin, und auf meinen späteren Bericht.

Der Versicherungsmakler, der hier aufkreuzt, ahnt nichts Böses. Er sagt, “Worum es geht, wissen Sie.” Ich sage, “Erklären Sie mal!” Er sagt seinen Standardsatz auf, der natürlich nichts mit Nachlässen von Verwaltungsgebühren zu tun hat, sondern ein ganz normaler Versicherungsagenten-Einstiegssatz ist. “Unverbindliches, kostenloses Polizzenservice, ich schaue alles durch, mache Ihnen Vorschläge, und Sie entscheiden dann, was Sie tun.”

Ich erzähle ihm daraufhin, wie dieser Termin zustandegekommen ist, vom Fritze ohne Firmenwortlaut-Ahnung und der Tante mit den konspirativen Verwaltungsgebühren. Ich tue in klaren Worten meinen Unmut darüber kund und meinen Unwillen, mich derart verscheißern zu lassen. Der Makler notiert sich alles und will mit dem nachgehen. Dass dies nicht dem vereinbarten Gesprächsleitfaden für das Callcenter entspreche, sei selbstverständlich. Ich lasse ihn wissen, dass er mir persönlich sympathisch ist, dass ich aber nur jemandem Einsicht in meine vertraulichen Versicherungsunterlagen gewähre, zu dem eine Vertrauensgrundlage besteht, welche ich nach einer solchen Anbahnungsmethode nicht sehe. Ebensowenig sehe ich auch eine Grundlage, auf der ich darauf vertrauen könnte, dass diese Anbahnung nicht dem ursprünglichen Auftrag an das Callcenter entsprochen haben soll. Und dass er daher bei mir “en Aufdraht’n” habe, also zu deutsch: keine Chance.

Es tut ihm leid, dem Makler, dass wir nicht ins Geschäft kommen, denn endlich wäre da mal jemand, der ein bisschen einen “Gegenpart” böte, und er wolle auch nur ungern lockerlassen, denn “Sie wären sicherlich ganz interessant zu bearbeiten gewesen”. Wir lachen beide über diese missglückte Formulierung. Quid pro quo: Er lässt mich lesen, was die terminvereinbarende Dame über mich vermerkt hat: “Ist freundlich, aber etwas anstrengend: hinterfragt alles 100x.” Ich lasse der Dame meine besten Grüße ausrichten, und dass ich persönlich es wesentlich anstrengender finde, mich am Telefon schamlos belügen zu lassen, als 100 schwere Fragen zu beantworten.

Etwas ähnlich Unseriöses ist mir seit langem nicht untergekommen. Nicht, dass ich überrascht gewesen wäre, einfach einen ordinären Versicherungsmaklertermin vereinbart zu haben. Ich wollte einfach jemanden persönlich hierhaben, dem ich auseinandersetzen kann, wie es auf Menschen wirken kann, wenn man ihnen am Telefon so unverschämt etwas vorlügt. Wenn ich davon auf die Art schließen darf, wie diese Maklerfirma ihre Geschäfte zu machen pflegt, kann ich auf eine Kooperation gut verzichten. Das schafft nicht den Hauch einer Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Und das wollte ich gesagt haben – persönlich, laut, und ohne, dass jemand einfach auflegt.

Das überaus Sonderbare an dieser Geschichte ist nun nicht die zweifelhafte Art und Weise, wie dieser Termin zustandekam oder die dummdreisten Methoden zum Anlandziehen von Terminen. Vielmehr ist es die Tatsache, die den Aussagen des Umfragemenschen und jenen des Maklers zu entnehmen waren: Dass ich die einzige unter hunderten, vielleicht sogar tausenden angerufenen Menschen bin, die nachfragt, wer spricht, die sich sowohl gemerkt hat, was am Telefon be- bzw. versprochen wurde, als auch den Vergleich zu dem anstellt, was dann beim Termin tatsächlich stattfindet – und die daraus auch noch ihre Schlüsse zieht.

Selbst wenn Kaltakquise erlaubt wäre und der Makler am Telefon ehrlich, würde er keinen Termin bekommen, sagt unser Vermögensberater. Weil die Leute belogen werden wollen? Nein, behaupte ich, weil sie es voraussetzen – vielleicht aufgrund von Erfahrungen, die den meinen ähneln – und daher einfach nein sagen.
Kein Wunder. Sowas kostet Zeit und Nerven. Aber ich bin jetzt um eine Erfahrung reicher – und der Herr Versicherungsmakler bestimmt auch.

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Seltsam eigentlich

Kaum öffnet man zu dieser Jahreszeit der Natur ein Fenster oder eine Tür zum Leuchten einer Glühbirne, kommen Eintagsfliegen und Nachtfalter daher und scharen sich um das Licht.

Wenn diese Flattermänner Licht so überaus gerne mögen, warum fliegen sie dann nicht am Tag?

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Gespart!

Hab heute wieder mal in die Flimmerkiste geschaut. Ich bin ein bekennender Serien-Junkie. Allerdings nehme ich sehr oft auf HDD-Recorder auf, was ich sehen möchte, und überspringe dann später die Werbeblocks. Heute jedoch hab ich mal bewusst hingeschaut und drei Werbeblocks lang aufgepasst. Ich wollte herausfinden, was es mich kostet, wenn ich alles kaufe, was in einem einzigen Werbeblock angepriesen wird. Daher überschlug ich mal, wie groß die Lücke ist, die so ein Werbeblock in die Brieftasche reißt.

Zwei der Blocks kamen bei vox, einer auf ORF 1. Langfristige Verträge werden nicht bewertet, Reminder (5- bis 10-sekündige Spot-Zusammenfassungen zur besseren Einprägung) zählen den Wert des ursprünglichen Spots mal zwei. Und ich kaufe natürlich immer nur ganze Produktserien, sofern sie feilgeboten werden.

Im ersten Block kaufe ich gleich dreimal den Sieger bei Stiftung Warentest, ich nehme Unmengen Vitamin C zu mir, habe Vorrat an essentiellen Fettsäuren für mindestens 60 Tage, und ich putze antiallergen, und zwar auf höchstem Niveau. Unvergleichliche Geschmackserlebnisse und besondere Genüsse ziehe ich mir ungeniert rein, unter anderem in Form von Marmelade und Schokolade mit Nüssen und siebenundachtzig weiteren besten Zutaten. Meine Finanzen sind gecheckt, und es ist für meine Zukunft gesorgt, dafür gehe ich allerdings in mindestens drei Fällen langfristige Verträge noch unbekannter Höhe ein. So eine kleine Unterschrift, was macht das schon? Wirkstoffe konzentriere ich an entzündlichen Stellen, mein Cholesterin senkt sich um insgesamt 103% (nur das böse natürlich), und auf Vorrat liegen nun Reinigungstabs und tiefenwirkende Mundspülung für meine Dritten, die ich mir leider nicht mehr leisten können werde. Ich habe meine Haare gefärbt, geschont und dabei noch 20 Minuten gespart, mich für einen guten Zweck engagiert und die Freude an Bewegung wiederhergestellt.
Und das alles um nur unglaubliche 150 Euro!

Im zweiten Block gönne ich mir besondere Dinge zu diversen Firmenjubiläen, und bestimmt nicht zu deren Nachteil, das besagt zumindest die Meinung, die ich mir auf Aufforderung getreulich gebildet habe. Ich genieße sicheren Schutz und abwechslungsreiche Geschmacksrichtungen, muss aber zu meiner Bestürzung auch Geranien, eine Gartenliege und einen Elektromäher mitnehmen. (Dabei hasse ich die Dinger. Ein echter Mäher hat Benzin in sich drin!) Dafür darf ich allerlei Technologien und Komplexe gezielt anwenden und mannigfaltige Effekte erzielen, meine Kurven sind wieder straff, elastisch und glatt, und ich verliere gar fünf Kilogramm – und das nicht nur durch zeitweiliges Abstellen der Einkaufstasche! Ich muss Würstchen mit ekligen Namen von ebenso ekligen Promi-Werbegesichtern erwerben, knochenstarke Kindernahrung zu mir nehmen (puh, das staubt!), Milchreismischungen selber basteln und hinterher noch locker-würziges aus knusprigem Kartoffelteig vertilgen. Anschließend freue ich mich über meine fettigen Fingertapper auf dem Touchscreen – für Individualisten! – habe außerdem meinen CO²-Ausstoß endlich auf unter 120g/km gesenkt, und bestelle in meinem Schwung noch schnell zwei E-Roller um je 1.660. Bei alledem schwebt über mir mein Kranz wie-schwereloser Haare.
Diesmal sind nur zwei langfristige Verträge dabei. Insgesamt ein grandioses Shoppingerlebnis. Dafür kostet mich der ganze Spaß aber auch schon satte 38.903,77 Euro.

Am teuersten erwischt es mich aber bei ORF im dritten Block.
Hier erreiche ich langfristige Ziele mit neuem Lifestyle, lerne etwas über Befruchtung unter Bonbons, die ich anschließend verzehre (Die Bonbons natürlich, aber genau genommen isst man die Befruchtung natürlich mit. Mir graust echt vor gar nix!), ich vernichte Schokolade wie eine Süchtige und komm mir dabei auch noch vor wie in den Alpen – nehme davon aber kein Gramm zu, schließlich habe ich auch ein Medikament zur Gewichtskontrolle in meinem Warenkorb. Gegen den Zuckerflash ist aber leider keines dabei. Studien legen mir stattdessen quicklebendige Bakterien für meinen Darm nahe, ich desinfiziere Wunden am laufenden Band, gewinne kein Auto, esse dafür aber noch mehr Schokoriegel. Weiters erwerbe ich ein sensationelles Studio-Album sowie Kapital- und Zinsgarantie, muss kreischenden Kindern das Gumminaschwerk abjagen und mir zum Muttertag gratulieren lassen, und das alles, während mir unter meinen drei neuen Kleidern für je 4,99 bereits der Schweiß auszubrechen beginnt, wovon ich mit meinen knallrot geschminkten und voller Allüren steckenden Lippen abzulenken versuche. Drei Kindershirts für je 2,99 hab ich auch in der Tasche – wem soll ich die bloß…? Schließlich erlöse ich noch die Kartoffeln, zu denen diese fiesen Menschen grob gewesen sind, senke im Vorbeigehen meine Energie- und Heizkosten und setze außerdem ein bis zwei Zeichen. Vier langfristige Verträge in schwer kalkulierbarer Höhe gehe ich ein.
Den in einem der Spots versprochenen Muttertagsrabatt von 30% ziehe ich mir frech von der Gesamtsumme ab. Die beläuft sich danach aber immer noch auf stolze 40.169,50.

Zur Verteidigung des Heimatsenders ist anzuführen, dass auf ORF die Sendungen nicht durch Werbespots unterbrochen werden. Nur jeweils zwischen den Sendungen gibt es einen Block – bei vox sind es während einer Serienepisode schon zwei.

Fazit: Shoppen ist anstrengend. Man muss sehr genau aufpassen, weil alles so schnell geht. Auf ORF1 wird man besonders schnell arm, dafür nicht so oft. Und ich bin jetzt um insgesamt 79.223,27 ärmer. Und ein paar Zerquetschte.

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Madeira 2

Gibt es auf Atlantikinseln sibirische Winde?

Um das herauszufinden, lege man sich in ein madeirensisches Bett, dessen Matratze im Laufe des Tages ausreichend Gelegenheit hatte, sich mit klammer Feuchtigkeit vollzusaugen. Schon streicht dir ein zarter Gruß aus Sibirien über den Rücken. Eine zusätzliche Weste bringt keinen Erfolg. Schließlich platziere ich meine erstaunlicherweise noch warmen Handflächen unter meiner Nierengegend. Zwei eingeschlafene Arme später gebe ich verdrossen auf und beziehe die Wohnzimmercouch. Die ist wenigstens den ganzen Abend lang mit warmem Rauch beheizt worden.

Sehr früh am nächsten Morgen ist es aber auch da schweinekalt. Ich ziehe mir ein paar Schichten an und gehe raus, stöbere das hoteleigene Holzlager auf, denn unser Holzkorb erfreut sich gähnender Leere. Im Holzlager siehts ähnlich aus, aber am feuchten Fliesenboden des Lagers liegen noch einige Holzscheite rum. Ich packe ein paar kleine ein, die auch sicher in unseren winzigen Ofen passen.
Wenn jemand “schdirdln auf da Gstettn” nach bundesdeutsch übersetzen könnte, wäre ich dankbar – denn das hab ich in meiner Kindheit gemeinsam mit Papa und Bruder oftmals und voller Freude betrieben. Und so werde ich auch dort im Halbdunkel des Holzlagers innerhalb kürzester Zeit weiterer Dinge habhaft – ein großer Blecheimer dort ist mit Holzresten und Rindenstücken gefüllt. Davon nehme ich einen Sack voll mit, außerdem einen leeren Eierkarton und weitere Kartonteile aus dem Papiermüll. Denn ich habe einen Plan für das perfekte Feuer am Abend. Warm soll es sein.

Aber fürs erste nix wie raus hier.

Wir fahren über die Boca Encumeada, von der aus man sowohl Richtung Norden als auch Richtung Süden bis zum Meer sehen kann, durch nebelverhangene Berge in die Paúl da Serra, eine sumpfige Hochebene, deren flache Landschaft und schnurgerade Straßen(!) sich von der restlichen Insel deutlich unterscheiden.

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Wären da nicht die Erikabüsche, man könnte glauben, man wäre durch ein Wurmfarnloch versehentlich irgendwo im Marchfeld gelandet. (Schau genau, auf diesem Foto ist auch das kleine rote Tschihuu versteckt.)

Danach latschen wir schnell mal zwei Kilometer auf einer Serpentinenstraße bergab Richtung Rabacal, in erster Linie, um die Levada do Risco zu erreichen, aber natürlich auch, um am nächsten Tag nicht womöglich ohne Muskelkater dazustehen.

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Levadas heißen die künstlichen Bewässerungsgräben auf Madeira, die in Zeiten der Sklaverei von eher unfreiwilligen Arbeitern angelegt wurden, und an deren Verläufen sich gut wandern lässt.

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Wir werden mit offenen Armen empfangen.

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Ein Wasserfall ist des Latschens Lohn.

Das schwarze Gestein in holder Eintracht mit dem hellen Himmel bildet prächtige Kontraste, bringt aber das Fotohirn regelmäßig zur Verzweiflung. Die Anzeige am Display der Alpha 300 ist unzureichend, die Histogramme sind zwar ausführlich, aber die zugehörige Anzeige des Bildes, auf dem unter- oder überbelichtete Bereiche gekennzeichnet werden, ist viel zu klein und am hellichten Tag kaum zu erkennen. Auch daher kam die schier unbewältigbare Menge an Fotos, die ich mitgebracht hab, nicht nur aus übersprudelnder Inspiration.

Zum Glück für unsere Beinchen bringt uns ein Bus die zwei Kilometer zurück nach oben zum Parkplatz.

Als nächstes landen wir an der Flussmündung der Ribeira da Janela, steigen durch die fensterförmige Öffnung im Fels…

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…und landen an einem prächtigen Strand.
Ich hab mich für die farbverzerrte Variante entschieden. Denn wie kraftvoll die Brandung dort ist, wie herrlich grün der Felsen leuchtet, wenn die Sonne durchkommt, wie herrlich einsam es da ist…

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…und wie wundersam die Pflanzenwelt, lässt sich weder mit Worten noch mit Bildern treffend beschreiben.

Auf dem Rückweg trinken wir Kaffee in der Bucht von Seixal in einem “männerdominierten Café” (O-Ton K.).

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Mir gefällt der grün bemooste, rundgewaschene Fels in der Bucht so gut.

Bei Sao Vicente versuche ich ein paar Langzeitbelichtungen der Brandung. Von einigem gewohnt undamenhaften Gefluche begleitet, denn durch den ND-1000-Filter kann weder Mensch noch Autofokus das geringste erkennen, weder ob der Horizont gerade, noch ob die Felsen scharf sind. Ersteres lässt sich leichter bewerkstelligen (Stativ-Ersatz Hotelmauer, vor der Filtermontage Kamera mit untergelegten Farnwedeln geraderichten), zweiteres ist schon etwas schwieriger, weil der Fokus sich nicht fixieren lässt – und es sich beim ND-Filter um einen Schraubfilter handelt. Eine verwunschene Kombination.

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Trotzdem gibt es eine kleine Belohnung für meine Geduld.

Am Abend, zurück in der Quinta, empfängt uns der warme Schein unserer indischen Hanflampe.
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Das ist aber auch das einzig Warme in der Hütte.

Sofort holen wir unsere Sportzeitung aus dem Toppits, die da drin zum Zwecke der Trockenhaltung gelagert war. Feuermachen mit Grillanzündern ist zwar unsportlich, ohne allerdings ist es unmöglich – auf Madeira. Da schon das Verheizen einer Sportzeitung offenkundig von unserer Unsportlichkeit zeugt, werden auch drei Grillanzünder an strategisch günstigen Stellen platziert. Darauf Stückchen von Fitzelchen von Eierkarton, darüber ein Haufen Kleinholz sowie ein schönes Pyramidchen aus dünnem Gehölz, und schließlich drei richtige Scheite. Es soll vermieden werden, dass die Tür geöffnet werden muss, bevor die Sache richtig heiß geworden ist. Ungeduldig darf man dabei natürlich nicht werden.

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Und siehe da – ein Feuerchen knistert im Ofen! Na geht doch!